Benutzer:Duschgeldrache2/Eigenschwingungen der Erde

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Die Eigenschwingungen der Erde (auch Eigenfrequenzen der Erde oder Erdbrummen (nach engl. hum = "Brummen")) bestehen aus einer Überlagerung dutzender, niederfrequenter Schwingungen, welche der Erdkörper kontinuierlich von sich gibt, also unabhängig von Ereignissen wie Erdbeben oder Vulkanausbrüchen. Allerdings gibt es jahreszeitliche Einflüsse.

Ein ähnlicher Effekt wird auch bei anderen Planeten (z. B. Mars) vermutet, man spricht dann allgemein von Planetenbrummen. Nachgewiesen sind solche Eigenschwingungen außerdem für die Sonne.

Begriff[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

International wird der englische Begriff hum verwendet. Dieser ist jedoch mehrdeutig. Zum einen werden darunter niederfrequente Brummgeräusche verstanden, die lokal abhängig sind und auch nicht von jedem gehört werden.

Auch die schon länger bekannten Mikrobeben, welche durch Atmospäre und Ozeane verursacht werden, werden im Englischen hum oder Earth hum genannt

Siehe:

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Etwa 60 verschiedene Frequenzen überlagern sich im Bereich von 3 bis 7 Millihertz, also etwa 12 Oktaven unterhalb der menschlichen Hörgrenze (Infraschallbereich). Die Schwingungen sind zudem sehr schwach, so dass sie nur mit hochempfindlichen Messgeräten registriert werden können. Die Frequenzen bilden keinen einfachen Gesamtklang, wie etwa bei einer Glocke, sie schwingen vielmehr durcheinander, wie ein ganzes Orchester voller Instrumente.

Arten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es existieren zwei Arten von Schwingungen, sphäroidale und toroidale. Beide Schwingungsarten tragen je etwa die Hälfte zum Gesamteffekt bei.

Sphäroidale Schwingungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die sphäroidalen Schwingungen erfolgen vertikal. Gleichzeitig ergibt sich eine leichte Vor- und Rückwärtsbewegung, so dass insgesamt eine elliptische Bewegung entsteht. Sie erfolgen im Minutentakt. Die Ausschläge betragen wenige zehntel Mikrometer.

Toroidale Schwingungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diese erfolgen horizontal, jedoch in komplizierter Weise verdrillt. Toroidale Schwingungen treten ebenfalls im Minutentakt auf.

Ursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während man heute glaubt, sphäroidale Schwingungen gut zu verstehen, geben die toroidalen Schwingungen noch Rätsel auf.

Als Ursache der sphäroidalen Schwingungen gelten bisher Druckschwankungen, wie sie die Bewegungen von Meer und Atmosphäre bewirken.

Ursache der toroidalen Schwingungen sind Scherkräfte, deren Herkunft jedoch bisher unklar ist. Es gibt zahlreiche Vermutungen, die aber alle bisher spekulativ sind und allenfalls kleine Teile der toroidalen Schwingungen erklären:

  • Berge am Meeresgrund sollen Druck- in Scherkräfte umlenken.
  • Ebenso soll eine unsichtbare Kopplung Bewegungsenergie zwischen beiden Schwingungsformen übertragen. Diese Kopplung beruht auf der Gestalt der Erde, die keine exakte Kugel ist, sondern an den Polen leicht abgeplattet.
  • Auch topographische Effekte durch Tiefseegebirge wurden angenommen.
  • Erdbeben sollen die toroidalen Schwingungen anregen.
  • Sogar die großräumige Rotation der Luft um Tiefdruckgebiete wurde bereits verantwortlich gemacht.

Die Schwierigkeit, die toroidalen Schwingungen zu erklären liegt auch in der Schwierigkeit, sie zu messen. Lokale Luftdruckschwankungen überlagern die toroidalen Eigenschwingungen der Erde. Um sie zu messen, sind deshalb Untertage-Observatorien notwendig, welche die Messgeräte gegen derartige Schwankungen isolieren.

Jahreszeitliche Effekte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die sphäroidalen Schwingungen unterliegen jahreszeitlichen Effekten. Am stärksten sind diese, wenn auf der Nord- oder Südhalbkugel jeweils Winter herrscht.

  • Von Dezember bis Februar kommen die stärksten Schwingungen auf Nordwesten,
  • von Juni bis Ausgust aus Süden.

Eine mögliche Erklärung hierfür liefert eine Theorie, die 2004 von Junkee Rhie und Barbara Romanowicz von der University of California at Berkeley aufgestellt wurde. Danach kämen Stürme als Ursache infrage. Starke Stürme toben im Winter über die Meere und erzeugen Wellen, die bis zum Meeresboden reichen und diesen durchkneten. Ist auf der Nordhalbkugel Winter, toben diese Stürme vor allem auf dem Nordatlantik und dem Nordpazifik. Im Winter der Südhalbkugel toben sie hauptsächlich in den Meeren um die Antarktis herum.

Die toroidalen Schwingungen können durch diesen Effekt jedoch so nicht erklärt werden.

Erforschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ziele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben der Erklärung der toroidalen Schwingungen verspricht man sich von der Erforschung des Erdbrummens vor allem ein besseres Verständnis über das Zusammenwirken von Atmosphäre, festem Erdkörper und Meeren und hieraus wiederum verbesserte Klimamodelle. Daneben erhofft man sich auch neue Erkenntnisse über den inneren Aufbau der Erde, aber auch anderer Planeten, etwa Mars.

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits in der griechischen Antike existierte die Vorstellung einer "Sphärenharmonie". Die Bewegungen der Planeten sollten, für den Menschen unhörbare, Planetentöne erzeugen. Noch 1619 postuliert der Astronom Johannes Kepler in seiner Harmonices Mundi eine solche Sphärenharmonie. Obwohl inzwischen wissenschaftlich überholt, findet die Idee der Sphärenharmonie noch immer Interesse in Kunst und Esoterik.

Nachbau des Seimoskops von Zhang Heng

Der chinesische Astronom Zhang Heng erfindet 132 n. Chr. das erste bekannte Seismoskop. Schon in dem damaligen Gerät kam ein Pendel zum Einsatz.

1794 begründet Ernst Florens Friedrich Chladni die moderne Akustik. Er zeigte, dass akustische Schwingungen unabhängig von der Luft materialbezogen zu betrachten sind. Dies legt gleichzeitig auch die Basis für die moderne Seismologie, da seismische Wellen letztlich nichts anderes sind, als die Schwingungen der Materialien, aus denen die Erde besteht.

Luigi Palmieri erfindet um 1856 den elektrischen Seismographen.

Seismoghraph nach Emil Wiechert

1897 entwickelt Emil Wiechert den ersten Seismograhpen, der für Untersuchungen des Erdinnern geeignet war. 1898 wird er Professor an der Universität Göttingen, Noch im gleichen Jahr wird sein Institut in das weltweit erste Institut für Geophysik umgewandelt. Ab 1899 führt er in der Sternwarte Messungen mit Pendeln und Lichtzeigern durch, ab 1902 in der neugegründeten Erdbebenwarte Göttingen, die älteste noch in Betrieb befindliche Erdbebenwarte der Welt. Er schreibt Bücher und macht wichtige Entdeckungen. Wiechert wird damit zum Begründer der modernen Seismologie.

1960 entdeckt der amerikanische Physiker Robert B. Leighton die Eigenschwingungen der Sonne und begründet damit die Helioseismologie.

Traditionell lag der Schwerpunkt der Seismologie immer auf der Registrierung von Erd- und Seebeben, Vulkanausbrüchen, sowie künstlich ausgelösten Erschütterungen (siehe Seismik), nicht zuletzt auch, weil solche Ereignisse weit stärkere Schwingungen hervorrufen als das Erdbrummen. Im Laufe der Zeit wurden aber immer empfindlichere Messgeräte entwickelt, Pendel, Seismometer und Gravimeter, aber auch leistungsfähige Computer, welche schließlich die technischen Voraussetzungen schufen für die Entdeckung und Erforschung des Erdbrummens.

Geschichte und Methoden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1998 wurden erstmals die sphäroidalen Schwingungen von Kazunari Nawi und Naoki Suda von der Universität Nagoya entdeckt durch die mathematische Analyse von seismischen Daten, welche über mehrere Jahre hinweg gesammelt worden waren.

Blick auf die Altstadt von Schiltach

Die Erforschung der toroidalen Schwingungen bereitete dagegen lange Zeit Probleme. Ursache ist eigentümlicherweise die Tatsache, dass diese stärker sind als die sphäroidalen Schwingungen. Dies liegt aber an lokalen Einflüssen, etwa Luftdruckschwankungen. Um solche lokalen Einflüsse auszuschließen, werden Untertage-Observatorien genutzt, wie das Black Forest Observatory (BFO) nahe Schiltach in Baden-Württemberg. Die Entdeckung der toroidalen Schwingungen gelang schließlich Dieter Kurrle am BFO, nachdem dieser dortige Messreihen mit solchen aus China und Japan verglichen hatte.

Streckeisen STS-2 Seismograph

Die Untersuchung der toroidalen Schwingungen gestaltet sich auch deshalb schwieriger, weil nur wenige Observatorien geiegnete Daten liefern können. Gibt es weltweit über hundert Observatorien, die Daten für die vertikalen Schwingungen liefern, so sind es bei den toroidalen gerademal vier.[1]

Nachfolgend eine Tabelle der Stationen und Datenkanäle, deren Daten für die Untersuchung der toroidalen Schwingen verwendet wurden.

Station Kürzel Land Breite Länge Netzwerk Sensor Kanal Zeitraum
Black Forest Obervatory BFO Deutschland 48,33 °N 8,33 °O IRIS IDA STS-1 VHE 1997-2006
GRSN STS-2 LHE 1996-2006
Baijiantuan BJT China 40,02 °N 116,17 °O CDSN STS-1 VHN 1994-2006
Matsushiro MAJO Japan 36,54 °N 138,21 °O IRIS USGS STS-1 VHE 1996-2006
Takato TTO Japan 35,84 °N 138,12 °O F-net STS-1 LHN 1999-2006

Fortschritte erhofft man sich in Zukunft auch durch Simulationen mittels Supercomputern.

Für die Zukunft sind auch Raummissionen geplant. Das ESA-Programm ExoMars sieht vor, bis spätestens 2019 auf dem Mars zu landen, um dort u. a. auch seismische Messungen vorzunehmen. Ähnliches war bereits Ende der 1990er Jahre geplant gewesen. In dem CNES-geführten Projekt Netlander sollten an vier verschiedenen Stellen des Mars Landekapseln für seismische Messungen ausgesetzt werden. 2003 wurde das Projekt jedoch gestoppt.

Musik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Berliner Tontechniker und Komponist Wolfgang Loos erstellte zusammen mit dem Geophysiker Frank Scherbaum vom Institut für Geowissenschaften der Universität Potsdam aus Schwingungen von Erdbrummen, Erdbeben und Vulkanen eine Komposition. Dabei mussten mithilfe mathematischer Verfahren die ansich unhörbaren Frequenzen in den menschlichen Hörbereich übertragen werden.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ralf Butscher: Die Sinfonie der Erde. Bild der Wissenschaft, 1/2009. Konradin Medien GmbH, Leinfelden-Echterdingen. ISSN 0006-2375.

Links[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kurrle, Dieter und Widmer-Schniedrig, Rudolf: The horizontal hum of the Earth: A global background of spheroidal and toroidal modes. Geophysical Research Letters. Vol. 35 (2008), L06304. ISSN 0094–8276. (in Englisch)

Kategorie:Geophysik Kategorie:Seismik