„Heiner Flassbeck“ – Versionsunterschied

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== „Das Ende der Massenarbeitslosigkeit“ ==
== „Das Ende der Massenarbeitslosigkeit“ ==
In dem gemeinsam mit der Ökonomin [[Friederike Spiecker]] verfassten Buch ''Das Ende der Massenarbeitslosigkeit'' (2007) stellt er die Gründe für die langjährige [[Wirtschaftswachstum|Wachstumsschwäche]] und die [[Massenarbeitslosigkeit|hohe Arbeitslosigkeit]] in Deutschland als Folge einer nicht an der Nachfrage orientierten Politik dar. Die Autoren plädieren stattdessen für Wirtschaftspolitik, die keynesianischen Grundideen folgt.
In dem gemeinsam mit der Ökonomin [[Friederike Spiecker]] verfassten Buch ''Das Ende der Massenarbeitslosigkeit'' (2007) stellt er die Gründe für die langjährige [[Wirtschaftswachstum|Wachstumsschwäche]] und die [[Massenarbeitslosigkeit|hohe Arbeitslosigkeit]] in Deutschland als Folge einer nicht an der Nachfrage orientierten Politik dar. Die Autoren plädieren stattdessen für Wirtschaftspolitik, die keynesianischen Grundideen folgt.

=== Inhalt ===
Das Buch ist in vier Teile gegliedert. In Teil I analysieren die Autoren die gängigen Erklärungen für die Arbeitslosigkeit, nach denen Maschinen, Löhne, Struktur und Globalisierung die „Jobkiller“ seien, und versuchen sie zu widerlegen.

In Teil II wird das „Versagen der Wirtschaftspolitik“ im Deutschland und Europa seit Ende der 1970er Jahre beschrieben. Themen sind das deutsche [[Wirtschaftswunder]], der Übergang der Geldpolitik in nationale Verantwortung im Anschluss an [[Bretton-Woods-System|Bretton Woods]], die Geldpolitik der [[Deutsche Bundesbank|Deutschen Bundesbank]] sowie die der [[Europäische Zentralbank|Europäischen Zentralbank]].

In Teil III fordern die Verfasser eine „Reform des Denkens“. Hier geht es um die grundlegenden Zusammenhänge zwischen [[Investition|Investieren]] einerseits und dem [[Sparen]], der Beschäftigung und der Staatsverschuldung andererseits.

In Teil IV werden „fünf Schritte in Richtung Vollbeschäftigung“ entwickelt. Dieses wirtschaftspolitische Handlungsprogramm umfasst eine „aktive Geldpolitik“, eine „flankierende Finanzpolitik“, eine „verteilungsneutrale Lohnpolitik“, die Arbeit an einer „globalen Finanz- und Währungsordnung“ sowie „intelligente und soziale Reformen“.

=== Grundlegende Aussagen ===
==== Sparen ====
Flassbeck und Spiecker behaupten, dass eine [[Volkswirtschaft]] nicht sparen könne. Die allgemeine Auffassung, dass eine Volkswirtschaft netto sparen könne, also insgesamt Geld über einen bestimmten Zeitraum sparen könne, um mit dem angesparten Geld erst in einer zukünftigen Periode [[Investition]]en zu finanzieren, ist nach Auffassung der Autoren falsch. Dies würde nämlich bedeuten, dass in der Gegenwart irgendjemand in der Volkswirtschaft auf seinem Angebot sitzen bleiben müsse. Da die Summe der Einnahmen und damit die [[Einkommen]] aller Wirtschaftssubjekte gleich der Summe der Ausgaben und damit der Nachfrage aller Wirtschaftssubjekte seien, sänken in der Folge die Einkommen. Ausgaben, die nicht getätigt würden, fielen in gleicher Höhe weg. Das innerhalb einer Periode erwirtschaftete Einkommen müsse so oder so verwendet werden. Sparen im Sinne von Nichtverwendung könne es in einer Volkswirtschaft nicht geben. Das allgemeine Unwissen bei Bürgern und Wirtschaftspolitikern über den Unterschied zwischen Gesamt- und Einzelrationalität ist nach den Autoren auch der Grund, weshalb immer wieder die heutige [[Staatsverschuldung]] fälschlicherweise als eine Verschuldung gegenüber zukünftigen Generationen angesehen werde. Aus diesem Unwissen heraus ließen sich viele Fehler der heutigen „modernen“ Wirtschaftspolitik analysieren.

==== Geldpolitik ====
Der [[Geldpolitik]] messen die Autoren eine überragende Bedeutung für Wachstum und Beschäftigung bei. Den [[Monetarismus]] erklären sie für gescheitert. Er sei in den 1980er-Jahren von einigen [[Notenbank]]en als Reaktion auf die [[Ölkrise]]n und die damit verbundene [[Stagflation]] der 1970er-Jahre praktiziert worden, habe aber zu Investitionseinbrüchen und hoher Arbeitslosigkeit geführt und sei daher spätestens in den 1990er-Jahren wieder aufgegeben worden. Flassbeck und Spiecker stellen dabei die Besonderheit der deutschen und der europäischen Geldpolitik heraus, die im Gegensatz zur Mehrheit der Notenbanken bei einer monetaristischen Grundhaltung geblieben seien.

Die Autoren führen an, dass die Geldpolitik der Bundesbank und der EZB sich bei der Steuerung der [[Geldmenge]] stets am [[Produktionspotenzial]] der Vergangenheit orientiert hätte. Überstiege das Wachstum der Geldmenge bzw. des [[Bruttoinlandsprodukt]]es das geschätzte Produktionspotenzial, würde die EZB heute ebenso wie früher die Bundesbank bereits im Voraus auf einen Restriktionskurs einschwenken, ohne dass eine nennenswerte Gefährdung der Preisstabilität in Gestalt Überschreitung der Ziel-[[Inflation]]srate vorliege. Man könne aber nie im Voraus ein Produktionspotenzial festlegen. Auch die Zielinflationsrate (siehe oben) der EZB halten Flassbeck und Spiecker für zu niedrig und verweisen dabei auf das Niveau anderer großer Zentralbanken. Weitere Kritik üben sie an der Grundlage der EZB für die Inflationsmessungen und -erwartungen: Das Wachstum der Verbraucherpreise enthalte auch temporäre Effekte wie den Anstieg der [[Rohstoff]]preise, die keine mittel- und langfristige Auswirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Preisniveau hätten. Die im Buch verwendeten Statistiken beschränken sich auf den [[BIP-Deflator]].

==== Wirtschaftswunder ====
Das Wirtschaftswunder führen Flassbeck und Spiecker nicht auf die Wirtschaftspolitik von [[Ludwig Erhard]] und dessen Entscheidung für eine Soziale Marktwirtschaft zurück, sondern auf die amerikanische Geldpolitik, die in der Zeit von Bretton Woods das deutsche Zinsniveau maßgeblich beeinflusst habe. Auch die stabilen Wechselkurse, welche sich in einer teils unterbewerteten [[D-Mark]] widerspiegelten, hätten das Aufholen der europäischen Volkswirtschaften entscheidend begünstigt. Weiterhin vergleichen die Verfasser das deutsche Wirtschaftswachstum der „Wirtschaftswunderjahre“ mit dem anderer europäischer und internationaler Volkswirtschaften und kommen zu dem Ergebnis, dass Deutschland nur in den 1950er Jahren leicht höhere Wachstumsraten als [[Frankreich]], [[Italien]] und das [[Vereinigtes Königreich|Vereinigte Königreich]] habe aufweisen können, aber schon in den 1960er Jahren unter den Durchschnitt dieser Länder zurückgefallen sei.


== Stellungnahmen zur aktuellen Wirtschaftspolitik ==
== Stellungnahmen zur aktuellen Wirtschaftspolitik ==

Version vom 6. Juli 2010, 22:22 Uhr

Heiner Flassbeck

Heiner Flassbeck (* 12. Dezember 1950 in Birkenfeld, Nahe) ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler. Er war von 1998 bis 1999 beamteter Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen und ist ein führender Vertreter der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik in Deutschland.

Seit November 2000 ist er Chef-Volkswirt (Chief of Macroeconomics and Development) bei der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf.

Leben

Heiner Flassbeck studierte von 1971 bis 1976 Volkswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes. Danach arbeitete er bis 1980 im Assistentenstab des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Er promovierte 1987 zum Dr. rer. pol. an der Freien Universität Berlin mit dem Thema: Preise, Zins und Wechselkurs. Zur Theorie der offenen Volkswirtschaft bei flexiblen Wechselkursen.

Nachdem er seit 1980 im Bundeswirtschaftsministerium in Bonn tätig gewesen war, wechselte er im Jahre 1986 zum Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, wo er an Arbeitsmarkt- und Konjunkturanalysen und über wirtschaftspolitischen Konzepte arbeitete. 1990 übernahm er beim DIW die Leitung der Abteilung Konjunktur.

Nach dem Regierungswechsel im Oktober 1998 wurde er zum Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen berufen (Kabinett Schröder I). Er beriet den damaligen Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine bei dessen Vorhaben, gemeinsam mit dem französischen Finanzminister Dominique Strauss-Kahn eine keynesianische Finanz- und Währungspolitik auf europäischer Ebene zu etablieren. Nach dem Ausscheiden Oskar Lafontaines im März 1999 als Bundesfinanzminister endete im April 1999 auch Flassbecks Tätigkeit als Staatssekretär.

Die Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik ernannte Flassbeck im März 2005 zum Honorarprofessor.[1]

„Das Ende der Massenarbeitslosigkeit“

In dem gemeinsam mit der Ökonomin Friederike Spiecker verfassten Buch Das Ende der Massenarbeitslosigkeit (2007) stellt er die Gründe für die langjährige Wachstumsschwäche und die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland als Folge einer nicht an der Nachfrage orientierten Politik dar. Die Autoren plädieren stattdessen für Wirtschaftspolitik, die keynesianischen Grundideen folgt.

Stellungnahmen zur aktuellen Wirtschaftspolitik

Flassbeck vertritt seine dem Keynesianismus verpflichteten Positionen in Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik häufig in den Medien. So forderte er im April 2010 angesichts der Staatsverschuldungskrise im Euroraum, „die Geschäfte der Zocker und die normalen Marktaktivitäten“ von Banken zu trennen.[2] Die Funktion der Ratingagenturen solle nicht länger Privaten überlassen werden. Die von Griechenland geforderte Austeritätspolitik sei unrealistisch; das Grundproblem sei nicht Griechenland, sondern das ökonomische Ungleichgewicht im Wirtschaftsraum Europa, insbesondere was die Wettbewerbsfähigkeit der südeuropäischen Mitgliedsländer angeht.[3]

Publikationen (chronologisch)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Personendaten zu Heiner Flassbeck bei der Universität Hamburg
  2. Dem Irrsinn Einhalt gebieten. Interview, geführt von Simone von Stosch, tagesschau, 28. April 2010.
  3. "Man könnte auch die Rating-Agenturen vollständig abschaffen". Interview Deutschlandradio mit Marcus Pindur, 30. April 2010.