Biowaffenprogramm des Irak

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Salman Pak (Irak)
Salman Pak (Irak)
Salman Pak

Das Biologische Waffenprogramm des Irak bestand vom Mai 1987 bis Januar 1991.

Dem Genfer Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege vom 17. Juni 1925 trat der Irak am 7. April 1931 bei. Das Inkrafttreten für den Irak erfolgte am 8. September 1931.[1] Weiterhin unterzeichnete der Irak am 11. Mai 1972 die Biowaffenkonvention.[2] Trotz dieses Verbots entwickelte der Irak von Mai 1987 bis Januar 1991 im Projekt 324 biologische Waffen und brachte diese bis Anfang 1991 zur Einsatzbereitschaft.[3]

Hussein Kamel

Anfänge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während des Ersten Golfkriegs gab General Hussein Kamel den Auftrag, ein biologisches Waffenprogramm zu initiieren.[Anm. 1] Dem Ministerium für Industrie und militärische Industrialisierung, dessen Leiter Hussein Kamel war, unterstand das irakische Raketenprogramm sowie die Entwicklung atomarer, biologischer und chemischer Waffen. Stellvertreter und nachgeordnet waren Generalleutnant Amer al Sa’adi und Generalleutnant Amer M. Rashid.

Chemische Waffen wurden im Projekt 922, dem Chemiewaffenprogramm des Irak, entwickelt. Dessen Leiter, Generalleutnant Nizar Attar, beauftragte 1985 die Mikrobiologin Rihab Taha, die gerade aus England kam, ein Versuchsprogramm im Labormaßstab in al-Muthanna zu starten.[Anm. 2]

Taha wählte als geeignete biologische Waffen zuerst Bacillus anthracis und Botulinumtoxin aus. Agenten beschafften aus dem Ausland im Dezember 1985 die Bakterien Bacillus anthracis, Bacillus subtilis, Bacillus megaterium und Clostridium perfringens. Bis April 1986 kamen Clostridium botulinum und Francisella tularensis dazu.[Anm. 3] Der führende Mikrobiologe des Irak, Nasser Hindawi, wurde 1986 auf Anraten von Taha in das Projekt als Senior-Adviser eingebunden.[3]

Strukturen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch eine Umstrukturierung wurde 1987 Generalmajor Faiz Shahin (ehemaliger Stellvertreter des Al-Hazen-Ibn-Al-Haitham-Institutes) Leiter des Projekts 922. Generalmajor Faiz Shahin forcierte die Produktion der biologischen Waffen vom Labormaßstab in die industrielle Fertigung. Bis dato wurde der biologischen Waffenentwicklung gerade 1/10 der Kapazitäten des Chemiewaffenprogramms gewidmet. Im Mai 1987 wurde das biologische Waffenprogramm von al-Muthanna ausgelagert und in Salman Pak, nahe Bagdad, ein eigenständiges Zentrum gegründet. Leiter des BW-Programms, seit März 1988 unter dem Namen Project 324 eigenständig geführt, wurde General Ahmed Murtada,[3] „Mastermind“ der etwa 100 Spezialisten wurde Rihab Taha.[4]

Versuche und Produktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1988 bis 1990 wurden Pilotanlagen errichtet und unterschiedliche Munitionierungen in Schieß- und Tierversuchen getestet. Im August 1990, mit der Invasion von Kuwait, gab Hussein Kamel den Befehl die biologische Waffenproduktion auszuweiten. Weitere Produktionsstätten, wie in Al Fudaliyah, Al Hakam u. a. folgten. Die Aufmunitionierung mit biologischen Waffen erfolgte stets in Al-Muthanna.[3][Anm. 4]

Liste der biologischen Versuchs-Sprengkörper:

Spezifikation Größe biologische Waffe Menge pro
Sprengkörper
Fliegerbombe BR-250 kg Clostridium botulinum 60 Liter
Fliegerbombe BR-250 kg Bacillus subtilis 60 Liter
Artilleriemunition 130 mm Ricin 2,5 Liter
Raketenwerfer 122 mm Aflatoxin 8 Liter

Einsatzbereitschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Projekt 144, die Entwicklung der reichweitenverlängerten R-17 mit dem Namen Al Hussein, sah auch die Fertigung von Sprengköpfen zur Munitionierung mit biologischen Waffen vor. 25 Gefechtsköpfe wurden ab dem 2. August 1990 zur Befüllung mit biologischen Waffen hergestellt, ebenso 157 Fliegerbomben des Typs R-400A. Zwischen Dezember 1990 und 11. Januar 1991 waren diese Waffen mit Clostridium botulinum, Bacillus anthracis und Aflatoxin befüllt und einsatzbereit. Saddam Hussein entschloss sich jedoch, diese Waffen nicht im Zweiten Golfkrieg zu verwenden.[3] Mit Beginn des Zweiten Golfkriegs (17. Januar 1991), stoppte der Irak die Produktion von biologischen Waffen. Die Menge an biologischen Waffen deklarierte der Irak zu diesem Zeitpunkt mit:

Spezifikation Menge
Clostridium botulinum 7.500 Liter
Bacillus anthracis 3.400 Liter
Aflatoxin 340 Liter

[3]

Etwa 150.000 US-Soldaten wurden im Zweiten Golfkrieg vorbeugend gegen Anthrax geimpft.

Siehe auch: → Golfkriegssyndrom

US-Außenminister Colin Powell zeigt am 5. Februar 2003 vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein Modell zur Veranschaulichung von Bacillus anthracis:
„This is just about the amount of a teaspoon [...]“.

Abrüstung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch die UN-Resolution 687 (1991) vom 8. April 1991 war der Irak gebunden, alle Untersuchungen hinsichtlich des Genfer Protokolls vornehmen zu lassen und falls vorhanden, biologische Waffen zu zerstören.[5] Am 19. Juni 1991 ratifizierte der Irak die Biowaffenkonvention.[2]

Ab dem 9–10. Juli 1991 wurden auf Anweisung von Hussein Kamel alle vorhandenen biologischen Waffen von irakischer Seite aus vernichtet. Die biologischen Sprengköpfe wurden chemisch deaktiviert und in Al-Nibai zerstört.[Anm. 5] Die Vernichtung war, nach irakischen Angaben, nach einem Monat abgeschlossen.[3][Anm. 6]

Eine der Begründungen für den Irakkrieg war, dass der Irak (immer noch) biologische Massenvernichtungswaffen habe, die eine akute Bedrohung darstellen würden.[Anm. 7] Dies konnte nicht erhärtet werden.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Mit Wissen und Absegnung durch Saddam Hussein.
  2. Taha (genannt „Dr. Germ“) war mit Amer M. Rashid verheiratet und hatte in der University of East Anglia in Norwich promoviert. → Siehe: bbc.co.uk, uea.ac.uk.
    Eine weitere Mikrobiologin war die in Denton ausgebildete und von der University of Missouri promovierte Huda Ammash, genannt „Mrs Anthrax“. → Siehe: uea.ac.uk.
  3. American Type Culture Collection (ATCC → Siehe: atcc.org) lieferte 36 Stämme von 10 Krankheitserregern in den Irak, mit Wissen und Absprache des Handelsministeriums der USA. Die Bestellung lief über die Universität Bagdad. → Siehe: nti.org.
    Die Anthrax-Kultur war der Ableger einer britischen Kultur, die im Zweiten Weltkrieg entwickelt wurde. → Siehe iraqwatch.org: Iraqís Past and Future Biological Weapons Capabilities (Memento vom 28. Oktober 2012 im Internet Archive; PDF; 80,9 kB)
  4. Alle Anlagen wurden während des Zweiten Golfkriegs bombardiert und zerstört oder schwer beschädigt.
  5. Clostridium botulinum wurde in einem dreistufigen Verfahren zuerst in Formalin gelöst, auf 121 Grad erhitzt und mit Kaliumpermanganat versetzt.
    Bacillus anthracis auf 121 Grad erhitzt, Fomalin zugegeben und ebenfalls in Kaliumpermanganat gelöst.
    Aflatoxin in ähnlicher Weise Bleichmittel zugegeben, erhitzt und in Kaliumpermanganat gelöst. → Siehe: Abschlußbericht der UN
  6. So auch Hussein Kamel in einem am 25. August 1995 geführten Interview mit Rolf Ekéus. → Siehe: downingstreetmemo.com (PDF; 466 kB)
  7. Die Quellen stützten sich auf den irakischen Überläufer Rafid Ahmed Alwan.
    US-Außenminister Colin Powell zeigte am 5. Februar 2003 vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein Modell eines fahrbaren Biowaffenlabors. → Siehe: Iraq: Failing To Disarm -- Slide 20 (Memento vom 12. Februar 2005 im Internet Archive).
    Der Bericht der CIA vom 28. Mai 2003 sprach von sechs Trailern sowie einem Eisenbahn-Labor. → Siehe: cia.gov (Memento des Originals vom 2. November 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.cia.gov (PDF; 759 kB).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. admin.ch (PDF; 122 kB) Genfer Protokoll, abgerufen am 22. Januar 2013
  2. a b icrc.org Convention on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on their Destruction, abgerufen am 22. Januar 2013
  3. a b c d e f g Abschlußbericht der UN (PDF; 10,0 MB) The Biological Weapons Programme, abgerufen am 22. Januar 2013
  4. fas.org (PDF; 219 kB) A PROFILE OF WMD PROLIFERANTS, abgerufen am 24. Januar 2013
  5. RESOLUTION 687 (1991)