Testgelände Kapustin Jar
Koordinaten: 48° 39′ 49″ N, 45° 43′ 29″ O
Das Testgelände Kapustin Jar (russisch Полигон Капустин Яр) ist ein früher sowjetisches und jetzt russisches Raketentestgelände.
Es liegt größtenteils in der Oblast Astrachan an der Grenze zur Oblast Wolgograd und teilweise in Kasachstan. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde der kasachische Anteil des Geländes von Russland gepachtet. Der offizielle Name ist 4-й Государственный центральный межвидовой полигон Российской Федерации (4 ГЦМП) – (Staatliches zentrales interspezifisches Testgelände der Russischen Föderation Nr.4), alternativ als войсковая часть 15644 (Militärverband 15644) bezeichnet. Es dient als Weltraumbahnhof, Testgelände für strategische ballistische- und Luftabwehrraketen und in der Vergangenheit auch als Startplatz für Raketen im Rahmen von Atomtests.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Testgelände Kapustin Jar entstand 1947 und war bis zur Fertigstellung des Kosmodroms Baikonur 1957 das einzige sowjetische Testgelände für ballistische Raketen. Hier wurden die Raketen R-1, R-2, R-5, R-11, R-12, R-13, R-14, R-17, RSD-10 sowie S-25, S-75, S-125 getestet. Darüber hinaus wurden hier statische Tests und Flugerprobungen des Marschflugkörpers W-350 Burja durchgeführt (18 Tests von 1957 bis 1960).[1]
Am 16. März 1962 startete von Kapustin Jar die erste Trägerrakete mit Kosmos 1. Seitdem dient Kapustin Jar als Weltraumbahnhof für die Rakete „Kosmos“, darunter für BOR-5 (ein Teil des Programms Energija-Buran).
Von 1957 bis 1962 wurden in Kapustin Jar zehn Raketen in Richtung der Atomwaffentestgelände Semipalatinsk und Sary-Schagan gestartet. Davon hatten drei eine Stärke zwischen 150 und 300 kT, eine zwischen 20 und 150 kT und sechs zwischen 0,001 und 20 kT.[2]
Von 1988 bis 1998 wurde Kapustin Jar für Testprogramme geschlossen. 1992 schlug Boris Jelzin vor, das Gebiet des Testgeländes der Republik von Russlanddeutschen anstelle der ehemaligen Wolgadeutschen Republik zu übergeben. Am 5. Oktober 1998 wurde das nun dem Raketenstartplatz Sary-Schagan untergeordnete Testgelände wieder in Betrieb genommen mit systematischen ABM-Tests für A-135 und A-235 und Flügen der RT-2PM (ICBM). Darüber hinaus wurden hier S-400 Triumf, 96K6 Panzir, Tor-M2, Iskander und anderes getestet.
Verwaltungszentrum des Poligons ist Snamensk. In der Nähe von Snamensk liegt der Militärflughafen von Kapustin Jar.
Am 9. Juli 2024 wurde das Testgelände im Kontext des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine das Ziel von einem ukrainischen Luftangriff, wobei es sich vermutlich um einen Angriff mit einer Drohne gehandelt hatte. Über das Ausmaß der Schäden oder mögliche Opfer liegen bislang (Stand: 13. Juli 2024) keine genaueren Informationen vor.[3]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kapustin Jar
- Erinnerungen von Boris Tschertok an Kapustin Jar (russisch)
- Geschichte des Testgeländes Kapustin Jar
- Schema für Kapustin Jar
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Film über W-350 in dem Testgelände Kapustin Jar
- ↑ Ядерные испытания СССР, т 1, гл 3, стр,81-90. siehe auch Испытания ядерного оружия и ядерные взрывы в мирных целях СССР 1949–1990
- ↑ David Axe: Kapustin Yar Is Russia’s Most Prestigious Space Test Facility. Ukraine Just Hit It With An Explosive Drone. In: Forbes. 11. Juli 2024, abgerufen am 13. Juli 2024 (englisch).