Käthe Schirmacher

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Käthe Schirmacher, Gottheil & Sohn, Danzig, 1893
Käthe Schirmacher, hintere Reihe, 3. von rechts, im Suffrage Alliance Congress, London 1909

Käthe Schirmacher (* 6. August 1865 in Danzig; † 18. November 1930 in Meran) war eine deutsche Frauenrechtlerin. In den 1890er Jahren zählte Schirmacher zu den führenden Persönlichkeiten des linken Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung, von der sie sich später abwandte.

Leben

Käthe Schirmacher war Tochter von Richard Schirmacher, einem wohlhabenden Kaufmann.

Nach dem Besuch von höheren Töchterschule und Lehrerinnenseminar in Danzig studierte sie von 1885 bis 1887 in Paris (Deutsch und Französisch) und schloss das Studium mit einem Staatsexamen ab.[1] Anschließend verbrachte sie einige Jahre als Oberlehrerin in Liverpool. 1890 kehrte sie nach Danzig zurück, wo sie schrieb und in Frauenkursen unterrichtete. 1893 nahm sie im Zuge einer Amerikareise am ersten Frauenkongress in Chicago teil.[2] Vom Herbst 1893 bis Frühjahr 1895 studierte sie in Zürich, wo sie 1895 im Fach Romanistik bei Heinrich Morf mit einer Promotion (Dr. phil.) abschloss.[3] Damit war sie eine der ersten Frauen, die einen Doktortitel erwarben. Während ihrer Zürcher Studienjahre war ihre Partnerin Margarethe Böhm.[4] Nach einer Ägyptenreise lebte sie als Korrespondentin für deutsche und österreichische Zeitungen in Paris und unternahm von dort Vortragsreisen in fast alle europäischen Staaten sowie in die USA.[2]

1899 gehörte sie zu den Begründerinnen des Verbands fortschrittlicher Frauenverbände, 1904 zu denen des Weltbundes für das Frauenstimmrecht (engl. International Woman Suffrage Alliance, IWSA). Sie setzte sich für das Recht von Prostituierten ein.[5] Ab 1904 wandte sie sich jedoch konservativen und nationalistischen Kreisen zu. In den Vorstand des „Weltbundes für Frauenstimmrecht“ wurde sie 1909 nicht wieder gewählt, zumal sie sich weigerte, für das demokratische Wahlrecht einzutreten.[6] Dadurch kam es 1913 zu einem Bruch mit der Frauenbewegung. In den Jahren 1919 und 1920 saß Schirmacher als Abgeordnete der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) in der Weimarer Nationalversammlung, wo sie zum völkischen Parteiflügel gehörte. In ihren Reden findet man viele rassistische Äußerungen, beispielsweise sprach sie vom „vernegerten Frankreich“ und vom „tierischen Moskau“. Auch ging sie von einer „jüdischen Weltverschwörung“ gegen Deutschland aus.

Das nationalkonservative politische Lager, aber auch rechte Kreise der Frauenbewegung, bildeten in Schirmachers letzten Lebensjahren ihr wichtigstes Betätigungsfeld. Ihre Schriften und Vorträge aus dieser Zeit bezeugen die Schwierigkeit ihres Anliegens, ein konservatives Umfeld für die Gleichberechtigung der Frau zu gewinnen. Der umfangreiche Nachlass Schirmachers liegt in der Bibliothek der Universität Rostock.

Ihre letzte Lebensgefährtin, zu der sie ab 1910 nach Marlow in Mecklenburg zog, war Klara Schleker, die erste Frau, die 1920 als Alterspräsidentin ein deutsches Parlament eröffnete. Käthe Schirmacher war auch publizistisch und schriftstellerisch tätig, u. a. verfasste sie den Roman Halb (1893), in dem sie Herrenmoral und Prostitution angriff. Belletristisch gestaltete sie dort und in Die Libertad (1891) eine Fülle von Material, das in ihrer Pariser Studienzeit wurzelte; Protagonistinnen waren in beiden Fällen Studentinnen und Akademikerinnen.[7] Sie starb in Meran.[8]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Die Libertad. Novelle. Verlag-Magazin, Zürich 1891. 81 S.
  • Der Internationale Frauenkongreß in Chikago 1893. Ein Vortrag, gehalten in der Ortsgruppe des Allg. Dt. Frauenvereins zu Dresden, im Verein „Frauenwohl“ zu Königsberg i. Pr., im Verein Frauenwohl zu Danzig und auf der Generalversammlung des Allg. Schwäbischen Frauenvereins zu Stuttgart. Tittmann, Dresden 1894. 24 S.
  • Théophile de Viau. Sein Leben und seine Werke (1591–1626). Dissertation, Phil. Fakultät Zürich. Verlag M. Welter, Leipzig 1896. XII, 168 S.
  • Aus allen Herren Länder. Gesammelte Studien und Aufsätze. Verlag H. Welter, Paris / Leipzig 1897. 2 Bl., 393 S.
  • Literarische Studien und Kritiken. Verlag H. Welter, Paris / Leipzig 1897. 156 S.
  • Voltaire. Biographie. O. R. Reisland, Leipzig 1898. XX, 556 S.
  • Paris!. Illustr. von Arnould Moreaux und F. Marks. Alfred Schall & Grund, Berlin 1900. 365 S.
  • Die Frauenbewegung. Ihre Ursachen, Ziele und Mittel. 1904
    • Die Frauenbewegung. Ihre Ursachen, Ziele und Mittel. 2. durchgesehene Auflage. Deutscher Verein zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse, Prag 1909. 16 S. (Sammlung gemeinn. Vorträge, Bd. 311)
  • Danziger Bilder. B. G. Teubner, Leipzig & Berlin 1908 (Zeichnungen von Arthur Bendrat)
  • Die moderne Frauenbewegung. Ein geschichtlicher Überblick. Teubner, Leipzig 1905. V, 130 S. (Sammlg. wissenschaftlich-gemeinverständlicher Darstellungen, Bd. 67)
  • Die Frauenarbeit im Hause. Ihre ökonomische, rechtliche und soziale Wertung. Felix Dietrich, Gautzsch bei Leipzig 1905. 29 S. (2. Aufl. 1912, 22 S.)
  • Die Trennung von Staat und Kirchen In Frankreich. Felix Dietrich, Gautzsch bei Leipzig 1908. 16 S.
  • Moderne Jugend. Ein Wegweiser für den Daseinskampf. Ernst Reinhardt, München 1910. 263 S.
  • Das Rätsel Weib. Eine Abrechnung. 1.–3. Tsd. Duncker, Weimar 1911. 160 S.
  • Die Suffragettes. 1. Auflage. Duncker, Weimar 1912. 155 S. [Über die engl.Frauenbewegung.] Neuauflage: Jassmann, Frankfurt 1988. VI, 156 S. ISBN 3-926975-00-8.
  • Deutschland über alles!. Ostlandverlag, Charlottenburg 1916. 27 S. (Digitalisierte Ausgabe)
  • Rede in der Deutschen Nationalversammlung in Weimar am 5. März 1919. Deutschnat. Schriftenvertriebsstelle, Berlin 1919.
  • Flammen. Erinnerungen aus meinem Leben. 1.–8. Tsd. Dürr & Weber, Leipzig 1921. 94 S. (Zellenbücherei, Bd. 51)
  • Die Geknechteten. (Die reichsdeutsche Irredenta). Brunnen-Verlag K. Winckler, Berlin 1922. 1 Karte, 136 S.
  • Was verdankt die deutsche Frau der deutschen Frauenbewegung?. 1.–4. Tsd. W. Schneider, Querfurt 1927. 24 S. (Die dt. Frau in Familie, Volk und Staat, Heft 7)
  • Die kollektive Frau. Adolf Klein, Leipzig 1931. 16 S.

Übersetzungen

  • Emma Hosken - Woodward: Männer, Frauen und Fortschritt. Autorisierte Übertragung von Käthe Schirmacher. Weimarer Verlags - Anstalt, Weimar 1893. 82 S. (Bibliothek der Frauenfrage, Bd. 8)
  • Elinor Glyn: Ambrosines Tagebuch. (Reflections of Ambrosine). Autor. Übers. aus dem Engl. von Käthe Schirmacher. Engelhorn, Stuttgart 1904. 152 S. (Engelhorns allgemeine Romanbibliothek, Jg. 20, Bd. 19)
  • Marguerite Poradowska: Eine romantische Hochzeit. (Mirage romanesque). Zwei Bände. Autorisierte Übers. aus dem Franz. von K. Schirmacher. Engelhorn, Stuttgart 1906. 144, 141 S. (Engelhorns allg. Romanbibl., Jg. 22, Bd. 13 + 14)
  • Voltaires Briefwechsel. Ausgewählt und ins dt. übertragen von Käthe Schirmacher. Insel-Verlag, Leipzig 1908. 294 S.

Literatur

  • Johanna Gehmacher/Elisa Heinrich/Corinna Oesch: Käthe Schirmacher: Agitation und autobiografische Praxis zwischen radikaler Frauenbewegung und völkischer Politik. Böhlau Verlag, Wien/Köln/Weimar 2018, ISBN 978-3-205-20721-4, 596 S. Open Access: http://www.boehlau-verlag.com/download/164990/978-3-205-20721-4_OpenAccess.pdf
  • Hanna Krüger: Die unbequeme Frau. Käthe Schirmacher im Kampf für die Freiheit der Frau und die Freiheit der Nation 1865–1930. Bott, Berlin 1934. 195 S.
  • Anke Walzer: Käthe Schirmacher. Eine deutsche Frauenrechtlerin auf dem Wege vom Liberalismus zum konservativen Nationalismus. Centaurus-Verlags-Gesellschaft, Pfaffenweiler 1991, ISBN 3-89085-399-4. VIII, 143 S.
  • Andrea Süchting-Hänger: Schirmacher, Käthe. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 23, Duncker & Humblot, Berlin 2007, ISBN 978-3-428-11204-3, S. 5 f. (Digitalisat).
  • Nachlaß (Medienkombination): Dr. - Käthe - Schirmacher - Schenkung an die Universitätsbibliothek Rostock. Gesamtedition des Nachlasses von Dr. Käthe Schirmacher (1865–1930), ca. 63.000 Blatt auf 2.271 Mikrofiches. Mit einem Nachlassverzeichnis auf CD-ROM. Harald Fischer Verlag, Erlangen 2000, ISBN 3-89131-142-7
  • Sabine Hering: Die Kriegsgewinnlerinnen, Centaurus, 1990 ISBN 3-89085-368-4

Weblinks

Commons: Käthe Schirmacher – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Käthe Schirmacher – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Datenbank der deutschen Parlamentsabgeordneten
  2. a b Gisela Brinker-Gabler, Karola Ludwig, Angela Wöffen: Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 1800–1945. dtv München, 1986. ISBN 3-423-03282-0. S. 271f.
  3. Gabi Einsele: „Kein Vaterland“. Deutsche Studentinnen im Zürcher Exil (1870–1908). In: Anne Schlüter (Hrsg.): Pionierinnen, Feministinnen, Karrierefrauen? Zur Geschichte des Frauenstudiums in Deutschland. Centaurus, Pfaffenweiler 1992, S. 17.
  4. lesbengeschichte.de
  5. Helene Stöcker: Lebenserinnerungen. Die unvollendete Autobiographie einer frauenbewegten Pazifistin. Hrsg.: Reinhold Lütgemeier-Davin, Kerstin Wolff. Boehlau Verlag, Köln 2015, S. 107.
  6. Daniela Weiland: Hermes Handlexikon, Geschichte der Frauenemanzipation in Deutschland und Österreich. Düsseldorf 1983, S. 241.
  7. Gabi Einsele: „Kein Vaterland“. Deutsche Studentinnen im Zürcher Exil (1870–1908). In: Anne Schlüter (Hrsg.): Pionierinnen, Feministinnen, Karrierefrauen? Zur Geschichte des Frauenstudiums in Deutschland.Centaurus, Pfaffenweiler 1992, S. 18.
  8. Daniela Weiland: Hermes Handlexikon, Geschichte der Frauenemanzipation in Deutschland und Österreich. Düsseldorf 1983, S. 240.