Roter Ochse

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Roter Ochse
Roter Ochse (2016)
Informationen zur Anstalt
Name Roter Ochse
Bezugsjahr 1842
Roter Ochse im Jahr 1990
1999

Der Rote Ochse (heute JVA Halle I) ist eine Justizvollzugsanstalt in Halle (Saale), Am Kirchtor 20. Der Name ist seit Ende des 19. Jahrhunderts nachweisbar, seine Herkunft ist unklar. Er soll auf die Farbe des Mauerwerkes des Gebäudes zurückzuführen sein.

Seit 1996 befindet sich dort auch eine Gedenkstätte.

Justiz-Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Preußen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach sechsjähriger Bauzeit wurde der Rote Ochse 1842 als „Königlich-Preußische Straf-, Lern- und Besserungsanstalt“ in Betrieb genommen. Am 7. Februar 1885 wurden im Anstaltshof die Anarchisten August Reinsdorf und Emil Küchler hingerichtet. Sie hatten am 28. September 1883 mit dem Attentat am Niederwalddenkmal in Rüdesheim versucht, Kaiser Wilhelm I. zu töten.[1][2][3] Im Ersten Weltkrieg saß von Februar bis August 1917 der Soldat und spätere Reichstagsabgeordnete der KPD Werner Scholem in Halle ein, der wegen einer Teilnahme an einer Anti-Kriegsdemonstration in Uniform im Januar 1917 zu zehn Monaten Haft verurteilt worden war. Die letzten Wochen seiner Strafe saß er im Zentralfestungsgefängnis in Spandau ab.[4]

Zeit des Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Anfangsjahren der nationalsozialistischen Herrschaft diente der Rote Ochse von 1933 bis 1935 als Gefängnis und sogenanntes „Schutzhaftlager“. Ab 1935 wurde er als Zuchthaus überwiegend für politische Gefangene genutzt. Auf Grund einer Verfügung des Reichsjustizministeriums vom 19. März 1939 diente der Rote Ochse ab 1942 bis April 1945 auch als zentrale Hinrichtungsstätte. Bis Kriegsende starben hier 549 Gefangene aus 15 Ländern durch Fallbeil oder Hängen.

Die Körper der Hingerichteten oder Teile davon wurden zum Teil für wissenschaftliche Zwecke verwendet. So wurden auf Verlangen des Physiologen Gotthilft von Studnitz hin mindestens 35 Delinquenten unmittelbar nach dem Tod für Forschungen bezüglich der Dunkeladaption die Augen entnommen.[5]

Sowjetische Besatzungszone und Deutsche Demokratische Republik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wenige Wochen nach Kriegsende zog die US Army aus Halle ab. Ab Juli 1945 nutzte die sowjetische Besatzungsmacht das Gefängnis als Haft- und Internierungslager des NKWD. Bis 1950 fanden im Roten Ochsen sowjetische Militärgerichtsverfahren gegen Tausende Gefangene aus ganz Sachsen-Anhalt statt. Danach teilten sich die Nutzung des Gebäudes das Ministerium des Innern und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Neben der Verwendung für den Strafvollzug mit 470 Haftplätzen für weibliche Gefangene aus der gesamten DDR diente der Rote Ochse seit 1952 dem MfS als Untersuchungshaftanstalt. Während des Aufstands des 17. Juni wurde aus dem Gefängnis heraus der Doktorand Gerhard Schmidt von der Polizei erschossen.[6]

Der Rote Ochse war Dienstsitz der MfS-Abteilungen VIII (Beobachtung und Ermittlung), IX (Untersuchungsorgan) und XIV (Untersuchungshaft und Strafvollzug) sowie der Arbeitsgruppe XXII (Terrorabwehr) der MfS-Bezirksverwaltung Halle. Bis zum Jahr 1989 durchliefen in Halle über 9.000 Personen die MfS-Untersuchungshaft.

Bundesrepublik Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Inzwischen ist der Rote Ochse Justizvollzugsanstalt (JVA Halle I). Für Angelegenheiten der Strafvollstreckungsordnung, welche in der JVA Halle I inhaftierte Gefangene betreffen, ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Halle zuständig.

Gedenkstätte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit dem 15. Februar 1996 befindet sich im Roten Ochsen im ehemaligen Hinrichtungsgebäude der NS-Justiz, das vom MfS zum Vernehmergebäude umgebaut worden war, eine Gedenkstätte für die Opfer politischer Verfolgung in den Jahren 1933 bis 1945 und 1945 bis 1989. Die Gedenkstätte will zugleich Lern-, Bildungs- und Forschungsort sowie Ort der Trauer, des Erinnerns und des Gedenkens sein. In drei Stockwerken ist nach Neukonzeption seit dem 15. Februar 2006 eine Dauerausstellung zu sehen. Zusätzlich gibt es einen Bereich für Wechselausstellungen.

Leiter der Gedenkstätte ist Michael Viebig[7]. Die Gedenkstätte ist Teil der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Kurt Fricke: Die Justizvollzugsanstalt „Roter Ochse“ Halle/Saale 1933–1945. Eine Dokumentation. Herausgegeben vom Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt, Magdeburg 1997 (Gedenkstätten und Gedenkstättenarbeit im Land Sachsen-Anhalt 3).
  • Michael Viebig: Das Zuchthaus Halle/Saale als Richtstätte der nationalsozialistischen Justiz (1942 bis 1945). Herausgegeben vom Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt, Magdeburg 1998.
  • Alexander Sperk: Die MfS-Untersuchungshaftanstalt „Roter Ochse“ Halle/Saale von 1950 bis 1989. Eine Dokumentation. Herausgegeben vom Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt, Magdeburg 1998.
  • Kurt Fricke: Die Strafanstalt Roter Ochse in Halle 1933 bis 1989. In: Werner Freitag, Katrin Minner, Andreas Ranft (Hrsg.): Geschichte der Stadt Halle. Band 2: Halle im 19. und 20. Jahrhundert. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2006, ISBN 3-89812-383-9, S. 415–431.
  • Daniel Bohse, Alexander Sperk (Bearb.): Der Rote Ochse Halle (Saale). Politische Justiz 1933–1945, 1945–1989. Herausgegeben von Joachim Scherrieble. Christoph Links Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-86153-480-8 (Schriftenreihe der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt 1). [1]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Roter Ochse (Halle) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hans Dieter Schreeb: Billige Lunte verhindert ein Attentat. In: Wiesbadener Tagblatt. 27. November 2004, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. Mai 2005; abgerufen am 9. März 2013.
  2. Deutschland – einig Vaterland? (PDF; 91 kB) pressetext.com, 11. September 2008, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. November 2014; abgerufen am 9. März 2013.
  3. Wie in 125 Jahren aus der Wacht am Rhein eine Touristenattraktion wurde. Am 28. 9. wird die legendenumrankte Germania 125 Jahre alt. Abgerufen am 15. September 2023.
  4. Vgl. Ralf Hoffrogge: Werner Scholem – eine politische Biographie (1895–1940), UVK Konstanz 2014, ISBN 978-3-86764-505-8; S. 96–110, S. 462.
  5. Rolf Gattermann, Volker Neumann: Die Geschichte der Zoologie in Halla (Saale) in: Zoologie 2002, Mitteilungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft, S. 16 ff.
  6. Gerhard Schmidt. In: 17juni53.de. Bundeszentrale für politische Bildung, 2004, abgerufen am 15. September 2023.
  7. Sandy Schulze: Michael Viebig ist neuer Leiter des Roten Ochsen in Halle: Geschichte, die bleibt. In: Mitteldeutsche Zeitung. 25. März 2016, abgerufen am 19. Juli 2017.

Koordinaten: 51° 29′ 29,7″ N, 11° 57′ 37,3″ O