Walter Grünzweig

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Walter Grünzweig (geb. 1956 in Graz, Österreich) ist ein österreichisch-deutscher Literatur- und Kulturwissenschaftler und Ars-legendi-Preisträger.

Wissenschaftliche Karriere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach dem Abschuss des Bachelor of Arts in English am Honors Tutorial College der Ohio University im Jahr 1977, wo er bei James R. Thompson und Robert DeMott studierte, erhielt er seinen Magister in Anglistik, Amerikanistik und Germanistik an der Karl-Franzens-Universität Graz. Er promovierte in Graz 1984 bei Jürgen Peper mit einer Dissertation über den österreichisch-amerikanischen Schriftsteller Charles Sealsfield (Karl Postl). Mit seiner Habilitation zur Rezeption Walt Whitmans in den deutschsprachigen Literaturen und Kulturen erhielt er die Venia „Amerikanistik in Verbindung mit Vergleichender Literaturwissenschaft“ an der Karl-Franzens-Universität Graz.

1992 wurde er auf eine Professur für Nordamerikastudien an die Technische Universität Dresden berufen; seit 1994 ist er Professor für amerikanische Literatur und Kultur an der Universität Dortmund (seit 2007 Technische Universität Dortmund). 2008–2011 war er Prorektor Studium an der TU Dortmund; seit 2015 ist er Vorsitzender der Bildungskommission der Stadt Dortmund.

Stipendien, Gastprofessuren und Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grünzweig ist dreifacher Fulbright-Stipendiat, DAAD- und Alexander-von-Humboldt-Stipendiat sowie Stipendiat des American Council of Learned Societies. Er war Gastdozent sowie Gast- bzw. Vertretungsprofessor an den Universitäten in Klagenfurt, Maribor, Dakar, Leipzig, Berlin (Humboldt), Trieste, Iowa, Rom und Izmir und ist Adjunct Professor an der University of Pennsylvania und der State University of New York at Binghamton. Er erhielt mehrere Rufe an Universitäten in Deutschland, Österreich und den Vereinigten Staaten.

2010 erhielt er den Ars-Legendi-Preis für exzellente Hochschullehre des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft und der deutschen Hochschulrektorenkonferenz für das Modell des „Intercultural Classroom“, einem Modell gemeinsamen Lernens und Forschens von Studierenden verschiedener Herkunftskulturen mit komparatistischen und interkulturellen Fragestellungen, das an der Dortmunder Amerikanistik kooperativ entwickelt wurde.[1]

Forschung und Lehre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grünzweig ist entschiedener Verfechter der Interdependenz von Forschung und Lehre, die für ihn im Sinne Martin Bubers dialogisch sind. Dies schließt studentische Forschung auf allen Ebenen ein. Seine Schwerpunkte liegen auf der US-amerikanischen Literatur des 19. Jahrhunderts, den transatlantischen Literatur- und Kulturbeziehungen (u. a. Rezeption, Exil, Migration) und dem internationalen Bildungsaustausch. Daneben arbeitet er auch, vor allem komparatistisch, zur deutschsprachigen Literatur. Zu den von ihm behandelten US-amerikanischen Autoren zählen Charles Sealsfield, Walt Whitman, Ralph Waldo Emerson, Upton Sinclair, John Updike und Norman Mailer. Eine Reihe von Forschungsprojekten führte zu persönlicher Kooperation mit Autoren und Politikern, darunter Carl Djerassi, Allan Ginsberg, Veit Heinichen, Peter Henisch und George McGovern.[2]

Literaturkritik und Übersetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 1990 schreibt Grünzweig Rezensionen zur US-amerikanischen, deutschsprachigen und ostmitteleuropäischen Literatur, insbesondere für die Wiener Tageszeitung Der Standard.[3]

Neben medizinischen und naturwissenschaftlichen Texten übersetzte er Lyrik und Prosa aus dem Englischen und dem Italienischen (Jimmy Carter, June Jordan, Gaetano Longo, Elizabeth Rosner, Walt Whitman).[4] Zusammen mit amerikanistischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und Studierenden in Dortmund und Graz entwickelte er ein Modell kollektiver literarischer Übersetzung, bei dem bis zu 60 Übersetzer an einem Projekt beteiligt waren. 2014 und 2016 war er Mitglied der Jury des Helmut-Braem-Übersetzerpreises.

Studierendenaustausch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grünzweig ist seit den späten 1970er Jahren intensiv im internationalen Studierendenaustausch tätig. An den verschiedenen Universitäten, an denen er arbeitete, hat er transatlantische und intraeuropäische Programme aufgebaut, die von Sommerprogrammen in Österreich, Deutschland und den Vereinigten Staaten bis zu Semester- und Jahresprogrammen reichen. Seine umfangreiche Erfahrung in diesem Bereich hat er in seine Lehre (insbesondere Veranstaltungen des Typs „Intercultural Classroom“) als auch in seine Forschung zum internationalen Bildungsaustausch eingebracht.[5]

Universitätspolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grünzweig ist ein entschiedener Kritiker der universitären Bologna-Reform, deren Fokus auf „Kompetenzen“ und „Workloads“ er als Gefahr für das intellektuelle Potenzial europäischer Hochschulen sieht. Gleichzeitig kritisiert er universitäre Managementstrukturen und den damit einhergehenden Verlust der Autonomie der Lehrenden und Studierenden. Er fordert eine Rückeroberung der kollegialen Strukturen der Universitäten sowie die Zurückdrängung wissenschaftsfremden, utilitaristischen Denkens. Dem Versuch, traditionelle frontale Lehre mit technischen Mitteln als „E-Learning“ zu „modernisieren“, setzt er die Notwendigkeit des persönlichen Dialogs zwischen Studierenden und Lehrenden und zwischen Studierenden selbst entgegen. Gute Lehre ist für ihn prinzipiell dialogisch.[6] Als Prorektor Lehre an der TU Dortmund setzte er sich u. a. für die Interessen von Studierenden mit Migrationshintergrund ein.

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Charles Sealsfield. Boise, ID., 1985. (Boise State University Western Writers Series 71.) ISBN 978-0-88430-045-8
  • Das demokratische Kanaan: Charles Sealsfields Amerika im Kontext amerikanischer Literatur und Ideologie. München: Fink, 1987. (American Studies 62.) ISBN 978-3-7705-2421-1
  • Walt Whitmann: Die deutschsprachige Rezeption als interkulturelles Phänomen. München: Fink, 1991. ISBN 978-3-7705-2664-2
  • Constructing the German Walt Whitman. Iowa City: University of Iowa Press, 1995. ISBN 978-0-87745-482-3
  • Grenzüberschreitungen: Narratologie im Kontext. Transcending Boundaries: Narratology in Context. (Ed., Intro., with Andreas Solbach). Tübingen: Narr, 1999. ISBN 978-3-8233-5198-6
  • Upton Sinclair, Wieland Herzfelde, Hermynia Zur Mühlen. Werter Genosse, die Maliks haben beschlossen. Briefe 1919–1950. (Hg., Einf., Übers., Komm., mit Susanne Schulz). Bonn: Weidle, 2001. ISBN 978-3-931135-56-0
  • Rockin' in Red Square: Critical Approaches to International Education in the Age of Cyberculture. (Ed., with Nana Rinehart). Münster: Lit, 2002. 2nd ed. 2013. ISBN 978-3-8258-6205-3
  • Amerika und die deutschsprachige Literatur nach 1848: Migration – kultureller Austausch – frühe Globalisierung. (Hg., mit Christof Hamann und Ute Gerhard). Bielefeld: transcript, 2009. ISBN 978-3-89942-966-4
  • The SciArtist: Carl Djerassi's Science-in-Literature in Transatlantic and Interdisciplinary Contexts. (Ed.). Münster: Lit, 2012. ISBN 978-3-643-90231-3
  • Hip-Hop in Europe: Cultural Identities and Transnational Flows. (Ed., with Sina A. Nitzsche). Münster: Lit, 2013. ISBN 978-3-643-90413-3

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Ars legendi-Preis: Preisträger 2010. In: Stifterverband. 2. November 2015 (stifterverband.org [abgerufen am 24. September 2017]).
  2. Walter Grünzweig: Research – Iaawiki. Abgerufen am 24. September 2017.
  3. Walter Grünzweig: Research – Iaawiki. Abgerufen am 24. September 2017.
  4. Walter Grünzweig: Research – Iaawiki. Abgerufen am 24. September 2017.
  5. Walter Grünzweig: Research – Iaawiki. Abgerufen am 24. September 2017.
  6. Walter Grünzweig: Begegnung. In: Matthias Klatt, Sabine Koller (Hrsg.): Lehre als Abenteuer. Anregungen für eine bessere Hochschulbildung. Campus, Frankfurt/New York 2012, ISBN 978-3-593-39796-2, S. 44–47.