Dermatoskopische Vitalhistologie

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Plattenepithelkarzinom als Beispiel für eine vitalhistologische Interpretation des dermatoskopischen Projektionsbildes. Initiales Vulvakarzinom an der vorderen Kommissur bei einer 61-jährigen Patientin: OK=Orthokeratose; HK-HG=kompakte Hyperkeratose mit Hypergranulose; PK=Parakeratose; EP=ektatische Papillenkapillaren; UN=ungeordnete Neovaskularisation; VZ=Verhornungszentren.

Die Dermatoskopische Vitalhistologie (von griechisch δέρμα derma deutsch ‚Haut‘[1] und altgriechisch σκοπεῖν skopein, deutsch ‚betrachten‘ sowie von lateinisch vitalis deutsch ‚zum Leben gehörig‘; altgriechisch ἱστός histos, deutsch ‚Gewebe‘ und λόγος lógos, deutsch ‚Lehre‘; syn. Auflichtmikroskopische Vitalhistologie) ist ein diagnostisches Verfahren in der Dermatologie.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Dermatoskopische Vitalhistologie dient der Betrachtung und Beurteilung mikroskopischer Strukturen lebenden Gewebes, im Falle der Dermatoskopie gesunde oder krankhaft veränderte Haut betreffend. Die Mikroskopie der Hautoberfläche geschieht im Auflicht durch Beleuchtung des zu untersuchenden Areals aus Richtung des Objektivs oder durch das Objektiv selbst unter Verwendung eines Dermatoskops, Auflichtmikroskops oder mittels digitaler Dermatoskopie bzw. Videodermatoskopie.

Bedeutung und Einsatzgebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die nichtinvasive Untersuchungstechnik der Vitalhistologie befasst sich mit der visuellen dermatoskopischen Auffindung und Deutung von gesunden und pathologisch veränderten Strukturmerkmalen oberflächlicher und tiefer gelegener Hautschichten am lebenden Organismus. Der Blick in das Projektionsmuster eröffnet dem betrachtenden Auge dreidimensionale Aspekte mikroanatomischer Charakteristika der Epidermis und des Papillarkörpers, was am zweidimensionalen histologischen Schnittbild toten Gewebes nicht möglich wäre. Struktur- und Farbkriterien gestatten neben der Befundung des feingeweblichen Korrelates gezielte Diagnosen anhand reproduzierbarer Merkmalskombinationen am gesamten Integument einschließlich leicht zugänglicher Schleimhäute. Haupteinsatzgebiete der Vitalhistologie sind die präinvasive bzw. präoperative Diagnostik zur Dignitätsbeurteilung von Hauttumoren, die Differenzierung initialer und kleiner Hautveränderungen einschließlich Melanomfrüherkennung, sequentielle digitale Dermatoskopie, periphere horizontale Schnittrandkontrolle, Inflammoskopie, das Auffinden von Parasiten und Infestationen.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

P. Vonwiller entwickelte 1927 ein Mikroskop mit großem Auflösungsvermögen für Auflicht- und Dunkelfeldbeleuchtung, bekannt als Spaltopakilluminator der Fa. Leitz, Wetzlar. Damit ließen sich Epithelzellen und Gefäße der Epidermis-Kutis-Grenze sichtbar machen. Arbeitsgruppen um Franz Ehring, Leonhard Illig und Johannes Schumann nutzten und erweiterten die technischen Fortschritte der Mikroskopie, Belichtung und Bildwiedergabe. Zum Einsatz kamen schwenkbare Stereomikroskope, Intravitalmikroskope, Spaltopakilluminatoren (bis 1000-fache Vergrößerung), Xenonlampen, Quecksilberdampfhochdrucklampen, automatische Kleinbildkamerasysteme und ab 1977 auch analoge Videodermatoskope. Mittels dieser Mikroskopier- und Beleuchtungstechniken ergab sich die Möglichkeit, die Intravitalmikroskopie zu einer „Vitalhistologie der obersten Hautschichten“ weiterzuentwickeln. Franz Ehring (1921–2005) gilt als Begründer der modernen dermatoskopischen Vitalhistologie. Im Jahre 1970 führte Johannes Schumann aus der Arbeitsgruppe um Franz Ehring, an deren Weiterentwicklung der damalige Doktorand Werner Voss beteiligt war, die Vitalhistologie zur Diagnostik von Pigmentzelltumoren der Haut ein. 1985 gelang es Friedrich A. Bahmer und Christian Rohrer-Höffgen in Kooperation mit der Fa. Olympus ein handliches, praxisfähiges Spiegelreflexkamerasystem (AbbildungsMaßstab 5,5–13,6:1) zu entwickeln, das sich zur analogen Befunddokumentation eignete.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Faris Abuzahra: Die Entwicklung der Auflichtmikroskopie. Von den experimentellen Anfängen zum Werkzeug der Diagnostik. Waxmann Verlag, 1995, ISBN 978-3-8309-5378-4 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Werner Voss: Vitalhistologie pigmentierter Hauttumoren. Inaug.-Diss., Münster 1975.
  • Hans Schulz, Max Hundeiker, Jürgen Kreusch: Kompendium der Dermatoskopie. Springer-Verlag, 2016, ISBN 978-3-662-49491-2 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Franz Ehring, Johannes Schumann, Werner Voss: Die Vitalmikroskopie der Haut im Auflicht. 1. Die Vitalhistologie der Haut. 2. Die Vitalhistologie der Pigmenttumoren. Westdeutscher Verlag, 1977 [E-Book-Ausgabe Springer-Verlag, 2013], ISBN 978-3-322-88152-6 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Leonhard Illig, Hermann Conraths: Mikroskopische Lebendaufnahmen vom Kapillarbett des Tieres und des Menschen. 1. CH Boehringer Sohn, Ingelheim, 1959.
  • Leonhard Illig, Hermann Conraths: Mikroskopische Lebendaufnahmen vom Kapillarbett des Tieres und des Menschen. 2. CH Boehringer Sohn, Ingelheim, 1959.
  • Hans Schulz: Auflichtmikroskopische Vitalhistologie. Springer-Verlag, 2002, ISBN 978-3-642-56162-7 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • P. Vonwiller: Lebendige Gewebslehre. Kommissionsverlag Zollikoffer & Co, St. Gallen, 1945.
  • Friedrich A. Bahmer, Christian Rohrer: Ein Beitrag zur Abgrenzung früher Melanome mittels einer einfachen Methode der hochauflösenden Hautoberflächenfotografie. Akt Dermatol 1985; 11:149-53.
  • Johannes Schumann, Brigitte Biess: Vitalhistologie des malignen Melanoms. Verh Dtsch Derm Ges, 29. Tagung, Berlin 29.09.-02.10.1971. Arch Derm Forsch 1972; 244:275-8.
  • Christian Schulz: Gefässveränderungen von Hauttumoren in der Auflichtmikroskopie. Inaug.-Dissertation, Münster 2000.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. GEMOLL: Griechisch-deutsches Schul- und Handwörterbuch