Liste Otto
Die Liste Otto, offiziell Ouvrages retirés de la vente par les éditeurs ou interdits par les autorités allemandes, ist eine nach dem deutschen Botschafter im besetzten Frankreich Otto Abetz benannte Zensurliste von verbotenen Büchern während der deutschen Besetzung Frankreichs.
Die Liste erschien zuerst am 28. September 1940 (Auflage 40.000, 37 Seiten) und wurde in Zusammenarbeit mit dem französischen Syndicat national de l’édition (SEN) und französischen Verlegern erstellt. Zuvor gab es schon einmal eine Liste zu konfiszierender Bücher (die Liste Bernhard vom August 1940), die aber allein von deutschen Stellen zusammengestellt worden war. Die deutschen Besatzer wollten den Anschein eines freien kulturellen Lebens in Frankreich erhalten und setzten deshalb nicht auf spektakuläre Propagandamaßnahmen wie Bücherverbrennungen, sondern bemühten sich um Diskretion. Damit in Zusammenhang stand auch die Weiterführung der führenden französischen Literaturzeitung Nouvelle Revue Française unter dem neuen Chefredakteur Pierre Drieu la Rochelle. Die Liste war auch keine Verbotsliste der deutschen Besatzer, sondern eine nach offizieller Lesart freiwillige Maßnahme der französischen Verleger.
Auf der Liste standen rund 1060 Werke überwiegend jüdischer und gegenüber den Nationalsozialisten kritischer Autoren, zum Beispiel Heinrich Heine, Thomas Mann, Heinrich Mann, Stefan Zweig, Arnold Zweig, Max Jacob, Joseph Breitbach, Joseph Kessel, Sigmund Freud und Anna Freud, Paul Claudel, Henri Barbusse, Carl Gustav Jung, Julien Benda, Karl Marx, Henri Lefebvre, Leo Trotzki, Louis Aragon, General Henri Mordacq, Léon Blum, Albert Einstein, Lion Feuchtwanger, Theodor Herzl, Harry Graf Kessler, Arthur Koestler, Eric Ambler (Epitaph auf einen Spion), Emil Ludwig, Vicki Baum, Irmgard Keun, David Lloyd George, André Malraux, Maimonides, Alfred Döblin, André Maurois, Raymond Aron, Wladimir d’Ormesson, Pablo Neruda, Walther Rathenau, Romain Rolland, Joseph Roth, Arthur Schnitzler (Sterben), René Schickele, Erich Maria Remarque, Annemarie Selinko, Anna Seghers, Jacob Wassermann, H. G. Wells, Franz Werfel, Hermann Rauschning[1], aber auch verschiedene französische Ausgaben von Mein Kampf[2] und anfangs (wegen des Hitler-Stalin-Pakts) auch antikommunistische Bücher. Es gab noch zwei weitere ergänzte Auflagen (8. Juli 1942, 10. Mai 1943), in der letzten Auflage mit einem Anhang mit einer Liste von 739 französischsprachigen jüdischen Schriftstellern. Außerdem wurde mit den französischen Verlegern eine Vereinbarung über Selbstzensur getroffen, was Neuerscheinungen betraf. Die Liste galt nicht nur im besetzten Frankreich, sondern auch unter der Herrschaft des Vichy-Regimes.
Bücher der Liste wurden beschlagnahmt, eingelagert und vernichtet.
Die französischen Verlage hielten sich an die Vorgaben. Erst 1942 wurde ein unabhängiger Verlag gegründet, der dem Widerstand nahe stand (Éditions de Minuit) und als erstes Buch Das Schweigen des Meeres von Vercors veröffentlichte.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Christoph Vormweg: Die „Liste Otto“ – Gleichschaltung und Résistance im französischen Literaturbetrieb, Dossier zur Sendung im Deutschlandfunk, 21. August 2015 (pdf; 450 kB)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Liste Otto bei Gallica, Ausgabe September 1940
- ↑ Manu Braganca, La curieuse histoire de « Mein Kampf » en français, Sud Ouest, 9. Juni 2016