Benutzer:Verena.Johann/Forschungsschwerpunkte

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Gunther Hartmann[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Forschungsschwerpunkte/Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der wissenschaftliche Schwerpunkt liegt im Gebiet der Immunologie. Das Immunsystem hat die Aufgabe, Krankheitserreger und Zell- bzw. Gewebeschäden zu erkennen, und eine Antwort einzuleiten, die den Organismus gegen diese Gefahren möglichst effektiv schützt. Das Immunsystem hat zu diesem Zweck Rezeptoren entwickelt, mit denen solche Gefahren aufgespürt werden. Diese Rezeptoren sind auf verschiedene Substanzklassen spezialisiert. Neben Fetten und Zuckern sind Nukleinsäuren und Proteine die wesentlichen Substanzklassen und damit Bausteine des Lebens. Um fremdartige oder gefährliche Stoffe zu erkennen werden vom Immunsystem entweder Rezeptoren eingesetzt, die bereits genetisch festgelegt sind, also angeboren sind, oder es werden Rezeptoren für diesen Zweck aus genetischen Elementen neu zusammengesetzt, d.h. rekombiniert (T-Zell und B-Zell Rezeptoren). Man spricht in diesem Fall von erworbenen Rezeptoren, also Rezeptoren, die sich während des Lebens eines Individuums neu ausbilden. Das angeborene Immunsystem (innate immunity) basiert auf den angeborenen Rezeptoren, das erworbene Immunsystem auf den erworbenen Rezeptoren (adaptive immunity). Während das erworbene Immunsystem in erster Linie auf die Erkennung der Substanzklasse der Proteine ausgerichtet ist, basiert die Erkennung von fremdartigen Nukleinsäuren auf der Erkennung durch angeborene Rezeptoren. Dieses Forschungsgebiet, die Immunerkennung von Nukleinsäuren, ist seit mehr als 17 Jahren der wissenschaftliche Schwerpunkt von Herrn Hartmann. Seine Arbeit dazu wurde mit dem Gottfried-Wilhelm Leibniz Preis augezeichnet[1].

Die Immunerkennung von Nukleinsäuren ist ein junges Forschungsgebiet mit großer Bedeutung für die Immunerkennung und Abwehr von Viren und intrazellulären Bakterien, für die Immunabwehr von Tumoren und für die Entstehung von Autoimmunerkrankungen. Die Gruppe um Herrn Hartmann hat zum Verständnis von mehreren, der hierfür verantwortlichen Immunrezeptoren beigetragen. Bereits 1996 hat er die überraschende Beobachtung gemacht hat, dass kurzkettige DNA-Oligonukleotide zu einer Aktivierung des Immunsystems führen[2][3]. Als DFG-Stipendiat im Labor von Arthur Krieg in den USA wurde 1999 das molekulare Muster (sog. CpG-Motiv) identifiziert, über das mikrobielle DNA durch das humane Immunsystem erkannt wird (Erkennung von CpG-DNA über Toll-like Rezeptor 9, TLR9)[4][5][6][7]. Wieder zurück in Deutschland zeigten die Arbeiten zum Wirkprinzip von CpG-Oligonukleotiden, dass beim Menschen neben der B-Zelle nur eine weitere Zelle, die sogenannte plasmazytoide dendritische Zelle, den verantwortlichen Rezeptor TLR9 exprimiert und die immunologische Wirkung bestimmt. CpG-DNA war der erste molekular definierte Stimulus zur Aktivierung dieser erst 1999 entdeckten plasmazytoiden dendritischen Zelle [8]. Es wurde die Einteilung von CpG-Oligonukleotiden in CpG-Klassen etabliert (CpG-A, CpG-B und CpG-C) [9]. Es folgten Arbeiten über die molekularen Mechanismen und die immunologische Wirkung von CpG-Oligonukleotiden [10][11]. Das gemeinsam mit Arthur Krieg erstpublizierte Oligonukleotid ODN 2006 wurde von Coley Pharmaceuticals klinisch weiterentwickelt und befindet sich derzeit in Phase III der klinischen Prüfung für die Immuntherapie von Tumoren[12].

Mit der überraschenden Beobachtung der Immunerkennung von RNA eröffnete sich ein weiteres Forschungsfeld. Im Jahr 2005 wurde eine Arbeit in Nature Medicine publiziert[13], in der gezeigt wurde, dass siRNA (short interfering RNA) über einen weiteren Toll-like Rezeptor, TLR7, sequenzabhängig erkannt wird, und diese Erkennung zu einer antiviralen Immunantwort mit Produktion von IFN-alpha führt. Diese Erkenntnisse haben das Gebiet der RNA-Interferenz und siRNA nachhaltig beeinflusst. Darüberhinaus ermöglicht die Identifizierung von RNA-Motiven, die über TLR7 erkannt werden, die Entwicklung von immmunstimulatorischen Oligonukleotiden mit neuen Wirkprofilen. In Kombination mit der Technologie der siRNA (gene silencing) eröffnet sich hier ein ganz neues Feld von Oligonukleotid-Therapeutika für die klinische Entwicklung[14].

Bei der RNA-Interferenz spielt die Helicase Dicer eine entscheidende Rolle, indem diese doppelsträngige RNA so spaltet, dass daraus funktionell aktive siRNA Moleküle entstehen, die über den sogenannten Risc Komplex dann eine sequenzspezifische Hemmung von Zielgenen bewirken. Bei primitiveren Organismen wie Würmern wird die RNA-Interferenz auch zur Abwehr von fremden Nukleinsäuren eingesetzt. Die aus fremder, z.B. viraler, doppelsträngiger RNA, freigesetzte funktionelle siRNA inhibiert spezifisch die Funktion von weiteren fremden RNA Molekülen gleicher Sequenz. Man kann dieses Abwehrsystem auch als Nukleinsäure-basiertes Immunsystem bezeichnen, in dem die siRNA die Effektormoleküle der Immunabwehr sind. Bei höheren Organismen wie den Wirbeltieren wurde dieses Abwehrsystem modifiziert. Zwei dem Molekül Dicer verwandte Helicasen, RIG-I und MDA5, erkennen fremdartige RNA-Moleküle und leiten eine entsprechende Immunantwort ein. Damit kommen zu den oben genannten membranständigen Toll-like Rezeptoren (z.B. TLR7 und TLR9, Rezeptoren die Nukleinsäuren aufspüren die von außen auf die Zelle treffen), mit RIG-I und MDA5 zwei weitere Immunrezeptoren, die in der Lage sind, fremdartige Nukleinsäuren im Innern der Zelle aufzuspüren. Die Gruppe hat in der Zeitschrift Science die spezifische RNA-Struktur publiziert, die von RIG-I erkannt wird[15]. Es handelt sich um eine Triphosphat-Gruppe am 5´-Ende der RNA. Damit wurde das seit Jahrzehnten bestehende Dogma der Typ I-IFN-Induktion durch virale lange Doppelstrang RNA (Proteinkinase R, PKR) grundlegend verändert und erweitert. Darüber hinaus gelang es der Gruppe, mit Hilfe eines neuen synthetischen Verfahrens zur Herstellung von definierten 5´-Triphosphat-RNA-Molekülen die exakte Liganden-Struktur für RIG-I zu definieren[16], die Signalwege von RIG-I zu charakterisieren[17][18], sowie die Kristallstruktur der RIG-I-Ligand-Beziehung aufzuklären[19]. Im Bereich der Immunerkennung von DNA gelangen der Gruppe um Hartmann wichtige Beiträge zur Identifizierung und molekularen Charakterisierung des cGAS-STING Signalwegs. Hierbei wurde ein neues Prinzip in der angeborenen Immunsystem aufgedeckt, bei dem die Bindung von Doppelstrang-DNA an ein Enzym zur Bildung eines kleinen bislang unbekannten Botenmoleküls führt (G (2',5') pA (3',5') p), das dann an ein Signalmolekül und eine antivirale Signalkaskade in Gang setzt[20][21]. Dieser neue Signalweg der DNA-Erkennung erklärt die Ausbildung von Autoimmunerkrankungen wie den Lupus Erythematodes, bei dem es infolge von Sonneneinstrahlung zu einem Schmetterlingserythem kommen kann. Es stellt sich nun heraus, dass die zelleigene DNA durch die Sonnenstrahlung oxidative chemische Veränderungen erfährt, die zu einem verminderten Abbau dieser DNA durch die DNAse TREX1 führt und damit zu einer überhöhten Aktivierung des cGAS/STING Signalwegs [22].

Das Verständnis der molekularen Vorgänge bei der Immunerkennung von Viren und aberranten endogenen Nukleinsäuren wird zur Entwicklung von neuen Therapieformen für Viruserkrankungen, Tumorerkrankungen und Autoimmunerkrankungen beitragen. So wie die Erkennung der Stoffklasse der Proteine durch das erworbene Immunsystem in Form von Impfungen und therapeutischen Antikörpern einen nicht mehr wegzudenkenden Beitrag zur klinischen Medizin geleistet hat, so ist auch für die Immunerkennung der zweiten großen Substanzklasse des Lebens, der Nukleinsäuren, ein wesentlicher Beitrag für die Medizin zu erwarten.

Diese wissenschaftliche Thematik wird im Kontext des DFG Exzellenzclusters ImmunoSensation weiter bearbeitet, die Hartmann als Sprecher leitet[23], sowie im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) der Helmholtz-Gemeinschaft (DZIF: http://www.dzif.de/). Auch an der Umsetzung in neue Therapieformen wird in der Gruppe um Hartmann intensiv gearbeitet. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte GO-Bio Projekt "RNA Therapeutika"[24] hat zum Ziel, einen Liganden zur Aktivierung von RIG-I für die Therapie des Melanoms zu entwickeln und im Rahmen einer BMBF-geförderten Ausgründung (ImmunOligo GmbH) in klinischen Studien zu testen. Dieses Projekt hat in 2013 den 3. Platz im Science4Life Wettbewerb gewonnen[25].


  1. www.dfg.de/gefoerderte_projekte/wissenschaftliche_preise/leibniz-preis/2012/hartmann_kurts/
  2. Hartmann G, Krug A, Eigler A, Moeller J, Murphy J, Albrecht R, Endres S. Specific suppression of human tumor necrosis factor-a synthesis by antisense oligodeoxynucleotides. Antisense Nucleic Acid Drug Dev 1996; 6: 291-99
  3. Hartmann G, Krug A, Waller-Fontaine K, Endres S. Oligodeoxynucleotides enhance lipopolysaccharide-stimulated synthesis of tumor necrosis factor: dependence on phosphorothioate modification and reversal by heparin. Mol Med 1996; 2: 429-438
  4. Hartmann G, Krieg AM. CpG DNA and LPS induce distinct patterns of activation in human monocytes. Gene Ther 1999; 6: 893
  5. Hartmann G, Weiner G, Krieg AM. CpG DNA as a signal for growth, activation and maturation of human dendritic cells PNAS 1999; 96: 9305
  6. Hartmann G, Krieg A. M. Mechanism and function of a newly identified CpG DNA motif in human primary cells. J Immunol 2000; 164: 944
  7. Hartmann G, Weeratna RD, Ballas ZK, Payette P, Blackwell S, Suparto I, Rasmussen WL, Waldschmidt M, Sajuthi D, Purcell RH, Davis H, Krieg AM. Delineation of a CpG phosphorothioate oligodeoxynucleotide for activating primate immune responses in vitro and in vivo. J Immunol 2000; 164: 1617
  8. Krug A, Towarowski A, Britsch S, Rothenfusser S, Hornung V, Bals R, Giese T, Engelmann H, Endres S, Krieg AM, Hartmann G. Toll-like receptor expression reveals CpG DNA as a unique microbial stimulus for plasmacytoid dendritic cells which synergizes with CD40L to induce high amounts of IL-12. Eur J Immunol 2001, 31: 3026-37
  9. Krug A, Rothenfusser S, Hornung V, Jahrsdörfer B, Ballas Z, Endres S, Krieg AM, Hartmann G. Identification of CpG oligonucleotide sequences with high induction of IFN-a/-b in plasmacytoid dendritic cells. Eur J Immunol 2001; 31: 2154-63
  10. Rothenfusser S, Hornung V, Krug A, Towarowski A, Krieg AM, Endres S, Hartmann G. Distinct CpG oligonucleotide sequences activate human γδ T cells via interferon-alpha/beta. Eur J Immunol 2001; 31: 3525-3534
  11. Hornung V, Rothenfusser S, Britsch S, Krug A, Jahrsdoerfer B, Giese T, Endres S, Hartmann G. Quantitative expression of TLR1-10 mRNA in cellular subsets of human PBMC and sensitivity to CpG ODN. J Immunol 2002; 168: 4531-37
  12. http://www.meb.uni-bonn.de/klinpharm/index.php?page=ag-hartmann-schlee
  13. Hornung V, Guenthner-Biller M, Bourquin C, Ablasser A, Schlee M, Uematsu S, Noronha A, Manoharan M, Akira S, de Fougerolles A, Endres S, Hartmann G. Sequence-specific potent induction of IFN-a by short interfering RNA in plasmacytoid dendritic cells through TLR7. Nat Med 2005; 11: 263-70
  14. http://www.dfg.de/download/pdf/gefoerderte_projekte/preistraeger/gwl-preis/2012/laudatio_hartmann.pdf
  15. Hornung V, Ellegast J, Kim S, Brzoka K, Jung A, Kato H, Poeck H, Akira S, Conzelmann KK, Schlee M, Endres S, Hartmann G. 5'-Triphosphate RNA Is the Ligand for RIG-I. Science 2006; 314: 994-7
  16. Schlee M, Roth A, Hornung V, Hagmann CA, Wimmenauer V, Barchet W, Coch C, Janke M, Mihailovic A, Wardle G, Juranek S, Kato H, Kawai T, Poeck H, Fitzgerald KA, Takeuchi O, Akira S, Tuschl T, Latz E, Ludwig J, Hartmann G. Recognition of 5' triphosphate by RIG-I helicase requires short blunt double-stranded RNA as contained in panhandle of negative-strand virus. Immunity 2009; 31: 25-34
  17. Poeck H, Bscheider M, Gross O, Finger K, Roth S, Rebsamen M, Hannesschläger N, Schlee M, Rothenfusser S, Barchet W, Kato H, Akira S, Inoue S, Endres S, Peschel C, Hartmann G°, Hornung V°, Ruland J°. Recognition of RNA virus by RIG-I results in activation of CARD9 and inflammasome signaling for interleukin 1 beta production. Nat Immunol 2010; 11: 63-9 °equally contributed
  18. Besch R, Poeck H, Hohenauer T, Senft D, Hacker G, Berking C, Hornung V, Endres S, Ruzicka T, Rothenfusser S, Hartmann G. Proapoptotic signaling induced by RIG-I and MDA-5 results in type I interferon-independent apoptosis in human melanoma cells. J Clin Invest 2009; 119: 2399-411
  19. Wang Y, Ludwig J, Schuberth C, Goldeck M, Schlee M, Li H, Juranek S, Sheng G, Micura R, Tuschl T°, Hartmann G°, Patel DJ°. 2010. Structural and functional insights into 5'-ppp RNA pattern recognition by the innate immune receptor RIG-I. Nat Struct Mol Biol 2010; 17: 781-7 °equally contributed
  20. Hagmann CA, Herzner AM, Abdullah Z, Zillinger T, Jakobs C, Schuberth C, Coch C, Higgins PG, Wisplinghoff H, Barchet W, Hornung V, Hartmann G, Schlee M. RIG-I detects triphosphorylated RNA of Listeria monocytogenes during infection in non-immune cells. PLoS One 2013; 8: e62872
  21. Gao P, Ascano M, Zillinger T, Wang W, Dai P, Serganov AA, Gaffney BL, Shuman S, Jones RA, Deng L, Hartmann G, Barchet W, Tuschl T, Patel DJ. Structure-Function Analysis of STING Activation by c[G(2',5')pA(3',5')p] and Targeting by Antiviral DMXAA. Cell 2013; 154: 748-62
  22. Gehrke N, Mertens C, Zillinger T, Wenzel J, Bald T, Zahn S, Tüting T, Hartmann G, Barchet W. Oxidative Damage of DNA Confers Resistance to Cytosolic Nuclease TREX1 Degradation and Potentiates STING-Dependent Immune Sensing. Immunity 2013; S1074-7613 (13)
  23. www.immunosensation.de
  24. http://www.go-bio.de/projekte
  25. www.science4life.de/Preistraeger/Runde2013.aspx