Kleinblütiger Fingerhut

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Kleinblütiger Fingerhut

Kleinblütiger Fingerhut (Digitalis parviflora)

Systematik
Asteriden
Euasteriden I
Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie: Wegerichgewächse (Plantaginaceae)
Gattung: Fingerhüte (Digitalis)
Art: Kleinblütiger Fingerhut
Wissenschaftlicher Name
Digitalis parviflora
Jacq.

Der Kleinblütige Fingerhut (Digitalis parviflora) ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Fingerhüte (Digitalis) in der Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae). Die Pflanze ist in Bergregionen Nordspaniens heimisch und wird gelegentlich als Zierpflanze genutzt. Alle Pflanzenteile sind giftig.

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mittlerer Teil eines Blütenstands
Standort am Picos de Europa
Blattrosetten des Kleinblütigen Fingerhuts

Erscheinungsbild und Blatt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Kleinblütige Fingerhut ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die wintergrüne lockere Blattrosetten bildet und im Sommer mit mehreren, stark beblätterten, mehr oder weniger kahlen Stängeln Wuchshöhen von 40 bis 60 (maximal 90) Zentimetern erreicht. Die dunkelgrünen, einfachen, ledrigen Laubblätter sind lanzettlich, ganzrandig oder etwas gezähnt, oberseits kahl, unterseits an den Blattnerven und am Blattrand kurz behaart. Die unteren Blätter sind bis 25 Zentimeter lang und bis 2,5 Zentimeter breit. Die Stängelblätter verjüngen sich nach oben hin.[1]

Blütenstand und Blüte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der endständige, schmale traubige Blütenstand ist mit vielen kurz gestielten Blüten dicht besetzt. Die Hüllblätter sind 7 bis 12 Millimeter lang und 1 bis 2 Millimeter breit. Rund um den weißfilzigen Blütenstandsstiel sind meist mehr als 100 zwittrige, zygomorphe, 9 bis 13 Millimeter große Blüten angeordnet. Die Kelchblätter sind eiförmig und stumpf, am Rande behaart und stehen etwas von der Blütenkrone ab. Die mehr oder weniger zweilippige, 8 bis 12 Millimeter lange und 4 bis 5 Millimeter breite, dunkel rotbraune Kronröhre ist außen drüsig und am Ende der Kronlippen weiß behaart. Die obere Kronlippe ist abgestumpft. Die untere Kronlippe besitzt dreieckige, rundspitzige Seitenlappen und einen 2 bis 2,5 Millimeter langen mittleren Kronlappen.[1] Die Blütezeit liegt im Juni.[2] Die Nektar führenden Blüten werden von Bienen bestäubt.

Frucht und Samen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Fruchtreife entwickelt sich der drüsige Fruchtknoten zu einer 7,5 bis 9 Millimeter langen und 4,5 bis 6 Millimeter langen, eiförmigen, mehr oder weniger kahlen Kapselfrucht. Sie enthält viele hellbraune, 1,3 bis 1,5 Millimeter lange und 0,5 bis 0,7 Millimeter breite, nierenförmige Samen, die verbreitet werden, wenn der Fruchtstand durch den Wind oder ein herumstreifendes Tier bewegt wird (Stoßausbreitung).[1]

Chromosomensatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 56.[3]

Vorkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das natürliche Verbreitungsgebiet des Kleinblütigen Fingerhuts erstreckt sich im Norden und in der Mitte der Iberischen Halbinsel vom Kantabrischen Gebirge bis zur Bergkette Sierra de Guadarrama des nördlichen Iberischen Scheidegebirges. Die Pflanze besiedelt dort steinige Hänge und sonnige bis halbschattige Anhöhen, rasige Böschungen, Gräben, Gebüschränder und Waldlichtungen in Höhenlagen von 500 bis 2.000 Meter. Die Standorte befinden sich meist auf Kalkstein, seltener auf Silikat.[4][1]

Taxonomie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Erstveröffentlichung von Digitalis parviflora erfolgte 1770 durch Nikolaus Joseph von Jacquin in Hortus botanicus Vindobonensis (Hort. Bot. Vindob.), Band 1, S. 6.[5] Der artspezifische Namensteil parviflora bedeutet „kleinblütig“.

Auf Grundlage gemeinsamer morphologischer Merkmale, vor allem wegen der kurzgestielten, röhrigen bis leicht glockigen Blüten, wurde Digitalis parviflora zusammen mit Digitalis lutea und weiteren Fingerhutarten in die Sektion Tubiflorae eingruppiert.[6][4] Phylogenetische Untersuchungen zeigten allerdings, dass die Sektion Tubiflorae polyphyletisch ist, also eine „unnatürliche“ Gruppierung darstellt, die keine unmittelbar gemeinsame Stammform hat. Da Digitalis parviflora genetisch (wie auch geographisch) eher isoliert ist, wird sie heute in eine eigene Sektion (Parviflorae) gestellt.[7]

Nutzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Kleinblütige Fingerhut eignet sich als gut ausdauernde Zierpflanze beispielsweise für mediterrane Gärten, Steingärten, Steppengärten und sonnige Gehölzränder. Trotz der eher gedämpften Blütenfarbe bieten die kerzenartigen Blütenstände ein sehr auffälliges Erscheinungsbild[8] und verbreiten eine warme, mediterrane Atmosphäre. Die Pflanze gilt mit ihren immergrünen Blattrosetten und überdauernden Samenständen auch im Winter als attraktiv. Sie gedeiht in sonnigen bis halbschattigen Lagen in durchlässigen, eher trockenen Böden und verbreitet sich durch mäßige Selbstaussaat.[2] Der Fingerhut ist winterhart bis −18 °C (Zone 7).[9]

Der Kleinblütige Fingerhut ist giftig und enthält medizinisch wirksame Herzglykoside.[4] Das pharmakologische Hauptinteresse an der Gattung Digitalis richtet sich jedoch auf zwei andere Fingerhutarten, den Roten Fingerhut und den Wolligen Fingerhut, die einen höheren Wirkstoffgehalt besitzen und auch traditionell als Heilpflanzen verwendet wurden.[6][10]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ester Sales Clemente, Frieder Müller-Uri, Sergio G. Nebauer, Juan Segura, Wolfgang Kreis, Isabel Arrillaga: Digitalis. In: C. Kole (Hrsg.): Wild Crop Relatives: Genomic and Breeding Resources, Plantation and Ornamental Crops. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 2011, Kapitel 5, S. 73–112. doi:10.1007/978-3-642-21201-7_5.
  • Carles Benedí i Gonzalez, P.-A. Hinz Alcaraz: Digitalis. In: Carles Benedí i Gonzalez, Enrique Rico Hernández, Jaime Güemes Heras, Alberto Herrero Nieto (Hrsg.): Flora Ibérica. Band XIII: Plantaginaceae-Scrophulariaceae. Real Jardín Botánico, Madrid 2009, ISBN 978-84-00-08747-0, S. 346 f. (PDF) (spanisch).
  • Hans Simon (Hrsg.): Die Freiland-Schmuckstauden. Begründet von Leo Jelitto und Wilhelm Schacht. 5., völlig neu bearbeitete Auflage, Band 1: A–H. Ulmer, Stuttgart 2002, ISBN 3-8001-3265-6, S. 294.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kleinblütiger Fingerhut (Digitalis parviflora) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Carles Benedí i Gonzalez, P.-A. Hinz Alcaraz: Digitalis. In: Carles Benedí i Gonzalez, Enrique Rico Hernández, Jaime Güemes Heras, Alberto Herrero Nieto (Hrsg.): Flora Ibérica. Band XIII: Plantaginaceae-Scrophulariaceae. Real Jardín Botánico, Madrid 2009, ISBN 978-84-00-08747-0, S. 346 f. (PDF) (spanisch).
  2. a b Beschreibung von Digitalis parviflora bei galasearch.de.
  3. Eintrag in der Chromosome Counts Database (ccdb.tau.ac.il).
  4. a b c Ester Sales Clemente, Frieder Müller-Uri, Sergio G. Nebauer, Juan Segura, Wolfgang Kreis, Isabel Arrillaga: Digitalis. In: C. Kole (Hrsg.): Wild Crop Relatives: Genomic and Breeding Resources, Plantation and Ornamental Crops. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 2011, Kapitel 5, S. 73–112. doi:10.1007/978-3-642-21201-7_5.
  5. Jacquin, Nikolaus Joseph von. 1770. Hortus botanicus Vindobonensis 1: 6. (biodiversitylibrary.org).
  6. a b Max Wichtl: Digitalis L. - Fingerhut (Scrophulariaceae) - eine wichtige Arzneipflanzengattung. In: Stapfia. Band 75, Nr. 164 (2001), S. 89–100 (zobodat.at [PDF]).
  7. C. Bräuchler, H. Meimberg, G. Heubl: Molecular phylogeny of the genera Digitalis L. and Isoplexis (Lindley) Loudon (Veronicaceae) based on ITS-and trn LF sequences. In: Plant Systematics and Evolution. Band 248, Nr. 1 (2004), S. 111–128. doi:10.1007/s00606-004-0145-z.
  8. Hans Simon (Hrsg.): Die Freiland-Schmuckstauden. Begründet von Leo Jelitto und Wilhelm Schacht. 5., völlig neu bearbeitete Auflage, Band 1: A–H. Ulmer, Stuttgart 2002, ISBN 3-8001-3265-6, S. 294.
  9. Graham Rice (Hrsg.): The Royal Horticultural Society: Stauden, Die große Enzyklopädie. Dorling Kindersley Verlag, München 2015, ISBN 978-3-8310-2752-1, S. 169.
  10. Wolfgang Kreis: The foxgloves (Digitalis) revisited. In: Planta medica. Band 83, Nr. 12/13 (2017), S. 962–976. doi:10.1055/s-0043-111240.