Benutzer:Regnart/Nationale wissenschaftlich-technische Großprojekte

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Langbasisinterferometrie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Radioastronomie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits Ende der 1940er Jahre hatten Astronomen in den USA und Großbritannien die Signale von mehrere Kilometer auseinanderliegenden Radioteleskopen zusammengeführt und überlagert. Mit diesen sogenannten „Radiointerferometern“ wurde eine wesentlich höhere Auflösung erzielt als mit Einzelteleskopen.[1] Mitte der 1960er Jahre schlugen sowjetische Astronomen dann vor, die Signale aus dem All auf Hochgeschwindigkeits-Magnetbändern aufzuzeichnen, zusammen mit einer von den damals üblichen Rubidium-Atomuhren gelieferten Zeitreferenz. Die Magnetbänder von sehr weit voneinander entfernten Observatorien sollten dann zu einem Rechenzentrum gebracht und dort überlagert werden. Die ersten realen Beobachtungen mit dieser im internationalen Sprachgebrauch Very Long Baseline Interferometry, kurz „VLBI“, genannten Methode wurden im März 1967 von amerikanischen und kanadischen Observatorien durchgeführt, im Oktober 1969 fanden erstmals interkontinentale VLBI-Beobachtungen durch amerikanische und sowjetische Observatorien statt.

In China herrschte damals die Kulturrevolution mit einer gewissen Bildungsfeindlichkeit, zumindest was Grundlagenforschung betraf – der Januarsturm der Revolutionären Rebellen aus der Arbeiterschaft als Gegenbewegung zu den Roten Garden der Universitäten ging am 6. Januar 1967 von Shanghai aus. Die Wissenschaftler am Astronomischen Observatorium Shanghai verfolgten jedoch weiterhin die Entwicklung im Ausland. Man sah, dass mit VLBI die Beobachtungsgenauigkeit um ein bis zwei Größenordnungen über der traditionellen Methode lag, und befürchtete, dass China im internationalen Vergleich zurückfallen könnte. Das Observatorium Shanghai hatte seit 1960 Erfahrung mit dem Bau von Atomuhren – das Observatorium war damals der zentrale Zeitgeber für China – und beschloss nun, Wasserstoff-Maser-Uhren und die anderen für Langbasisinterferometrie nötigen Technologien zu entwickeln. Auf Initiative von Ye Shuhua (叶叔华, * 1927), die seit 1958 die Forschungsgruppe Zeitgebung leitete,[2] wurde am Observatorium 1973 eine Forschungsgruppe Radioastronomie (射电天文研究小组) eingerichtet, die im Dezember 1975 bei der Chinesischen Akademie der Wissenschaften eine Machbarkeitsstudie zu VLBI-Beobachtungen in China vorlegte.

Nach dem Ende der Kulturrevolution 1976 wurde im Jahr 1978 ein „Langbasisinterferometer“ als Schwerpunktprojekt in den bis 1985 laufenden Astronomischen Achtjahresplan der Akademie der Wissenschaften (中科院天文八年规划) aufgenommen[3] und die Forschungsgruppe Radioastronomie zum Labor für Radioastronomie (射电天文研究室) erweitert. Im Dezember 1978 fand in Shanghai eine Konferenz mit Vertretern der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und des damals für Elektronik zuständigen Vierten Ministeriums für Maschinenbauindustrie (第四机械工业部, ein Vorläufer des heutigen Ministeriums für Industrie und Informationstechnik) statt, auf der man die Möglichkeit besprach, ein chinesisches VLBI-Netz mit Stationen in Shanghai, Kunming und Ürümqi, also im Osten, Süden und Westen des Landes aufzubauen. Der Plan wurde im März 1979 von der Akademie der Wissenschaften genehmigt, allerdings sollte aufgrund der damaligen finanziellen Situation zunächst nur eine Station am Astronomischen Observatorium Shanghai eingerichtet werden.[4] Im April 1979 wurde Ye Shuhua zur stellvertretenden Direktorin des Obervatoriums Shanghai ernannt.[5]

Um die Technik zu erproben, wurde auf dem Sheshan-Hügel noch 1979 eine kleine Parabolantenne mit 6 m aufgebaut[2] und im November 1981 unter der Leitung von Ye Shuhua, seit Oktober des Jahres Direktorin des Observatoriums,[5] zusammen mit dem Radioteleskop Effelsberg erstmals deutsch-chinesische VLBI-Beobachtungen durchgeführt. Nach diesem erfolgreichen Test begann man noch 1981 mit den Planungsarbeiten für eine 25-m-Antenne und ein Rechenzentrum am Osthang des Sheshan-Hügels. Im Oktober 1987 wurde die Antenne eingeweiht und nahm ab 1988 an internationalen VLBI-Projekten teil. Der Aufbau der Stationen in Kunming und Ürümqi verzögerte sich jedoch aus finanziellen Gründen. Der Plan für eine Station in Kunming wurde zunächst zurückgestellt,[6] das 25-m-Radioteleskop in den Nanshan-Bergen südlich von Ürümqi wurde von den Observatorien Shanghai und Ürümqi ab 1991 gemeinsam gebaut[4] und 1993 in Betrieb genommen.[7] Die VLBI-Beobachtungsbasis Sheshan (佘山VLBI观测基地) mit dem Rechenzentrum, wo die Daten der Teleskope zusammengeführt und ausgewertet werden, nahm 1998 den Regelbetrieb auf.[8] Im Jahr 2000 wurde das Chinesische VLBI-Netzwerk (中国甚长基线干涉测量观测网, CVN) offiziell abgenommen.[4]

Raumfahrt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem die Chinesische Akademie der Wissenschaften 1991 eine Monderkundungsmission vorgeschlagen und so das seinerzeit aus dem Nationalen Programm zur Entwicklung von Hochtechnologie finanzierte Mondprogramm der Volksrepublik China in Gang gesetzt hatte, fanden nicht nur unter Wissenschaftlern, sondern auch in der Industrie eine ganze Reihe von Konferenzen statt, die sich mit der genauen Ausgestaltung des Programms befassten. Das Astronomische Observatorium Shanghai war ab 1994 in das Projekt eingebunden, als es an einem von der Chinesischen Akademie für Trägerraketentechnologie veranstalteten Symposium zu den technischen Aspekten der Monderkundung teilnahm. Dort wurde das Observatorium mit Vorplanungen zur Positionsbestimmung von Sonden mittels Langbasisinterferometrie und zur Berechnung von deren Flugbahn beauftragt. Das Observatorium schlug daraufhin vor, die VLBI-Messungen mit den im Lande vorhandenen Antennen in Sheshan und Ürümqi durchzuführen.

Um Erfahrung mit der Anwendung von Langbasisinterferometrie in der Raumfahrt zu sammeln, wirkte das Observatorium Shanghai zunächst bei ausländischen Missionen mit. So unterstützte die damals noch in der Testphase befindliche VLBI-Beobachtungsbasis Sheshan die NASA im September 1997 während des Einschwenkens ihres Mars Global Surveyors in die erste Marsumlaufbahn.[4] Ende Dezember 2004/Anfang Januar 2005 unterstützte man die ESA bei der Mission Cassini-Huygens mit VLBI-Messungen während des Anflugs des Landers Huygens auf den Saturnmond Titan. Bei diesen Versuchen wurden die Messungen, wie schon seit den 1960er Jahren, nicht in Echtzeit, sondern erst nach dem Zusammenführen der auf Datenträgern gespeicherten Daten ausgewertet.[9]

Während der Planungsphase des am 24. Januar 2004 mit der Unterschrift von Premierminister Wen Jiabao offiziell gestarteten Mondprogramms schlug das Observatorium Shanghai der damaligen Kommission für Wissenschaft, Technik und Industrie für Landesverteidigung Ende der 1990er Jahre vor, das damalige VLBI-System für Raumfahrtzwecke auf drei Beobachtungsstationen plus ein Rechenzentrum zu erweitern. Der Vorschlag wurde von der Wehrtechnik-Kommission für gut befunden. Es wurde auf einen alten Plan aus dem Jahr 1986 zurückgegriffen, eine 10-m-Parabolantenne bei Kunming, die vom Astronomischen Observatorium Yunnan für Sonnenbeobachtungen genutzt wurde, zur VLBI-Station umzubauen. Außerdem sollte die Beobachtungsbasis Sheshan so umgebaut werden, dass die Daten mit eVLBI-Software direkt übertragen und rasch verarbeitet werden konnten. Das Observatorium Shanghai versprach damals eine Bearbeitungszeit von maximal 10 Minuten. Die während der am 24. Oktober 2007 gestarteten Mission Chang’e 1 real erzielte Bearbeitungszeit betrug 6 Minuten, was später durch die Einrichtung einer separaten VLBI-Kommandozentrale für Tiefraumerkundung (VLBI深空探测指挥控制中心) beim Tianma-Radioteleskop[10] auf 1 Minute verkürzt werden konnte.[4]

Wenn die Radioteleskope als VLBI-Subsystem des Chinesischen Tiefraum-Netzwerks für die Hauptabteilung Satellitenstarts, Bahnverfolgung und Steuerung der Strategische Kampfunterstützungstruppe tätig sind, gehen die von der Kommandozentrale für Tiefraumerkundung ermittelten Bahndaten direkt an das Raumfahrtkontrollzentrum Peking, wo die Missionen gesteuert und eventuell nötige Bahnkorrekturmanöver berechnet werden. Die entsprechenden Steuerbefehle werden von den Tiefraumstationen der Volksbefreiungsarmee, die, anders als die Radioteleskope der Akademie der Wisenschaften, nicht nur über Empfänger, sondern auch über Sender verfügen, an die Raumsonden gefunkt.[11]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Radio-Interferometer ​​​. In: mpifr-bonn.mpg.de. Abgerufen am 12. Dezember 2023.
  2. a b 侯茜: 叶叔华:星路漫漫 上下求索. In: cas.cn. 30. Mai 2016, abgerufen am 13. Dezember 2023 (chinesisch).
  3. Man beachte: während in anderen Ländern erst die Radioteleskope existierten, die später bei VLBI-Beobachtungen zusammenwirkten, wurden die chinesischen Großteleskope von vornherein als ein VLBI-System konzipiert.
  4. a b c d e 钱志瀚: VLBI技术在我国的发展历程及其在航天工程中的应用. In: shao.ac.cn. 8. Oktober 2019, abgerufen am 12. Dezember 2023 (chinesisch).
  5. a b Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen liren.
  6. 专访天文学家叶叔华:每个人把自己的工作做好,都是一份很珍贵的贡献. In: stcsm.sh.gov.cn. 11. Januar 2021, abgerufen am 13. Dezember 2023 (chinesisch).
  7. 天线系统. In: xao.cas.cn. Abgerufen am 13. Dezember 2023 (chinesisch).
  8. 人员信息. In: radio.shao.cas.cn. Abgerufen am 12. Dezember 2023 (chinesisch).
  9. 洪晓瑜、王娜 et al.: VLBI技术研究进展及在中国探月工程的应用. In: jdse.bit.edu.cn. 8. November 2020, abgerufen am 13. Dezember 2023 (chinesisch).
  10. 尹隆海: 南京-上海访学实践队圆满结束上海访学之旅. In: physics.ccnu.edu.cn. 17. Juli 2023, abgerufen am 13. Dezember 2023 (chinesisch).
  11. 张克俭、孟庆海、吴艳华: 《神奇的嫦娥五号》 第4集 返回地球. In: tv.cctv.com. 26. November 2023, abgerufen am 10. Dezember 2023 (chinesisch). Ab 14:45.