Benutzer:Fspade/Sterbefasten

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Sterbefasten bezeichnet den freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit mit dem Ziel den eigenen Tod selbstbestimmt und in Würde herbeizuführen.

Beim Sterbefasten wird nacheinander oder zugleich mit dem Essen und Trinken aufgehört. Um den Prozess so leidfrei wie möglich zu halten, ist eine gute Mund- und Schleimhautpflege unumgänglich. Bei konsequenter Durchführung ist innerhalb von ca. zwei Wochen mit dem Tod zu rechnen. Abhängig von der Grunderkrankung und der körperlichen Verfassung kann es aber auch schneller gehen. Durch Einnahme von Flüssigkeit kann das Sterben herausgezögert werden. „Wenn man mit dem Trinken nicht aufhört, kann man viele Wochen fasten, ohne dadurch den Tod herbeizuführen.“[1]

Es ist natürlich für Sterbende mit dem Essen und Trinken aufzuhören. Sie sterben dann nicht weil sie nicht essen und trinken, sondern hören auf zu Essen und zu Trinken weil sie sterben.[2]

"Nach Beginn von FVNF ist über viele Tage ein Umdenken möglich. Eine völlige Bewusstlosigkeit tritt sehr spät, mitunter gar nicht ein. Und: FVNF kann man auch immer wieder abbrechen, hinausschieben, später neu beginnen oder ganz lassen."[3]

„Dass man das Leben nach einer autonomen Entscheidung eines Tages durch Sterbefasten beenden kann (...), wird für manche etwas Befreiendes und Beruhigendes darstellen.“[4]

Mit dem Begriff „Sterbefasten“ ist ein Fasten zum Sterben gemeint, also ein bewusster Akt, mit dem jemand sein Leben vorzeitig beenden will. Nur wenn der Betreffende dann auch das Trinken fast völlig einstellt, wird er dieses Ziel auch in einer ihm erträglich kurzen Zeit erreichen.

Eine korrekte andere Bezeichnung dieses Verhaltens ist „Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit“[5] abgekürzt „FVNF“ und stets, wenn auch unausgesprochen, verknüpft mit: „in der Absicht, vorzeitig zu sterben“. Der Begriff „Sterbefasten“ sollte – wenn keine weiteren Angaben dazu gemacht werden – stets in der Bedeutung des FVNF verwendet werden.

Das Wort „Sterbefasten“ wurde zuerst in wissenschaftlichen Abhandlungen zur indischen Religionsgeschichte verwendet. Es bot sich als Übersetzung der Begriffe prayopavésna (Sanskrit) und sallekhana (Mittelindisch) an, die im Hinduismus bzw. im Jainismus das Fasten zur Beendigung des Lebens, verbunden mit verschiedenen Vorschriften und Ritualen bezeichnen.

„Sterbefasten“ tauchte in der Sterbehilfedebatte erstmals bei R. H. Wettstein [6] auf und wurde dann von P. Baumann [7] aufgegriffen.

Schon in der europäischen Antike war Sterbefasten bekannt. Im heutigen Indien wird es noch immer praktiziert obwohl es seit einiger Zeit Bestrebungen gibt, es wie Suizid unter Strafe zu stellen. [8]

Mit „Sterbefasten“ könnte man auch ein Fasten beim Sterben bezeichnen, nämlich ein unreflektiertes Verringern oder ein Beenden des Essens und Trinkens bei schwer Kranken in der Sterbephase, wodurch sich ihr Befinden verbessern kann. In dieser Bedeutung wird „Sterbefasten“ allerdings kaum verwendet. Man sollte den Begriff „Sterbefasten“ auf demente Menschen nicht anwenden, auch wenn diese in der Spätphase zuweilen nur noch wenig essen und trinken oder sogar abwehrend reagieren, wenn man sie dazu anhalten will.

Pathophysiologie

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Wenn dem Körper keine Nahrung zugeführt wird, schaltet der Stoffwechsel nach ein bis zwei Tagen von Kohlenstoff- auf Fett-Verbrennung um. Anschließend werden auch Eiweiße abgebaut. Gleichzeitig legt sich das Hungergefühl; bei striktem Nachrungsverzicht meist nach drei Tagen vollständig. Bei diesen Stoffwechselvorgängen bilden sich Ketokörper wie Aceton (erkennbar an Mund- und Körpergeruch), für die eine schmerzlindernde Wirkung belegt ist. Bei längerem Fasten schüttet der Körper auch Endorphine aus, die euphorisierend wirken. Pro Tag verlieren Fastende im Durchschnitt etwa 400 Gramm Gewicht, am Anfang vor allem Wasser und dann Eiweiß (vor allem Muskelsubstanz).

Bei fast vollständigem Verzicht auf Flüssigkeit, beginnt die Austrocknung (Exsikkose). Vor allem durch ein Austrocknen der Mundschleimhäute entwickelt sich dabei das Durstempfinden. Ab einem Wasserverlust von ca. 10 Prozent kann es zu Sprachstörungen und unsicherem Gang führen. Bei schwer kranken Patienten kann in der Sterbephase die Flüssigkeitsgabe stark reduziert werden, was oft mit eine Leidensverminderung verbunden ist (terminale Dehydration).[9]

Durch die Dehydration haben die Nieren zu wenig Flüssigkeit um ihre Ausscheidungsfunktion aufrecht zu erhalten. Es kommt zu einer Erhöhung des Harnstoffs im Blut, der mit der Zeit eine einschläfernde Wirkung entwickelt. Der Tod tritt dann in der Regel im Schlaf durch Herzstillstand ein. Nach holländischen Beobachtungen sterben dabei 70 Prozent innerhalb von 16 Tagen.[10]

Eine Befragung von Pflegenden aus Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Oregon, die ein solches Sterben begleitet hatten ergab, dass sie den Sterbeprozess im Durchschnitt als sehr gut und friedlich erlebt hatten.[11]

Gesellschaftlich ist das Verhalten zum Sterbefasten – zumindest in Deutschland – durch Unwissenheit und Vorurteile dominiert. Während es in der Hospizbewegung bekannt und akzeptiert ist, dass ein sterbender Mensch zunächst auf das Essen und im weiteren Verlauf auch auf das Trinken verzichtet, wird es von Laien, aber häufig auch von Ärzten und Pflegekräften, fälschlicherweise mit Hunger und Durst assoziiert.

Der Verzicht bzw. die Ablehnung von lebenserhaltenden Maßnahmen ist spätestens seit dem Erlass des Patientenverfügungsgesetzes (BGB § 1901f) in Deutschland rechtens. Dazu zählt natürlich auch der Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit, so lange dies von einer voll einwilligungsfähigen Person getan wird, die ihren Willen glaubhaft und nachhaltig geäußert hat. Der nachhaltige Wille wird hier schon durch die fortgesetzte Ablehnung der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme dokumentiert. Hilfreich ist das vorliegen einer gleichlautenden Patientenverfügung und – zumindest bis sich die Erkenntnis der Straffreiheit herumgesprochen hat – einer Modifizierung der Garantenpflicht. Letzteres, um den falschen Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung abweisen zu können, der gelegentlich unterstellt wird, wenn der oder die Fastende am Ende das Bewusstsein verliert.

Ein Arzt, der einen Patienten beim Sterbefasten palliativmedizinisch betreut, handelt im Einklang mit deutschem Recht und seiner Standesethik, denn er trägt nicht zum Sterben bei, sondern sorgt – den Umständen entsprechend – für das Wohlbefinden des oder der Sterbenden.

Kulturelle Aspekte

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Beim buddhistischen Ritual Sokushinbutsu wird in einem jahrelangen Prozess versucht eine Selbstmumifizierung durch Reduzierung und schließlich totalen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit zu erreichen. Dieses extreme Ritual wurde im 19. Jahrhundert verboten.

Einzelnachweise

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  1. Boudewijn Chabot, Christian Walther: Ausweg am Lebensende. S. 49
  2. Doris Stangelberger-Frosch: Flüssigkeitsgabe am Lebensende
  3. Jürgen Bickhardt, Roland Martin Hanke:Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit: Eine ganz eigene Handlungsweise. Dtsch Arztebl 2014; 111(14): A 590–2
  4. Boudewijn Chabot, Christian Walther: Ausweg am Lebensende. S. ?
  5. Boudewijn Chabot, Christian Walther: Ausweg am Lebensende. S.
  6. Sterben zur Rechten Zeit, 1999
  7. Suizid und Suizidhilfe, 1. Aufl. 2007
  8. Young, 1989
  9. Gian Borasio: Ernährung und Flüssigkeit in der Palliativmedizin
  10. Chabot; Walter: Ausweg am Lebensende. S. 55
  11. Ralf J. Jox: Sterben lassen. S. 197
  • Boudewijn Chabot: Taking Control of your Death by Stopping Eating and Drinking. 2014, ISBN 978-90-816194-3-1, 88 Seiten
  • Ralf J. Jox: Sterben lassen – Über Entscheidungen am Ende des Lebens. rororo, 2013, ISBN 978-3-499-63032-3, 272 Seiten
  • Boudewijn Chabot, Christian Walther: Ausweg am Lebensende: Selbstbestimmtes Sterben durch freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken. Reinhardt, München, 3. aktualisierte Auflage, 2012, ISBN 978-3-497-02274-8, 174 Seiten
  • Judith K. Schwarz: Death by voluntary dehydration: Suicide or the right to refuse a life-prolonging measure? In: Widener Law Review, 2011, Vol. 17:351, S. 251–361
  • Judith Schwarz: Exploring the Option of Voluntarily Stopping Eating and Drinking within the Context of a Suffering Patient's Request for a Hastened Death. Journal of Palliative Medicine. December 2007, 10(6): 1288-1297
  • Stanley A. Terman: The Best Way to Say Goodbye: A Legal Peaceful Choice At the End of Life. 2007, ISBN 978-1933418032, 489 Seiten
  • Goy, E. R., Miller, L. L., Harvath, T. A., Jackson, A., Delorit, M. A.: Nurses’ Experiences with Hospice Patients who refuse Food and Fluids to hasten Death. New England Journal of Medicine, 2003, 349, 359–365
  • Jacobs, J.: Death by Voluntary Dehydration: What Caregivers say. New England Journal of Medicine, 2003, 325–326
  • Quill, T. E., Lo, B., Brock, D. W.: Palliative options of last resort: A comparison of voluntary stopping eating and drinking, terminal sedation, physician-assisted suicide, and voluntary active euthanasia. Journal of the American Medical Association, 1997, 278, 2099–2104
  • Justice, C.: The “Natural” Death While Not Eating: A Type of Palliative Care in Banaras, India. Journal of Palliative Care. 1995, 11(1): 38-42
  • Bernat, B. L., Gert, B., Mogielnicki, R. P.: Patient refusal of hydration and nutrition. An alternative to physician-assisted suicide or active euthanasia. Archives of Internal Medicine, 1993, 153, 2723–2728