Wittmanns Ann

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Anna Wittmann, geb. Römer, genannt Wittmanns Ann (* 10. November 1887 in Neuwied; † 3. März 1961 ebenda), war ein Neuwieder „Straßensänger-Original“.

Herkunft und Kindheit

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Anna Wittmann entstammte einer ärmlichen Familie. Sie war das uneheliche Kind von Anna Römer († 1913) und dem 22 Jahre älteren Vater Josef Noll aus Neuwied. Ihre Kindheit verbrachte Anna im Haus ihres Stiefvaters und wuchs mit den Kindern aus dessen erster Ehe auf. Trotz fleißiger und unermüdlicher Arbeit war es den Eltern nicht möglich, die zahlreichen Talente des aufgeweckten Mädchens Ann zu fördern. Nach dem Schulabschluss war Anna gezwungen, am knappen Lebensunterhalt ihrer Familie mitzuarbeiten. So war an eine berufliche Ausbildung nicht zu denken.[1]

Anna Wittmann wurde bekannt als die Frau in der "Kittelscherz". Sie zog mit Handtasche und Gitarre, an der bunte Bänder baumelten, singend durch die Straßen der Stadt und sorgte mit ihren Liedern für Stimmung. Auch auf Fest- und Rummelplätzen oder in einer Straußenwirtschaft beim Winzerfest sprach sie mit ihrem Gesang das Gemüt der Menschen an. Obwohl sie weder „richtig“ singen, noch gar ihr Instrument spielen konnte, öffnete sie mit ihren Liedern die Herzen der Menschen.

"Et wor bekannt en Stadt on Land, off Kärmes iwwerall,
En ahle Frau met Kiddelscherz, et Wittmanns Ann genannt.
Et hät gesunge iwwerall, kän Geld, kän nix gekrescht,
Et hät et änfach gern gedon, et wor en gode Täsch ..."

Ihr Ehemann starb bereits wenige Jahre nach der Heirat. Die Witwe Anna Wittmann, die aus dem gesellschaftlichen Abseits kam und nun mit drei kleinen Kindern alleinerziehend war, ging eine erneute Ehe mit Herrn Wilzbach ein. Doch die Verbindung scheiterte bald, das Paar trennte sich nach kurzem Zusammenleben. Das Schicksal meinte es nicht gut mit Ann, ihre eine kleine Tochter ertrank bereits im Kindesalter, und ihr Sohn, Hans Wittmann, verstarb bereits im Alter von 31 Jahren an einer Kopfverletzung in einem Feldlazarett.

Gesangskarriere

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Als Wittmann Ann ihre „Gesangskarriere“ begann, hatte sie bei ihren Auftritten zunächst noch einen Partner, der sie instrumental begleitete. Dieses Duo brachte vor dem Zweiten Weltkrieg vornehmlich gemütvolle Lieder zu Gehör. Dazu kamen bekannte Schlager, mit denen die beiden während des Krieges auch die Soldaten im Lazarett aufmunterten und später Frauen und Kinder in Luftschutzkellern. Unstimmigkeiten der beiden führten wohl zur Trennung, und Anna Wittmann kaufte sich eine Gitarre und trat fortan als Alleinunterhalterin auf.

Anns Trieb zur praktischen Nächstenhilfe war bis zuletzt ihr Anliegen bei all ihren Gesangsaktivitäten. Was sie an "Gage" erhielt, spendete sie an Bedürftige und Kinder. Den größten Teil ihrer Einnahmen verschenkte sie an das Waisenhaus, an minderbemittelte Familien und an das Altenheim in Neuwied. Soldaten erhielten von ihr kostenlos Zigaretten. Besonders Kindern vermochte sie eine Freude zu bereiten, indem sie ihnen ein paar Bonbons und Essbares schenkte. Als die Deichwehr einmal bei schnell steigendem Hochwasser eine Nacht bis zum Umfallen schuftete, war Ann die Erste, die den Männern Zigaretten und einen Schluck Schnaps brachte.[1]

Nach ihrem Tod wurde „die gutherzige Neuwieder Sonderausgabe eines singenden Lebenskünstlers“ Ann am 3. März 1961, auf dem Neuwieder Friedhof an der Elisabethstraße beigesetzt. Noch viele Jahre später war die Anhängerschar dieser populären Straßensängerin groß.[1]

Erich Piotrowski, Steinmetz und Bildhauermeister, und seine Mitarbeiter schufen ihr aus Dankbarkeit 1979 einen besonderen Gedenkstein mit einer Gitarre darauf, für ihr bis dahin schmuckloses Grab. Doch dies hinderte die zuständige Friedhofsverwaltung nicht, das Grab „dieses Neuwieder Original“ nach Ablauf der "Liegezeit" einzuebnen. Der Grabstein ist bis heute unauffindbar.

An Wittmanns Ann erinnert das Schärjerlied, geschrieben von Helmut Flohr, ein Lied, das Ann mit viel Stolz auf die Vaterstadt und viel Gemüt darbot. Mir sein Näjwidder Schärjer":

1. Strophe:
Die Spatzen im Weidchen,
Die Fischlein im Rhein erfanden ein neues Lied.
Zuerst stimmten fröhlich die Kinder mit ein
Und dann sang das ganze Neuwied:

Refrain:
Mir sein Naiwidder Schärjer seit über dreihundert Johr,
Mir kennen käne Ärjer drum wären mit och net schroh.
Bei uns is käner der letzte
Bei uns kimmt käner zuerscht
Ob de dünnste oder de fettste
Bei uns es jeder en Ferscht.

2. Strophe:
Mir hann in Naiwidd en Geländerverein
An dem Club es alles dran.
Wenn die mal e bißje benebelt sein
Fänge die zu singe an:

Refrain: Mir sein Naiwidder Schärjer ...

3. Strophe:
Gar manch äner singt unser Schärjerlied,
So gut wie er singe kann
Doch am schienste singt et im Bundesgebiet
Noch immer et Wittmans Ann

Refrain: Mir sein Naiwidder Schärjer ...
Und "wenn mir kein Geld mehr han"
"Et wor bekannt en Stadt on Land, off Kärmes iwwerall,
En ahle Frau met Kiddelscherz, et Wittmanns Ann genannt.
Et hät gesunge iwwerall, kän Geld, kän nix gekrescht,
Et hät et änfach gern gedon, et wor en gode Täsch ...

Ein weiteres Lied Wenn mir kän Geld mih hann ... das gern von Wittmanns Ann gesungen wurde:

1. Strophe
Gar mancher seit dreihundert Jahren
Hat einen Rausch schon gehabt.
Viele haben´s Geld ausgegeben
Und duch gezecht bis in den Tag.
Doch dann kamen trübe Gedanken,
Man war über Nacht plötzlich arm.
Das Geld, es war alles zuschanden,
Bis dann die Erleuchtung kam.

Refrain
Wenn mir kän Geld mih hann,
Dann gihn mir singe,
Genau wie Wittmanns Ann
Die Ständcher bringe.
Wenn mir kän Geld mih hann,
Dann giehn mir singe,
Die Stroße entlang,
Genau wie et Ann.

2. Strophe
Auch Petrus kam einmal herunter
Vom Himmel zu uns auf die Welt
Und dort hat er fröhlich und munter
Versoffen sein Gut und sein Geld.
Doch morgens macht er sich Gedanken,
Was fang ohne Geld ich nur an?
Sein Frohsinn fing schon an zu wanken,
Da sprach zu ihm Wittmanns Ann:

Refrain
Wenn mir kän Geld mih hann …

3. Strophe
Auch wir haben´s einmal erfahren,
Als wir gezecht Tag und Nacht.
Man kann sein Geld nicht vergraben,
Wenn man sich mal Freude macht.
Das Portemonaie ward immer kleiner,
Das Geld schmolz dahin wie der Schnee.
Nach Hause gehen wollt aber keiner,
Da kam uns die tolle Idee:

Refrain
Wenn mir kän Geld mih hann …

Anna Wittmann war in erster Ehe mit Johann Wittmann verheiratet, der wenige Jahre nach der Heirat starb. Sie hatten drei gemeinsame Kinder:

  • eine Tochter, die bereits im Kindesalter ertrank,
  • einen Sohn Hans Wittmann († 4. August 1943) und
  • ein weiteres Kind.

In zweiter Ehe war sie mit einem Herrn Wilzbach verheiratet, von dem sie sich aber bereits nach kurzem Zusammenleben trennte. Diese Verbindung blieb kinderlos.

  • Schärjer sind unzünftige Ladearbeiter, die eine Schubkarre, eine Schürreskarre – mundartlich Schärskaa – vor sich her schieben. Viele Neuwieder verdienten sich als Schärjer ihren Lebensunterhalt. Sie verluden vorwiegend Bimssteine mit den Schubkarren, ihr tägliches Hauptarbeitsmittel, mit denen sie die Rhein-Schiffe be- oder entladen haben.

Einzelnachweise

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  1. a b c "Von Frau zu Frau", Teil 1, herausgegeben vom Frauenbüro der Stadt Neuwied; Autoren: Ilse Schwalenberg und Bruno Zeitz