Werkzeugstahl

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Werkzeugstahl (WS) ist Stahl, der zur Fertigung von Werkzeugen und Formen sowie von Normteilen verwendet wird. Der Verbrauch an Werkzeugstählen liegt weltweit bei ca. 1 Million Tonnen pro Jahr.

Begriffsdefinition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Werkzeugstählen handelt es sich nach DIN EN ISO 4957 ausschließlich um (nicht notwendigerweise rostfreie) Edelstähle, welche vorwiegend für das Bearbeiten bzw. Verarbeiten von Werkstücken eingesetzt werden. Weiterhin können Werkzeugstähle auch für die Herstellung von Handhabungseinrichtungen und Messgeräten genutzt werden.

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werkzeugstähle weisen eine Vielzahl unterschiedlicher Eigenschaften auf. Abhängig vom Einsatzfall muss ein Werkzeugstahl gewählt werden, dessen Eigenschaften allen gegebenen Randbedingungen genügt. Dieser Auswahlprozess kann sehr zeitaufwendig sein, wenn beispielsweise diametral verlaufende Eigenschaften, unter anderem hohe Härte bei gleichzeitig hoher Zähigkeit, benötigt werden. In diesem Fall muss abgewägt werden, welche Eigenschaft die Werkzeuglebensdauer wesentlicher beeinflusst.

In der nachfolgenden Tabelle sind einige der wichtigsten Eigenschaften von Werkzeugstählen aufgeführt. Insbesondere die Zugfestigkeit bezieht sich auf Werte im vergüteten Zustand von Werkzeugstählen.

Eigenschaft Einheit Wertebereich (ca.)
Zugfestigkeit Megapascal (MPa) 800 – 1500
E-Modul MPa 210.000 – 246.000[1]
Maximale Arbeitshärte Härte Rockwell Skala C (HRC) 40 – 72[2]
Kerbschlagzähigkeit Joule (J)
Maximale Oberflächentemperatur Grad Celsius (°C) bis zu 615[3]
Korrosionsbeständigkeit mm/Jahr 0,001 – über 1
Verschleißfestigkeit --- ---

Neben diesen Kriterien existieren noch weitere. So ist beispielsweise die Zerspanbarkeit im Lieferzustand (Siehe Zerspanbarkeit von Stahl) bei manchen Anwendungsfällen ein wesentlicher Aspekt der Stahlauswahl. Um einen möglichst geeigneten Werkzeugstahl für ein Werkzeug auf Basis mehrerer Kriterien zu finden, werden Computerprogramme eingesetzt.

Einstellung der Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei vielen Werkzeugstählen können die Eigenschaften durch eine geeignete Wärmebehandlung den Erfordernissen des Einsatzes angepasst werden. Die am häufigsten eingesetzte Wärmebehandlung stellt das Vergüten dar. Abhängig vom Anwendungsfall kann beispielsweise eine hohe Härte notwendig und gleichzeitig die Zähigkeit nur zu einem sehr geringen Teil relevant sein. Somit kann der Werkstoff nahe bzw. bei maximaler Einsatzhärte betrieben werden. Die maximal sinnvolle Härte ist in der Regel in den Datenblättern zu den einzelnen Werkstoffen angegeben. Ein Beispiel hierfür ist ein Datenblatt von erasteel.com. Es ist deutlich zu erkennen, wie mit steigender Härte die Zähigkeit abnimmt.[4]

Reicht die Verschleißbeständigkeit des Werkstoffs nicht aus, so kann diese durch weitere Maßnahmen erhöht werden. Dies sind unter anderem:

Bei allen Verfahren ist unbedingt darauf zu achten, dass die Verfahrentemperatur nicht oberhalb der zuvor gewählten Anlasstemperatur des Grundwerkstoffs, in diesem Fall Werkzeugstahl, liegt, da es ansonsten zu einem Härte- bzw. Festigkeitsverlust kommt und so das hergestellte Bauteil unter Umständen den im Einsatz auftretenden Beanspruchungen nicht oder nicht ausreichend lange widerstehen kann.

Unterscheidungsmöglichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werkzeugstähle lassen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten charakterisieren. Zum einen kann nach der Zusammensetzung unterschieden werden und zum anderen nach dem Temperaturbereich, welcher im Einsatz eingehalten werden sollte. In Bezug auf die Zusammensetzung werden die Werkzeugstähle in unlegierte und legierte Stähle eingeteilt. Hinsichtlich des Temperaturbereichs wird zwischen Kalt- und Warmarbeitsstählen differenziert. Eine Sonderklasse der Warmarbeitsstähle sind die sogenannten Schnellarbeitsstähle. Weiterhin kann eine Einteilung hinsichtlich des Einsatzbereiches erfolgen.

Einsatzgebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werkzeugstähle werden für eine Vielzahl an Anwendungen eingesetzt. Abhängig von den Eigenschaften des Werkstoffs kommen die nachfolgend aufgeführte Einsatzgebiete in Betracht. Werkzeugstähle werden vorwiegend zur Herstellung von Aktivelementen von Werkzeugen, beispielsweise Stempel und Matrize, verwendet. Die Aufteilung in der folgenden Tabelle orientiert sich an der DIN 8580 (Fertigungsverfahren).

Umformverfahren Beispielhaftes Verfahren Aktivelemente
Druckumformen Walzen, Fließpressen, Strangpressen Walzen, Stempel, Matrize, Armierungsring
Zugdruckumformen Durchziehen, Tiefziehen, Innenhochdruckumformen Ziehstein, Stempel, Matrize, Niederhalter
Zugumformen Tiefen, Längen, Weiten Stempel, Matrize
Biegeumformen Freies Biegen, Gesenkbiegen, Walzprofilieren Gesenk, Walzen, Biegeschwert
Schubumformen Verdrehen, Verschieben Matrize

Legierte Werkzeugstähle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Legierungselemente[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Hauptlegierungselemente von Werkzeugstählen neben Kohlenstoff können der folgenden Tabelle entnommen werden. Je nach Anforderungsprofil an den Stahl werden verschiedene Legierungselemente der Stahlzusammensetzung hinzugefügt.

Element Beeinflussung Eigenschaft
Positiv Negativ
Chrom (Cr) Härtbarkeit, Korrosionsbeständigkeit Kerbschlagzähigkeit, Schweißbarkeit
Kobalt (Co) Warmfestigkeit, Anlasssprödigkeit ---
Mangan (Mn) Härtbarkeit, Streckgrenze, Zugfestigkeit, Wärmeausdehnung
Molybdän (Mo) Härtbarkeit, Anlasssprödigkeit, Streckgrenze, Zugfestigkeit, Warmfestigkeit Zunder­beständigkeit
Nickel (Ni) Streckgrenze, Kerbzähigkeit, Zähigkeit,
Temperaturausdehnung
---
Stickstoff (N) Spannungsriss­korrosionsbeständigkeit, Kaltverfestigung, Festigkeit Blausprödigkeit, Alterungsempfindlichkeit
Vanadium (V) Verschleißwiderstand, Warmfestigkeit, Anlassbeständigkeit ---
Wolfram (W) Zugfestigkeit, Streckgrenze, Zähigkeit,
Warmfestigkeit, Verschleißbeständigkeit
---

Kaltarbeitsstähle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kaltarbeitsstähle werden in der Regel genutzt, wenn während des Einsatzes die Temperatur an der Oberfläche 200 °C nicht übersteigt. Wird diese Temperatur überschritten, so kommt es in aller Regel zu einem Härteabfall, da Kaltarbeitsstähle nur eine sehr geringe Anlassbeständigkeit aufweisen. Kaltarbeitsstähle können sowohl legierte als auch unlegierte Werkzeugstähle sein. In der nachfolgenden Tabelle sind un-, niedrig- und hochlegierte Kaltarbeitsstähle aufgeführt.

Bezeichnung Werkstoffnummer Klasse
C 45 W 1.1730 Unlegiert
C 85 W 1.1830 Unlegiert
90 MnCrV 8 1.2842 Niedriglegiert
100 Cr 6 1.2067 Niedriglegiert
21 MnCr 5 1.2162 Niedriglegiert
X 210 Cr 12 1.2080 Hochlegiert
X 155 CrVMo 12 1 1.2379 Hochlegiert
X 36 CrMo 17 1.2316 Hochlegiert

Warmarbeitsstähle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kann während des Einsatzes eine Oberflächentemperatur von mehr als 200 °C auftreten, so ist die Verwendung eines Warmarbeitsstahles angezeigt. Bei dieser Stahlsorte handelt es sich fast ausschließlich um hochlegierte Stähle um die Anlassbeständigkeit und Warmhärte zu verbessern. Darüber hinaus müssen sie auch bei Temperaturen über 200 °C eine ausreichende Verschleißfestigkeit Warmhärte aufweisen. Warmarbeitsstähle werden insbesondere zur Herstellung von Gesenken zum Schmieden verwendet. Eine Auswahl an Warmarbeitsstählen ist in der anschließenden Tabelle aufgeführt.

Bezeichnung Werkstoffnummer Klasse
X38 CrMoV 5 1 1.2343 Hochlegiert
X40 CrMoV 5 1 1.2344 Hochlegiert
X32 CrMoV 3 3 1.2365 Hochlegiert

Eine Sonderklasse der Warmarbeitsstähle stellen die so genannten Schnellarbeitsstähle ("HSS") dar.

Unlegierte Werkzeugstähle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Kohlenstoffanteil unlegierter Werkzeugstähle liegt zwischen 0,5 % und 1,5 %, oft sind noch geringe Mengen Wolfram enthalten. Durch eine Vergütung wird ihre Oberflächenhärte drastisch erhöht, die Aufhärtbarkeit ist dabei im Wesentlichen vom Kohlenstoffgehalt des Stahls abhängig. Allerdings sind unlegierte Werkzeugstähle nicht durchhärtbar (große kritische Abkühlgeschwindigkeit) und auch nicht für hohe Betriebstemperaturen geeignet, da schon bei ca. 200 °C der temperaturbedingte Härteabfall eintritt. Deswegen fallen die unlegierten Werkzeugstähle in die Kategorie Kaltarbeitsstahl.

Hergestellt werden aus diesem Stahl einfache Schneidplatten und Stempel sowie Zieh- und Biegewerkzeuge.

Beispiele: C85W1 → Werkzeugstahl, Güteklasse 1; C85W2 → Werkzeugstahl, Güteklasse 2

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Werkzeugstahl – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Johannes Noneder: Beanspruchungserfassung für die Validierung von FE-Modellen zur Auslegung von Massivumformwerkzeugen. In: Fertigungstechnik Erlangen. Nr. 255, Meisenbach, Bamberg, 2014, ISBN 978-3-87525-371-9
  2. Crucible Industries: CPM® REX® 121(HS)* High hardness high vanadium cobalt high speed steel, abgerufen am 7. Januar 2017
  3. Böhler-Uddeholm: Warmarbeitsstahl (PDF, 0,94 MB) (Memento vom 22. April 2014 im Internet Archive), abgerufen am 7. Januar 2017
  4. ASP®2015. (PDF) erasteel.com, abgerufen am 12. November 2019 (englisch).