Benutzer:Elektrofisch/Hildesheim

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1939 lebten in Hildesheim zwei Sinti-Familien die den Behörden bekannt waren. Sie lebten auf einem Stellplatz an der Drispenstedter Straße, 1940 oder 1941 erfolgte der Umzug in das 1938 nach Hildesheim eingemeindete Drispenstedt. Am 1. März 1943 wurden in Hildesheim von der Kriminalpolizei 20 "Zigeuner" verhaftet und zusammen mit 14 Personen aus Göttingen, 8 aus Holzminden sowie 15 aus dem Kreis Peine in das "Zigeunerlager Auschwitz" deportiert. Julius Franz, der zu einer der Hildesheimer Familien gehörte war schon 1938 verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht worden.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Lily van Angeren-Franz: "Polizeilich zwangsentführt": das Leben der Sintizza Lily van Angeren-Franz / von ihr selbst erzählt, aufgezeichnet von Henny Clemens u. Dick Berts. Hrsg. von Hans-Dieter Schmid. - Hildesheim : Gerstenberg, 2004. - 157 S. : Ill. - (Quellen und Dokumentationen zur Stadtgeschichte Hildesheims ; 15) ISBN 3-8067-8556-2 (Erstveröffentlichung auf niederländisch 1997)
  • Hans-Dieter Schmid: Hildesheim im Nationalsozialismus. Die Deportation der Sinti aus Hildesheim im März 1943. Hildesheim 2002
  • Raimond Reiter: Sinti und Roma im "Dritten Reich" und die Geschichte der Sinti in Braunschweig

Weblink[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lernwerkstatt Geschichte der Historischen Seminars der Leibniz Universität Hannover: Hildesheim im Nationalsozialismus - Aspekte der Stadtgeschichte Abschnitt: Von Hildesheim nach Auschwitz: Die Deportation der Sinti aus Hildesheim im März 1943 (2007)

xxxxxxxxx[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durchsehen. http://deposit.ddb.de/ep/netpub/97/29/38/976382997/_data_stat/schmid/index.html#headline_8


Quelle 0[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ich stamme von der deutschen Sinti-Familie Franz. In der Zeit des Nationalsozialismus lebten wir in Hildesheim. Der erste tiefe Einschnitt in der Verfolgungsgeschichte meiner Familie war die Verhaftung unseres Vaters im Jahr 1938, der in das KZ Sachsenhausen verschleppt wurde. Ich war zu diesem Zeitpunkt 14 Jahre alt.

Am 1. März 1943 wurden meine Schwester und ich auf unserer Arbeitsstelle, einer Gummifabrik, abgeholt. Zusammen mit meiner Mutter und meinen Geschwistern kam ich zunächst in ein Gefängnis, wo die Sinti aus der ganzen Umgebung gesammelt wurden. Man sagte uns, wir würden nach Polen umgesiedelt, jede Familie bekäme dort ein Haus und ein Stück Land. Mit Lastwagen wurden wir nach Braunschweig gebracht und in einen Zug gepfercht. Nach endloser Fahrt erreichten wir am Abend unser Ziel: Auschwitz-Birkenau. Völlig erschöpft von der fürchterlichen Fahrt empfingen uns schreiende SS-Männer mit ihren Schäferhunden. Wir alle bekamen eine Nummer in den Unterarm tätowiert, einen Namen hatten wir von nun an nicht mehr. Wir jungen Mädchen kamen zum Arbeitseinsatz: Bei

Meine Verzweiflung wuchs mit jedem Tag. Ich hätte sicherlich nicht überlebt, wenn mich ein polnischer Funktionshäftling nicht auf die Schreibstube geholt hätte. Ich musste in die verschiedenen Häftlingsblocks gehen und die Namen der Menschen auf Karteikarten notieren. Als Lagerschreiberin habe ich erfahren, dass Transporte mit Sinti- und Roma- Familien aus fast ganz Europa in Auschwitz-Birkenau ankamen. In die meisten Karten musste ich später den Tod der Menschen eintragen.

http://www.sintiundroma.de/content/downloads/ausstellungen/transportable/englische/ansprachelvangeren170106.pdf

Quelle 1[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lily van Angeren, ehemalige Schreiberin im Vernichtungslager Auschwitz starb in der Nacht vom 7. März 2011 in Woerden, Niederlande. Als 19-jährige Frau wurde Lily van Angeren zusammen mit ihrer Familie im März 1943 in Hildesheim verhaftet und nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Unter ihrem Mädchennamen Adele Franz wurde sie mit der Nummer Z-561 im Häftlingsbuch registriert. Als Schreiberin im von der SS sogenannten „Zigeunerlager“ überlebte sie die unsäglichen Bedingungen im Lager.

Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, würdigte insbesondere die Rolle von Lily van Angeren bei der Aufarbeitung von NS-Verbrechen. In einem der letzten NS-Prozesse in Deutschland gegen den SS-Blockführer Ernst-August König in Siegen 1987 bis 1991 war Lily van Angeren eine der wichtigsten Zeuginnen, da sie nahezu alle im „Zigeunerlager“ tätigen SS-Leute namentlich und mit ihrer Funktion benennen konnte. Ihre detaillierte Aussage war wesentlich für die Urteilsfindung des ersten NS-Prozesses, der den Völkermord an Sinti und Roma verhandelte, so Romani Rose.

http://www.mrn-news.de/news/heidelberg-zentralrat-deutscher-sinti-und-roma-trauert-um-lily-van-angeren-38940

Quelle 2[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Hildesheim nach Auschwitz: Die Deportation der Sinti aus Hildesheim im März 1943[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sinti in Hildesheim

Hildesheim spielt in der Geschichte der Sinti in Deutschland eine wichtige Rolle: Der älteste Beleg für das Auftauchen der Zigeuner in Deutschland ist eine Weinamtsrechnung aus Hildesheim aus dem Jahr 1407. Wir wissen aber nicht, seit wann Sinti ständig in Hildesheim gewohnt haben. Wir wissen überhaupt so gut wie nichts über die Geschichte der Sinti in Hildesheim. Zur Zeit der "Festsetzung" 1939 lebten wohl nur zwei Sinti-Familien - Franz und Braun - in der Stadt, und zwar zunächst auf einem Stellplatz an der Drispenstedter Straße, ab 1940 oder 1941 in Drispenstedt. Vater Julius Franz war schon 1938 verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht worden. Die beiden ältesten Töchter mussten daher schon mit 14 Jahren arbeiten gehen, um die Familie zu ernähren.


Die Verhaftungsaktion am 1. März 1943

Am 1. März 1943 wurden im Regierungsbezirk Hildesheim schlagartig 57 Sinti von der Kriminalpolizei verhaftet: 20 in Hildesheim, 14 in Göttingen, 8 in Holzminden, 15 im Kreis Peine. Die Verhaftungen wurden in der Wohnung oder am Arbeitsplatz durchgeführt. Die beiden Schwestern Franz zum Beispiel - damals junge Mädchen von 19 bzw. 15 Jahren - wurden auf ihrer Arbeitsstelle, den Wetzell Gummiwerken auf dem Moritzberg, verhaftet. Der älteste der Verhafteten aus dem Regierungsbezirk Hildesheim war 71 Jahre alt, die jüngste ein Mädchen von noch nicht einmal zwei Jahren - beide haben das Jahresende in Auschwitz nicht mehr erlebt. Insgesamt befanden sich unter den 57 Verhafteten 33 Kinder unter 14 Jahren und 5 Jugendliche unter 18 Jahren, d.h. zwei Drittel der Deportierten waren minderjährig.


"Zigeunerfamilienlager" Auschwitz

Grundlage der reichsweiten Verhaftungsaktion war ein Erlass Himmlers und ein Schnellbrief Heydrichs vom 29. Januar 1943. Danach sollten die Zigeuner "familienweise in das Konzentrationslager (Zigeunerlager) Auschwitz" eingeliefert werden. Die Hildesheimer Sinti wurden mit dem Bus zum Bahnhof nach Braunschweig gebracht und von dort in einem Personenwagen der 3. Klasse, der an einen planmäßigen Zug angehängt wurde, nach Auschwitz transportiert. Da sie mitten in der Nacht ankamen, mussten sie den Rest der Nacht stehend verbringen. Erst am nächsten Morgen marschierten sie in das Lager Birkenau zum Block B II e, dem "Zigeunerfamilienlager".

Die katastrophalen Zustände in dem bald völlig überfüllten Lager führten zu Seuchen und Mangelkrankheiten, denen auch viele der Eingelieferten aus Hildesheim zum Opfer fielen. So sind mindestens 28 der 57 Hildesheimer Sinti, also die Hälfte, vor der Auflösung des Lagers gestorben, fast alle in den ersten Monaten. Besonders hoch war die Sterblichkeit unter den Kindern und den Älteren. Von den anderen sind wohl die meisten bei der Auflösung des Lagers am 2. August 1944 in den Gaskammern von Birkenau ermordet worden. Von der Familie Franz überlebten nur die beiden ältesten Töchter, weil sie vor der Auflösung des Lagers zur Zwangsarbeit in Außenlager transportiert worden waren.


Die Ausplünderung

Erst nach der Deportation der Sinti trat die Gestapo in Aktion. Sie organisierte die "Verwertung", d.h. die Einziehung und den Verkauf aller Vermögenswerte der Deportierten zugunsten des Reiches. Dazu benutze man ein durch mehrere Erlasse geregeltes Verfahren, wie man es ähnlich schon bei der Deportation der Juden angewandt hatte. Zunächst wurde der Regierungspräsident aufgefordert, eine "Sammeleinziehungsverfügung" zu erlassen, die öffentlich bekannt gemacht werden musste. Dies geschah dadurch, dass der Hildesheimer Regierungsvizepräsident die Einziehungsverfügung mit allen 57 Namen am 10. Mai im Deutschen Reichsanzeiger veröffentlichen ließ. Die "endgültige Verwertung" lag bei der Vermögensverwertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten, die ihrerseits die Finanzämter in Göttingen, Hildesheim, Holzminden und Peine beauftragte, die eingezogenen Vermögenswerte zu übernehmen und - wie es wörtlich hieß - "wie Judensachen zu behandeln". In der Regel hieß das, dass sie im Auftrag des Finanzamts öffentlich versteigert wurden.

Bei der ganzen Aktion waren eine Vielzahl von Institutionen beteiligt: Kriminalpolizei und Gestapo, Stadtverwaltungen und Landratsämter, Regierungspräsidium, Oberfinanzpräsident, Finanzämter und öffentliche Versteigerer. Alle beteiligten sich offenbar ohne Bedenken und mit bürokratischem Eifer an diesem hochgradig arbeitsteilig organisierten Prozess der Ausplünderung ihrer Mitbürger.


Ein Bischof reagiert

Die Deportation der Sinti blieb in Hildesheim nicht ganz unbemerkt: Am 6. März 1943 - also wenige Tage nach der großen Deportation - schrieb der Hildesheimer Bischof Godehard Machens an den Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz, den Breslauer Kardinal Bertram, dass in den "letzten Tagen an vier Stellen meiner Diözese - es können mehr sein - katholische Zigeunerkinder aus Heimen oder Pflegestellen" durch die Polizei abgeholt worden seien. Man befürchte sehr, dass ihr Leben in Gefahr sei. "Beklommenen Herzens" frage er sich, was man tun könne, "um unsere Glaubensbrüder zu schützen und zugleich vor unseren Gläubigen deutlich genug herauszustellen, daß wir weit von solchen Maßnahmen abrücken, die nicht nur Gottes- und Menschenrechte missachten, sondern das moralische Bewusstsein im Volke untergraben und Deutschlands Namen schänden."


Aufgrund dieses Briefes wurde am 19. August 1943 von der Fuldaer Bischofs-konferenz ein Hirtenwort über die 10 Gebote beschlossen, in dessen Entwurf sogar von "Mord" die Rede war. In Hildesheim ist dieser Hirtenbrief in zwei Teilen am 19. und 26. September 1943 von den Kanzeln der katholischen Kirchen "laut und deutlich" verlesen worden, sicher ohne darauf hinzuweisen, dass der eigentliche Anlass für dieses Wort der Protest ihres Bischofs gegen die Deportation der Hildesheimer Sinti war.


Wiedersehen in Hildesheim

Nur zwei Mitglieder der Familie Franz trafen sich nach dem Krieg in Hildesheim wieder: Vater Julius Franz und die zweitälteste Tochter Waltraud. Sie blieben hier, nicht zuletzt, weil sie zunächst noch auf die Rückkehr der Mutter hofften. Dass es die älteste Tochter nach Holland verschlagen hatte, erfuhren sie erst nach einem Jahr. Beide wohnten bis zu ihrem Tod in Hildesheim. Die ältere der Schwestern, Lily van Angeren-Franz, blieb in den Niederlanden.


Bild - und Schriftdokumente



Geborgt hier[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]