Debiasing

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Debiasing (deutsch etwa „Entzerren“) bezeichnet ein Bündel von Maßnahmen, die darauf abzielen negative Effekte durch kognitive Verzerrungen zu vermindern.[1] Der Begriff Debiasing stammt ursprünglich aus der Psychologie und setzt sich zusammen aus dem lateinischen Präfix de- (für ab-, weg-, herab) und englisch cognitive bias oder lediglich bias für kognitive Verzerrung.

Wissenschaftliche Relevanz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben der Psychologie (insbesondere Entscheidungspsychologie) nimmt Debiasing auch in anderen wissenschaftlichen Bereichen eine immer wichtiger werdende Rolle ein. Dazu zählen insbesondere diejenigen Bereiche der Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre, welche sich mit Fragestellungen des menschlichen Verhaltens und der Entscheidungsfindung befassen (siehe auch Behavioral Accounting, Verhaltensökonomik, Verhaltensorientierte Finanzmarkttheorie, Marketing). Debiasing kann sowohl auf Ebene von Individuen oder Gruppen, als auch auf der Ebene von Organisationen bzw. Unternehmen stattfinden. Da kognitive Verzerrungen (englisch cognitive biases) in allen Bereichen, in denen Menschen Entscheidungen treffen, relevant sein können, sind die in der Wissenschaft diskutierten Ansätze zur Reduktion der potenziell negativen Effekte durch kognitive Verzerrungen sehr vielfältig.[2] Grundsätzlich sollte sich die gewählte Debiasing-Maßnahme an der zu vermindernden kognitiven Verzerrung orientieren. Während beispielsweise einfachere Denkfehler durch Training vermindert werden können, hat sich gezeigt, dass die Selbstüberschätzung (auch Overconfidence-Bias genannt) nicht durch Expertise vermindert, sondern in manchen Fällen sogar erhöht wird.[3]

Systematisches Debiasing im Unternehmenskontext[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für Unternehmen, die Debiasing nutzen möchten, um die Qualität ihrer Entscheidungen und Effizienz ihrer Prozesse und verbessern, bietet sich daher ein systematisches Vorgehen an. Entscheidungen in Unternehmen, die durch kognitive Verzerrungen zu Fehlinvestitionen führen, können sowohl mit hohen direkten Kosten für das Unternehmen verbunden sein, als auch zu indirekten Kosten durch den Verlust von Reputation bei Kunden oder Arbeitnehmern führen. Ein systematisches Debiasing kann dazu beitragen derartige Kosten möglichst gering zu halten, weshalb das Thema Debiasing sowohl in der Wissenschaft als auch in der Unternehmenspraxis an Bedeutung gewinnt.[4] Im Fall der Gesundheitsbranche, in der Debiaising ebenfalls eine immer größere Rolle einnimmt, kann das Vermeiden von Fehldiagnosen sogar Leben retten.[5]

Die klassischen Instrumente der Prinzipal-Agent-Theorie, (monetäre) Anreize und Kontrollen, können in bestimmten Situationen zwar gegen kognitive Verzerrungen eingesetzt werden, kommen aber schnell an ihre Grenzen. Insbesondere können schlecht ausgestaltete Anreiz- und Kontrollmechanismen dazu führen, dass sich für das Unternehmen schädliche kognitive Verzerrungen verstärken oder zusätzlich entstehen.[6] Deshalb werden für die Reduktion von kognitiven Verzerrungen stetig weitere Maßnahmen entwickelt. Die Entwicklung von Maßnahmen sollte sich an den für die Situation relevanten kognitiven Verzerrungen orientieren und im Gegenstromverfahren entwickelt werden. Für die Implementierung von Debiasing ist es besonders wichtig, dass neben einem systematischen Vorgehen auch der spezifische unternehmerische Kontext betrachtet wird.[1]

Beispiele für diese Maßnahmen, welche Unternehmen im Rahmen eines systematischen Debiasing nutzen können, sind:

Wird sich eine kognitive Verzerrung zu Nutze gemacht, um damit den Effekt einer anderen kognitiven Verzerrungen zu vermindern, spricht man auch von Rebiasing (vom lateinischen Präfix re- für zurück und englisch cognitive bias oder lediglich bias für kognitive Verzerrung).

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Niklas Kreilkamp, Maximilian Schmidt, Arnt Wöhrmann: Effizienzsteigerung durch Debiasing: Empfehlungen für die Praxis. Abgerufen am 24. Juni 2019.
  2. Jack B. Soll, Katherine L. Milkman, John W. Payne: A User’s Guide to Debiasing. In: Gideon Keren, George Wu (Hrsg.): The Wiley Blackwell Handbook of Judgment and Decision Making,. John Wiley & Sons, 2015, ISBN 978-1-118-46839-5, S. 924–951.
  3. Max H. Bazerman, Don A. Moore: Judgment in Managerial Decision Making. 8. Auflage. Wiley, New Jersey 2013, ISBN 978-1-118-06570-9.
  4. Peter Scherpereel, Julian Gaul, Martin Muhr: Entscheidungsverhalten bei Investitionen steuern. In: Controlling & Management Review. Sonderheft 2, 2015.
  5. Pat Croskerry, Geeta Singhal, Sílvia Mamede: Cognitive Debiasing 1: Origins of Bias and Theory of Debiasing. In: BMJ Qual Saf Published Online. 2013.
  6. Richard P. Larrick: Debiasing. In: Derek J. Koehler, Nigel Harvey (Hrsg.): Blackwell Handbook of Judgment and Decision Making. Blackwell Publishing, 2004, ISBN 1-4051-0746-4, S. 316–338.