Taufengel

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Taufengel Kapelle Burg Bodenstein
Taufengel der Engelkirche in Hinterhermsdorf, der der Kirche ihren Namen gab
Taufengel von Bertel Thorvaldsen, Vor Frue Kirke, Kopenhagen

Ein Taufengel ist eine plastisch aus Holz gestaltete, oft mannsgroße Engelsfigur als Sonderform des Taufbeckens aus der Barockzeit.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Taufengel waren im 17. und 18. Jahrhundert vor allem in Deutschland, Dänemark und Schweden in lutherischen Kirchen gebräuchlich und hingen vertikal schwebend von der Decke des Chors herab. Bei der Taufzeremonie wurden sie mittels Seilzug heruntergelassen. Es gab auch stehende oder kniende Taufengel, die ein Taufbecken auf ihrem Kopf tragen oder über sich in die Höhe stemmen („Beckenstemmer“). Von den heute noch oder wieder genutzten Taufengeln sind viele auf dem Boden stehend oder an der Wand befestigt. Schwebende bewegliche Taufengel sind inzwischen sehr selten. In der Dorfkirche in Köditz / Oberfranken wurde 1978 der aus der Barockzeit erhaltene Schwebetaufengel wieder so installiert, dass er im Kirchenraum oberhalb der Gemeinde schwebt und anlässlich von Taufen heruntergelassen werden kann. Vom Taufengel in Lüdingworth weiß man, dass er sich herabsenkte, wenn man den Deckel hob.[1]

Taufengel stehen in der langen Tradition der handelnden Bildwerke. In einer Taufschale in ihren Händen reichen sie das Wasser zum Taufsakrament dar und verkörpern damit die Brücke zum Himmlischen. Zumeist wurden sie von regionalen Meistern vor Ort geschaffen. Neben der religiösen Bedeutung sollten die hängenden Taufengel vor allem das Platzproblem in den Kirchen lösen, die für die wachsende Bevölkerung zu klein wurden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts waren die androgynen Taufengel derart umstritten, dass sie aus vielen Kirchen wieder entfernt wurden oder notwendige Reparaturen der Aufhängung unterblieben. Das Wolfenbütteler Konsistorium verbot 1846 sogar die Taufengel aus ästhetischen Gründen.[2][3] In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde ihr kirchenhistorischer Wert neu entdeckt.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gisela Aye, Axel Chr. Kronenberg: Taufbecken und Taufengel in Niedersachsen. Vom Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts (= Adiaphora. 5). Schnell & Steiner, 2006, ISBN 3-7954-1907-7.
  • Friedrich Barenscheer: Taufengel in Niedersachsen (= Bomann-Archiv. Celler Beiträge zur Landes- und Kulturgeschichte. Heft 9, ZDB-ID 885005-7). Bomann-Museum, Celle 1972.
  • Brigitte Becker-Carus: Taufengel in Pommern (= Beiträge zur pommerschen Landes-, Kirchen- und Kunstgeschichte. Band 15). Mit Beiträgen von Martin Seils. Thomas Helms, Schwerin 2012, ISBN 978-3-940207-57-9.
  • Helga de Cuveland: Der Taufengel, ein neues Taufgerät der protestantischen Kirchenausstattung des 18. Jahrhunderts. Unter Berücksichtigung zweier wiederentdecker Exemplare in Hamburger Museen. In: Beiträge zur deutschen Volks- und Altertumskunde. Band 24, 1985, ISSN 0408-8220, S. 37–41.
  • Helga de Cuveland: Der Taufengel. Ein protestantisches Taufgerät des 18. Jahrhunderts. Entstehung und Bedeutung. Mit einem Katalog nordelbischer Taufengel. Friedrich Wittig, Hamburg 1991, ISBN 3-8048-4389-1 (Zugleich: Hamburg, Universität, Dissertation, 1990).
  • Marina Flügge, Mechthild Noll-Minor, Sabine Stachat, Werner Ziems (Red.): Taufengel in Brandenburg. Eine Bestandserfassung (= Arbeitshefte des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseums. 14). Michael Imhof, Petersberg 2006, ISBN 3-86568-079-8.
  • Axel Christoph Kronenberg: Zwanzig Engel und ein Flügel. Einladung zu den Taufengeln im Kirchenkreis Hildesheimer Land-Alfeld. Hrsg. Kirchenkreis Hildesheimer Land-Alfeld. Alfeld, Dritte Auflage 2015.
  • Helmuth Meißner: Taufengel in Oberfranken (= Colloquium Historicum Wirsbergense. Zwischengabe. 1996, ZDB-ID 2215476-0). Schulze, Lichtenfels 1996.
  • Bettina Seyderhelm: Tausend Jahre Taufen in Mitteldeutschland. Eine Ausstellung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und des Kirchenkreises Magdeburg unter der Schirmherrschaft des Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages Wolfgang Thierse im Dom zu Magdeburg, 20. August bis 5. November 2006. Katalog. Schnell + Steiner, Regensburg 2006, ISBN 3-7954-1895-X.
  • Bettina Seyderhelm (Hrsg.): Taufengel in Mitteldeutschland. Geflügelte Taufgeräte zwischen Salzwedel und Suhl. Schnell & Steiner, Regensburg 2009, ISBN 978-3-7954-2292-9.
  • Bengt Stolt: De svävande dopänglarna. In: Iconographisk Post. Nr. 2, 1989, ISSN 0106-1348, S. 27–40.
  • Inga Lena Ångström Grandien: Barockens dopänglar och Thorvaldsens. In: Ting och Tanke, 15. Nordiska ikonografiska symposiet, Undersvik 21-26 september 1996, Stockholm 1998. ISBN 9174022784

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Taufengel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Suche nach Taufengel. In: Deutsche Digitale Bibliothek
  • Suche nach Taufengel im Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
  • Brigitte Becker-Carus: „Taufengel“ – Eine kunstgeschichtliche Sonderform aus der Frömmigkeitsgeschichte des Protestantismus. (PDF; 920 kB) In: evangelischer-kirchenbauverein.de. 2006, archiviert vom Original am 25. Januar 2020;.
  • Wolfgang Fiedler, Brigitte Becker-Carus: Vergessene Gefährten – Taufengel in pommerschen Kirchen. In: kirche-mv.de. 2004, archiviert vom Original am 4. März 2006;.
  • Elisabeth von Falkenhausen: Engel in der Prignitz. In: Highlights. Prignitz-entdecken.de, 2006;.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wilhelm Johnsen / Ernst Schlee: Meister Jürgen Heitmann der Ältere in Wilster. Wilster 1938, S. 218.
  2. Horst Ende: Mecklenburgische Taufen im Wandel der Zeit, 2009, S. 8–9.
  3. Horst Ende: Mecklenburgische Taufen im Wandel der Zeit. (PDF; 158,2 kB) (leicht bearbeitete Fassung des Vortrags vom 22. Juni 2009 beim Tag der Fördervereine in Malchow). In: kirche-mv.de. 2009, abgerufen am 28. Juli 2021.