Quechua

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Quechua (auch Ketschua, Quichua oder Keshwa) ist eine Bezeichnung für eine Gruppe von eng miteinander verwandten indianischen Sprachen, die im Andenraum Südamerikas gesprochen werden. Das Wort Quechua an sich bezeichnet im Quechua eine Höhenlage inklusive ihrer Bewohner. Die Quechua-Sprecher selbst nennen ihre Sprache Runa simi (von runa "Mensch" und simi "Wort", also "Menschenwort").

Sprachen der Welt

Verbreitung

Der Sprachraum des Quechua erstreckt sich vom Süden Kolumbiens über große Teile von Ecuador, Peru und Bolivien bis in den Norden von Chile und Argentinien. Den größten Anteil an den Sprechern hat dabei Peru, gefolgt von Bolivien und Ecuador, während in den anderen Ländern nur kleine Minderheiten die Sprache beherrschen.

Heute ist Quechua mit wahrscheinlich mehr als 7 Millionen Sprechern (die Schätzungen variieren hier allerdings stark) die meistgesprochene indianische Sprache Südamerikas und nimmt somit auf diesem Kontinent hinsichtlich der Sprecherzahl Rang 3 hinter Spanisch und Portugiesisch ein.

Für den größten Teil des Sprachgebiets, nämlich Peru und Bolivien, liegen Volkszählungsangaben zur Sprecherzahl vor (Peru: 1993, Bolivien: 2001). Für Ecuador, Kolumbien, Argentinien und Chile fehlen solche Daten völlig; es gibt lediglich Schätzungen, die, wie oben erwähnt, sehr stark variieren. Zu den Volkszählungsergebnissen ist anzumerken, dass in beiden Ländern nach der Muttersprache gefragt wird und dass von der Volkszählung Kinder im Vorschulalter nicht erfasst werden. Die tatsächliche Sprecherzahl dürfte also deutlich über den offiziellen Angaben liegen: Zum einen wird schon seit langem eine Tendenz beobachtet, bei Befragungen die Kenntnis einer als minderwertig empfundenen Sprache nicht anzugeben (underreporting); zum anderen wurde die Zwei- und Mehrsprachigkeit bei den letzten Volkszählungen nicht in geeigneter Weise erfasst. Allerdings muss auch beachtet werden, dass ein nicht unerheblicher Teil der Sprecher sich aus unterschiedlichen Gründen im Alltag des Spanischen bedient. Insbesondere die Quechuasprecher in den großen Städten dürften die Sprache kaum benutzen.

Die Verteilung der Sprecher auf die Länder:

Bolivien: 1.576.846 (lt. Volkszählung von 2001)
Peru: 3.177.938 (lt. Volkszählung von 1993)
Ecuador: 750.000 - 2.000.000 (diverse Schätzungen)
Argentinien: 50.000 - 120.000 (Schätzungen)
Kolumbien: 5.000 (Schätzungen)
Chile: wenige


Quechua ist neben Spanisch und Aymara offizielle Staatssprache in Peru und in Bolivien.

In den meisten großen Universitäten des spanischsprachigen Südamerika wird Quechua als Fremdsprache gelehrt.

Dialekte

Die Varietäten des Quechua bilden ein Dialektkontinuum. Sie lassen sich in zwei große Gruppen einteilen, die nach dem peruanischen Sprachforscher Alfredo Torero als Quechua I und Quechua II bezeichnet werden.

Quechua I wird in den meisten quechuasprachigen Gebieten der zentralen und nördlichen peruanischen Anden gesprochen. Es gliedert sich wiederum in eine nördliche und eine südliche Gruppe.

Quechua II umfasst alle im Süden Perus sowie in Bolivien, Argentinien, Chile, Ecuador und Kolumbien gesprochenen Varietäten sowie eine kleinen Teil der Varietäten des übrigen Perus. Es gliedert such in drei Untergruppen. Die Yunkay-Gruppe umfasst die relativ wenigen Varietäten des Quechua II im zentralen und nördlichen Peru, die Chinchay-Gruppe (auch als nördliches Quechua bezeichnet) die Varietäten Ecuadors und Kolumbiens und das südliche Quechua alle Varietäten des südlichen Perus, Boliviens, Argentiniens und Chiles.

Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bestehen in vielen Teilen der Grammatik und des Wortschatzes, so dass eine Verständigung zwischen muttersprachlichen Sprechern von Varietäten des Quechua I und des Quechua II ohne Kenntnis weiterer Varietäten nur schwer möglich ist. Die Varietäten des Quechua I unterscheiden sich trotz ihres geringen Verbreitungsgebietes auch erheblich untereinander, während des Quechua II im Vergleich dazu verhältnismäßig einheitlich ist. Die Unterschiede zwischen den Dialekten des südlichen Quechua II in Peru und Bolivien, die zahlenmäßig die größte Gruppe der Quechuasprecher umfassen, sind relativ gering und beschränken sich vor allem auf den Bereich der Phonetik.

Die Reichssprache des Inka-Reiches, die Sprache der meisten erhaltenen älteren Schriftzeugnisse und die Sprache der Mehrzahl der modernen Publikationen auf Quechua aus Peru und Bolivien beruht auf diesen südlichen Dialekten des Quechua II. Viele andere Varietäten des Quechua sind hingegen lediglich in der modernen linguistischen Fachliteratur beschrieben worden.

Geschichte

Quechua war Staatssprache im Inka-Reich. Ihre größte Verbreitung erlangte die Sprache zwischen 1500 und 1700, als sie zwischen Zentralargentinien und dem nördlichen Kolumbien im gesamten Andenraum gesprochen wurde.

Schrift und Schreibweise

Vor der Ankunft der Europäer existierte keine Buchstabenschrift für das Quechua. Inwieweit die zur Zeit des Inkareiches gebräuchlichen Quipu (Knotenschnüre), die in erster Linie Inventarlisten von Vorratslagern o.ä. darstellten, als eine Vorform einer Ganz-Wort-Schrift aufgefasst werden können, ist umstritten.

Seit der spanischen Kolonialzeit wurde das lateinische Alphabet zur Wiedergabe des Quechua verwendet, wobei sich der Lautwert der Buchstaben zunächst meist am spanischen Vorbild orientierte. 1560 schrieb Domingo de Santo Tomás die erste Grammatik, auf deren Grundlage lange Zeit an der Universität von Lima gelehrt wurde.

Eine einheitliche Rechtschreibung gab es nicht, bis 1946 das erste offizielle Alphabet standardisiert wurde, das 21 Buchstaben enthielt. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden mehrere konkurrierende Entwürfe für eine Rechtschreibung des Quechua in lateinischen Buchstaben vorgelegt. In Peru gilt amtlich das 1975 in Peru neu entwickelte Alfabeto Oficial, ebenso gibt es in Bolivien eine amtliche Rechtschreibung. Daneben existieren allerdings noch mehrere Regionalschreibweisen, allein in Argentinien haben sich zwei verschiedene Schreibweisen (die von Tucumán / Jujuy und die von Santiago del Estero) etabliert.

Zu beachten ist, dass in der Öffentlichkeit, besonders bei geographischen Namen auch ältere, an der spanischen Orthographie orientierte Schreibweisen noch bis heute üblich sind. So werden bekanntere Namen wie Wayna Piqchu, Saqsaywaman und Qurikancha auch als Huayna Picchu, Sacsayhuaman und Ccoricancha geschrieben.

Struktur des Quechua

Quechua ist eine agglutinierende Sprache wie türkisch und finnisch, d.h. die Bedeutung eines Wortes wird durch das Anhängen von Silben an einen unveränderlichen Wortstamm angepasst, nicht durch Beugung (Veränderung des ganzen Wortes je nach Zeit, Person, Geschlecht und Fall) wie beispielsweise im Deutschen.

Die Reihenfolge der Suffixe ist streng geregelt, wie das Beispiel des Wortes chakra (Feld) illustriert:

  • Die Bedeutung "klein" drückt man durch Anfügen des Suffixes cha aus.
  • Die Besitzanzeige "mein" wird durch Anfügen des Suffixes y erreicht.
  • Den Plural erhält man durch Anhängen des Suffixes kuna.
  • Der Ausdruck "meine kleinen Felder" lautet auf Quechua folglich: chakrachaykuna.

Siehe auch

Literatur

  • Eva Gugenberger: Identitäts- und Sprachkonflikt in einer pluriethnischen Gesellschaft : eine soziolinguistische Studie über Quechua-Sprecher und -Sprecherinnen in Peru. - Wien : WUV-Univ.-Verl., 1996. (Dissertationen der Universität Wien ; 17) - Zugl.: Wien, Univ., Diss., 1994.
  • Quechua sociolinguistics / ed. by Kendall A. King. - Berlin [u.a.] : Mouton de Gruyter, 2004. (International journal of the sociology of language ; 167)
  • "Rimaykullayki" : Unterrichtsmaterialien zum Quechua Ayacuchano - Peru / zsgest. nach Clodoaldo Soto Ruiz "Quechua - manual de enseñanza" Lima 1979 und erg. von Sabine Dedenbach-Salazar Sáenz ... Hrsg. von Roswith Hartmann. - Aktualisierte, erw. und überarb. Neuaufl., 3. Aufl. . - Berlin : Reimer, 1994.

Weblinks