„Schlacht von Kyzikos“ – Versionsunterschied

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== Die Folgen ==
== Die Folgen ==
Die Schlacht von Kyzikos galt allgemein als größte Leistung des Alkibiades. Die kühne Konzeption, der artikulierte Plan, die perfekte Ausführung und das eindeutige Ergebnis begründeten seinen Ruf als brillanter Stratege, dem man von nun an fast alles zutraute. Moderne Historiker haben die Schlacht darum mit [[Napoleon Bonaparte|Napoleon's]] Triumph in der [[Schlacht von Austerlitz]] verglichen, zumal in beiden Fällen die Sonne den Sieg anzukündigen schien.
Die Schlacht von Kyzikos galt allgemein als größte Leistung des Alkibiades. Die kühne Konzeption, der artikulierte Plan, die perfekte Ausführung und das eindeutige Ergebnis begründeten seinen Ruf als brillanter Stratege, dem man von nun an fast alles zutraute. Moderne Historiker haben die Schlacht darum mit [[Napoleon Bonaparte|Napoleons]] Triumph in der [[Schlacht von Austerlitz]] verglichen, zumal in beiden Fällen die Sonne den Sieg anzukündigen schien.


Der unerwartete Sieg von Kyzikos wurde in Athen durch ausgiebige Opfer gefeiert. Sparta reagierte auf die Ausschaltung seiner Flotte, indem es durch seinen Botschafter Endios einen Frieden auf der Grundlage des [[Status quo]] anbot. Die Führer der Oligarchen waren für die Annahme des Vorschlags, aber Kleophon, der Führer der Popularen, beredete die Volksversammlung, dass sie ihn ablehnte.<ref>Diodor, ''Bibliothek'', XIII 52f; Plutarch, ''Alkibiades'', 28.</ref>
Der unerwartete Sieg von Kyzikos wurde in Athen durch ausgiebige Opfer gefeiert. Sparta reagierte auf die Ausschaltung seiner Flotte, indem es durch seinen Botschafter Endios einen Frieden auf der Grundlage des [[Status quo]] anbot. Die Führer der Oligarchen waren für die Annahme des Vorschlags, aber Kleophon, der Führer der Popularen, beredete die Volksversammlung, dass sie ihn ablehnte.<ref>Diodor, ''Bibliothek'', XIII 52f; Plutarch, ''Alkibiades'', 28.</ref>
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Anschließend rüsteten die Athener weitere 30 Schiffe aus, die mit 1000 Hopliten und 100 Reitern unter dem Kommando des [[Thrasyllos (Feldherr)|Thrasyllos]] zunächst zur Rückeroberung von [[Ionien]] ausgesandt wurden, nach der [[Schlacht von Ephesos|Niederlage von Ephesos]] jedoch ebenfalls zur Flotte am Hellespont stießen. Mit diesen Verstärkungen ging Alkibiades ab dem Winter 409/08 v. Chr. in die Offensive, um die verlorenen Positionen an den Meerengen zurückzuerobern. Dabei gelang ihm noch mehrmals die Wiederholung des Wunders von Kyzikos, so in der zweiten [[Schlacht von Abydos#Die Landschlacht|Schlacht von Abydos]] und in der [[Schlacht von Chalkedon]], besonders aber durch seinen heroischen Einsatz bei der Eroberung von Selymbria und Byzanz. Als Alkibiades nach siebenjähriger Abwesenheit im Sommer 408 v. Chr. endlich heimkehrte, bereiteten ihm die Athener einen triumphalen Empfang.<ref>Xenophon, ''Hellenika'', I 2,1–4,20; Diodor, ''Bibliothek'', XIII 52 und 64–69; Plutarch, ''Alkibiades'', 29–33.</ref>
Anschließend rüsteten die Athener weitere 30 Schiffe aus, die mit 1000 Hopliten und 100 Reitern unter dem Kommando des [[Thrasyllos (Feldherr)|Thrasyllos]] zunächst zur Rückeroberung von [[Ionien]] ausgesandt wurden, nach der [[Schlacht von Ephesos|Niederlage von Ephesos]] jedoch ebenfalls zur Flotte am Hellespont stießen. Mit diesen Verstärkungen ging Alkibiades ab dem Winter 409/08 v. Chr. in die Offensive, um die verlorenen Positionen an den Meerengen zurückzuerobern. Dabei gelang ihm noch mehrmals die Wiederholung des Wunders von Kyzikos, so in der zweiten [[Schlacht von Abydos#Die Landschlacht|Schlacht von Abydos]] und in der [[Schlacht von Chalkedon]], besonders aber durch seinen heroischen Einsatz bei der Eroberung von Selymbria und Byzanz. Als Alkibiades nach siebenjähriger Abwesenheit im Sommer 408 v. Chr. endlich heimkehrte, bereiteten ihm die Athener einen triumphalen Empfang.<ref>Xenophon, ''Hellenika'', I 2,1–4,20; Diodor, ''Bibliothek'', XIII 52 und 64–69; Plutarch, ''Alkibiades'', 29–33.</ref>
Mit der Einnahme von Byzanz am Bosporus hatte Athen die Herrschaft über die Meerengen zurückgewonnen, die für die Stadt lebensnotwendig war, da sie auf Getreideimporte aus der Schwarzmeerregion angewiesen war. Mit den Einnahmen aus dem Sundzoll besserte sich auch die angespannte Finanzlage der Athener, so dass man in der Lage war, die Kriegsanstrengungen noch einige Jahre durchzuhalten. Das wichtigste Ziel, die Sprengung des Bündnisses zwischen Sparta und dem Perserreich wurde indes nicht erzielt.<ref>Xenophon, ''Hellenika'', I 3,13 und 4,1–7.</ref>
Mit der Einnahme von Byzanz am Bosporus hatte Athen die Herrschaft über die Meerengen zurückgewonnen, die für die Stadt lebensnotwendig war, da sie auf Getreideimporte aus der Schwarzmeerregion angewiesen war. Mit den Einnahmen aus dem Sundzoll besserte sich auch die angespannte Finanzlage der Athener, so dass man in der Lage war, die Kriegsanstrengungen noch einige Jahre durchzuhalten. Das wichtigste Ziel, die Sprengung des Bündnisses zwischen Sparta und dem Perserreich wurde indes nicht erzielt.<ref>Xenophon, ''Hellenika'', I 3,13 und 4,1–7.</ref>


== Das Ende ==
== Das Ende ==

Version vom 27. September 2010, 16:35 Uhr

Schlacht von Kyzikos
Teil von: Peloponnesischer Krieg

Griechische Triere
Datum 410 v. Chr.
Ort Marmarameer, heute Türkei
Ausgang Sieg Athens
Folgen Verlängerung des Peloponnesischen Krieges
Konfliktparteien

Athen

Sparta, Syrakus, Perserreich

Befehlshaber

Alkibiades;
Thrasybul, Theramenes;
Chaireas

Mindaros †, Hippokrates, Hermokrates, Klearchos;
Pharnabazos

Truppenstärke

86 Schiffe;
Hopliten, Schützen

60 bis 80 Schiffe;
Landstreitkräfte, persische Söldner

Verluste

etwa 40 Schiffe erbeutet

Totalverlust der Flotte

Die Schlacht von Kyzikos war eine kombinierte See- und Landschlacht während des Peloponnesischen Krieges. Sie wurde im Jahre 410 v. Chr. zwischen den Flotten Athens und Spartas vor Kyzikos in der Propontis ausgetragen. In den anschließenden Landkampf griffen auch Truppen des Perserreichs ein. Die Schlacht endete mit einer klaren Niederlage der Spartaner, deren Flotte vollständig vernichtet wurde.

Die Ausgangssituation

Nach dem Verlust seiner Expeditionsflotte in Sizilien (413 v. Chr.) kämpfte Athen um den Erhalt seines Attischen Reiches in der Ägäis. Im ersten Jahr nach der Katastrophe war es Sparta als Vormacht des Peloponnesischen Bundes gelungen, zahlreiche Städte und Inseln auf seine Seite zu ziehen, darunter Chios, Milet, Euboia und die wichtigsten Städte an den Meerengen Hellespont und Bosporus. Ermöglicht wurde dies auch dank eines Bündnis- und Subsidienvertrags mit dem Perserreich, durch die Peloponnesier in der Lage waren, eine große Flotte auszurüsten.[1]

Nach den ersten Auflösungserscheinungen hatte Athen jedoch reagiert und eine neue Flotte aufgestellt, mit der es den Spartanern am Hellespont entgegentrat, dessen Kontrolle für die athenischen Getreideimporte vom Schwarzen Meer unverzichtbar war. In der Meerenge zwischen Abydos und Sestos war es den attischen Feldherren Thrasybul und Thrasyllos 411 v. Chr. gelungen, den spartanischen Seeherrn Mindaros in zwei Seeschlachten in die Schranken zu weisen. In der ersten, der Schlacht von Kynossema, hatten die Athener nur leichte Vorteile. In der zweiten, der Schlacht von Abydos, war das Ergebnis deutlicher, und die spartanische Flotte, zu der auch starke Kontingente aus Syrakus, Chios und Korinth gehörten, verlor 30 Schiffe. Trotz dieser Rückschläge blieb die Flotte des Mindaros jedoch eine Bedrohung, da der höhere Sold der Spartaner dafür sorgte, dass es ihnen nie an Ruderern mangelte, während mit dem Holz des Großkönigs bald Ersatz für die verlorenen Schiffe gebaut war.[2]

Die Rückkehr des Alkibiades

Den Ausschlag in der Seeschlacht von Abydos hatte durch sein überraschendes Eingreifen der Feldherr Alkibiades gegeben, der während der Sizilienexpedition wegen Religionsfrevels angeklagt worden war und sich dem drohenden Prozess durch Flucht nach Sparta entzogen hatte. In spartanischen Diensten war Alkibiades im Jahr 412 v. Chr. die treibende Kraft hinter dem Abfall von Chios und Milet gewesen, bald darauf hatte er jedoch versucht, das spartanisch-persische Bündnis zu hintertreiben, indem er Tissaphernes, dem Satrapen von Lydien, den Ratschlag gab, Sparta nicht zu sehr erstarken zu lassen und stattdessen die beiden Vormächte Griechenlands gegeneinander auszuspielen. Bevor die Spartaner seine Machenschaften durchschauten, hatte er Anfang des Jahres 411 v. Chr. erneut die Seiten gewechselt, um sich bald wieder kraftvoll für die Interessen Athens einzusetzen.[3]

Nach der Seeschlacht von Abydos unternahm Alkibiades zunächst einen letzten Versuch, seinen Freund Tissaphernes von einem Bündnis mit Athen zu überzeugen. Dieser hatte indes neue Anweisungen vom Großkönig Dareios II. erhalten und ließ ihn in Sardes festnehmen und einsperren. Nach dreißig Tagen gelang Alkibiades die Flucht. In einem abenteuerlichen Ritt gelangte er nach Klazomenai an der ionischen Küste. Von dort fuhr er mit 5 Trieren und einem Leichtboot erneut an den Hellespont, wo er nur noch 40 athenische Schiffe vorfand, da die übrigen unter Thrasybul ausgefahren waren, um auf den nahegelegenen Inseln den Tribut einzufordern. [4]

Die Anfahrt

Mindaros waren nach der Schlacht von Abydos 60 Schiffe verblieben, mit denen er nach Kyzikos an der Nordküste Kleinasiens fuhr, um von dem persischen Satrapen Pharnabazos neue Hilfsleistungen zu erbitten. Alkibiades rief die ausgefahrenen Flottenverbände zurück nach Sestos. Die Rückkehr Thrasybuls aus Thasos änderte das Kräfteverhältnis entschieden zugunsten der Athener, zumal gleichzeitig auch der Stratege Theramenes aus Athen eintraf mit 20 neuen Trieren und der Nachricht, dass die Stadt nach dem oligarchischen Putsch vom Jahresanfang wieder zur demokratischen Staatsverfassung zurückgekehrt war.[5]

Als er erfuhr, dass Mindaros und Pharnabazos Kyzikos besetzt hielten, nahm Alkibiades mit nunmehr überlegenen Kräften sofort die Verfolgung auf. Die Athener brachen im Dunkel der Nacht von Sestos auf, damit man im gegenüberliegenden Abydos die Zahl der vorbeifahrenden Schiffe nicht erkennen konnte. Um die Überraschung nicht zu gefährden, hatte Alkibiades außerdem bei Todesstrafe verboten, auf die gegnerische Küste überzusetzen. Von Sestos fuhr er zuerst nach Parios und dann zur Insel Prokonnesos in der Propontis. Am folgenden Morgen hielt Alkibiades eine Ansprache an die Mannschaften, in der zur Lösung des Soldproblems auf die zu erwartende Beute hinwies: Wir haben kein Geld, aber die Feinde haben es im Überfluss vom Großkönig.[6]

Von Prokonnesos fuhr die attische Flotte in südöstlicher Richtung an Küste der Halbinsel Arktonnesos entlang nach Kyzikos. Während der Fahrt regnete es, doch bei der Ankunft vor der Stadt klarte es plötzlich auf, und die Sonne beleuchtete die Szenerie in der Bucht, wo Mindaros gerade außerhalb des Hafens ein Flottenmanöver abhielt. Bei ihm befanden sich sein Vizeadmiral Hippokrates, der Stratege Klearchos und der syrakusische Feldherr Hermokrates als Führer des sizilischen Kontingents.[7]

Quellenlage und Schlachtfeld

Vereinfachtes Schema des athenischen Schlachtplans in der Schlacht von Kyzikos

Der Historiker Xenophon verliert insgesamt nur sehr wenige Worte über die nun folgende Seeschlacht, während der fünf Jahrhunderte später schreibende Biograph Plutarch sie als eine recht einfache Operation beschreibt: Alkibiades fuhr mit nur 20 Schiffen an den Feinden vorbei und als diese die Verfolgung aufnahmen, erschienen Thrasybul und Theramenes mit dem Rest der Flotte und schnitten ihnen den Rückzug in den Hafen ab.[8]

Ein Blick auf die Landkarte verrät jedoch, das dies bei den geographischen Gegebenheiten keineswegs so einfach gewesen sein kann, da Kyzikos auf der Landenge liegt, welche die Halbinsel Arktonnesos mit dem kleinasiatische Festland verbindet. Nach Westen wie nach Osten bilden die Küsten der Halbinsel im Norden und Kleinasiens im Süden einen spitz zulaufenden Winkel, an dessen Endpunkt in einer tief eingeschnittenen Bucht Kyzikos lag, wobei im Nordwesten ein Vorgebirge bei dem Ort Artake die Einfahrt noch zusätzlich verengte. Die Stadt war zum damaligen Zeitpunkt nicht befestigt, sie war aber gegenüber dem Festland durch einen kurzen Kanal geschützt, der den westlichen Meerbusen mit dem östlichen verband. Kyzikos hatte drei Häfen, einen im Westen, einen im Osten und den dritten am Kanal mitten auf dem Isthmos.

Ein einfaches Passieren der Stadt war also unmöglich erscheinen, und die Bestätigung findet man in der dritten überlieferten Quelle, dem Historiker Diodorus Siculus, aus dessen Darstellung der Schlachthergang unmissverständlich hervorgeht und die deshalb den anderen Überlieferungen vorzuziehen ist.[9]

Die Seeschlacht

Nach der Darstellung Diodors muss die attische Flottenführung vor Beginn der Schlacht eine genaue Vorstellung von den örtlichen Gegebenheiten und einen klaren Plan gehabt haben. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Athener sich zunächst hinter dem Vorgebirge von Artake hielten, um dort ihre Hopliten unter dem Kommando des Chaireas auszuladen und von dem die Bucht dominierenden Hügel die Lage zu studieren. Es ist sogar denkbar, dass sie auf dem Vorgebirge einen Signalposten einrichteten, um die Bewegungen der verschiedenen Flotten- und Heeresteile zu koordinieren.

Was folgte war eine kombinierte Operation zu Lande und zur See, bei der Chaireas den Auftrag hatte, mit seinen Landtruppen die Stadt anzugreifen, während Alkibiades die Flotte von ihr weglockte. Wahrscheinlich führte Alkibiades dazu nicht nur 20 Schiffe, wie Xenophon schreibt, sondern wenn man Diodor folgt, waren es 40, was auch der exakten Flottenstärke entsprach, der Mindaros zuletzt am Hellespont gegenübergestanden hatte, sodass diese Zahl weniger Verdacht erregen musste.

Nachdem er das Vorgebirge umrundet hatte, steuerte Alkibiades zunächst noch eine Weile parallel zu den versteckt im Landesinnern vorrückenden Landtruppen, aber sobald die Spartaner seine Anfahrt bemerkten, ergriff er in gespielter Überraschung die Flucht und fuhr quer über die Bucht in Richtung Südwesten. In Verkennung der Situation gab Mindaros den Befehl zur Verfolgung des vermeintlich unterlegenen Gegners. Nach Xenophon hatte er 60 Trieren wie zuletzt in Abydos, aber möglicherweise hatte er in Kyzikos noch weitere Boote vorgefunden und bemannt, da Diodor von 80 Schiffen spricht.

Nachdem die beiden Flotten sich ein gewisses Stück von der Stadt entfernt hatten, drehten die Schiffe des Alkbiades überraschend um. Der Grund für solchen Wagemut eröffnete sich, als man auf den spartanischen Schiffen bemerkte, dass hinter dem Vorgebirge von Artake zwei weitere Flottenverbände auftauchten. Theramenes war mit seinen Schiffen ebenfalls in die Bucht von Kyzikos eingelaufen, um den Peloponnesiern von Osten den Rückzug in den Hafen zu verlegen, und zwischen den beiden Flügel der attischen Flotte schloss Thrasybul die Lücke direkt von Norden kommend. Von drei Seiten umzingelt, ergriffen die Spartaner die Flucht in die einzige Richtung, die ihnen verblieb, nach Süden, wo sie ihre Schiffe an der nahen Küste auf den Strand setzten.[10]

Die Landschlacht

Mindaros landete an der Küste im Südwesten von Kyzikos. In der Nähe befand sich der Ort Kleroi, bei dem Pharnabazos, der persische Satrap von Phrygien, seine Armee versammelt hatte. Es entspann sich zunächst ein Kampf um die Schiffe am Ufer. Die Athener versuchten sie mit Enterhaken zurück ins Wasser zu ziehen. Als dies wegen des Widerstands nicht gelang, ging auch Alkibiades westlich der Spartaner an Land, um Mindaros anzugreifen. Thrasybul landete derweil mit den Schützen weiter östlich im Rücken der Peloponnesier. Mindaros sandte ihm die Truppen des Klearchos entgegen, und da dieser noch Unterstützung durch eine rasch herbeigeeilte Einheit persischer Söldner erhielt, hatte die von mehreren Seiten angegriffenen Truppen Thrasybuls bald einen schweren Stand. Thrasybul gab daraufhin den Befehl an Theramenes, sich mit den Truppen des Chaireas zu vereinen und dann zu Hilfe zu eilen.

Die Position des Chaireas zu diesem Zeitpunkt der Schlacht gibt zunächst ein kleineres Rätsel auf. Vermutlich hatte er wie geplant Kyzikos von Nordwesten erreicht. Bei der Stadt, die sich mitsamt ihren Häfen wie ein Riegel über die Landenge erstreckte, wurde sein Vormarsch jedoch schwieriger. Zwar gab es keine Stadtmauer, doch wenn es nicht gelang, eine Brücke über den Kanal zu finden, war der weitere Vormarsch an den Ort der Landschlacht unmöglich. Die Tatsache, dass Thrasybul, obwohl schwer bedrängt und dringend hilfebedürftig, Theramenes den Befehl gab, zuerst zurückzufahren, um sich mit Chaireas zu vereinen, scheint in diesem Licht als ein klarer Hinweis auf die Lösung des Problems. Offenbar benötigte Chaireas Hilfe, um über den Kanal zu setzen. Denkbar wäre beispielsweise, dass Theramenes mit seinen Trieren eine Schiffsbrücke improvisierte, die den Hopliten das Erreichen der Schlacht ermöglichte.

Nach dieser Verzögerung wurde Thrasybul durch das Eintreffen der Hopliten des Chaireas und der frischen Kräfte des Theramenes gerettet, die zuerst die persischen Söldner und dann die Spartaner des Klearchos in die Flucht schlugen. Anschließend fielen sie Mindaros in den Rücken. Mindaros suchte der Bedrohung zu begegnen, indem er seine Truppen erneut teilte,a ber der doppelten Belastung waren die durch den harten Abwehrkampf gegen Alkibiades erschöpften Peloponnesier nicht mehr gewachsen. Nachdem Mindaros in heroischer Abwehr fiel, ließen seine Truppen die Boote im Stich und flüchteten in die nahen Berge. Einzig die Syrakuser waren geistesgegenwärtig genug, ihre Schiffe anzuzünden, bevor sie sich mit den anderen in das Lager des Pharnabazos retteten.[11]

Das Ergebnis

Die Athener erbeuteten die gesamte Flotte der Spartaner und zogen die noch schwimmfähigen Boote, an die 40 Trieren, wieder ins Wasser. Da Pharnabazos von den Bergen seine restlichen Fußtruppen und eine große Zahl Reiter heranführte, stachen sie umgehend in See und fuhren zu der nahegelegenen Insel Polydoros, wo sie zwei Siegesmäler errichteten, eins für die Seeschlacht und eins für die Landschlacht. Am nächsten Tag besetzten sie die von den Peloponnesiern verlassene Stadt Kyzikos, die keinen Widerstand leistete. Das peloponnesische Flottenkommando, das nun in der Hand des Hippokrates lag, sandte einen Bericht nach Sparta, der von den Athenern abgefangen und vielfach verhöhnt wurde, da man seine gedrängte Verzweiflung als exemplarisch für den lakonischen Stil empfand:

„Boote verloren. Mindaros tot. Männer haben Hunger. Wissen nicht, was tun.[12]

Die Folgen

Die Schlacht von Kyzikos galt allgemein als größte Leistung des Alkibiades. Die kühne Konzeption, der artikulierte Plan, die perfekte Ausführung und das eindeutige Ergebnis begründeten seinen Ruf als brillanter Stratege, dem man von nun an fast alles zutraute. Moderne Historiker haben die Schlacht darum mit Napoleons Triumph in der Schlacht von Austerlitz verglichen, zumal in beiden Fällen die Sonne den Sieg anzukündigen schien.

Der unerwartete Sieg von Kyzikos wurde in Athen durch ausgiebige Opfer gefeiert. Sparta reagierte auf die Ausschaltung seiner Flotte, indem es durch seinen Botschafter Endios einen Frieden auf der Grundlage des Status quo anbot. Die Führer der Oligarchen waren für die Annahme des Vorschlags, aber Kleophon, der Führer der Popularen, beredete die Volksversammlung, dass sie ihn ablehnte.[13]

Anschließend rüsteten die Athener weitere 30 Schiffe aus, die mit 1000 Hopliten und 100 Reitern unter dem Kommando des Thrasyllos zunächst zur Rückeroberung von Ionien ausgesandt wurden, nach der Niederlage von Ephesos jedoch ebenfalls zur Flotte am Hellespont stießen. Mit diesen Verstärkungen ging Alkibiades ab dem Winter 409/08 v. Chr. in die Offensive, um die verlorenen Positionen an den Meerengen zurückzuerobern. Dabei gelang ihm noch mehrmals die Wiederholung des Wunders von Kyzikos, so in der zweiten Schlacht von Abydos und in der Schlacht von Chalkedon, besonders aber durch seinen heroischen Einsatz bei der Eroberung von Selymbria und Byzanz. Als Alkibiades nach siebenjähriger Abwesenheit im Sommer 408 v. Chr. endlich heimkehrte, bereiteten ihm die Athener einen triumphalen Empfang.[14]

Mit der Einnahme von Byzanz am Bosporus hatte Athen die Herrschaft über die Meerengen zurückgewonnen, die für die Stadt lebensnotwendig war, da sie auf Getreideimporte aus der Schwarzmeerregion angewiesen war. Mit den Einnahmen aus dem Sundzoll besserte sich auch die angespannte Finanzlage der Athener, so dass man in der Lage war, die Kriegsanstrengungen noch einige Jahre durchzuhalten. Das wichtigste Ziel, die Sprengung des Bündnisses zwischen Sparta und dem Perserreich wurde indes nicht erzielt.[15]

Das Ende

Nach dem Verlust der Schiffe hatte insbesondere Pharnabazos die Spartaner zu neuen Rüstungen ermuntert, indem er das erforderliche Holz und die notwendigen Subsidien zur Verfügung stellten. Die spartanische Führung übertrug den Oberbefehl der Flotte auf Pasippidas, der von den Verbündeten neue Trieren für die schiffslosen Besatzungen anforderte, und dann auf Kratesippidas. Da die spartanische Verfassung einen jährlichen Wechsel im Amt des spartanischen Seeherrn vorschrieb folgte im Jahr 407 v. Chr. der noch unbeschriebene Lysander, der mit dem Perserfüsten Kyros eine Erhöhung des Soldes aushandelte und bald wieder über 90 Schiffe verfügte. Gegen den geduldigen Taktiker Lysander erwies sich das unbestrittene Talent des Alkibiades als wirkungslos, und nachdem einer seiner Untergebenen in der Schlacht von Notion eine Anzahl Schiffe verloren hatte, zogen das Volk von Athen seinen Oberkommandierenden zur Verantwortung. Jetzt erwies sich der Ruhm von Kyzikos plötzlich als eine Last: Da die Athener von Alkibiades nichts weniger als Wunder verlangten, waren sie nicht bereit, den kleinsten Fehler zu verzeihen, und setzen ihn ab.[16]

Nachdem man ein Jahr später auch noch die besten unter seinen Nachfolgern wegen unterlassener Hilfeleistung in siegreicher Schlacht zum Tode verurteilte, verspielte die dritte Garnitur des attischen Flottenkommandos Flotte und Reich in der unglücklichen Schlacht von Aigospotamoi (405 v. Chr.). Alkibiades hatte die Katastrophe kommen sehen: Trotz seiner Verbannung war er am Vorabend der Schlacht zu den befehlsführenden Kommandanten am Hellespont geritten, um ihnen eine bessere Strategie zu suggerieren, aber diese hatten ihn nur ausgelacht. Nach dem Verlust seiner Flotte bei Aigospotamoi war das Attische Reich verloren, Athen kapitulierte nach kurzer Belagerung. Die Schlacht von Kyzikos hatte seinen Todeskampf nur um sechs Jahre und viele Tausend Tote verlängert.[17]

Literatur

  • Bruno Bleckmann: Athens Weg in die Niederlage. Die letzten Jahre des Peloponnesischen Krieges. Teubner, Leipzig/Stuttgart 1998. ISBN 3-519-07648-9.
  • Donald Kagan: The Peloponnesian War, New York 2003
  • John Francis Lazenby: The Peloponnesian War: a military study, London, New York 2004
  • Karl-Wilhelm Welwei: Das klassische Athen. Demokratie und Machtpolitik im 5. und 4. Jahrhundert. Primus-Verlag, Darmstadt 1999, ISBN 3-89678-117-0.

Einzelnachweise

  1. Thukydides, VIII 1–96.
  2. Thukydides, VIII 97–109; Xenophon, Hellenika, I 1,1–8; Diodor, Bibliothek, XIII 38–42 und 45f.
  3. Thukydides, VI 53 und 88–93, VIII 12–37, 45–59 und 81f; Xenophon, Hellenika, I 1,5f; Plutarch, Alkibiades, 17–27.
  4. Xenophon, Hellenika, I 1,9f; Plutarch, Alkibiades, 27f.
  5. Xenophon, Hellenika, I 1,11f; Diodor, Bibliothek, XIII 49; Plutarch, Alkibiades, 28.
  6. Xenophon, Hellenika, I 1,13–15; Diodor, Bibliothek, XIII 49; Plutarch, Alkibiades, 28.
  7. Xenophon, Hellenika, I 1,16; Plutarch, Alkibiades, 28.
  8. Xenophon, Hellenika, I 1,16; Plutarch, Alkibiades, 28.
  9. Das Werk Diodors ist von unterschiedlicher Qualität. In allgemeinen heißt es, Diodor sei so gut wie seine Quellen. Im Fall der Schlacht von Kyzikos stand ihm offenbar eine sehr detaillierte Schlachtanalyse zur Verfügung. Vgl. Diodor, Bibliothek, XIII 50f.
  10. Xenophon, Hellenika, I 1,17f; Diodor, Bibliothek, XIII 50; Plutarch, Alkibiades, 28.
  11. Xenophon, Hellenika, I 1,17f; Diodor, Bibliothek, XIII 51; Plutarch, Alkibiades, 28.
  12. Xenophon, Hellenika, I 1,18–23; Diodor, Bibliothek, XIII 51; Plutarch, Alkibiades, 28.
  13. Diodor, Bibliothek, XIII 52f; Plutarch, Alkibiades, 28.
  14. Xenophon, Hellenika, I 2,1–4,20; Diodor, Bibliothek, XIII 52 und 64–69; Plutarch, Alkibiades, 29–33.
  15. Xenophon, Hellenika, I 3,13 und 4,1–7.
  16. Xenophon, Hellenika, I 1,24–26 und 32, 4,1–7.
  17. Xenophon, Hellenika, I 7,1–34 und II, 1,1–32.