Sonderkommando Künsberg
Das Sonderkommando Künsberg, auch Gruppe Künsberg, war eine von zahlreichen nationalsozialistischen Organisationen, die während des Zweiten Weltkriegs systematisch kulturelle Schätze aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten plünderten.
Die von Eberhard Freiherr von Künsberg (siehe auch Familie von Künsberg) befehligte Einheit unterstand formell dem Auswärtigem Amt unter Außenminister Joachim von Ribbentrop.
Ursprünglich aufgestellt, um während des Einmarsches in Polen diplomatische Vertretungen feindlicher und neutraler Staaten zu sichern, weitete sich das Aufgabengebiet des Sonderkommandos durch weitergehende Anordnungen, Sonderaufträge und nicht zuletzt durch das eigenmächtige Handeln Künsbergs rasch aus. Bereits in Frankreich konfiszierte er im Auftrag Ribbentrops Kunstgegenstände.
Das "Oberkommando des Heeres" (OKH), der "Sicherheitsdienst (SD)", die "Sicherheitspolizei (Sipo)" und das Außenministerium versuchten vergeblich Künsbergs Tätigkeitsfeld zu einzuschränken. Ein Befehl vom 11. Juni 1941 beschränkte die Tätigkeit des Sonderkommando auf die Beschlagnahmung der Aufzeichnungen der Botschaften und der Gesandtschaften.
Einsatzgebiet Jugoslawien
Nach dem Überfall auf Jugoslawien beschlagnahmte das Sonderkommando Künsberg in Belgrad eine Reihe kriegswichtiger Dokumente. Zuvor war die Luftwaffe ausdrücklich angewiesen worden, bestimmte Gebäude wie das militärgeographische Institut und das im Innenministerium untergebrachte statistische Amt nicht zu bombardieren. Am 17. April 1941 wurden umfangreiches Karten- und landeskundlichem Material beschlagnahmt. Darunter auch bis dahin nicht im Besitz der Wehrmacht befindliche neueste topographischen Karten des Landes, sowie die nicht veröffentlichte Bevölkerungsstatistiken der jugoslawischen Volkszählung von 1931.
Einsatzgebiet Sowjetunion
Vergleichsweise gut ausgerüstet agierte das Sonderkommando Künsberg nach dem Einmarsch in die UdSSR als selbständige Einheit an vorderster Front. Das Kommando erfüllte geheime Sonderaufträge für Reichsaußenminister Ribbentrop und beschlagnahmte zugleich auf Befehl von General von Halder außenpolitische Akten in der Uniform der "Geheimen Feldpolizei".
Ab 1942 beauftragte das "Oberkommando der Wehrmacht" (OKW) die Beschlagnahmungen. Depots des Sonderkommandos, in denen die Kriegsbeute zum Abtransport vorbereitet wurde, wurden in den gesamten besetzten Gebieten vom Baltikum bis in die Krim eingerichtet.
In Osteuropa arbeitete das Sonderkommando Künsberg in Konkurrenz zu anderen dort operierenden nationalsozialistischen Institutionen, insbesondere dem "Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg" (ERR) und der "Forschungs- und Lehrgemeinschaft Ahnenerbe", die Heinrich Himmler unterstand.
Anders als "Ahnenerbe" und ERR, deren Beschlagnahmungen für eigene wissenschaftlichen Zwecke verwendet werden sollten, nahm Künsberg Kunst für die Verteilung an interessierte Institutionen unter Beschlag. Bis 1942 waren 304.694 Kunstgegenstände an andere Institutionen übergeben worden.
Ausstellung in Berlin
Im März 1942 wurde die Kriegsbeute auf einer Ausstellung in der Berliner Hardenbergstraße gezeigt, auf der unter anderem über 37.500 Bände aus den Bibliotheken der Zarenschlössern Puschkin (früher Zarskoje Selo) und Gatschina, 69.0000 geographische Karten, 75.000 Bände geographischer Literatur an ausgewählte Vertreter der höchsten NS-Ministerien, des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda und der Reichskanzlei verteilt wurden.
Neben den Abteilungen des Auswärtigen Amtes zählte Alfred Rosenbergs Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete zu den Hauptempfängern. Das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) und Sicherheitsdienst (SD) erhielten im Kriegsgebiet beschlagnahmte Karten und andere regionale geographische Informationen. Zahlreiche Bibliotheken und Institute bekundeten Interesse an den verschleppten sowjetischen Kulturgütern.
Suspendierung und Auflösung
Am 1. August 1942 wurde das Sonderkommando der Waffen-SS unterstellt. Künsberg wurde von seinem Posten suspendiert. Er hatte die Sympathien von Ribbentrops verloren, dem er viele Entscheidungen zu eigenmächtig getroffen hatte.
Im Winter 1942 wurde die Hauptabteilung Berlin geschlossen, Mitte 1943 wurde das Sonderkommando vollständig aufgelöst. Einige Mitarbeiter setzten ihre Arbeit unter dem Kommando des "Reichssicherheitshauptamt" (RSHA) fort.
Siehe auch: Beutekunst