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Der weibliche Zauber und das blinde Maskulinum

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Wikipedia hat sich verschrieben! Dem „Generischen Maskulinum“, das weibliche Lemmata verbietet. Diese enzyklopädische Tradition der Buchzeit entspricht zumindest im deutschsprachigen Raum nicht der Wirklichkeit der modernen Sprache. Und wir sind die Gegenzauberinnen, wir holen die weibliche Wirklichkeit wieder ins enzyklopädische Licht, wenn das Maskulinum sie ins Dunkel stößt. Eine umfassende Enzyklopädie darf inhaltsreiche weibliche Lemmata nicht ignorieren! Wir sind jetzt noch wenige, auch mal ein Gegenzauberer dabei. Aber wir könnten schnell mehr werden. Wir schreiben Übersichtsartikel über weibliche Lebensbereiche. Sie sind gute Linkcontainer für Frauenbiografien. Lemmata wie „Frauen in der Kunst“, „Frauen in der Wissenschaft“, „Frauen in der Musik“ (und andere). Schaut euch bitte mal einen Artikel an, bevor ihr hier weiter lest.

Wenn nicht die großen Artikel zu solchen Berufs- und Lebensbereichen geschrieben worden wären, hätte eine im Maskulinum erstarrte Wikipedia zu Begriffsfeldern wie „Künstlerin“, „Komponistin“ und "Wissenschaftlerin" nur frustrierende Leere zu bieten. Die Suchenden und Nachschlagenden könnten mehr oder weniger zufällig einzelne Biografien finden, aber den Gesamtzusammenhang weiblicher Geschichte und Gegenwart nicht herstellen.

Judith Leyster: Selbstbildnis (1630)

Die alltägliche Variante, wie die weiblichen Berufe und Tätigkeiten bezeichnet werden, lässt das Generische Maskulinum nicht zu: Die Lemmata „Künstlerin“/„Kunstsammlerin“/„Mäzenatin“, „Wissenschaftlerin“, „Philosophin“, „Musikerin“/„Komponistin“/„Dirigentin“, „Politikerin“ dürfen in Wikipedia weder Artikelüberschrift noch Kategorie sein. Wir sind gezwungen, Lemmata in einer seltsamen Formulierung anzulegen, die uns von Anhängern des Maskulinums, die in Wikipedia mehrheitlich die Diskussion bestimmen, gestattet wird.

Die von ihnen erlaubte Lemma-Konstruktion, nach dem Muster „Frauen in ………“, benachteiligt jedoch unsere Lemmata gegenüber grammatikalisch männlichen in mehrfacher Hinsicht:

  1. Behinderung bei der Veröffentlichung: Auf die Idee, „Frauen in der Politik“ nachzuschlagen statt „Politikerin“, kommen Benutzer und Benutzerinnen einer Enzyklopädie nicht von sich aus. Auch wer die Thematik im Internet sucht, findet viele unserer Artikel nur schwer. Wir vermuten, in der Regel werden sie eher spontan nachgeschlagen, wenn sie – in einem anderen Artikel verlinkt – Interesse wecken. Trotzdem haben unsere Artikel teils hohe Zugriffszahlen („Frauen in der Kunst“ täglich etwa 100 bis 120 Artikelaufrufe). Das lässt darauf schließen, dass die Thematik relevant ist und dass wir ein Bedürfnis der Leser und Leserinnen erfüllen.
  2. Der Gegenstandsbereich des Artikels wird durch die Lemma-Konstruktion unpräzise, oft betrifft er dann mehrere Berufe.
  3. Die weiblichen enzyklopädischen Bereiche erhalten einen Sonderstatus, der von den meisten Frauen und vermutlich der Mehrheit der Männer nicht gewünscht wird.

Übermännlich gepolte Hirne folgen der Philosophie, dass weibliche Lemmata im Wesentlichen keine anderen enzyklopädischen Inhalte transportieren als ihre männlichen Pendants. Zurzeit – und hoffentlich nicht mehr allzu lange – wird gewohnheitsmäßig angenommen, es ginge beispielsweise bei Berufsbezeichnungen nur grammatikalisch um einen „kleinen Unterschied“. Mehr als ein Unterabschnitt im männlichen Lemma sei für „das Frauenthema“ nicht nötig. Dabei stehen im Computerzeitalter dem Verweis auf weibliche Lemmata weder die Papierknappheit noch das Gewicht des Buches entgegen.

Die Ärztin erklärt ein Röntgenbild

Am Beispiel des Lemmas „Frauen in der Medizin“ (noch in Vorbereitung) lässt sich erklären, warum ein weibliches Berufsbild wesentlich anders als das männliche sein kann. Das Lemma „Ärztin“ hat eine ganz eigene Geschichte weiblicher Heilkunde durch die Jahrhunderte und auf mehreren Kontinenten, zu der es viele Quellen gibt. In Europa gehören zum Unterbau für das moderne Lemma "Ärztin" solche Lemmata wie „Hexe“, „Hebamme“ und „Weise Frau“. Auch heute arbeiten viele Ärztinnen am Menschen anders und oft sensitiver als Männer. Es gibt dazu wissenschaftliche Untersuchungen. Die Konnotationen des Lemmas „Ärztin“ sind aus all diesen Gründen teils andere als beim Lemma „Arzt“. Dass der Unterschied nicht selbstverständlich anerkannt wird, wirkt sich mental, beruflich und kulturell negativ aus.

Was wir unmittelbar benötigen: ein Portal, auf dem Artikel versammelt sind, die dem Dilemma des Generischen Maskulinums entgegenwirken. So finden wir neue Autorinnen und Autoren und so werden mehr Artikel über weibliche Lebensbereiche geschrieben. Wir haben unsere Situation auf der Diskussionsseite der Portale mit allen wichtigen Links vorgestellt. Eine Antwort steht seit mehreren Wochen aus.

Eine wesentliche Verbesserung wäre leicht zu erproben: Eine vorsichtige Öffnung in Richtung einer gewissen Gleichberechtigung weiblicher Lemmata. Dazu nötig wäre nur eine vernünftige interne Relevanzprüfung für weibliche Lemmata. Nur diejenigen Lemmata sind relevant, die tatsächlich wichtige enzyklopädische Informationen aus der weiblichen Realität in Wikipedia präsentieren. Fangen wir doch mit unseren Lemmata an: "Politikerin" zum Beispiel statt "Frauen in der Politik".

Als ein Gegenargument wird sicher kommen, das würde zu Verwirrung führen und später zu einer Auflösung der bewährten Struktur. In Wirklichkeit muss das unsere heutige Sorge nicht sein. Denn wenn sich aus dem freien Umgang mit den Lemmata Probleme ergeben, werden sich auch in Zukunft brauchbare Lösungen dafür finden.

„Da schreib’ ich doch lieber mal was hier statt für Brigitte.“

Wikipediapraktisch wäre die neue „kleine Freiheit“ weiblicher Lemmata eine kleine Revolution. Nach einem Umschwung in die neue Richtung würden mehr begeisterte Autorinnen in Wikipedia schreiben. Es wäre auf diesem Hintergrund eine grandiose Werbekampagne denkbar, die weibliche Autorinnen aktiviert – Ein neuer Frühling für die fortschrittliche, dem tatsächlichen Sprachgebrauch angepasste Wikipedia.

Das jedoch können und wollen wir, die hier friedlich Artikel schreiben, nicht alles zusätzlich leisten. Wir könnten aber durchaus die richtigen Artikel schreiben, deren Lemmata später hoffentlich in ihre natürliche nachschlagbare Form gebracht werden. Der etwas sperrige Name unserer Unternehmung: Wikipedia:WikiProjekt Frauen in Gesellschaftsbereichen. 12 Artikel haben wir in den Namensraum gebracht, etwa die gleiche Anzahl ist in Vorbereitung.

Wenn unsere Arbeit in einem umfassenderen Sinn wirksam werden soll, müssen sich sprachlich bewusste Autorinnen und auch Administratorinnen einsetzen. Unvermeidlich ganz besonders, und sehr klug, müssten sich die wohlgesonnenen Männer Mühe geben, die verstehen, dass die Änderung enzyklopädisch sinnvoll ist. Ohne eine ruhige und überlegte Überzeugungsarbeit ist die Fraktion der Beharrenden, der Verbietenden und der Bedenkenträger nicht zu bekehren. Und wo ihre Befürchtungen Substanz haben, sollten wir gemeinsam gute Lösungen finden, statt uns gegenseitig zu blockieren. FEM, veröffentlicht durch FCT, 21. März