Neue Synagoge (Berlin)

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Die Neue Synagoge

Die Neue Synagoge an der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte ist ein Gebäude von herausragender Bedeutung für die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Berlin und ein wichtiges Baudenkmal aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie steht unter Denkmalschutz.

Planung und Bau

In der Mitte des 19. Jahrhunderts war die jüdische Gemeinde in Berlin stark angewachsen. Um 1860 hatte sie etwa 28 000 Mitglieder. Die damals einzige Synagoge lag in der Heidereutergasse, in der Nähe des Hackeschen Marktes in Berlin-Mitte und bot nicht mehr ausreichend Platz. Nachdem die Gemeinde 1856 ein Grundstück in der Oranienburger Straße erworben hatte, in einem stark jüdisch geprägten Wohnviertel, wurde im April 1857 ein Architektenwettbewerb für die neue Synagoge ausgeschrieben. Vorsitzender der Wettbewerbskommission war der vielbeschäftigte Architekt Eduard Knoblauch, seit 1845 Mitglied der preußischen Akademie der Künste. Die eingegangenen Entwürfe konnten nicht überzeugen. So wurde Knoblauch selbst mit der Planung beauftragt – er hatte zuvor schon den Umbau der alten Synagoge und den Neubau des Jüdischen Krankenhauses zufriedenstellend geleitet. Als er 1859 schwer erkrankte, löste ihn der preußische Hofbaurat und „Architekt des Königs“ Friedrich August Stüler ab, der mit Knoblauch befreundet war. Er übernahm die Bauausführung nach dessen Vorstellungen und entwarf die Gestaltung der Innenräume.

Die Bauarbeiten begannen nach der Grundsteinlegung am 20. Mai 1859; schon im Juli 1861 wurde Richtfest gefeiert. Dann kam es jedoch zu Verzögerungen. Die Innenausstattung war ungewöhnlich aufwändig und während des Deutsch-Dänischen Krieges von 1864 traten Materialengpässe auf. Erst zum jüdischen Neujahrsfest am 5. September 1866 - dem 25. Elul 5626 nach dem Jüdischen Kalender - konnte die fertige Synagoge eingeweiht werden. Der damalige preußische Ministerpräsident und spätere Reichskanzler Otto von Bismarck war bei der Zeremonie anwesend.

Die Neue Synagoge 1870
Das Innere der Synagoge im 19. Jahrhundert

Eduard Knoblauch hatte seinem Entwurf maurische Stilelemente zugrunde gelegt, er ließ sich insbesondere durch die Alhambra im südspanischen Granada anregen. Dieser Stil wirkte – und wirkt noch heute - in der preußischen Umgebung völlig fremdartig, war jedoch nicht ungewöhnlich beim Bau von Synagogen in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die von vergoldeten Rippen überzogene Hauptkuppel über der Vorhalle, an ihrem höchsten Punkt genau 50,21 m hoch, bildete den weithin sichtbaren Glanzpunkt des Bauwerks. Die Straßenfront war 29 m breit, das ganze Grundstück 97 m lang; die Maße der Hauptsynagoge: Länge 45 m, Breite 40 m. Die Fassade zur Oranienburger Straße wies eine reiche Gliederung durch Formsteine und Terrakotten auf, akzentuiert durch farbig glasierte Ziegel. Hinter dem Kopfbau folgten - wegen der besonderen Form des Grundstücks in der Längsachse nach rechts um ca. 15° abgewinkelt – das Vestibül, die Vorsynagoge und der Hauptsaal. Die Kosten waren ursprünglich auf 125 000 Taler geschätzt worden. Es wurden schließlich 750 000 Taler.

Der große Saal hatte 3200 Sitzplätze (nach anderer Quelle: für Männer 1800 und für Frauen 1200 Plätze). Eindrucksvoll waren die farbenprächtige, dekorative Innenausstattung und die durchdachte Lichtführung durch Seitenfenster und gläserne Kuppeln. Eine technische Besonderheit bestand in der reichlichen Verwendung von Eisen als Baumaterial: sichtbar bei den bemalten Stützpfeilern, unsichtbar in der Konstruktion der Saaldecke und der Kuppel.

Theodor Fontane schrieb 1865 in der „Kreuzzeitung“ über die im Bau befindliche Synagoge: „ ... Wer sich für die architektonischen Dinge interessiert, für die Lösung neuer, schwieriger Aufgaben innerhalb der Baukunst, dem empfehlen wir einen Besuch dieses reichen jüdischen Gotteshauses, das an Pracht und Großartigkeit der Verhältnisse alles weit in den Schatten stellt, was die christlichen Kirchen unserer Hauptstadt aufzuweisen haben...“. Am Tag nach der Einweihung urteilte die „National-Zeitung“: „Das neue Gotteshaus ist der Stolz der Jüdischen Gemeinde von Berlin. Darüber hinaus ist es ein Schmuck für die Stadt, eine der bemerkenswertesten Schöpfungen moderner Architektur im maurischen Stil und eines der hervorragendsten Bauwerke, die ... in den letzten Jahren errichtet wurden“.

Nutzung und Zerstörung

Antisemiten empfanden den Prachtbau mit der goldglänzenden Kuppel als Provokation. Er löste aber auch heftige Diskussionen unter der jüdischen Bevölkerung aus. Liberal Denkende äußerten den Einwand, der ungewohnte maurische Baustil betone die Fremdartigkeit der jüdischen Religion und behindere so den angestrebten Integrationsprozess. Konservative Juden meldeten Vorbehalte gegen die verschiedenen Neuerungen im Gottesdienst und in der Innenausstattung an. Der Gemeindevorstand hatte den reformorientierten Rabbiner Josef Aub an die Neue Synagoge berufen. Der Gottesdienst wurde nach dem Neuen Ritus abgehalten. Es kam darüber zu Spannungen in der Gemeinde, insbesondere einen Gottesdienst mit Orgelmusik – das Instrument wurde 1868 eingebaut - fanden viele nicht angemessen. In dem Neubau sahen sie ein „schönes Theater, aber keine Synagoge...“. Die Meinungsverschiedenheiten führten schließlich zur Spaltung. 1869 formierte sich Adass Jisroel, eine Gruppe unzufriedener konservativer Mitglieder, die 1872 aus der Gemeinde austrat und 1885 die offizielle Zulassung als Isrealitische Synagogengemeinde erhielt.

Die Mehrheit jedoch betrachtete das Gebäude mit Stolz und Zufriedenheit, als Symbol für die Bedeutung und das Selbstbewusstsein der jüdischen Gemeinschaft in Berlin. Das größte, teuerste und prächtigste jüdische Gotteshaus in Deutschland, auch ein Beispiel für die Anwendung modernster Bautechniken, wurde zur vielbeachteten Sehenswürdigkeit.

Während der landesweiten Pogrome in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 (oft als Reichskristallnacht bezeichnet) begannen Angehörige der SA, der nationalsozialistischen „Sturmabteilung“, in der Neuen Synagoge Feuer zu legen. Der Reviervorsteher des nahe gelegenen Polizeireviers 16, Wilhelm Krützfeld, trat den Brandstiftern entgegen, verwies auf den seit Jahrzehnten bestehenden Denkmalschutz für das Gebäude, alarmierte die Feuerwehr, die den im Gebäudeinneren entstandenen Brand löschen konnte, und bewahrte so die Synagoge vor der Zerstörung. Krützfeld, der ganz nach Vorschrift gehandelt hatte, war danach im Beruf vielfach Schikanen ausgesetzt. Eine Gedenktafel erinnert an sein - für die damalige politische Situation - ungewöhnlich mutiges Einschreiten.

Nachdem die Folgen des Brandes beseitigt waren, konnte die Neue Synagoge seit April 1939 wieder für Gottesdienste genutzt werden. Die Kuppel musste wegen drohender Luftangriffe mit Tarnfarbe übermalt werden. Nach einem letzten Gottesdienst am 30. März 1940 übernahm die Wehrmacht das Gebäude und richtete hier ein Uniformlager ein. Bei britischen Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg erlitt die Synagoge in der Nacht zum 23. November 1943 schwere Schäden. Nach Kriegsende gründeten die wenigen überlebenden Juden der Stadt eine neue Jüdische Gemeinde mit Sitz im Verwaltungsgebäude der Synagoge in der Oranienburger Straße; es ging zunächst darum, wieder geeignete Bedingungen für jüdisches Leben in Berlin zu schaffen und andererseits die Emigration vorzubereiten für diejenigen, die nicht bleiben wollten. Im Sommer 1958 – das teilzerstörte Bauwerk lag jetzt auf dem Gebiet der DDR – wurden beschädigte Gebäudeteile vollständig beseitigt, ohne dass dafür allgemein überzeugende Gründe vorlagen. Nur die an der Straße gelegene Bausubstanz blieb zum größten Teil erhalten.

Centrum Judaicum

In Zusammenhang mit Gedenkveranstaltungen zum fünfzigsten Jahrestag der Pogromnacht entstand die Stiftung „Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum“. Am 10. November 1988 fand eine symbolische Grundsteinlegung für den Wiederaufbau der Ruine statt. Über die Art der Restaurierung war zuvor kontrovers diskutiert worden. Eine vollständige Wiederherstellung in den Originalzustand wurde verworfen – sie hätte als Versuch missverstanden werden können, die Leiden der Vergangenheit zu verdrängen und womöglich zu vergessen. Die Absicht war aber, mit dem Gebäude gleichzeitig ein Mahnmal zur ständigen Erinnerung zu erhalten.

So entschied man sich, beides sichtbar zu machen - die einst prachtvolle Architektur und die gewaltsame Zerstörung. Die repräsentative Straßenfront mit der Hauptkuppel wurde originalgetreu rekonstruiert. Eine ständige Ausstellung informiert über jüdisches Leben in Berlin (ihr Titel: „Tuet auf die Pforten...“ ist der Beginn eines Zitates nach Jesaja, der in hebräischer Form über dem Eingang der Synagoge angebracht ist). Es werden auch einige architektonische Fragmente und wiederentdeckte Teile der Inneneinrichtung gezeigt. Auf der Freifläche in der Tiefe des Grundstücks markieren Steine den ausgedehnten Grundriss der einstigen Hauptsynagoge. Die Erneuerungsarbeiten waren 1993 beendet. Das wiederhergestellte Gebäude, durch umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen gegen aktuelle Bedrohungen geschützt, konnte am 16. Dezember 1994 der Stiftung übergeben werden. Es wurde insgesamt nicht wieder zur Synagoge geweiht, enthält aber einen kleinen Gebets- und Andachtsraum. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich jüdische Gemeindeeinrichtungen, Restaurants, Cafés und die Jüdische Galerie.

Im Juli 2006 verlegte die Jüdische Gemeinde Berlin ihren Sitz aus dem Gemeindezentrum Fasanenstraße in Berlin-Charlottenburg in das Centrum Judaicum. Vom Umzug betroffen waren Vorstand und Geschäftsführung, die verschiedenen Dezernate sowie der Jüdische Kulturverein. Die Verantwortlichen des Berliner Senats hatten aus Sicherheitserwägungen dringend zu diesem Schritt geraten.

Literatur

  • Hermann Simon: Die Neue Synagoge, Berlin. Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. Edition Hentrich Berlin 1999. ISBN 3-89468-036-9
Commons: Neue Synagoge Berlin – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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