Erste Bitte

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Jedem Kaiser des heiligen römischen Reiches stand das sogenannte Ius primariarum precum zu. Dieses Recht der Ersten Bitten beruhte nicht auf einer päpstlichen Verleihung, sondern auf dem Herkommen und wurde seit dem 13. Jahrhundert in Anspruch genommen. Es bedeutete, dass dem Kaiser aus Anlass seiner Krönung das Recht zur Besetzung der ersten jeweils freiwerdenden Präbende an jedem Stift im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zustand. Die vom Kaiser benannte und bei einem Stift aufgenommene Person wurde als Prezist, die Kollation als Preces primariæ bezeichnet. Dem Prezisten stand es offen, die erste vakante Stelle anzunehmen oder aber abzuwarten, bis eine andere Präbende an dem Stift, für das er eine Preces besaß, frei wurde. Der Kaiser bestellte jedoch Prezisten nicht nur an Domkapiteln, sondern gleichfalls auch an Kollegiatstiften, Klöstern und Konventen.[1]

In Fremdwörterbüchern Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff Precist als eine Wortbildung aus dem Neulateinischen erklärt, welcher dem Latein, das die Römer sprachen, fremd war. Zur Herkunft wurde angemerkt: Von lateinisch prex, Genitiv prexis, also „Bitte“. Mit dem Begriff „Precist“ wurde ein so genannter Bittpfründer bzw. Versorgter bezeichnet.[2][3] Die weibliche Form ist Precistin und wurde für diejenige Stiftsfrau verwendet, die im Damenstift auf Grund einer Bitte der preußischen Königin eine(n) Stelle/Platz erhielt.[4]

Das kaiserliche Recht der ersten Bitte(n) übte auch die „Königliche Majestät von Preußen“ aus.[5] Die damaligen Juristen waren sich nicht einig darüber, ob dieses Recht nur für weibliche Stifte in Frage kam.[6] Auch Fürsten hatten das Recht zur ausnahmsweisen Besetzung bestimmter Stellen in Stiften und Domkapiteln.[7] Preußische Königinnen haben als „Königliche Majestäten“ ebenfalls das Recht der ersten Bitte(n) „Jus primarum (primariarum) precum“ genutzt, z. B. bei der Besetzung einer offenen Stelle in adeligen Damenstiften.[8]

  • Paul Hinschius: Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland. I. Guttentag, Berlin 1869, § 129 b (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Heinrich von Srbik: Zum ius primariarum precum. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte KA, 4, 1914, S. 486–497 (Digitalisat).
  • Hanns Bauer: Das Recht der ersten Bitte bei den deutschen Königen bis auf Karl IV. (= Kirchenrechtliche Abhandlungen, H. 94). Stuttgart 1919.
  • Hans Erich Feine: Papst, Erste Bitten und Regierungsantritt des Kaisers seit dem Ausgang des Mittelalters. In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte KA, 20, 1931, S. 1–101.
  • Leo Santifaller: Die Preces primariae Maximilians I. Auf Grund der maximilianischen Registerbücher des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchives. In: Leo Santifaller (Hrsg.): Festschrift zur Feier des zweihundertjährigen Bestandes des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs – Ergänzungsband 2/1. Druck und Kommissions-Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei 1949, S. 578–661.
  • Anna Hedwig Benna: Preces primariae und Reichshofkanzlei (1559–1806), in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Bd. 5, Wien 1952; S. 87–102.
  • Franz-Josef Heyen: Die kaiserlichen Ersten Bitten für Stifte des Erzbistums Trier von Ferdinand I. bis Franz II. (1531–1792). In: Festschrift für Alois Thomas. Archäologische, kirchen- und kunsthistorische Beiträge. Zur Vollendung des 70. Lebensjahres am 18. Januar 1966, Selbstverlag des Bistumsarchivs, Trier 1967, S. 175–188.
  • Peter Offergeld: Erste Bitten (Preces primariae) deutscher Kaiser und Könige um Benefizien des Aachener Marienstifts, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins, 93, 1986, S. 39–86.
  • Paul-Joachim Heinig: Kaiser Friedrichs III. Preces-Register der Jahre 1473–1475, in: Ex ipsis rerum documentis. Beiträge zur Mediävistik. Festschrift für Harald Zimmermann zum 65. Geburtstag, hrsg. von K. Herbers, H. H. Kortüm, C. Servatius, Sigmaringen 1991, ISBN 3-7995-7072-1, S. 135–158 (Volltext (PDF; 1,5 MB) ).

Einzelnachweise

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  1. Johannes Freiherr von Boeselager: Die Osnabrücker Domherren des 18. Jahrhunderts (= Osnabrücker Geschichtsquellen und Forschungen. Band 28). Osnabrück 1990, S. 186–187.
  2. Précist. In: Johann Christian August Heyse: Fremdwörterbuch mit Bezeichnung und Betonung der Wörter nebst genauer Angabe ihrer Abstammung und Bildung. 18. Original-Ausgabe, neu bearbeitet von Otto Lyon. Hahn’sche Buchhandlung, Hannover / Leipzig 1903, S. 689, Spalte 1.
  3. Nachdruck der Ausgabe 1922; ISBN 3-487-06570-3.
  4. Monika Kubrova: Vom guten Leben. Adelige Frauen im 19. Jahrhundert. Akademie Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-05-005001-0, S. 395, Legende.
  5. Primarium Precum Jus oder Jus Primarum Precum. In: Johann Michael Mehlig: Historisches Kirchen- und Ketzer-Lexicon: aus den besten Schriftstellern zusammen getragen. 2. Teil. Chemnitz 1758, S. 429.
  6. Primarium Precum Jus oder Jus Primarum Precum. In: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 29, Leipzig 1741, Sp. 472–475.
  7. Jus primārum. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 10: Ionĭer–Kimono. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1907, S. 393 (zeno.org).
  8. Monika Kubrova: Vom guten Leben. Adelige Frauen im 19. Jahrhundert. Akademie Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-05-005001-0, S. 349.