Diskussion:Proteste in Chile 2019/2020

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Bin generell kein besonderer Freund von aktualitätsbezogenen Artikeln dieser Art. Das gilt noch mehr für Artikel über Ereignisse, die im deutschen Sprachraum nicht im Fokus der Presseberichterstattung stehen. Folge ist, dass sich nur einzelne Nutzer an der Bearbeitung beteiligen und mehr oder weniger unkontrolliert schreiben können, was sie glauben verstanden zu haben oder irgendwo aufschnappen. Da es keine umfangreichere deutschsprachige Berichterstattung gibt und die vorhandene auch nicht immer frei von Vereinfachungen und Fehleinschätzungen ist, lässt sich das Ergebnis dann auch nur schwer überprüfen. Generell meine ich, es ist besser, gar keinen Artikel über so ein Ereignis zu haben als einen schlechten oder in die Irre führenden.

Bei diesem Artikel sind jdfs. über die typischen Mängel solcher im Fluss befindlichen Darstellungen hinaus noch weitere Schwächen festzuhalten, weshalb ich neben dem Aktualitätsbaustein auch den Überarbeitungsbaustein für gerechtfertigt halte. Im Einzelnen handelt es sich um fehlerhafte oder unvollständige Angaben und Einschätzungen, die dem Charakter der Ereignisse nicht gerecht werden.

Beispiele:

  • Der Einleitung zufolge "werden die mitunter gewaltsamen Proteste von einer breiten Bevölkerungsschicht getragen".
Irreführende Halbwahrheit. Tatsächlich werden die Proteste von der breiten Bevölkerung (durchaus auch über Schichten hinweg) mitgetragen, allerdings wird die Gewalt von der Masse der Bevölkerung und auch der Demonstrierenden verurteilt und als Besorgnis erregend empfunden.
  • "Geprägt sind die Proteste von Gewalt sowohl von Polizei und Militär, als auch von Teilen der Demonstranten."
Irreführende Halbwahrheit. Das Besondere und Faszinierende der letzten Tage, was die Bewegung prägt, waren die vollkommen friedlichen und oft ausgelassen-fröhlichen Massenproteste in der Hauptstadt und vielen anderen Städten des Landes, an denen Familien mit Kindern, Musikgruppen und Menschen aller Generationen (auch wenn die Jugend überwiegt) Tag für Tag teilnehmen. [Nachtrag: Heute, Freitag, die größte Massendemonstration Chiles seit je auf der Plaza Italia, nach Angaben der Intendantur von Santiago "mehr als eine Million Menschen" (offenbar mehr als am 4. September 1970 und am 1. Oktober 1988), zu der die Menschen seit den Morgenstunden strömten.] Dieses völlig neue Phänomen prägt die Proteste mindestens genauso wie die Gewalt, Brandstiftungen und Plünderungen. Um einen Eindruck zu erhalten, kann man kurz in dieses Video aus meiner Heimatstadt Talca schauen, friedliche Massendemo vom Sonntag mit mehr als 4000 Menschen auf der Plaza de Armas, was es in der Geschichte der Stadt noch nie gab: [1] (Gewalt gab und gibt es in Talca auch, vorgestern brannte der Markt).
Unvollständig ist auch die Feststellung, die Gewalt gehe von den Sicherheitskräften und Teilen der Demonstranten aus. Das stimmt für Demonstrationen in der Hauptstadt und anderswo, die in Straßenschlachten enden (was nicht immer passiert). Sehr viel Gewalt, vor allem Brandstiftungen und Plünderungen, geht aber auch von Personengruppen aus, die nicht direkt als "Demonstranten" gezählt werden können (teils Aktivisten, die teilweise aus Demonstrationen heraus handeln, oft aber auch kriminelle Banden, Kleinkriminelle oder einfache Plünderer aus der Bevölkerung).
  • Dem INDH zufolge "sind durch Polizei und Militär 13 Personen getötet (erschossen und überfahren) und 84 angeschossen worden".
Erstens falsch, zweitens veraltet. Das INDH hat die offizielle Zahl der Todesopfer (seit vorgestern 18) keineswegs pauschal Polizei und Militär angelastet. Vielmehr sind (nach den Zahlen von gestern und vorgestern) 5 Personen durch Polizei- und Militäraktionen umgekommen. Von diesen 5 Opfern wurden zwei erschossen (Coquimbo [Korr.: La Serena] und Curicó), einer starb wenn ich richtig informiert bin infolge eines [Korr.: mehrerer] Gummigeschosstreffers am Hals (La Serena [Korr.: (Coquimbo]), ein Mann wurde am Samstag oder Sonntag von Carabineros zusammengeschlagen und starb am nächsten Tag (der Fall wurde erst vorgestern verspätet bekannt) und ein Junge wurde von einem Marineinfanteriefahrzeug überrollt (Talcahuano, mglw. bewusst), alle diese Fälle werden von der Justiz verfolgt. Die Toten der ersten Tage sind großteils Opfer von Bränden in Supermärkten und Einkaufszentren [Nachtrag: 11, davon 7 noch nicht identifiziert]. Die Opfer durch Unfälle (überfahren [Nachtrag: 3]) sind nur in dem Fall von Talcahuano dem Militär zuzurechnen.[2] [Nachtrag: Die beiden anderen, darunter ein 4-jähriges Kind, starben in der Region Bío Bío, als ein Betrunkener in eine Personengruppe fuhr.] Was die Polizei- und Militärgewalt insgesamt angeht, gerät diese in den letzten Tagen immer mehr in den Fokus, da es umso öfter zu Übergriffen kommt, je länger der Ausnahmezustand dauert. Gestern bat Piñera seine Vorgängerin, die UN-Menschenrechtsbeauftragte Bachelet, um Entsendung von Menschenrechtsbeobachtern der Vereinten Nationen, was diese zusagte.
Nachtrag: Amtliche Zahl der Todesopfer wurde gestern auf 19 korrigiert, letztes Opfer ist ein Peruaner, der seit drei Tagen mit einer Schussverletzung im Krankenhaus lag, die er bei der Plünderung eines Supermarktes erlitten haben soll, wobei die näheren Umstände (War er beteiligt? Wer hat geschossen?) unklar sind, angeblich hat der Geschäftsinhaber geschossen. Hab die Daten weiter oben berichtigt/ergänzt. Insgesamt sind 4 der Opfer Ausländer (3 Peruaner, 1 Venezolaner). Die verlinkten Berichte enthalten zahlreiche weitere Zahlen.--22:53, 25. Okt. 2019 (CEST) [3][4][5][6][7]
  • Das Kapitel über den "Verlauf" ist fehler- und lückenhaft.
  • Der Anlass und die Entstehung der Proteste (Preiserhöhung der Metro-Tickets und tagelange "evasiones masivas" (massives Schwarzfahren) vor allem durch Schüler und Studenten, die schließlich in der Zerstörung von Metrostationen und Ladenlokalen und allgemeinem Chaos mündeten, insbesondere dem spektakulären Brand des Verwaltungshochhauses der Stromversorgungsgesellschaft in der Nacht vor Verhängung des Ausnahmezustands, dem die Polizei hilflos zusehen musste, werden nicht dargestellt.
  • Der Betrieb der Metro de Santiago musste flächendeckend eingestellt werden (stimmt), bereits seit Montag ist die Linie 1 aber wieder in Betrieb genommen (mit Unterbrechungen und prekär, da es immer wieder neue Angriffe auf U-Bahn-Stationen gibt, zuletzt gestern Baquedano).
  • Piñera geriet weniger wegen dieses Partybesuchs, sondern hpts. durch seinen Ausspruch "Wir sind im Krieg" in die Kritik (übrigens auch international), außerdem wegen der hilflosen Reaktion der Regierung insgesamt und wegen der Verhängung des Ausnahmezustands.
  • Piñera hat auch keine Ausgangssperre verhängt (das geschieht täglich und lokal unterschiedlich durch die in den Ausnahmegebieten mit der Sicherung der öffentlichen Ordnung beauftragten Militärkommandanturen).
[Nachtrag: Sehe gerade, das ist ein Fehler meinerseits, die Falschinfo steht nicht hier im Artikel, sondern stand bei Sebastián Piñera.]
  • Es handelt sich nicht um "die erstmalige Verhängung eines Ausnahmezustandes" seit der Diktatur von Augusto Pinochet. Das trifft nur für die Hauptstadtregion zu, in den Erdbebengebieten von 2010 natürlich nicht.
  • Die versprochenen Sozialmaßnahmen und das politische Gerangel, das vor allem Hilflosigkeit ausstrahlt, sowie die unterschiedlichen Positionen der Parteien und politischen Akteure sollten einen eigenen Abschnitt erhalten und gehören in dieser Form nicht zum Verlauf. Bis jetzt ist das nur ganz verkürzt und nichtssagend und ohne die notwendige sachliche Einordnung genannt.

Ich habe nicht vor, jetzt in diesem Artikel großartig etwas zu schreiben (zu wenig Zeit und generelles Unbehagen bei solchen Artikeln), aber ich denke, ich werde den Überarbeitungsbaustein setzen und hoffe, auf lange Sicht dienen meine Hinweise zur Verbesserung des Artikels. Betrachte diese Punkte daher wie eine Art Merkzettel für spätere Ausbauaktivitäten.--Jordi (Diskussion) 13:04, 25. Okt. 2019 (CEST)[Beantworten]

  • Hallo Jordi! Danke für deine konstruktive Kritik und deine Anregungen zum Ausbau/zur Überarbeitung des Artikels. Ich stimme dir in weiten Teilen deiner Argumentation zu, sehe allerdings die Notwendigkeit des Artikels schon als gegeben an - immerhin ist/war es ein zentrales Narrativ in der Berichterstattung mehrerer Qualitätsseiten. Meinem Schreibstil entsprechend baue ich stets nur Fakten in Artikel ein, die sich in der Form auch in solchen Qualitätsmedien wiederfinden lassen. Persönliche Wertungen und Verallgemeinerungen haben aus meiner Sicht in einem seriösen Artikel nichts verloren. Generell wäre es stets wünschenswert, wenn mehr User sich konstruktiv an den Artikeln beteiligen würden. Leider hat man immer mehr mit Pseudoverbesserungen zu kämpfen, die dem Stil der Wikipedia nicht entsprechen. Ein Problem, dass ich hier schon lange sehe ist die Tatsache, dass oftmals durchaus relevante Dinge als unrelevant erachtet werden. In der Beziehung ist mir die englische Wikipedia lieber, da ich es als besser empfinde einen kurzen Faktenartikel zu haben als einen roten Link.... --Arkansawyer25KADIMA토론/議論 14:59, 25. Okt. 2019 (CEST)[Beantworten]
Ich finde solche Artikel im Allgemeinen wichtig und diesen ganz besonders, gerade wenn es wenig deutschsprachige Berichterstattung gibt. Ich übersetze nämlich derzeit einen Artikel zu diesem Thema und bin für jede Hintergrundinfo dankbar (z.B. ist bei den "students" im Englischen immer unklar, ob es nun Schüler oder Studenten sind). Generell sollte man sich auch hier an eine neutrale Darstellung halten; wer nun gewalttätig ist oder war ist bei solchen Konflikten ja stets umstritten. --Bjørn M (Diskussion) 10:43, 12. Nov. 2019 (CET)[Beantworten]
Sicherlich ist es wichtig, aber man sollte sich keine Illusionen machen, dass der Wikipedia-Artikel die fehlende deutschsprachige Berichterstattung ersetzen könnte, schon gar nicht, was aktuelle Entwicklungen angeht. Im Nachhinein kann man einen vernünftigen Artikel schreiben, der die Hintergründe und Entwicklungen zuverlässig schildert, aber wohl erst in ein paar Monaten. Englischsprachige Artikel sind hier auch nur begrenzt sinnvoll, man sollte sich im Wesentlichen auf spanische Berichterstattung stützen. Schüler- und Studentenproteste (beide Gruppen sind beteiligt) gibt es in Chile schon lange, das Besondere bei den gegenwärtigen Umwälzungen ist aber gerade, dass sich das Spektrum der Protestierenden eben nicht mehr auf Schüler und Studenten eingrenzen lässt. Gerade gestern kam die Meldung, dass Piñeras Regierung mittlerweile von rd. 80% der Bevölkerung abgelehnt wird und 71% die Proteste in ihren Anliegen unterstützen. Die Diskussion über die Gewalt hat sich in den letzten Tagen auch weiterentwickelt, die Polizeibehörden geraten immer stärker unter Druck und sollen jetzt auf den massenhaften und undifferenzierten Einsatz von Gummigeschossen verzichten, der für die ca. 300 Opfer mit Augenverletzungen (oft -verlust) verantwortlich ist. Die Verabschiedung des von Piñera am vergangenen Donnerstag vorgelegten Pakets neuer Sicherheitsgesetze, vielfach als Schritt in die falsche Richtung von mehr Repression gewertet, wird vom Senat davon abhängig gemacht, die Gummigeschosse zu verbieten.--Jordi (Diskussion) 12:40, 12. Nov. 2019 (CET)[Beantworten]

Frage an alle[Quelltext bearbeiten]

Eine Frage von einem Aussenstehenden an alle: Eine mir bekannte rechts gesinnte Person aus Chile verbreitet die Ansicht, dass die Proteste aus dem Ausland gesteuert werden und vor Ort Ausländer, namentlich Flüchtlinge aus Venezuela, für Unruhen sorgen. Auch wenn diese Quelle nicht sehr glaubwürdig ist, ist sie sicher authentisch. Gibt es eine solche Diskussion in Chile und wenn ja, wie könnte sie hier dokumentiert werden?--Spyridon (Diskussion) 00:15, 4. Nov. 2019 (CET)[Beantworten]

Solche Stimmen gibt es unter Rechtsradikalen in den sozialen Medien, sie werden auch von Trollfabriken verbreitet, spielen aber in der öffentlichen Diskussion keine oder nur eine ganz marginale Rolle und stoßen beim Gros der Menschen auf Unverständnis (weil jeder weiß, dass das nicht stimmt und rassistischer Unsinn ist). Auch die rechten Parteien hüten sich davor, solche Theorien offen zu propagieren oder zu stützen (insgeheim gäbe es sicherlich ein Spektrum bei der UDI, das für solche Verschwörungstheorien anfällig ist, aber da die Partei weiß, dass sich damit in der gegenwärtigen Lage keine Stimmen mobilisieren lassen, beteiligt sie sich nicht offen an sowas). Eine Notwendigkeit, das in den Artikel aufzunehmen, sehe ich nicht. Dass es Verschwörungstheorien in sozialen Medien gibt (unterschiedliche, von rechts wie links) und vor Fake-News gewarnt wird, könnte man aufnehmen (vernünftig bequellt natürlich), darüber wurde seit Beginn der Proteste häufiger gesprochen und gewarnt.--Jordi (Diskussion) 00:41, 4. Nov. 2019 (CET)[Beantworten]