Dies ist ein als exzellent ausgezeichneter Artikel.

Wasserschläuche

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 27. Mai 2005 um 23:26 Uhr durch AF666 (Diskussion | Beiträge) (→‎Weblinks). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Wasserschläuche
Utricularia minor
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Classis: Dreifurchenpollen-Zweikeimblättrige
(Rosopsida)
Vorlage:Subclassis: Asternähnliche (Asteridae)
Vorlage:Ordo: Lamiales
Vorlage:Familia: Wasserschlauchgewächse
(Lentibulariaceae)
Wissenschaftlicher Name
Utricularia
L.

Die Wasserschläuche (Utricularia), eine Gattung aus der Familie der Wasserschlauchgewächse (Lentibulariaceae), sind mit ihren rund 220 Arten die artenreichste Gattung aller fleischfressenden Pflanzen. Trotz ihres meist unscheinbaren Äußeren sind sie in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche Pflanzen.

Sowohl der deutsche als auch der botanische Name, der sich aus dem lateinischen utriculus, „kleiner Schlauch“ herleitet, spielt auf die Gestalt der Fallen an, die an altertümliche Wasser- oder Weinschläuche erinnern.

Morphologie

Wasserschläuche sind einjährige oder ausdauernde Kräuter. Die meisten Arten erreichen nur eine geringe Höhe von bis zu 30 Zentimetern. Einige Arten wie U. humboldtii können jedoch bis zu 130 Zentimeter groß werden.

Die Morphologie der Wasserschläuche ist ungewöhnlich, da sie weder echte Wurzeln besitzen, noch bei ihnen im strengen Sinne Blatt und Spross unterschieden werden kann. Ein weiteres charakteristisches Merkmal sind die als Fallen ausgebildeten Fangblasen, deren Funktionsweise einzigartig ist und an Komplexität nur von den eng verwandten Reusenfallen übertroffen wird. Bis auf Fallen, Blüten und Blätter kann je nach Art allerdings auch jedes der folgend beschriebenen Organe abwesend sein, selbst Samen und Früchte, dies ist zum Beispiel bei der Art U. bremii der Fall.

Rhizoid

Mit zunehmender Komplexität besitzen die Wasserschläuche mehr oder weniger stark entwickelte Rhizoide, die allein der Verankerung im Substrat dienen. Bei den Arten mit einer großen Zahl evolutionär ursprünglicher Merkmale sind sie überhaupt nicht vorhanden, bei jüngeren Arten - mit stärker abgeleiteten Merkmalen, etwa denen der Sektion Pleiochasia - sind sie von einfacher Struktur und nur schwach verdrehter Gestalt. Bei den rheophytischen und lithophytischen Arten hingegen, die schnellfließende Gewässer beziehungsweise blanken Fels besiedeln, sind sie dagegen hoch entwickelt, um die Verankerung an den schwierigen Standorten zu gewährleisten. In manchen Fällen lassen sich Rhizoid und Stolon nicht klar unterscheiden, etwa in der Sektion Phyllaria.

Submerser Spross von Utricularia vulgaris mit Fangblasen

Stolon

Allgemein wird das Stolon als Spross der meisten Wasserschläuche betrachtet. Es ist bei terrestrischen Arten wenige Millimeter bis Zentimeter, bei aquatischen bis zu mehreren Meter lang und zumeist in Form eines dichten Geflechts ausgebildet. Bei einigen Arten werden vom Stolon zusätzlich wasserspeichernde Knollen oder Luftsprosse ausgebildet, ersteres etwa bei U. alpina, letzteres bei U. vulgaris. Vereinzelt existieren aber auch einige sehr urtümliche Arten ohne Stolon, ein Beispiel dafür ist die Art U. violacea.

Blütenstände Utricularia sandersonii

Blätter

Aufgrund der oben erwähnten fehlenden Trennbarkeit von Blatt und Spross wird jeder flächige, grüne Teil der Pflanzen als Blatt angesehen. Sie sind von uneinheitlicher Form, bei terrestrischen Arten häufig länglich oder nierenförmig, bei aquatischen Arten in vom Stolon abgehenden Segmenten vielfach fein unterteilt. Meist sind die Blätter sehr klein und wenige Millimeter bis Zentimeter groß, bei tropischen Arten können sie aber auch bis über 100 Zentimeter lang sein, etwa bei U. longifolia. Einige wenige Arten wie U. menziesii bilden zerstreute oder dichte Rosetten aus. Zumeist wachsen die Einzelblätter entlang des Stolons aus Augen heraus.

Außer den normalen Blättern wachsen am Blütenstiel einige Nebenblätter wie Brakteen, Brakteolen und Schuppenblätter, die als taxonomisches Merkmal von Bedeutung sind.

Fallen

Die zumeist an den Stolonen, manchmal aber auch an anderen Teilen der Pflanze wie Blättern oder Rhizoiden wachsenden Fallen, sind mikroskopisch kleine oder bis zu einem Zentimeter große, üblicherweise gestielte Fangblasen, die nach dem Saugfallenprinzip funktionieren. Diese Strategie findet sich unter allen Karnivoren einzig bei den Wasserschläuchen. Innerhalb der Fangblase wird ein Unterdruck aufgebaut, der bei U. vulgaris etwa bis zu 0,14 bar beträgt. Die Fangblase ist mit einer Klappe verschlossen, an der sich einige feine Borsten befinden. Mittels chemischer Lockstoffe oder algenähnlicher Sprosse, die Nahrung vortäuschen, werden Beutetiere angelockt. Sobald die Borsten von ihnen gereizt werden, öffnet sich die Klappe, und zwar mit der schnellsten bekannten Bewegung im Pflanzenreich: die Dauer des Öffnungs- und Schließvorgangs liegt bei weniger als zwei Millisekunden. Durch den abrupten Druckausgleich wird das vor der Falle liegende Wasser in die Fangblase gespült und das Beutetier mit hineingerissen; danach schließt sich die Falle wieder. In ihr liegende Drüsen beginnen nun die Verdauung der Beute durch die Enzyme Esterase, Phosphatase und Protease. Zumeist handelt es sich um sehr kleine Beutetiere, darunter Wasserflöhe, Rädertierchen, Fadenwürmer und Schnecken, dazu kommen Protisten wie Wimpertierchen und gelegentlich planktische Algen.

Blüten

Untergetauchter Sprossteil von Utricularia vulgaris; als Vergrößerung eine einzelne Blüte

Die in der Regel aus zwei verwachsenen Kelch- und fünf verwachsenen Kronblättern bestehenden, gespornten Blüten stehen meist wechselständig in Trauben an aufrechten, dünnen, bei aquatischen Arten mit Luftkammern versehenen Stängeln, wenn auch gelegentlich nur als Einzelblüte. Sie können zahlreiche Farben haben, etwa weiß, gelb, rot, violett oder blau, sowie beliebige Schattierungen annehmen; einige ähneln sehr stark Orchideenblüten. Je nach Art und Bedingungen kommen sie gemischt oder wechselnd kleistogam und chasmogam vor, das heißt, sie bestäuben sich selbst, entweder, wie im ersteren Fall, gezwungenermaßen bei geschlossener Blüte oder, wie im zweiteren, bei geöffneter Blüte. Bei Chasmogamie ist dann auch eine Fremdbestäubung möglich.

Früchte und Saat

Die Früchte der Wasserschläuche sind kleine, meist runde oder eiförmige Kapseln. Sie sind äußerst vielgestaltig und enthalten zwischen 0,2 und 1 Millimeter lange Samen, die lichtkeimend sind.

Turionen

Wasserschläuche temperierter Klimazonen bilden zum Herbst hin sogenannte Winterknospen (Turionen) - kurze Sprosse, die auf den Boden des Gewässers sinken und aus denen im nächsten Frühjahr neue Pflanzen austreiben. Da eine Pflanze mehrere Turionen hervorbringen kann, werden aus ihnen bei Neuaustrieb mehrere eigenständige, wenn auch genetisch identische Individuen.

Verbreitung

Wasserschläuche sind unter Ausnahme von ariden Gebieten weltweit verbreitet. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt in Südamerika, gefolgt von Australien.

Alle Arten der Gattung haben ihren Lebensraum zumindest während der vegetativen Phase im oder am Wasser. Viele sind semiaquatisch oder aquatisch, letztere teils verankert, teils frei flottierend. Einige Arten leben gar epiphytisch, also als Aufsitzer auf anderen Pflanzen, die Mehrzahl hingegen terrestrisch. Vielen Arten ist es gelungen, auch extreme Standorte zu besiedeln: U. humboldtii zum Beispiel findet sich als Epiphyt in Bromelientrichtern. Einige Arten wie U. rigida sind als sogenannte Rheophyten spezialisiert auf schnellfließende Gewässer oder besiedeln als Lithophyten glatte Untergründe.

Durch ihre Karnivorie ist die Pflanze weitgehend unabhängig vom Vorhandensein von Nährstoffen im Boden und toleriert auch sehr nährstoffarme Standorte. Die Pflanzen bevorzugen in aller Regel halbschattige bis vollsonnige Standorte.

Heimische Arten

Blühaspekt der aquatischen Art Utricularia minor in einem Moorgewässer in Nordrhein-Westfalen

In Mitteleuropa sind nur wenige Arten beheimatet, nämlich :

Alle diese Arten sind eng miteinander verwandt und gehören zur Sektion Utricularia. Sie sind manchmal nur an einzelnen Merkmalen voneinander zu unterscheiden. Alle leben innerhalb von Gewässern und sind im gesamten deutschsprachigen Raum gefährdet oder stark gefährdet; Bremis Wasserschlauch ist sogar unmittelbar vom Aussterben bedroht. An diesem Rückgang hat der Mensch durch die Vernichtung von Feuchtbiotopen wie Mooren und durch Gewässer-Eutrophierung, übermäßigen Nährstoffeintrag aus der Landwirtschaft, wesentlichen Anteil.

Drei der heimischen Arten, U. australis, U. bremii und U. ochroleuca, sind sogenannte Apomikten, also nicht zur generativen Vermehrung fähig. Dies ist auf missgebildete Pollen zurückzuführen. Hier erfolgt die Reproduktion also rein vegetativ durch passive Verbreitung von Sprossteilen.

Verwendung

Die Wasserschläuche haben weder als Lebens- noch als Heilmittel eine Bedeutung für den Menschen. Durch ihre Karnivorie und ihre ansprechenden Blüten sind jedoch viele Arten bei Liebhabern in Kultur; die heimischen Arten finden sich darüber hinaus auch in Gartenteichen. Als Zierpflanzen sind sie jedoch ohne kommerzielle Bedeutung.

Systematik

Verschiedene Arten (terrestrische und semiaquatische in Töpfen)

Die Gattung wurde durch den britischen Botaniker Peter Taylor in 35 Sektionen aufgeteilt; seine vorgenommene Unterteilung in zwei Untergattungen (Utricularia und Polypompholyx) gilt jedoch mittlerweile als obsolet.

  • (Polypompholyx)
  1. Polypompholyx
  2. Tridentaria
  • (Utricularia)
  1. Pleiochasia
  2. Meionula
  3. Australes
  4. Nigrescentes
  5. Calpidisca
  6. Lloydia
  7. Candollea
  8. Aranella
  9. Martinia
  10. Psyllosperma
  11. Foliosa
  12. Enskide
  13. Oligocista
  14. Chelidon
  15. Orchidioides
  16. Iperua
  17. Stylotheca
  18. Stomoisia
  19. Benjaminia
  20. Kamienskia
  21. Phyllaria
  22. Oliveria
  23. Sprucea
  24. Avesicaria
  25. Mirabiles
  26. Choristothecae
  27. Avesicarioides
  28. Steyermarkia
  29. Setiscapella
  30. Nelipus
  31. Lecticula
  32. Utricularia
  33. Vesiculina

Literatur

  • Taylor, Peter: "The Genus Utricularia - A Taxonomic Monograph", London, 1989, ISBN 0947643729
  • Barthlott, Wilhelm; Porembski, Stefan; Seine, Rüdiger; Theisen, Inge: "Karnivoren", Stuttgart, 2004, ISBN 3-8001-4144-2

Weblinks