Annia Fundania Faustina

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Annia Fundania Faustina war die Tochter des Marcus Annius Libo und Cousine des römischen Kaisers Mark Aurel und der Annia Cornificia Faustina.

Annia Fundania Faustina entstammte einer herausragenden senatorischen Familie. Ihr Großvater Marcus Annius Verus wurde während der Regierungszeit Vespasians unter die Patrizier aufgenommen und im Laufe seiner außergewöhnlichen Karriere dreimal Konsul: Suffektkonsul im Jahr 97 und ordentlicher Konsul unter Hadrian 121 und 126, zudem wohl 121 Präfekt der Stadt Rom (praefectus urbi) als Stellvertreter des Kaisers bei dessen Abwesenheit. Als Person, die ohne familiäre Bindung an das Kaiserhaus dreimal das Konsulat erlangte, war zuletzt Lucius Licinius Sura eine Generation vorher ausgezeichnet worden. Die Großmutter Fundania Faustinas war Rupilia Faustina, zu deren Vorfahren die Scribonii Libones und die Calpurnii Pisones Frugi zählten.

Annia Fundania Faustina, die bei Galenos und in der Historia Augusta nur Annia Faustina,[1] in einer Inschrift Fundania Faustina genannt wird,[2] heiratete Titus Pomponius Proculus Vitrasius Pollio.[3] Er hatte unter Hadrian eine steile senatorische Karriere begonnen, war im Jahr 176 zum zweiten Mal Konsul, wurde um das Jahr 180 mit Statuen auf dem Trajansforum sowie im Tempel des Antoninus Pius und der Faustina öffentlich geehrt[4] und starb nach dem Jahr 184.[5] Aus der Ehe stammten die Tochter Vitrasia Faustina und der Sohn Titus Fundanius Vitrasius Pollio.[6] Der Sohn muss vor dem Jahr 170 in das Kollegium der Salier aufgenommen worden sein.[7] Weitere Daten über sein Leben sind nicht bekannt.[8] Vitrasia Faustina hat laut einer Inschrift in der kampanischen Stadt Cales, aus der die gens Vitrasia stammte, einen Tempel der Magna Mater wiederherstellen lassen.[9] Um das Jahr 182 ließ Commodus sie hinrichten,[10] wahrscheinlich in Zusammenhang mit der Verschwörung des Publius Taruttienus Paternus. Möglicherweise starb auch ihr Bruder im Rahmen der Verfolgungen, die der Verschwörung folgten.[11]

Annia Fundania Faustina, die in den 160er-Jahren dem Kaiserhaus eng verbunden war und den jungen Commodus während einer Erkrankung pflegte,[12] wird in mehreren Inschriften zusammen mit ihrem Mann genannt, unter anderem als Stifter von Altären für die Nymphen im Legionslager Legio der römischen Provinz Hispania citerior[13] und in Reii Apollinaris in der Gallia Narbonensis.[14] Das Ehepaar scheint auch Grundbesitz und Werkstätten für die Herstellung von Ziegeln, eine figlina, besessen zu haben.[15] Wahrscheinlich kam die figlina als Nachlass des Marcus Annius Libo in Fundania Faustinas Besitz.[16]

Im Jahr 191 kam es zu einer „Verschwörung“ – die Historia Augusta spricht von Rebellion –,[17] deren Hintergründe verborgen bleiben. Ein gewisser Iulius Alexander hatte sich im syrischen Emesa eines Vergehens gegen den Kaiser schuldig gemacht und wurde auf Befehl des Commodus verfolgt, entzog sich aber durch Suizid.[18] Eine in der Historia Augusta überlieferte Liste hingerichteter Angehöriger der vornehmsten römischen Familien[19] wird auf dieses Ereignis bezogen und als Proskriptionsliste gedeutet.[20] Zahlreiche Konsuln und Familienmitglieder des Commodus selbst wurden Opfer der Verfolgungen,[21] unter denen auch Annia Fundania Faustina genannt wird, die sich zu der Zeit in der römischen Provinz Achaea aufhielt.[22] Ob der Zusammenhang mit den Proskriptionen für Annia Fundania Faustina wirklich herzustellen ist, bleibt jedoch ebenso unsicher wie die Frage, ob Achaea ihr privates Rückzugsgebiet war oder sie dorthin ins Exil geschickt worden war.[23] Ende 191 oder Anfang 192 wurde sie ermordet.[24]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Galenos, De praecognitione XIV 662 K; Historia Augusta, Commodus 7,7.
  2. CIL 15, 520; wahrscheinlich ist sie als An[nia Fundania Fausti]na auch in CIL 6, 41145 genannt (so die Ergänzung).
  3. Siehe auch CIL 12, 361.
  4. Franz Alto Bauer: Virtuelle Statuensammlungen. In: Franz Alto Bauer, Christian Witschel (Hrsg.): Statuen in der Spätantike. Reichert, Wiesbaden 2007,S. 79–112, hier S. 80–81.
  5. Siehe Jörg Rüpke: Kaiserliche Religionspolitik und priesterliche Rekrutierungsmechanismen: Überlegungen zur Elitenformation am Beispiel der Sodalitäten des Herrscherkults in Antoninianischer Zeit. In: Hubert Cancik, Konrad Hitzl (Hrsg.): Die Praxis der Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen. Mohr Siebeck, Tübingen 2003, S. 132–156, hier S. 137–138.
  6. Rudolf Hanslik: Vitrasius 9 und 10. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IX A,1, Stuttgart 1961, Sp. 419 (Digitalisat)..
  7. CIL 6, 1978; möglicherweise ist auch er der genannte in CIL 15, 520; Leonhard Schumacher erwägt noch, den in CIL 10, 4639 genannten Salier Pollio auf Titus Fundanius Vitrasius Pollio zu beziehen, siehe Leonhard Schumacher: Die vier hohen römischen Priesterkollegien unter den Flaviern, den Antoninen und den Severern (69–235 n. Chr.). In: Wolfgang Haase (Hrsg.): Aufstieg und Niedergang der römischen Welt. Band 16: Religion (Heidentum: Römische Religion, Allgemeines). Teilband 1. De Gruyter, Berlin 1978, S. 655–819, hier S. 777 Anm. 482.
  8. Laut Jörg Rüpke: Fasti sacerdotum. Prosopographie der stadtrömischen Priesterschaften römischer, griechischer, orientalischer und jüdisch-christlicher Kulte bis 499 n. Chr (= Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge. Band 12). Band 2. Franz Steiner, Stuttgart 2005 S. 1008 Nr. 1775 mit Anm. 7, ist er eher zwischen 182 und 185 als zwischen 172 und 177 aus dem Kollegium der Salier ausgeschieden, ohne dass Rüpke ein späteres Datum ausschließt.
  9. CIL 10, 4635.
  10. Historia Augusta, Commodus 4,10.
  11. Rudolf Hanslik: Vitrasius 9. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IX A,1, Stuttgart 1961, Sp. 419.
  12. Galenos, De praecognitione XIV 662–663 K.
  13. CIL 2, 5679.
  14. CIL 12, 361.
  15. CIL 15, 520; siehe Päivi Setälä: Private Domini in Roman Brick Stamps of The Empire. A Historical and Prosopographical Study of Landowners in the District of Rome (= Acta Instituti Romani Finlandiae. Band 9, 2). Institutum Romanum Finlandiae, Helsinki 1977, S. 121–122. 203–204; dass Vitrasius Pollio der Sohn und nicht der Ehemann gewesen sein, stellt zur Diskussion Paul von Rohden: Annius 118. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,2, Stuttgart 1894, Sp. 2311.
  16. Hildegard Temporini: Die Frauen am Hofe Trajans. Ein Beitrag zur Stellung der Augustae im Principat. De Gruyter, Berlin u. a. 1978, S. 17–18; François Chausson, Alfredo Buonopane: Una fonte della ricchezza delle Augustae – Le figlinae urbane. In: Anne Kolb (Hrsg.): Augustae. Machtbewusste Frauen am römischen Kaiserhof? Akademie Verlag, Berlin 2010, S. 91–110, hier S. 93. 99; Marie-Odile Charles-Laforge: Patrimoines et héritages des femmes à Rome: l’exemple des princesses antonines. In: Clément Chillet, Cyril Courrier, Laure Passet (Hrsg.): Arcana Imperii. Mélanges d’histoire économique, sociale et politique, offerts au professeur Yves Roman. Band 1. De Boccard, Paris 2015, S. 233–273, S. 251–252. 259 (Digitalisat).
  17. Historia Augusta, Commodus 8,2.
  18. Cassius Dio 73,14; John S. McHugh: The Emperor Commodus. God and Gladiator. Pen & Sword Military, Barnsley 2015, 158 f.
  19. Historia Augusta, Commodus 7,4–8.
  20. Falko von Saldern: Studien zur Politik des Commodus. Leidorf, Rahden 2003, S. 207–212.
  21. Wilhelm Müseler: Commodus – Die Konstruktion einer Ikone. Werdegang eines Gottes. In: Andreas Pangerl (Hrsg.): Portraits: 500 years of Roman Coin Portraits – 500 Jahre römische Münzbildnisse. Staatliche Münzsammlung München, München 2017, S. 335–354, hier S. 340.
  22. Historia Augusta, Commodus 7,7.
  23. François Kirbihler: Un complot italo-asiatique contre Commode en 191/192? In: Cécile Bertrand-Dagenbach, François Chausson (Hrsg.): Historiae Augustae Colloquium Nanceiense. Atti dei Convegni sulla Historia Augusta XII, (Nancy, 2011). Edipuglia, Bari, 2014, S. 279–315, bes. S. 305–306 (Digitalisat).
  24. Eine 1913 in Ostia Antica gefundene Porträtstatue, deren Gesichtszüge möglicherweise im Rahmen einer damnatio memoriae zerstört wurden, möchte Eric Varner: Mutilation and Transformation: Damnatio Memoriae and Roman Imperial Portraiture (= Monumenta Graeca et Romana. Band 10). Brill, Leiden 2004, S. 153–154. 274 Nr. 6.19. Abb. 154 a. b, auf Annia Fundania Faustina beziehen; Ostia, Museum, Inventarnummer 1123, zur Statue siehe Raissa Calza: Scavi di Ostia. Band 9: I ritratti. Teil 2: Ritratti Romani dal 160 ca. alla metà del III secolo D.C. Istituto Poligrafico dello Stato, Rom 1977, S. 20–21 Nr. 17.