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Das Brot ist eine Kurzgeschichte von Wolfgang Borchert. Sie spielt in der unmittelbaren Nachkriegszeit, in der Nahrung knapp war, und lässt sich der Trümmerliteratur zuordnen.

Entstehung und Einordnung in das Gesamtwerk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Borchert schrieb die Geschichte 1946, zusammen mit etwa 28 anderen. Unmittelbar zuvor entstand die Geschichte Jesus macht nicht mehr mit. Ein in dieser Zeit geplanter Roman Persil bleibt Persil kam nicht über die erste Manuskriptseite hinaus. Im Januar 1947 schrieb Borchert innerhalb weniger Tage das Drama Draußen vor der Tür, das sein größter literarischer Erfolg wurde.[1]

Die Geschichte wurde, im Rahmen einer Gesamtausgabe 1949 im Rowohlt Verlag veröffentlicht.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Frau wacht eines Nachts von einem Geräusch in der Küche auf. Sie geht dorthin, macht Licht und sieht ihren Mann, der sich ein Stück Brot abgeschnitten hatte. Er gibt das jedoch nicht zu, sondern erklärt, er habe etwas gehört und wolle nach dem Rechten sehen. Weil sie ihn nicht beschämen will, versucht sie ihrerseits zu verbergen, dass sie seine Lüge durchschaut hat. Es kommt zu einem verlegenen Gespräch zwischen den beiden, dann gehen sie zurück in ihr Bett. Beim Einschlafen hört sie ihn heimlich kauen. Am nächsten Abend legt sie aus Mitleid eine ihr zustehende Brotscheibe zusätzlich auf seinen Teller. Beide vermeiden zunächst den Blickkontakt, nach einer Weile setzt sich die Frau aber wieder zu ihm an den Tisch.

Interpretation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kurzgeschichte beschreibt eine Alltagssituation in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die Tatsache, dass die beiden Protagonisten nicht mit Namen vorgestellt werden und auch der Ort der Handlung nicht genannt wird, deutet allerdings darauf hin, dass es dem Autor um eine allgemeine, auch auf andere Zeiten und Orte übertragbare Aussage geht. Heinrich Böll schrieb, dass in der Geschichte "das ganze Elend und die ganze Größe des Menschen mit aufgenommen" seien.

Der Schwerpunkt der Geschichte liegt auf dem Handeln der Frau: "Sie" ist 35 mal als Subjekt genannt, davon 14 mal anaphorisch, "Er" 23 mal. Dieser Befund legt die Annahme nahe, dass Borchert für die Frau Partei ergreifen will, die es im Gegensatz zu ihrem Mann geschafft hat, mit ihrem Hungergefühl zurechtzukommen, und die ihn, den "Undisziplinierten", durch ihren freiwilligen Verzicht beschämt.

Die Frau als Verkörperung der Liebe, die durch Opferbereitschaft einen Weg aufzeigt, um eine schwierige Situation zu überwinden und die Partnerschaft zu retten, ist in Borcherts Werk an verschiedenen Stellen zu finden.

Gegen die These von der Verallgemeinerbarkeit der Aussage der Geschichte spricht, dass sie so, wie sie konstruiert ist, nur schwer vom Kontext der Nachkriegszeit gelöst werden kann: Damals wurden Lebensmittel rationiert, so dass es keine legale Chance gab, sich mehr als die zugeteilte relativ geringe Essensmenge auf dem Markt zu verschaffen. Das beantwortet die berechtigte Frage wohlstandsverwöhnter heutiger Leser, warum nicht einfach mehr Brot eingekauft wurde. Nur durch den vorgegebenen Mangel kommt es zu einem "Nullsummenspiel": Was der eine zusätzlich bekommt, verliert der andere.

Problematisch ist es auch, von der These auszugehen, wonach Gerechtigkeit dann herrsche, wenn der Mann und die Frau gleich viel zu essen bekämen. Denn in der Geschichte ist nicht eindeutig geklärt, ob es für das Handeln des Mannes "mildernde Umstände" gibt: Wenn er deutlich größer als seine Frau sein oder tagsüber einer schweren Arbeit nachgehen sollte, dann bräuchte er objektiv mehr Brot als seine Frau. Dann läge sein "Versagen" darin, dass er dieses Problem (was bedeutet konkret Verteilungsgerechtigkeit?) nicht ansprechen kann.

Borchert greift mit der Geschichte Das Brot eines der Zentralthemen deutscher Kurzgeschichten (auch aus der Zeit des Wirtschaftswunders) auf, nämlich die Unfähigkeit ihrer Protagonisten, befriedigend mit ihren Mitmenschen zu kommunizieren.

Motive[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Geschichte werden mehrere Motive verwendet. „Küche“, „Teller“ und „Brot“ stehen dabei in einem engen Zusammenhang. Die Küche steht für einen gemeinsamen Lebensraum und die damit verbundene Geborgenheit, ebenso wie der Teller. „Von einem Teller essen“ ist eine gängige Metapher für Zusammenleben. Dieses wird im übertragenen Sinne durch das Messer bedroht, das der Mann benutzt, um sich unrechtmäßig ein Stück Brot abzuschneiden, wodurch er die Bindung zu seiner Partnerin gefährdet. Das Brot, das als Symbol für den Selbsterhaltungstrieb gesehen werden kann, ist Auslöser des Konfliktes.

Ein weiteres Leitmotiv ist der Gegensatz zwischen Hell und Dunkel. Ihm kommt die Funktion zu, Vordergrund und Hintergrund der Handlung zu verbinden. Die Frau wacht im Dunkeln auf und merkt, dass sie alleine ist. Die angegebene Uhrzeit („halb drei“), die für die schwärzeste Stunde der Nacht steht, wird auch in einer anderen Geschichte Borcherts (Die Küchenuhr) erwähnt. Mit der Dunkelheit assoziiert ist die Kälte und das „Draußen“, die potentiell feindliche Umgebung. In der Erzählung wird diese durch den Wind symbolisiert, der gleichzeitig dem Mann als Ausrede für sein Verhalten dient. Die Kälte wird mehrfach erwähnt, sie steht als Symbol für Angst und Misstrauen. Das Fenster, durch das der Mann blickt, um seine Unsicherheit zu verbergen, ist das Bindeglied zwischen dem Draußen und Drinnen. Dieser Moment kann als Wendepunkt der Geschichte gesehen werden. Daraufhin teilen sie wieder das Bett, einen Ort der Gemeinsamkeit und Geborgenheit, auch wenn der Vorfall zunächst „zugedeckt“ werden muss. Das Licht, eine gängige Metapher für die Wahrheit, ist für die beiden Personen insbesondere in der Küchenszene kaum zu ertragen, da es die Lüge des Mannes offen zutage treten lässt. Es verdeutlicht aber im Schlusssatz, als sich die Frau wieder unter die Lampe setzt, die Auflösung der Situation zum Guten.

Verwendung im Schulunterricht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kurzgeschichte fand bereits in den 1950er Jahren Eingang in die deutschen Schulcurricula, weil sie zum einen die gesellschaftliche Wirklichkeit der unmittelbaren Nachkriegszeit sehr realistisch wiedergibt, zum anderen als Versinnbildlichung zeitloser Werte angesehen werden kann. [2]

Im Deutschunterricht wird die Geschichte heute in der Sekundarstufe I gelesen. Dabei werden die Gedanken und Gefühle der beiden Personen herausgearbeitet. Sie eignet sich auch, um als Rollenspiel dargestellt zu werden.[3]

Auch im Religionsunterricht wird sie behandelt. Dabei wird die symbolische Bedeutung des Brotes und der christliche Grundsatz "Geben ist seliger als nehmen" (Apostelgeschichte 20,35) thematisiert.[4]

Verfilmung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Stoff fand 1996 eine Adaption als 15 minütiger Schwarz-Weiß Kurzfilm auf 16 mm Format und als VHS-Videokassette. Buch und Regie stammen von Wolfgang Küper, wobei die Erzählung Wolfgang Borcherts als Vorlage diente. Als Darsteller sind Achim Grubel und Adriana Altaras zu sehen[5].

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Peter Rühmkorf: Wolfgang Borchert in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, Reinbek 1961, S. 132f.
  2. Kurt Bräutigam: Äußere und innere Wirklichkeit in Borcherts Kurzgeschichte "Das Brot". In: Die pädagogische Provinz 13.1959,7/8, S. 393f.
  3. Uta Geier und Anne Aichinger: Wolfgang Borchert: "Das Brot". In: Schulmagazin 5 bis 10 1996,5, S. 17-20
  4. Horst Stephan: Brot als Symbol. In: Schulmagazin 5 bis 10 1995,4, S. 19-22
  5. Drehbuch des Kurzfilms Das Brot

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Horst Brustmeier: Der Durchbruch der Kurzgeschichte in Deutschland. Dissertation, Marburg 1966. S. 158-163
  • Hans-Udo Dück in: Interpretationen zu Wolfgang Borchert. 9. Auflage. Oldenbourg, München 1976. ISBN 3-486-01909-0. S. 88-97
  • Hans-Gerd Winter in: Werner Bellmann (Hrsg.): Klassische deutsche Kurzgeschichten. Interpretationen. Reclam, Stuttgart 2004. S. 23-27