Friedrich Heer

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Friedrich Heer (* 10. April 1916 in Wien; † 18. September 1983 in Wien) war ein vielseitiger österreichischer Schriftsteller, Kulturhistoriker und Publizist.

Heer lehrte nach geisteswissenschaftlichem Studium als Historiker und Publizist in Wien und wurde 1962 Professor. Seit 1961 war er Chefdramaturg am Burgtheater. In seinen Schriften machte er vor allem die christlich-abendländische Geistesgeschichte zum Thema. Als Katholik nahm er eine kritische Haltung ein, vor allem gegenüber den Verbindungen der Kirche und ihrer Würdenträger mit dem Nationalsozialismus.

Werk

Heer hat immens viel geschrieben und veröffentlicht. Hier kann nur ein kurzer und knapp gehaltener Überblick über einige wichtige Werke gegeben werden.

Er begann als Mittelalter-Historiker: in seiner Dissertation und in seinem ersten großen Werk, dem Buch „Aufgang Europas“ von 1949, dem 1952 als zweiter Band „Die Tragödie des Heiligen Reiches“ folgte. („Das Heilige Römische Reich“ war dann auch Thema und Titel eines Buches von 1967.) Der Titel des Buches „Gespräch der Feinde“ (1949) wurde von Gegnern und Freunden als „Lebensmotto“ Heers erkannt. Auch Heer selbst betrachtete dieses Buch als „Angelpunkt“ seines kultur- und kirchenkritischen Werkes.

Das Mittelalter wurde für Heer erneut zum Thema eines ganzen Buches im Rahmen von Kindlers Kulturgeschichte, für die er 1961 den Band „Mittelalter“ schrieb. Seine Werke nach 1952 stellen das Mittelalter jedoch zunächst in größere Zusammenhänge, so in der ersten großen Synopsis „Europäische Geistesgeschichte“ (1953), die einen Bogen vom Frühchristentum bis in die Gegenwart schlägt. Als (sehr umfangreiche) Ergänzungen und Erweiterungen der „Europäischen Geistesgeschichte“ können die Bücher „Europa. Mutter der Revolutionen“ (1964), das speziell die Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts zum Thema hat, und „Die dritte Kraft“ (1959), in dem es um das 16. Jahrhundert und den Humanismus geht, betrachtet werden.

Für die Fischer-Bücherei konzipierte Heer Einführungen zu Hegel (1955), Meister Eckhart (1956), Leibniz (1958) und Erasmus von Rotterdam (1962), die jeweils einen einleitenden Text Heers und seine Auswahl aus den Werken der Denker enthalten.

In einigen seiner bedeutendsten Werken setzte Heer sich kritisch mit einzelnen kirchlichen Traditionen auseinander: Mit dem Antisemitismus in den beiden zusammengehörigen Werken „Gottes erste Liebe“ (1967) und „Der Glaube des Adolf Hitler“ (1968), die bei ihrem Erscheinen großes Aufsehen erregten. Das Werk „Kreuzzüge – gestern, heute, morgen?“ (1969) macht die Kriegstheolgie zum Thema, „Abschied von Höllen und Himmeln“ (1970) die christliche Eschatologie.

In seiner Geschichtsdeutung hatte Heers Heimatland Österreich immer einen besonderen Stellenwert, so erstmals in der Aufsatzsammlung „Land im Strom der Zeit“ (1958) und dann in „Der Kampf um die österreichische Identität“ (1981), das eines seiner Hauptwerke bildet.

„Das Wagnis der schöpferischen Vernunft“ (1977) bezeichnete Heer als sein „geistiges Testament“. Neben seinen Hauptwerken veröffentlichte er zahlreiche Sammelbände seiner Aufsätze, so z. B. „Sprechen wir von der Wirklichkeit“ (1955) und „Quellgrund dieser Zeit“ (1956), „Experiment des Lebens“ (1957).

Zuletzt ist noch zu erwähnen, dass Heer neben seinen geisteswissenschaftlichen Studien auch einige Romane schrieb („Aster und der Alte“, „Scheitern in Wien“ und „Der achte Tag“).

Werkliste

  • 1947: Die Stunde des Christen
  • 1949: Gespräch der Feinde
  • 1949: Aufgang Europas (2 Bände)
  • 1950: Der achte Tag (Roman, erschienen unter dem Pseudonym „Hermann Gohde“)
  • 1952: Die Tragödie des Heiligen Reiches
  • 1953: Europäische Geistesgeschichte
  • 1953: Grundlagen der europäischen Demokratie der Neuzeit
  • 1960: Die dritte Kraft
  • 1961: Mittelalter - von 1100 bis 1350 in Kindlers Kulturgeschichte
  • 1964: Europa – Mutter der Revolutionen
  • 1967: Das Heilige Römische Reich
  • 1967: Gottes erste Liebe. Die Juden im Spannungsfeld der Geschichte. ISBN 3-548-34329-5
  • 1968: Der Glaube des Adolf Hitler. Anatomie einer politischen Religiosität ISBN 3-548-34598-0
  • 1981: Der König und die Kaiserin (Gegenüberstellung Friedrich II. und Maria Theresia)
  • 1981: Der Kampf um die österreichische Identität
  • Konrad Paul Liessmann (Hrsg.): Ausgewählte Werke in Einzelbänden 1. Das Wagnis der schöpferischen Vernunft. Böhlau Verlag, Wien 2003, ISBN 3-205-77124-9
  • Johanna Heer (Hrsg.): Ausgewählte Werke in Einzelbänden 2. Ausgewählte Essays: Europa: Rebellen, Häretiker und Revolutionäre. Böhlau Verlag, Wien 2003, ISBN 3-205-77123-0

Sekundärliteratur

  • Adolf Gaisbauer: Friedrich Heer. Eine Bibliographie. Böhlau Verlag, Wien 1990.
  • Evelyn Adunka: Friedrich Heer. 1916 - 1983. Eine intellektuelle Biographie. Tyrolia Verlag, Innsbruck 1995, ISBN 3-7022-1868-8
  • Sigurd P. Scheichl / Richard Faber: Die geistige Welt des Friedrich Heer. Wien: Böhlau 2007.
  • Wolfgang Ferdinand Müller: Die Vision des Christlichen bei Friedrich Heer. Innsbruck / Wien: Tyrolia 2002.