Herz-Jesu-Kirche (Berlin-Prenzlauer Berg)

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Herz-Jesu-Kirche Berlin-Prenzlauer Berg

Die katholische Herz-Jesu-Kirche im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg ist ein architektonisch bedeutender, im niedersächsisch-romanisch und frühchristlich-byzantinischen Stil errichteter Kirchenbau. Der Grundstein der Kirche wurde 1897 gelegt, die Bauzeit betrug 16 Monate, Architekt war der Professor für mittelalterliche Baukunst Christoph Hehl. Die Kirchweihe fand am 25. Oktober 1898 durch den Fürstbischöflichen Delegaten Prälat Karl Neuber statt.[1]

Architektur

Altarraum der Kirche

Fassade und Türme

Die Fassade der Kirche wurde aus Hildesheimer Muschelkalkbruchstein mit Einfassungen aus schlesischem Sandstein gebaut. Die Kirche besitzt zwei Türme, die sich an der Nordseite befinden. Der große Glockenturm ist etwa 48 Meter hoch. Er umrahmt mit dem kleineren, etwa 25 Meter hohen Treppenturm das Eingangsportal. Das angrenzende Pfarrhaus bildet mit der Kirche die räumliche Einheit eines burgartigen Ensembles und ist in die Fassadenflucht der Fehrbelliner Straße integriert. Sie ist die erste katholische Kirche in Berlin, die nicht freistehend, sondern in die Straßenfront integriert gebaut wurde.[2]

Inneres

Das Mittelschiff ist 15 Meter breit und wird von zwei Seitenschiffen eingerahmt, die in zwei Seitenaltären münden. Im östlichen Seitenschiff befindet sich der Marienaltar, im westlichen Seitenschiff der Josephsaltar. Der Hochaltar ruht auf vier roten Mamorsäulen, die den vergoldeten und mit Edelsteinen besetzten Altaraufsatz tragen. Der Altar wie auch die Kanzel wurde von Otto Geyer gestaltet. Die den Gesamteindruck maßgeblich prägende Wandmalerei wurde dem Maler Friedrich Stummel übertragen, der sie von seinem Schüler Karl Wenzel vollenden ließ. Bereits beim Betreten der Kirche wird der Blick auf die Apsis mit der überdimensionalen Christusfigur mit ausgebreiteten Armen angezogen. In den Seitenschiffen befindet sich der Kreuzweg, der aus gemalten Ölbildern mit aufwendig geschnitzten Eichenrahmen besteht.

Orgel

Blick auf die Eggert-Orgel, links im Bild die Schäden der Wandmalerei

Die Orgel wurde 1899 von dem Paderborner Orgelbauer Franz Eggert (1849–1911) als pneumatische Kegelladen-Orgel erbaut. Sie ist die größte noch erhaltene Eggert-Orgel. Das Kegelladen-Instrument hat 40 Register auf drei Manualen und Pedal (2281 Pfeifen). Die Spiel- und Registertrakturen sind pneumatisch. Das Orgelgehäuse besteht aus einem geschnitzten Eichenprospekt mit einem Bildnis des Heiligen Meinrad von Einsiedeln. Aus Kostengründen verzichtetete man anfangs auf einen Elektromotor, so dass das Gebläse anfangs von zwei Kalkanten angetrieben werden musste. Erst im Jahr 1912 wurde ein Elektromotor eingebaut.
Mehrfache Pläne, die Orgel in den 1970er und 1980er Jahren durch einen Neubau zu ersetzen, scheiterten an Material- und Geldmangel. Inzwischen hat die Fachwelt den Wert der deutsch-romantischen Orgel wiederentdeckt, so dass stattdessen eine außerordentlich gelungene Restaurierung in den Originalzustand erfolgen konnte[3].

I Hauptwerk C–f3
1. Principal 16′
2. Principal 8′
3. Gambe 8′
4. Bordun 8′
5. Doppelflöte 8′
6. Flauto major 8′
7. Octave 4′
8. Gemshorn 4′
9. Rauschquinte II 22/3
10. Cornett III-IV 4′
11. Mixtur II-V 51/3
12. Trompete 8′
13. Trompete 16′
II Oberwerk C–f3
14. Bordun 16′
15. Principal 8′
16. Gedeckt 8′
17. Salicional 8′
18. Harmonieflöte 8′
19. Octave 4′
20. Rohrflöte 4′
III Schwellwerk C–f3
21. Gambe 16′
22. Geigenprincipal 8′
23. Gedackt 8′
24. Concertflöte 8′
25. Aeoline 8′
26. Voix celestis 8′
27. Traversflöte 4′
28. Violino 4′
29. Oboe 8′
Pedal C–d1
30. Principalbaß 16′
31. Subbaß 16′
32. Violon 16′
33. Gedacktbaß 16′
34. Oktavbaß 8′
35. Gedacktbaß 8′
36. Violoncello 8′
  • Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
  • Spielhilfen: Feste Kombinationen (mf, f, tutti), eine freie Kombination ("Ad libitum"), Crescendo-Walze

Geschichte

Gründung der Kirchengemeinde

Das Gelände der Herz-Jesu-Kirche befand sich Anfang des 19. Jahrhunderts noch außerhalb des eigentlichen Stadtgebiets von Berlin und bestand hauptsächlich aus Äckern, Weinbergen, Windmühlen und Ausflugsgaststätten.

Am 25. Juni 1889 kaufte die Domgemeinde St. Hedwig das Vergnügungslokal Roloffsburg, um aufgrund des Zustroms von katholischen Einwohnern eine neue Pfarrei zu gründen. Die erste Heilige Messe fand am 14. Juli 1889 in einem ehemaligen Tanzsaal statt. Erster Pfarrer wurde Johann Peter Alesch (1858–1928). Wenig später entstand das Gesamtensemble mit Kirche, Pfarrhaus, dem Mädchengymnasium Theresienschule sowie dem Hospiz Maria Hilf.

Von den goldenen 1920er Jahren bis zur DDR

In den 1920er Jahren entfaltete sich ein reges Gemeindeleben, es erfolgten die ersten öffentlichen Fronleichnamsprozessionen zum nahe gelegenen Teutoburger Platz.

Im Januar 1941 wurde die Krypta auf Anweisung des Berliner Polizeipräsidenten als Luftschutzraum für etwa 500 Personen ausgebaut. Im gleichen Jahr wurde die Theresienschule von den Nationalsozialisten geschlossen. In das Gebäude zog daraufhin das Hilfswerk beim Bischöflichen Ordinariat Berlin ein. Deren Geschäftsführerin Dr. Margarete Sommer half, untergetauchte Juden im Heizungskeller der Herz-Jesu-Kirche und anderen Orten in Berlin zu verstecken.

Die Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg weitgehend verschont. Im April 1945 durchschlug eine 500 kg schwere Bombe das Dach des Gebäudes, prallte auf den Boden der Kirche unmittelbar vor dem Joseph-Altar auf – aber explodierte nicht. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich fast 1000 Menschen im überfüllten Luftschutzkeller, die diesen unversehrt verlassen konnten.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges blieb die wiedereröffnete Theresienschule die einzige konfessionelle Oberschule mit staatlicher Anerkennung in der DDR.

Die Kirchengemeinde schrumpfte während des Bestehens der DDR aber immer mehr zusammen, die Gemeinde lag in einem typischen Arbeiterbezirk und in tiefer Diaspora. In der Herz-Jesu-Kirche kam es in dieser Zeit zu vermehrten baulichen Schäden, die zu einem Wassereinbruch der Decke mit Beschädigung der Wandmalerei und der Orgel führten.

Heutiges Gemeindeleben

Ähnlich wie im 19. Jahrhundert lebt die Gemeinde seit der Wiedervereinigung vom Zustrom nach Berlin zureisender Katholiken, die es in den heute besonders in Studenten-, Künstler- und Akademikerkreisen beliebten Stadtbezirk Prenzlauer Berg zieht.

Die seelsorgerische Betreuung wurde 1994 der Gemeinschaft Chemin Neuf übertragen.

Im Februar 2003 wurde die Kirchengemeinde mit der Gemeinde der Sankt-Adalbert-Kirche Berlin-Mitte aufgrund eines Dekrets des Lenkungsausschusses des Erzbistums Berlin wegen der prekären Finanzlage des Erzbistums fusioniert.

Dank zahlreicher Spenden und Fördergelder konnten bereits die ersten Schäden der denkmalgeschützten Kirche behoben werden.

Derzeit gehören zur Gemeinde rund 9400 Gemeindemitglieder (Stand 2008) mit einem hohen Anteil von 20- bis 40-Jährigen, wobei berufs- und lebensbedingt eine hohe Fluktuation dieser Generation zu verzeichnen ist.

Literatur

  • Irmtraud Thierse: Katholische Kirche Herz-Jesu Berlin-Prenzlauer Berg. herausgegeben vom Förderkreis der Herz-Jesu-Kirche in Berlin Prenzlauer Berg e.V., 1998.
  • Herz Jesu in Berlin-Prenzlauer Berg - Wanderung durch die Geschichte der Pfarrei. herausgegeben vom Förderkreis der Herz-Jesu-Kirche in Berlin Prenzlauer Berg e.V., 2002.
  • Katholische Sonntagszeitung. Ausgabe Erzbistum Berlin. Nr. 39, 27./28. September 2008.

Weblinks

Commons: Herz-Jesu-Kirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Die Fürstbischöfliche Delegatur für Brandenburg und Pommern war der katholische Jurisdiktionsbezirk des Fürstbistums Breslau aus dem am 13. August 1930 das Bistum Berlin hervorging.
  2. Hartmut Seefeld: Erste Messe im Tanzsaal: Die Herz-Jesu-Kirche in der Fehrbelliner Straße ist 100 Jahre alt. In: VorOrt, Bauen und Wohnen in Prenzlauer Berg. Ausgabe Dezember 1998, S. 13.
  3. vgl. hierzu die Beschreibung des Organisten,Andrzej Mielewczyk

Koordinaten: 52° 31′ 50″ N, 13° 24′ 34,2″ O