Nuklearer Holocaust

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Einer der größten amerikanischen Atomwaffentests: „Castle Romeo“ im Bikini-Atoll, 1954

Als Nuklearer oder Atomarer Holocaust wird die vollkommene oder weitestgehende Vernichtung der menschlichen Zivilisation durch einen Atomkrieg bezeichnet. Das politische Schlagwort wurde vor allem in den 1980er Jahren in der damaligen Bundesrepublik Deutschland verwendet. Es drückte die Furcht vor den unabsehbaren Folgen des Wettrüstens zwischen den damaligen Supermächten USA und Sowjetunion aus. Der Holocaustbegriff war in den 1980er Jahren im deutschen Sprachraum noch nicht dezidiert mit der Vernichtung der europäischen Juden belegt.[1]

Verwendungsgeschichte

Der Begriff wurde bereits im Jahr 1961 durch Erich Fromm benutzt, in seinem Aufsatz Russland, Deutschland, China – Bemerkungen zur Außenpolitik sprach er von der Hoffnung, dass durch ein Ende des Wettrüstens „ein atomarer Holocaust unwahrscheinlicher [wird]“.[2]

Verwendet wurde das Schlagwort in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere in den 1980er Jahren. Sowohl in den Kreisen der Friedensbewegung, als auch in den Massenmedien. So sprach beispielsweise Karl-Heinz Janßen 1980 in einem Zeit-Artikel davon, dass die Kubakrise 1962 „die beide Weltmächte an den Rand des nuklearen Holocaust gebracht hatte“.[3]

Die politische Debatte dieser Jahre war stark bestimmt vom sogenannten NATO-Doppelbeschluss. Hinzu kam eine weitverbreitete Sorge gegenüber der Sicherheits- und Außenpolitik des damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan, die weit in die bürgerlichen Kreise reichte. Sein Chefunterhändler mit der Sowjetunion, Paul H. Nitze, wurde 1983 in einem Spiegel-Interview gefragt: „Der nächste Krieg, wenn es denn einen gibt, wird also ein nuklearer Holocaust sein?“.[4]

Der „Mikrofonscherz“ des amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan aus dem Jahr 1984 Vorlage:"-en[5] stieß in der Bundesrepublik auf wenig Verständnis, sah man doch die beiden deutschen Staaten als potenziellen Kriegsschauplatz eines mit Atomwaffen geführten dritten Weltkrieges. In diese Zeit fielen auch zahlreiche literarische und filmische Verarbeitungen des Themas, so wurde The Day After – Der Tag danach im Jahr 1983 in der Bundesrepublik von drei Mio. Kinozuschauern besucht. Die Popularität des Begriffs atomarer Holocaust als Chiffre des Schreckens drückt das in diesen Jahren wachsende Misstrauen gegenüber dem „Gleichgewicht des Schreckens“ aus.

Nach dem Ende der Sowjetunion und dem Zerfall des Warschauer Paktes zu Beginn der 1990er Jahre ist der Begriff weitgehend aus der öffentlichen Diskussion verschwunden und wird von Politikern nur noch selten verwendet.[6] Die atomare Abrüstung und die Beendigung des Ost-West Konfliktes haben dazu geführt, dass das dahinterstehende Bedrohungsszenario als nicht mehr gegeben angesehen wird.

Einzelnachweise

  1. vgl. Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Auflage, 2002, Lemma Holocaust, dort wird die heute dominierende Begriffsverwendung im Deutschen insbesondere als Folge der Fernsehserie Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiß gesehen, die deutsche Erstausstrahlung war 1979
  2. Original: Russia, Germany, China: Remarks on Foreign Policy, New York 1961 (Manuskriptdruck), Online-Ausgabe des Erich Fromm Dokumentationszentrums, S.3; deutsch von Rainer Funk, Russland, Deutschland, China: Bemerkungen zur Außenpolitik, in: Ethik und Politik. Antworten auf aktuelle politische Fragen (Rainer Funk (Hrsg.), Schriften aus dem Nachlaß, Band 4), Beltz, Weinheim/Basel 1990 und Heyne, München 1996, S.66-79
  3. Karl-Heinz Janßen: Vor dem zweiten Kalten Krieg, Die Zeit Nr. 3/1980 vom 11. Januar 1980, abgerufen 17. Juni 2011
  4. Spiegel Gespräch: Die Sowjets sind auf Überlegenheit aus. In: Der Spiegel. Nr. 50, 1983, S. 120–127 (online17. Juni 2011, Interview).
  5. Georg Gruber: US-Präsident Reagan irritiert die Weltöffentlichkeit bei einer Mikrofonprobe, Deutschlandradio Kultur, 11. August 2004, abgerufen 15. Dezember 2012
  6. US-Präsident George W. Bush 2007 in einer Rede: Vorlage:"-en, The Guardian, 29. August 2007, abgerufen 17. Juni 2011