Benutzer:JEW/Gräberfeld von Street House

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das angelsächsische Gräberfeld von Street House (englisch Street House Anglo-Saxon cemetery) liegt auf der Street House Farm, nordöstlich von Loftus, in Redcar and Cleveland in North Yorkshire in England. Das auf Luftaufnahmen entdeckte Gräberfeld stammt aus der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts n. Chr.

Die angelsächsische Prinzessin

Grabungsgeschichte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Umgebung der Street House Farm auf dem Upton Hill ist den Archäologen seit Jahrzehnten bekannt. Zwischen 1979 und 1981 wurde der frühneolithische Long Cairn von Street House und ein Grab von etwa 3300 v. Chr. ausgegraben, auf dem während der frühen Bronzezeit ein Rundhügel errichtet wurde. 1984 entdeckte der Archäologe Blaise E. Vyner Reste einer Struktur, die er „Street House Wossit“ nannte („Wossit“ = die Zusammenziehung von „what-is-it“). „Wossit“ war ein um 2200 v. Chr. errichteter, segmentierter Kreis aus 56 Holzpfosten. In der Mitte der etwa 8,0 Meter breiten Struktur befanden sich zwei D-förmige Pfosten, die von einer Steinbank umgeben waren. Nach kurzer Nutzungszeit wurde sie abgebaut und die Pfosten verbrannt.

2010 und 2011 wurden in der Nähe des Gräberfelds Grabungen durchgeführt um innerhalb der eisenzeitlichen Einfriedung einen neolithischen Steinhügel und einen Hügel aus der Bronzezeit zu untersuchen. 2012 wurden 100 Meter südlich der Gräber die Ruinen einer großen römischen Villa aus der Zeit um 370 n. Chr. gefunden.

Ausgrabungen des Gräberfeldes

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der an den Ausgrabungen von 1979–81 beteiligte Archäologe Steven J. Sherlock beschloss 2004, nachdem Luftaufnahmen die Einfriedung in der Nähe der bronzezeitlichen Monumente offenbarten, zu der Stätte zurückzukehren und eine kleine Ausgrabung durchzuführen. Es wurde gemutmaßt, dass die Einfriedung aus der frühen Eisenzeit bzw. oder römisch-britisch stammte. Nachdem eine geophysikalische Untersuchung ein großes Rundhaus in der Einfriedung offenbarte, erfolgte 2005 eine größere Ausgrabung. Sie enthüllte Gräben aus der Eisenzeit, drei Rundhäuser und 30 Gräber aus der angelsächsischen Zeit. Artefakte aus der Zeit zwischen 650 und 700 n. Chr. wurden entdeckt, aber keine Knochen, da der saure Boden organisches Material zerstört hatte.

2006 suchten die Archäologen nach einer mit den Gräbern in Verbindung stehenden Siedlung. Es wurden jedoch weitere 12 Gräber freigelegt. Da das Gräberfeld größer als angenommen war, erfolgte 2007 eine weitere Untersuchung des Geländes. Bis zum Ende der Grabungen wurden 109 Gräber gefunden, die einen Komplex bilden, der als Quadrat um einen Hügel, eine Bettbestattung und ein Gebäude beinhaltete, das eventuell als Leichenhalle gedient hatte. Bei den zwischen 2005 und 2007 erfolgten Ausgrabungen wurden Gräber und Gebäudereste freigelegt.

Die in angelsächsischer Zeit noch gut erkennbare Einhegung, in der das etwa 36 x 34 Meter große Gräberfeld lag, stammte von etwa 200 v. Chr. Es besteht aus in einem Quadrat angeordneten Ost-West-orientierten Grabreihen, die auf keinem anderen erkannten angelsächsischen Gräberfeld zu finden sind. Die meisten Gräber wurden in Doppelreihen an der Nord- und Südseite angelegt. Sie waren auf der Ost-West-Achse 2,5 Meter und auf der von Nord-Süd-Achse 2,0 Meter voneinander entfernt. Eine Lücke auf der Südseite bildete den Haupteingang und eine kleinere auf der Ostseite einen Nebeneingang. Gräbergruppen, die nicht in den Gesamtplan passen, machen etwa 22% der Gesamtzahl aus. Einige scheinen römisch-britisch zu sein, die anderen wurden eventuell in angelsächsischer Zeit von verschiedenen Gruppen angelegt.

Die sächsische Prinzessin

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Aussagen ob die Nutzer des Gräberfeldes Christen oder Heiden waren sind widersprüchlich, da Kennzeichen beider Traditionen vorliegen. Artefakte und Schmuck einschließlich dem einer hochrangigen angelsächsischen Frau, die auf einem Bett begraben war, wurden gefunden. Die Identität der Frau ist unbekannt, aber die Anordnung des Gräberfelds und die Artefakte ähneln Funden in Südostengland . Archäologen vermuten, dass die Frau und einige der um sie herum Begrabenen aus dem Süden eingewandert sind, wo Bettbestattungen (englisch Bed burial) häufiger vorkommen (Collingbourne Ducis, Shrubland Hall Quarry, Swallowcliffe Down und Trumpington). Sie wurden eventuell kurz vor Aufgabe des Gräberfeldes begraben. Die Frau, die die "sächsische Prinzessin" genannt wird, war, obwohl die Qualität ihrer Beigaben und Funde größte Aufmerksamkeit erregten, vielleicht nicht das wichtigste Grab des Feldes. Ein größerer Hügel teilweise von einem Ringgraben umgeben liegt in geringer Entfernung nahe der Gehegemitte. In seinem Inneren wurde keine Bestattung gefunden. Das Kenotaph wurde als Denkmal für eine wichtige Person interpretiert. Die „sächsische Prinzessin“ und einige Bestattungen im nordöstlichen Quadranten waren in einem Bogen um diesen Hügel angeordnet, was darauf hindeutet, dass er als Zentrum angesehen wurde.

Die Ost-West-Ausrichtung der Gräber führte zu der Vermutung, dass das Gräberfeld christliche Tradition widerspiegelt, aber die Belege sind widersprüchlich. Die rechteckigen Gräber mit den gerundeten Ecken waren normalerweise 2,0 m lang, 0,8 m breit und ursprünglich etwa 0,6 m tief. Die Leichen wurden in ihrer Kleidung begleitet von Dingen, die sie besaßen oder von Trauernden mitgegeben wurden, begraben. Obwohl keine Leichen erhalten blieben, geht man anhand der Größe davon aus, dass die meisten Gräber für Frauen bestimmt waren. Eine bedeutende Anzahl ist zu klein für einen ausgestreckten Erwachsenen. Nach analogen angelsächsischen Gräbern in England, wird angenommen, dass sie Hockerbestattungen enthalten haben. Die unterschiedlichen Bestattungsmethoden können auf ethnische, politische oder religiöse Unterschiede deuten.

Grabsteine

Einige Gräber sind durch dreieckige Steine markiert. Diese sind nicht wie auf christlichen Friedhöfen geformt oder mit Namen beschriftet, sondern ähneln denen auf heidnischen Gräberfeldern. Einige Gräber sind durch Pfahllöcher unterbrochen, was auf Pfähle weist, die als Markierung oder Holzkonstruktionen gedient haben könnten. Dies ist im Nordengland befremdlich, obwohl in Kent Beispiele gefunden wurden.

Neben Gräbern fanden sich Gebäude. Auf der Ostseite stand ein anhand der Pfostenlöcher identifiziertes, größeres rechteckiges Ost-West-orientiertes, als Kapelle oder Schrein interpretiertes Gebäude. In der Nähe befand sich im zentralen Bereich des Gräberfeldes ein vermutlich als Totenkapelle genutztes Grubenhaus. Im nordwestlichen Quadranten befand sich ein Rundhaus aus der Eisenzeit, das zum Zeitpunkt des Gräberfeldes aber nicht mehr stand. Alle Gebäude standen auf dem Kamm des Bergrückens. Das Gräberfeld scheint nur kurzzeitig genutzt worden zu sein.

In 64 Gräbern, (59 % der Gesamtzahl), wurden Artefakte gefunden, die halfen, das Geschlecht der Toten zu identifizieren. Männergräber enthielten Waffen und Werkzeuge, während Frauengräber mit Chatelains (Gürtelhaken zum anhängen von Schlüsseln oder kleinen Werkzeugen) sowie Schmuck und Scheren in Verbindung gebracht werden. 34 Gräber enthielten geschlechtsspezifische Beigaben, von denen 19 mit Frauen und 15 mit Männern in Verbindung gebracht werden. Die Frauengräber befanden sich überwiegend im Norden und Westen und die Männergräber im Süden und Osten des Gräberfeldes. Eventuell handelte es sich bei den Paargräbern um Ehegatten, eine Form, die auf angelsächsischen Gräberfeldern in anderen Teilen des Landes feststellbar ist. 15 Gräber enthielten künstliche Perlen und in 25 wurden Schmiedearbeiten gefunden. Die Auffindung von Waffen als Grabbeigaben ist äußerst selten. Ein Sax in Grab 29 war die einzige Waffe auf dem Gräberfeld. Er war ursprünglich etwa 55 Zentimeter lang, aber in vier Teile zerbrochen. Ein Teil des Knaufs und des Griffs blieben erhalten. Die Klinge war am oberen Rand mit einem gestanzten Muster verziert. In 19 Gräbern wurden kleine Messer und Utensilien aus Eisen wie Gürtelschnallen und Schlüsselbunde gefunden. In Grab 81 wurden zwei Wetzsteine entdeckt, auf denen je ein Messer ruhte. Eine Vielzahl von Anhängern, Perlen und Schmuck wurde ebenso entdeckt. Aus 16 Gräbern wurden insgesamt 100 Perlen geborgen, wobei zu zweien mehr als 10 Perlen gehörten. Die geringe Perlenanzahl in den verbleibenden 14 Gräbern, weist darauf, dass die Mode sich geändert hatte. Im 6. Jahrhundert war es üblich, an Halsketten bis zu 100 schlichte Perlen zu tragen. Ab Mitte des 7. Jahrhunderts wurden kleine Anzahlen hochwertiger Perlen getragen. In Grab 21 wurden die Reste einer Halskette aus acht Perlen und zwei vom Corieltauvi-Stamm in Lincolnshire zwischen 15 und 45 n. Chr. geprägte Goldmünzen gefunden. In die über 600 Jahre alten Münzen waren Löcher gebohrt worden, um sie in Anhängsel zu verwandeln. Ihr Zustand deutet darauf, dass sie nicht lange oder gar nicht als Zahlungsmittel verwendet wurden. Möglicherweise gehörten sie zu einem kurz nach ihrer Prägung vergrabenen Hort und wurden in angelsächsischer Zeit wiederentdeckt. Der Fund in einem angelsächsischen Grab ist einzigartig auf dem Gräberfeld. Vermutlich wurden sie wegen der kreuzförmigen Verzierung auf ihrer Rückseite geschätzt. Die Funde wurden 2009 vom Kirkleatham Museum, in Redcar, erworben und sind dort ausgestellt.

Die spektakulärsten Artefakte wurden in Grab 42 nahe der Gräberfeldmitte gefunden. In einer tiefen, breiten Grube, war eine hochrangige Frau auf einem Holzbett mit Eisenbeschlägen begraben. Derartige Bestattungen sind höchst selten. In Großbritannien sind nur etwa ein Dutzend bekannt, und die von Street House ist die nördlichste. Obwohl weder vom Leichnam noch vom Bett Reste erhalten sind, ermöglichten erhaltene Artefakte und die 56 Bettbeschläge, eine detaillierte Rekonstruktion der Bestattung. Das Bett aus Eschenholz maß 1,8 x 0,8 Meter und war eventuell mit einer Markise oder Leinwand aus Stoff überdacht, der über Holzpfosten drapiert war. Zwei Eisenarbeiten wiesen Reparaturspuren auf, was darauf deutet, dass das Bett benutzt wurde und nicht für die Bestattung fabriziert wurde.

Der Schmuck bestand aus drei Goldanhängern, zwei Glasperlen, einer Golddrahtperle und dem Fragment einer Haarnadel. Die Anhänger und Perlen scheinen eine Halskette gebildet zu haben. Zwei der Stücke bestehen aus goldenen, mit Juwelen besetzten Cabochon-Anhängern [1], während das dritte ein sehr kunstvolles schildförmiges Meisterwerk ist, das mit einem größeren muschelförmigen Edelstein in der Mitte und 57 roten Granaten und eingelegt ist. Die Granate liegen auf einer dünnen Blattgoldschicht, um ihre Leuchtkraft zu steigern. Die Qualität ist herausragend und vergleichbar mit Artefakten des angelsächsischen Gräberfeldes von Sutton Hoo in Suffolk. Sein Design hat keine bekannten Parallelen in der angelsächsischen Schmuckherstellung. Seine Form hat eine Verbindung mit dem frühen Christentum. Die Jakobsmuschel wurde mit Fruchtbarkeit, Geburt und Liebe, in Verbindung gebracht und war ein Symbol der klassischen Göttinnen Bis zum 4. Jahrhundert hatten die Christen die Jakobsmuschel zum Symbol der Wiedergeburt gemacht. Es wurde vor mit Wallfahrten in Verbindung gebracht und als Pilgerabzeichen übernommen. Eine mit Röntgenfluoreszenz Analyse ergab, dass der Anhänger aus einer Legierung erstellt wurde, die nur zu 37 % aus Gold und der Rest aus Silber mit etwas Kupfer bestand.

Ein Grab in der Nähe enthielt ebenfalls Schmuck, darunter einen goldenen Anhänger, eine silberne Brosche und Glasperlen. Es wird angenommen, dass die Tote eine Verbindung zur Frau der Bettbestattung hatte.

  • Stephen J. Sherlock: A Royal Anglo-Saxon Cemetery at Street House, Loftus, North-East Yorkshire. (2012). ISBN 9780953274758
  • Stephen J. Sherlock, Mark Simmons: "The Lost Royal Cult Of Street House, Yorkshire". British Archaeology (100) 2008.
  • Stephen J. Sherlock, Mark Simmons: "A seventh-century royal cemetery at Street House, north-east Yorkshire, England". Antiquity. 82 2008 (316).
  • Stephen J. Sherlock: The Anglo-Saxon Princess Exhibition Guidebook. Kirkleatham Museum. (2011).

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Cabochon ist eine zu den Glattschliffen (ohne Facetten) zählende Schliffart von Schmucks, bei der die Unterseite flach und die Oberseite nach außen (konvex) gewölbt ist.

Koordinaten fehlen! Hilf mit.

Kategorie:Archäologischer Fundplatz in England Kategorie:Grabhügel Kategorie:Angeln (Britannien)