Benutzer:Minos/Tawagalawa-Brief

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Als Tawagalawa-Brief (KUB 14.3, CTH 181) wird ein Brief eines hethitischen Großkönigs an einen König von Aḫḫijawa aus dem 13. Jahrhundert v. Chr. bezeichnet. Die Namen beider Herrscher sind nicht erhalten; aufgrund des Inhalts und paläographischer Merkmale geht der größte Teil der Forschung davon aus, dass der Brief vom hethititischen Herrscher Ḫattušili III. der von ca. 1266–1236 regierte, stammt.[1] Es handelt sich um eines der in der Forschung am meisten beachteten und diskutierten hethitischen Dokumente. Dieser Brief wird, wie ca. 30 weitere Dokumenten, zu den sogeannten Aḫḫijawa-Texten gezählt.

Forschungsgeschichte und Abfassungsort[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Reste des in hethitischer Sprache in Keilschrift verfassten Entwurfs dieses Briefs wurden - zusammen mit zahlreichen weiteren Tontafelfragmenten - wahrscheinlich zwischen 1906 und 1912 durch Hugo Winckler in der hethitischen Hauptstadt Ḫattuša entdeckt. Erhalten ist - von wenigen kleinen Fragmenten, die teilweise möglicherweise von den anderen beiden Tafeln stammen, abgesehen - nur die letzte von insgesamt drei Tafeln. Diese ist an vielen Stellen beschädigt, was Übersetzung und Interpretation des Inhalts z. T erheblich erschwert. Erstmals wurde 1929 eine Übersetzung durch Emil O. Forrer veröffentlicht.[2] Dabei ging Forrer noch davon aus, dass Tawagalawa, der Bruder des Herrschers von Aḫḫijawa, die handelnde Hauptperson des Briefs sei. Ferdinand Sommer, der 1932 in seinem Werk Die Aḫḫijavā-Urkunden eine weitere umfangreiche Bearbeitung des Briefs publizerte, erkannte, dass der Hauptanlass des Briefs die Auslieferung des Pijamaradus ist.[3] Er verzichtete jedoch auf eine Umbenennung des Briefs. Allerdings hielt auch Sommer die Person, deren Handlungen zu Beginn der Tafel beschrieben werden, ohne dass ihr Name genannt wird (die erste Nennung von Pijamaradu erfolgt erst in Zeile 47), für Tawagalawa, was von der heutigen Forschung abgeleht wird. Stattdessen gilt Pijamaradu als die handelnde Person der ersten Abschnitte.

Nach neueren naturwissenschaftlichen Analysen, bei denen die Tontafel neben einer optischen mineralogischen Untersuchung auch einer Neutronenaktivierungsanalyse und einer Analyse der Röntgenfluoreszenz (pXFR = portableX-ray fluorescence) unterzogen wurde, stammt der für den Brief verwendete Ton aus Küstenregion südlich von Ephesos und ähnelt dabei stark dem Ton samischer Amphoren, die in der samischen Peraia und in Milet produziert wurden.[4] Vermutungen, der Brief sei in oder in der Umgebung von Milet verfasst worden, das in der Forschung ganz überwiegend mit Millawanda gleichgesetzt wird, wurden durch diese Analysen erhärtet. Andererseits schließen die Ergebnisse aus, dass das Dokument in der hethitischen Hauptstadt Ḫattuša verfasst wurde.

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die zu großen Teilen erhaltene dritte Tafel setzt den Text der nicht erhaltenen ersten beiden unmittelbar fort und beginnt mit der Schilderung eines Angriffs auf die Lukka-Länder und der dabei erfolgten Zerstörung der Stadt Attarimma, die offenbar ein regionales Zentrum war. Der Name des Angreifers wird nicht genannt, doch aus den späteren Zusammenhängen, insbesondere in Zeilen I 48–51, ist zu schließen, dass die Attacken von Pijamaradu ausgingen, einem vermutlich arzawischen Adligen, möglicherweise Sohn oder Enkel von Uḫḫaziti, dem letzten König des Arzawareichs. Pijamaradu ist auch schon aus einem wesentlich früher (um 1275 v. Chr.) datierten Brief des Manapa-Tarḫunta an Muwatalli II. als Feind der Hethiter bekannt. Die Lukka-Länder riefen daraufhin den hethitischen Großkönig zu Hilfe, wie sie schon Tawagalawa, den Bruder des Königs von Aḫḫijawa und Empfänger des Briefs, um Hilfe gerufen hatten. Pijamaradu fordert vom Großkönig, ihn als Vasallenherrscher anzuerkennen und ihm den designierten Kronprinzen (tuḫkanti) zu schicken, weist den ihm gesandten tartenu – was ebenfalls Kronprinz bedeuten kann, möglicherweise aber andeutet, dass eine andere Person geschickt wurde, als von Pijamaradu verlangt hat[5] –, der ihn zu Verhandlungen mit dem Wagen zum Großkönig bringen soll, jedoch schroff ab. Bei Ijalanda, dessen erwogene Gleichsetzung mit Alinda[6] ungeklärt und strittig ist[7], stellen Pijamaradu und sein Bruder Laḫurzi den Truppen des Großkönigs einen Hinterhalt. Der hethitische Herrscher kann nur mit Not die Oberhand gewinnen und verwüstet daraufhin das ganze Land um Ijalanda, außer der Stadt Atrija, die er, wie er dem Adressaten des Briefs gegenüber ausdrücklich betont, verschont. Daraufhin flüchtet Pijamaradu in das von Aḫḫijawa beherrschte Millawanda, in dem Atpa der höchste Repräsentant Aḫḫijaws ist; gleichzeitig ist er auch Schwiegersohn des Pijamaradu.

Auf einen vorausgegangenen Brief hin, entweder an den aktuellen König von Aḫḫijawa oder an Talagalawa, den der hethitische Großkönig ebenfalls als „Bruder“ bezeichnet, wurde dem hethitischen Großkönig offenbar versichert – so verstand er jedenfalls die Antwort –, dass ihm Pijamaradu in Milawata übergeben wüde. Als der hethitische Herrscher in Millawata eintrifft, weigert sich Pijamaradu jedoch, übergeben zu werden und mit dem hethtischen Großkönig mitzukommen, verlangt dafür Garantien, da er Angst um sein Leben hat. Schließlich entkommt er auf einem Schiff in den Bereich Aḫḫijawas. Der hethitische Großkönig macht Atpa und Awajana, ebenfalls ein Schwiegersohn von Pijamaradu, schwere Vorwürfe, dass sie dem ahhijawischen Herrscher offenbar nicht vollständig über die Taten Pijamaradus berichtet hätten und lässt sie schwören, dies künftig zu tun. Der Absender bittet den Herrscher von Aḫḫijawa, Pijamaradu auszulieferern oder ihn wenigstens dazu zu bringen, Aktionen gegen das Hethiterreich nicht mehr von Gebieten Aḫḫijawas aus zu führen. Dabei schildert er auch Ereignisse, die weit zurückliegen und belegen sollen, dass hethitische Herrscher eventuelle Meinungsverschiedenheiten immer friedlich gelöst haben, insbesondere einen Streit um Wiluša. In diesem Bereich ist der Brief allerdings teilweise sehr schlecht erhalten. Dem Adressaten des Briefs wird zudem versichert, dass Pijamaradu nach dessen Auslieferung nicht der Tod drohe. Ferner sollen sich auch 7.000 durch Pijamaradu verschleppte Gefangene in Aḫḫijawa befinden, denen die Rückkehr ermöglicht werden soll, wenn sie zurückkehren möchten.

Verfasser und Adressat[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Namen des Verfassers und des Adressaten des Briefs sind nicht erhalten. Der momentan stark vorherrschende Meinung geht davon aus, dass der Verfasser der hethitische Großkönig Ḫattušili III. war.[8] Allerdings wird auch vertreten, dass der Brief von Muwatalli II., seinem Vor-Vorgänger auf dem hethitischen Thron, stammt. Sowol der historische Kontext, als auch paleographische Untersuchungen sprechen eher dafür, dass Ḫattušili III. der Verfasser war. Ein oft vorgetragenes Gegenargument ist die Passage über den lange zurückliegenden Konfikt um Wiluša, in dessen ZUsammenhang es in der fragmentierten Passage heißt: „Damals war ich noch jung“.

Es ist aufgrund der Lücken jedoch nicht klar, ob der Verfasser von sich spricht oder ob die Aussage noch Teil der direkten Rede ist, die der hethitische Herrscher dem Adressaten empfielt. Demnach könnte auch der Adressat ehaupten solen, dass er damals nich jung war.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ferdinand Sommer: Die Aḫḫijava-Urkunden. Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Phil.- hist. Abt. N.F.6, München 1932, S. 2–194.
  • Daan W. Smit: KUB XIV 3 and Hittite History. A historical approach to the Tawagalawa-letter., TALANTA 22–23 (1990/91), S. 79–111. online
  • Victor Parker: Zum Text des Taṷagalaṷaš-Briefes. Aḫḫiįaṷa-Frage und Textkritik. Orientalia Nova Series 68, 1999, S. 61–83.
  • Jared L. Miller: Ein König von Ḫatti an einen König von Aḫḫijawa (der sogenannte Tawagalawa-Brief). In: TUAT Neue Folge Band 3, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2006, S. 240–247. online als PDF
  • Jared L. Miller: Some disputed passages in the Tawagalawa Letter. In: Itamar Singer (Hrsg.): ipamati kistamati pari tumatimis. Luwian and Hittite studies presented to J. David Hawkins on the occasion of his 70th birthday, Emery and Claire Yass Publications in Archaeology, Tell Aviv 2010, S. 159–169.
  • Harry A. Hoffner, Jr.: Letters from the Hittite Kingdom. Society of Biblical Literature, Houston 2009, S. 296–313.
  • Susanne Heinhold-Krahmer: Zur Datierungsgeschichte des „Tawagalawa-Briefes“ und zur problematischen Rolle des Fragments KBo 16.25 als Datierungshilfe. In: Yoram Cohen, Amir Gilan, Itamar Singer, Jared L. Miller (Hrsg.): Pax Hethitica. Studies on the Hittites and Their Neighbours in Honour of Itamar Singer. Harrassowitz, Wiesbaden 2010, S. 191–213.</ref>
  • Gary M. Beckman, Trevor R. Bryce, Eric H. Cline: The Ahhiyawa Texts (= Writings from the Ancient World 28). Society of Biblical Literature, Atlanta 2011, ISBN 987–1–58983–268–8, S. 101–122.
  • Eric H. Cline: The Trojan War. A Very Short Introduction. Oxford University Press, New York 2013, S. 64 f.
  • Piotr Taracha: Mycenaean peer(s) of the king of Ahhiyawa? A note on the Tawagalawa Letter. In: Andreas Müller-Karpe, Elisabeth Rieken und Walter Sommerfeld (Hrsg.): Saeculum. Gedenkschrift für Heinrich Otten anlässlich seines 100. Geburtstags (= Studien zu den Boğazköy-Texten Band 58), Harrassowitz, Wiesbaden 2015, S. 279–287.
  • Susanne Heinhold–Krahmer, Elisabeth Rieken (Hrsg.): „Der Tawagalawa-Brief“. Beschwerden über Piyamaradu. Eine Neuedition (= Untersuchungen zur Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie Bd 13)., De Gruyter, Berlin/Boston 2019. ISBN 9783110581164 (abgerufen über De Gruyter Online).

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Miller 2006, S. 241.
  2. Emil Forer: Forschungen 1, Heft 2, Erkner 1929, S. 95–232.
  3. Sommer 1932, S. 2–192
  4. Yuval Goren, Hans Mommsen, Jörg Klinger: Non-destructive provenance study of cuneiform tablets using portable X-ray fluorescence (pXRF). Journal of Archaeological Science 38, 2011. S. 684–696, bes. S. 686 Tabelle 1, 691, 693f. - [als PDF bei Academia.edu
  5. Zu dieser Frage ausführlich Heinhold-Krahmer et al.S. 70–76
  6. Alexander Herda: Karkiša-Karien und die sog. Ionische Migration. In: Frank Rumscheid (Hrsg.): Die Karer und die Anderen. Habelt, Bonn 2009, ISBN 978-3-7749-3632-4 (Internationales Kolloquium an der Freien Universität Berlin, Oktober 2005), S. 54
  7. Max Gander: Die geographischen Beziehungen der Lukka-Länder. Texte der Hethiter, 27 (2010), S. 197
  8. so u. a. alle Autoren des Werks: Susanne Heinhold–Krahmer, Elisabeth Rieken (Hrsg.): „Der Tawagalawa-Brief“. Beschwerden über Piyamaradu. Eine Neuedition (= Untersuchungen zur Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie Bd 13). De Gruyter, Berlin/Boston 2019. ISBN 9783110581164 oder auch Gary M. Beckman, Trevor R. Bryce, Eric H. Cline: The Ahhiyawa Texts (= Writings from the Ancient World 28). Society of Biblical Literature, Atlanta 2011, ISBN 987–1–58983–268–8, S. 101–122.