Kindervorsorgeuntersuchung

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Kindervorsorgeuntersuchungen sollen sicherstellen, dass Defekte und Erkrankungen von Neugeborenen, Kleinkindern und Kindern, insbesondere solche, die eine normale körperliche und geistige Entwicklung des Kindes in besonderem Maße gefährden, möglichst schnell durch einen Kinder- und Jugendarzt oder Hausarzt erkannt werden, um früh eine Therapie einleiten zu können. Zugleich sollen die Untersuchungen dazu beitragen, Fälle von Vernachlässigung, Verwahrlosung, Kindesmisshandlung oder sexuellem Missbrauch zu erkennen und einem entsprechenden Fehlverhalten der Erziehungsberechtigten vorzubeugen. In einigen deutschen Ländern ist deshalb ein verbindliches Einlade- und Meldewesen zur Vorstellung zu den Untersuchungen beschlossen worden.

Situation nach Ländern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat in den „Kinder-Richtlinien“[1] die ärztlichen Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres festgelegt. Die Kindervorsorgeuntersuchungen U1 bis U9 werden im gelben Kinder-Untersuchungsheft „Gelbes Heft“ des Gemeinsamen Bundesausschusses vom Kinder- und Jugendarzt oder Hausarzt dokumentiert. Rechtsgrundlage der Kindervorsorgeuntersuchungen ist § 26 SGB V.

Kindervorsorgeuntersuchungen wurden in Deutschland erstmals 1971 als verbindliche Maßnahme zur Früherkennung von Krankheiten bei Kindern eingeführt.

Niederlande[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Niederlanden finden die medizinische Basisversorgung für Kinder bis zum vierten Lebensjahr einschließlich der Kindervorsorgeuntersuchungen und der Impfungen nicht in Praxen einzelner Kinder- und Jugendärzte statt, sondern zentral in Institutionen der Jugendgesundheitsbehörde, den consultatiebureaus.[2] Die Eltern erhalten eine Einladung zur Teilnahme von der Gemeinde, und die medizinischen Informationen werden ähnlich wie in Deutschland in ein Buch eingetragen.

Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Mutter-Kind-Pass bezeichnet man in Österreich eine Gesundheitsvorsorge, die eine werdende Mutter ab der Feststellung einer Schwangerschaft vom zuständigen Frauenarzt, vom Hausarzt oder von Schwangerenberatungsstellen bekommt. In diesem Heftchen werden die Ergebnisse von Vorsorgeuntersuchungen sowohl während der Schwangerschaft als auch in den ersten Lebensjahren des Kindes dokumentiert. Die im Mutter-Kind-Pass-Programm vorgesehenen Untersuchungen dienen zur Früherkennung und rechtzeitigen Behandlung von Schwangerschaftskomplikationen sowie zur Kontrolle des Entwicklungsstandes des Kindes. Der Mutter-Kind-Pass bzw. die darin vorgesehenen Untersuchungen sind gesetzlich nicht vorgeschrieben, der lückenlose Nachweis aller Untersuchungen ist aber Voraussetzung für die Gewährung des vollen Kinderbetreuungsgeldes ab dem 21. Lebensmonat.[3]

Schweden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Schweden haben Eltern bei Arztbesuchen, ebenso wie bei Krankheit eines Kindes, Einschulungen oder ähnlichen Situationen einen Anspruch auf Arbeitsfreistellung und eine damit einhergehende Gewährung eines zeitweiligen Elternschaftsgeldes (tillfällig föräldrapenning) in Höhe von 80 % des Einkommens.[4]

Schweiz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach den ersten Untersuchungen gemäß Apgar-Test nach 1, 5 und 10 Minuten wird innerhalb von Stunden die erste ausführliche Untersuchung vorgenommen, die sogenannte Erstuntersuchung, die durch eine Hebamme oder einen Arzt durchgeführt wird.

Die erste Kontrolluntersuchung findet meist zwischen dem 3. und 7. Lebenstag statt. Diese und weitere werden gemäß Checkliste der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie durchgeführt (Stand 2011):[5]

Alle Eckdaten werden dabei in das Gesundheitsheft dokumentiert, das Eltern griffbereit haben sollen.

Kindesalter Inhalt (Beispiele, Schwerpunkte)
1 Woche Anamnese (Wochenbett), Entwicklung (Motorik, Blick, lässt sich trosten), Sonographie der Hüftgelenke, Stoffwechselscreening, POx, Vitamin K, Vitamin-D-Prophylaxe
1 Monat Anamnese, Entwicklung (Reaktion auf Ansprechen)
2 Monate Anamnese (Ernährung, Schlafen, Risikofaktoren Misshandlung usw.), Entwicklung (Motorik, Lächeln, Geräusche), Untersuchung, 1. Impfungen
4 Monate Anamnese (Befindlichkeiten, Ernährung usw.), Entwicklung (Motorik, Greifen, orale Erkundigung etc.), Untersuchung, 2. Impfungen
6 Monate Anamnese, Entwicklung (Motorik, Kommunikation), Untersuchung, 3. Impfungen
9 Monate Anamnese (Ernährung, Fremdeln), Entwicklung (Sitzen, Erkunden der Umwelt), Untersuchung
12 Monate Anamnese, Entwicklung (Bewegung, Spiel, Reaktion auf Sprache), Untersuchung (insbes. Augen, Ohren)
18 Monate Anamnese, Entwicklung (Motorik, Spiel, Sprache, emotionale Fähigkeiten), Untersuchung (insbes. Augen, Ohren)
24 Monate Anamnese (Sauberkeit), Entwicklung (hüpfen, Essen, Eltern nachmachen, drückt sich in Sprache aus, Eifersucht usw.), Untersuchung
3 Jahre Anamnese (Ernährung), Entwicklung (Dreiradfahren, Zeichnen, emotionale Fähigkeiten), Untersuchung
4 Jahre Anamnese (Spielgruppe/Kinderkontakte), Entwicklung (Einbeinstand, Spielregeln befolgen, Geschichten erzählen, «trocken»), Untersuchung (Flüstersprache, Sprachaudiometrie)
6 Jahre Anamnese, Entwicklung (Velofahren, Sprache, Lesen), Familie (soziales Situation und Verhalten), Untersuchung (Beinlänge, Skoliose etc.)
10 Jahre Anamnese, Körperbild & Sexualität (Aufklärung, Vorbereitung Pubertät), Schule, Soziales, Autonomie, Familie, Freizeit, Freunde (Integration, Isolation, Beziehungen), Untersuchung
12 Jahre Anamnese, Körperbild & Sexualität (subjektives Über-/Untergewicht), Schule, Soziales, Autonomie, Familie, Freizeit, Freunde (Integration, Isolation, Beziehungen), Untersuchung
14 Jahre Anamnese, Körperbild & Sexualität (Sexualentwicklung, Menstruation, Drogenkonsum, Bulimie), Schule, Soziales, Autonomie, Familie, Freizeit, Freunde (Berufspläne, Integration, Isolation, Beziehungen), Untersuchung, Abschied

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Peter Allhof: Krankheitsfrüherkennungsprogramm für Kinder – Aufbereitung und Interpretation der Untersuchungsergebnisse aus den gesetzlichen Früherkennungsmaßnahmen 1978–1985. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 1988, ISBN 3-7691-8033-X.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schweiz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kinder-Richtlinie, Fassung vom 18. Juni 2015 (PDF; 1,3 MB) in Kraft getreten am 16. März 2018. Kinder-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses.
  2. Irina Zuboff: Leben und Arbeiten in den Niederlanden. 2008, S. 35.
  3. HELP.gv.at (Memento des Originals vom 13. April 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.help.gv.at Informationen zum Mutter-Kind-Pass in Österreich.
  4. Schweden. (PDF) ec.europa.eu, 2002, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. Februar 2009; abgerufen am 24. August 2009. oder Abschnitt Elternschaftsgeld. (PDF; 278 kB) In: Ihre Rechte der sozialen Sicherheit in Schweden. ec.europa.eu, S. 14; abgerufen am 8. Dezember 2014.
  5. swiss-paediatrics.org (PDF; englisch).