Tungsram

Werbeplakat für Tungsram-Glühlampen, um 1910

Tungsram war eine Handelsmarke, unter der Glühlampen, Elektronenröhren, komplette Heimelektronik und ganze Fertigungslinien vertrieben wurden. Seit 1984 ist Tungsram auch der Name des Herstellerbetriebs mit mehreren Produktionsstandorten in Ungarn. Diese Firma wurde 1989 von General Electric (GE) übernommen, unter ihrem Namen werden jedoch weiter Leuchtmittel und Ausrüstungen in den ungarischen Fertigungsstätten erzeugt.

Geschichte

Vorgeschichte

1862 hat Béla Egger in Wien seine Firma Mechanische Werkstätte und Telegraphenbauanstalt B. Egger gegründet, die hauptsächlich Telefon- und Telegrafenzubehör herstellt. Kurz nachdem Thomas Alva Edison 1879 Erfolg mit seiner Kohlefaden-Glühlampe hatte, lässt Egger solche Glühlampen produzieren und eröffnet zusätzlich in Budapest eine Filiale. Gleichzeitig kümmert er sich auch um die Weiterentwicklung.

Erste Glühlampenfabrikation in Budapest

1896 eröffnet Egger in Budapest zwei Fabriken zur Lampenproduktion, in der auch Lipót Aschner arbeitete. Wenige Jahre später erfinden hier Franjo Hanaman und (Sándor) Alexander Just einen Glühfaden, bei dem der Naturkohlefaden mit einer Suspension aus Wolfram (engl. Tungsten) bedeckt wird. Nachdem sich das Wolfram der Form des Fadens angepasst hatte, wird der Kohlenstoff durch Erhitzen beseitigt. Am 13. Dezember 1904 erhalten sie darauf ein Patent. (Diese Methode wird später durch William D. Coolidges metallurgischen Prozess ersetzt.) 1909 wird der Markenname Tungsram (aus dem Englischen und Deutschen TUNGSten + wolfRAM) eingetragen. Die mit diesem Namen produzierten neuartigen Glühlampen haben eine höhere Lichtausbeute und eine längere Lebensdauer als die ursprünglichen Kohlefadenlampen. Die Glühlampenfabriken in Österreich-Ungarn werden jetzt auch einfach als Tungsram bezeichnet.

Tungsram eröffnet ein Industrieforschungsinstitut und erweitert die Lampenproduktion

Nach dem Ersten Weltkrieg und der Weltwirtschaftskrise eröffnet Egger in Budapest ein eigenes Forschungsinstitut, das sich um die stetige Weiterentwicklung der Herstellungstechnologie von Beleuchtungskörpern kümmert. Es ist das erste Industrieforschungsinstitut in Europa überhaupt. Später erfolgreiche Ingenieure und Techniker sind hier tätig oder haben Funktionen in der Leitung inne, darunter Ignác Pfeifer (der in den 1950er-Jahren den Lehrstuhl für Kernphysik an der Budapester Technischen Universität etablieren wird), des Weiteren Pál Selényi (1884–1954), „Vater“ der Xerografie, Pál Túry oder Tivadar Millner. 1923 tritt Imre Bródy in die Fabrik ein, der 1930 die Krypton-Lampe erfindet. Diese ist nun wiederum den bisherigen Lampen in der Lebensdauer deutlich überlegen und kann erfolgreich verkauft werden. Der österreichische Teil des Unternehmens erhält im Jahr 1932 die Staatliche Auszeichnung und darf das Bundeswappen Österreichs im Geschäftsverkehr verwenden.

Die ungarischen Teile der Tungsramfabrik werden in den 1930ern baulich erweitert, um die gefragten Lampen in größerer Stückzahl anbieten zu können.

Seit 1938 ist das Signet des Herstellers ein Buchstabe "T" in einem Kreis. In diesen Jahren entwickeln und produzieren die Ingenieure von Tungsram auch erste Elektronenröhren für den Einsatz in Radiogeräten. Große Teile der ersten Röhrenfabriken werden noch vor 1940 von der Firma Philips aufgekauft.

Tungsram gehört im Zeitraum 1924–1941 wie andere bekannte Produzenten zum Phöbuskartell internationaler Glühlampenhersteller.

Tungsram-Erzeugnisse ab 1945

Tungsram-Doppeltriode ECC83

In der Zeit der kommunistischen Herrschaft in Ungarn wird das Privatunternehmen in einen Staatskonzern umgewandelt. Zu den Beleuchtungserzeugnissen wird die Eigenproduktion von Elektronenröhren wieder aufgenommen und hinzu kommen ab den 1960er-Jahren auch erste eigene Bildröhren für Fernsehgeräte sowie Spezialglühlampen für die Autoindustrie hinzu. Kontinuierlich erfolgt auch die Entwicklung und Produktion neuer Erzeugnisse wie Spezialröhren für die Medizin, Halbleitererzeugnisse, Haushaltgeräte, ja komplette Produktionslinien.

Diversifikation von Tungsram

Am 1. Januar 1984 wird zur Sicherung der Außenhandelsbeziehungen der Markenname Tungsram als offizieller Firmenname eingetragen. Die ständige Weiterentwicklung und Anpassung an die Technik führt in den 1980er-Jahren zu einem Diversifizierungsprozess, an dessen Ende folgende großen Produktlinien stehen:

• Glühlampen, Leuchtstoffröhren, Autoscheinwerfer
• Halbleiterbauelemente
• Steuerelektronik für Industrieroboter
• Autoelektronik
• Haushaltgeräte („braune Ware“)
• CO₂-Laser für industrielle und medizinische Anwendung
• Röntgendosimeter
• Computerzubehör wie Disketten
• Maschinenaggregate.

Hauptabnehmer der Erzeugnisse ist die Sowjetunion mit rund 70 Prozent. Der Rest wird in die übrigen sozialistischen Staaten und in Entwicklungsländer exportiert. Tungsram hat 1989 folgende Standorte in Ungarn:

• Budapest
• Gyöngyös
• Nagykanizsa
• Vác.

Tungsram heute

Nach der Auflösung des sozialistischen Lagers bricht der Markt für die Tungsramerzeugnisse fast vollständig zusammen. Für eine Neuausrichtung und Modernisierung sowohl der Maschinen und Anlagen als auch des Produktionssortiments ist nun dringend frisches Kapital erforderlich. Die Firmenleitung nimmt hierzu Verhandlungen mit der ungarischen Kredit-(Hitel)- Bank und mit dem österreichischen Bankenkonsortium Girozentrale auf. Die angestrebte Partnerschaft kommt jedoch nicht zustande, stattdessen erfolgt ein Zusammenschluss von Tungsram mit General Electric (GE). Am 15. November 1989 wird die Kaufurkunde durch GE simultan in Cleveland und Budapest unterzeichnet, mit der 50 Prozent plus eine Aktie von Tungsram an GE gehen. Der neue Haupteigentümer gewinnt damit ein Absatzgebiet in den früheren Ostblockländern hinzu, für Tungsram eröffnen sich neue Absatzmärkte in Westeuropa. In den 1990er-Jahren investiert GE an ausgewählten früheren Standorten von Tungsram in Ungarn rund 600 Mio. US-Dollar für die Erneuerung von Produktionsanlagen, die Einführung neuer Technologien und den Umweltschutz. In ehemaligen Tungsramfabriken, auch in Nachbarländern wie Bosnien-Herzegowina oder Slowenien, werden von rund 11.000 Beschäftigten seitdem folgende GE-Erzeugnisse (Kennzeichnung GE Lighting Tungsram) aus der Lichtsparte hergestellt:

• Glühlampen
• kompakte Leuchtstofflampen
• Energiesparlampen mit besonders langer Lebensdauer (Genura), mit denen beispielsweise das Parlamentsgebäude in Budapest angestrahlt wird
• Natriumdampfhochdrucklampen (Lucalox, die bereits auf der Industriemesse Hannover einen „Grand Prix“ erhielten)
• kompakte Fluoreszenzlampen mit stark gewendeten Röhren (Heliax)
• Autobeleuchtung
• Halogen- und LED-Lampen sowie Glimmlampen

An weiteren ehemaligen Tungsram-Standorten werden Plastikerzeugnisse, Medizinausrüstungen, Transportsysteme und Flugzeugmotoren produziert.

Die größten Produktionsanlagen für herkömmliche Glühlampen in Nagykanicza müssen ab 2009 aufgrund des EU-Verbots des Einsatzes von Glühlampen schrittweise stillgelegt werden.

Literatur

• The History of Tungsram, 1896–1945; Gutenberg Printing House, Hungary, 1990
• Paul Marer and Vincent Mabert: GE acquires and restructures Tungsram : the first six years (1990 - 1995); In: Trends and policies in privatisation; Paris, OECD, ISSN 1021-3287; S. 149-185

Siehe auch

• Johann Kremenezky
• Dieter Binninger

Weblinks

Commons: Tungsram – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

• Kurze Geschichte von Tungsram, auch mit historischen Fotos und Urkunden (englisch und ungarisch; PDF-Datei; 337 kB)
• Big Business in Österreich – Watt-Tungsram auf books.google.at; abgerufen am 24. November 2008