„Enzephalopathie“ – Versionsunterschied

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Hans-Christian Hansen: Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien, Springer Verlag 2013, 1. Auflage, ISBN 978-3-642-36915-5.
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Die '''Enzephalopathie''' ([[Griechische Sprache|griechisch]] {{lang|el|ἐγκέφαλος}}, ''{{lang|el|enképhalos}}'', „[[Gehirn]]“ und [[Altgriechische Sprache|altgriechisch]] {{lang|grc|πάθεια}}, ''{{lang|grc-Latn|pátheia}}'', „Leiden“) ist ein Sammelbegriff für krankhafte Zustände des Gehirns unterschiedlicher Ursache und Ausprägung. Da strukturelle Läsionen in vielen Fällen ausbleiben, ist eine Reversibilität oft möglich, aber nicht immer gegeben. Der Begriff wird im Allgemeinen nur für Veränderungen verwendet, die das Gehirn als Ganzes und nicht nur einzelne Gehirnabschnitte betreffen. Der Entstehung von Symptomen liegen Dysfunktionen von [[Nervenzellen]] (Neuronen) und [[Gliazellen]] zugrunde. Sie werden bedingt durch Veränderungen im internen milieu eines Organismus und einer Beeinträchtigung der zerebralen [[Homöostase]] mit der Folge von Störungen von Neurotransmitter- und Membranfunktionen <ref> Hans-Christian Hansen: Pathophysiologie von Enzephalopathien In: Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien, Kap.8, Springer Verlag 2013, 1. Auflage, ISBN 978-3-642-36915-5.</ref> Langzeitschäden wie kognitive Störungen nach Enzephalopathien lassen sich vermutlich auch auf sekundäre neuroinflammatorische Prozesse beziehen, z.B. nach Sepsis, Verbrennung, prolongierten Operationen.
Die '''Enzephalopathie''' ([[Griechische Sprache|griechisch]] {{lang|el|ἐγκέφαλος}}, ''{{lang|el|enképhalos}}'', „[[Gehirn]]“ und [[Altgriechische Sprache|altgriechisch]] {{lang|grc|πάθεια}}, ''{{lang|grc-Latn|pátheia}}'', „Leiden“) ist ein Sammelbegriff für krankhafte Zustände des Gehirns unterschiedlicher Ursache und Ausprägung. Da strukturelle Läsionen in vielen Fällen ausbleiben, ist eine Reversibilität oft möglich, aber nicht immer gegeben. Der Begriff wird im Allgemeinen nur für Veränderungen verwendet, die das Gehirn als Ganzes und nicht nur einzelne Gehirnabschnitte betreffen. Der Entstehung von Symptomen liegen Dysfunktionen von [[Nervenzelle|Nervenzellen]] (Neuronen) und [[Gliazelle|Gliazellen]] zugrunde. Sie werden bedingt durch Veränderungen im internen milieu eines Organismus und einer Beeinträchtigung der zerebralen [[Homöostase]] mit der Folge von Störungen von Neurotransmitter- und Membranfunktionen.
<ref name="Hans-Christian Hansen 2013 Kap.8"/> Langzeitschäden wie kognitive Störungen nach Enzephalopathien lassen sich vermutlich auch auf sekundäre neuroinflammatorische Prozesse beziehen, z.B. nach Sepsis, Verbrennung, prolongierten Operationen.
Enzephalopathien können u. a. durch abnorme Konzentrationen [[Gift|toxischer]] Substanzen und [[Elektrolyte]], [[Krankheitserreger]] oder [[Durchblutungsstörung]]en verursacht werden. Weitere Beispiele sind die vermutlich durch [[Prion]]en verursachten „[[Transmissible spongiforme Enzephalopathie|übertragbaren spongiformen Enzephalopathien]]“ wie die „[[bovine spongiforme Enzephalopathie]]“ (BSE), die bei Lebererkrankungen vermutlich durch hirnschädigende Stoffe wie [[Ammoniak]] verursachte „[[hepatische Enzephalopathie]]“, die bei einigen [[Humanes Immundefizienz-Virus|HIV]]-Patienten beobachtete „HIV-Enzephalopathie“, die durch Mangel an Vitamin B<sub>1</sub> ([[Thiamin]]) entstehende „[[Wernicke-Enzephalopathie]]“ und der ''Morbus Binswanger'' („[[subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie]]“) oder die [[Lyme-Enzephalopathie]] in chronischen Stadien der [[Lyme-Borreliose|Borreliose]]. Eine traumatische Enzephalopathie ist die [[Dementia Pugilistica]]. Drogen und Medikamente spielen ebenfalls im Sinne toxischer Einflüsse auf das Gehirn eine Rolle ([[Toxidrome]]). Vergiftungen wie eine [[Bleivergiftung]] können ebenfalls Ursache von Enzephalopathien sein.<ref>Heinz Lüllmann, Lutz Hein und Klaus Mohr: Pharmakologie und Toxikologie, Thieme Verlag, 2010, 17. Auflage, ISBN 9783133685177.</ref>
Enzephalopathien können u. a. durch abnorme Konzentrationen [[Gift|toxischer]] Substanzen und [[Elektrolyte]], [[Krankheitserreger]] oder [[Durchblutungsstörung]]en verursacht werden. Weitere Beispiele sind die vermutlich durch [[Prion]]en verursachten „[[Transmissible spongiforme Enzephalopathie|übertragbaren spongiformen Enzephalopathien]]“ wie die „[[bovine spongiforme Enzephalopathie]]“ (BSE), die bei Lebererkrankungen vermutlich durch hirnschädigende Stoffe wie [[Ammoniak]] verursachte „[[hepatische Enzephalopathie]]“, die bei einigen [[Humanes Immundefizienz-Virus|HIV]]-Patienten beobachtete „HIV-Enzephalopathie“, die durch Mangel an Vitamin B<sub>1</sub> ([[Thiamin]]) entstehende „[[Wernicke-Enzephalopathie]]“ und der ''Morbus Binswanger'' („[[subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie]]“) oder die [[Lyme-Enzephalopathie]] in chronischen Stadien der [[Lyme-Borreliose|Borreliose]]. Eine traumatische Enzephalopathie ist die [[Dementia Pugilistica]]. Drogen und Medikamente spielen ebenfalls im Sinne toxischer Einflüsse auf das Gehirn eine Rolle ([[Toxidrome]]). Vergiftungen wie eine [[Bleivergiftung]] können ebenfalls Ursache von Enzephalopathien sein.<ref name="Lüllmann 2010"/>
Die neuropsychiatrisch dominierte Symptomatik der Enzephalopathie ist nicht spezifisch für die Ursache und vielfältig: [[Bewusstseinsstörungen]], Bewegungsstörungen, vegetative Störungen kommen häufig vor als Teile des charakteristischen sogenannten zerebralen Allgemeinsyndromes.<ref> Hans-Christian Hansen: Ursachenspektrum und Differenzialdiagnose von Enzephalopathien. In: Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien, Kap.5 und 6, Springer Verlag 2013, 1. Auflage, ISBN 978-3-642-36915-5.</ref>. Seltener sind zerebrale Herdsymptome und Hirnstammzeichen, z.B. bei Hypoglykämie bzw. Wernicke-Enzephalopathie <ref> Frank Erbguth: Enzephalopathien bei erworbenen/getriggerten Stoffwechselleiden, Kap. 19 und 23.2. In: Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien, Springer Verlag 2013, 1. Auflage, ISBN 978-3-642-36915-5. </ref>.
Die neuropsychiatrisch dominierte Symptomatik der Enzephalopathie ist nicht spezifisch für die Ursache und vielfältig: [[Bewusstseinsstörungen]], Bewegungsstörungen, vegetative Störungen kommen häufig vor als Teile des charakteristischen sogenannten zerebralen Allgemeinsyndromes.<ref name="Hans-Christian Hansen 2013 Kap.5+6"/> Seltener sind zerebrale Herdsymptome und Hirnstammzeichen, z.B. bei Hypoglykämie bzw. Wernicke-Enzephalopathie <ref name="Frank Erbguth 2013"/>
Als Test auf Enzephalopathien wird die klinische Untersuchung im Abgleich mit EEG, neuroradiologischen Verfahren und Labordiagnostik (Serum und Liquor) eingesetzt (1). Sorgfältig sind andere akute und chronische ZNS-Erkrankungen wie u.a. Schlaganfälle, Infektionen, Trauma und Epilepsie abzugrenzen, bevor die Diagnose einer Enzephalopathie gestellt werden kann.
Als Test auf Enzephalopathien wird die klinische Untersuchung im Abgleich mit EEG, neuroradiologischen Verfahren und Labordiagnostik (Serum und Liquor) eingesetzt <ref name="Hans-Christian Hansen 2013 Kap.8"/>. Sorgfältig sind andere akute und chronische ZNS-Erkrankungen wie u.a. Schlaganfälle, Infektionen, Trauma und Epilepsie abzugrenzen, bevor die Diagnose einer Enzephalopathie gestellt werden kann.
In Einzelfällen wie dem Verdacht auf Prionerkrankung wird die Technik der Protein Misfolding Cyclic Amplification ([[PMCA]]) angewandt.
In Einzelfällen wie dem Verdacht auf Prionerkrankung wird die Technik der Protein Misfolding Cyclic Amplification ([[PMCA]]) angewandt.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
*'''Myalgische Enzephalopathie''', gleich [[Chronisches Erschöpfungssyndrom]] ist eine diffuse chronische Symptomatik möglicherweise retroviralen Ursprungs und muss sorgfältig von [[somatoformen Störungen]] abgegrenzt werden(z.B. ICD-10:F45.4 Somatoforme Schmerzstörung).
*'''Myalgische Enzephalopathie''', gleich [[Chronisches Erschöpfungssyndrom]] ist eine diffuse chronische Symptomatik möglicherweise retroviralen Ursprungs und muss sorgfältig von [[Somatoforme Störung|somatoformen Störungen]] abgegrenzt werden(z.B. ICD-10:F45.4 Somatoforme Schmerzstörung).


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==

<references />
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<ref name="Hans-Christian Hansen 2013 Kap.8"> {{Literatur | Autor= Frank Erbguth | Herausgeber=Hans-Christian Hansen | Titel= Kap. 8 Pathophysiologie von Enzephalopathien | Sammelwerk=Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien | Auflage=1 | Verlag=Springer Verlag| Ort=Berlin | Jahr=2013 | Seiten=129 | ISBN=978-3-642-36915-5 | Online= {{Google Buch | BuchID = Tf8fBAAAQBAJ | Seite = 129}} }} </ref>

<ref name="Hans-Christian Hansen 2013 Kap.5+6"> {{Literatur | Autor= Frank Erbguth | Herausgeber=Hans-Christian Hansen | Titel= Kap. 5 und 6 Ursachenspektrum und Differenzialdiagnose von Enzephalopathien | Sammelwerk=Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien | Auflage=1 | Verlag=Springer Verlag| Ort=Berlin | Jahr=2013 | Seiten=87 | ISBN=978-3-642-36915-5 | Online= {{Google Buch | BuchID = Tf8fBAAAQBAJ | Seite = 87}} }} </ref>

<ref name="Frank Erbguth 2013"> {{Literatur | Autor= Frank Erbguth | Herausgeber=Hans-Christian Hansen | Titel= Kap. 19 und 23.2. Enzephalopathien bei erworbenen/getriggerten Stoffwechselleiden| Sammelwerk=Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien | Auflage=1 | Verlag=Springer Verlag| Ort=Berlin | Jahr=2013 | Seiten=369 | ISBN=978-3-642-36915-5 | Online= {{Google Buch | BuchID = Tf8fBAAAQBAJ | Seite = 369}} }} </ref>

<ref name="Lüllmann 2010"> {{Literatur | Autor= Heinz Lüllmann, Klaus Mohr & Lutz Hein | Herausgeber= | Titel= Pharmakologie und Toxikologie. Arzneimittelwirkungen verstehen - Medikamente gezielt einsetzen | Sammelwerk= | Auflage=17 | Verlag= Thieme| Ort=Stuttgart | Jahr=2010| Seiten=562 | ISBN=978-3-133-68517-7 | Online= {{Google Buch | BuchID = Nr0ehKNEwqcC}} }} </ref>

</references>


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Version vom 16. Januar 2015, 14:30 Uhr

Die Enzephalopathie (griechisch ἐγκέφαλος, enképhalos, „Gehirn“ und altgriechisch πάθεια, pátheia, „Leiden“) ist ein Sammelbegriff für krankhafte Zustände des Gehirns unterschiedlicher Ursache und Ausprägung. Da strukturelle Läsionen in vielen Fällen ausbleiben, ist eine Reversibilität oft möglich, aber nicht immer gegeben. Der Begriff wird im Allgemeinen nur für Veränderungen verwendet, die das Gehirn als Ganzes und nicht nur einzelne Gehirnabschnitte betreffen. Der Entstehung von Symptomen liegen Dysfunktionen von Nervenzellen (Neuronen) und Gliazellen zugrunde. Sie werden bedingt durch Veränderungen im internen milieu eines Organismus und einer Beeinträchtigung der zerebralen Homöostase mit der Folge von Störungen von Neurotransmitter- und Membranfunktionen. [1] Langzeitschäden wie kognitive Störungen nach Enzephalopathien lassen sich vermutlich auch auf sekundäre neuroinflammatorische Prozesse beziehen, z.B. nach Sepsis, Verbrennung, prolongierten Operationen. Enzephalopathien können u. a. durch abnorme Konzentrationen toxischer Substanzen und Elektrolyte, Krankheitserreger oder Durchblutungsstörungen verursacht werden. Weitere Beispiele sind die vermutlich durch Prionen verursachten „übertragbaren spongiformen Enzephalopathien“ wie die „bovine spongiforme Enzephalopathie“ (BSE), die bei Lebererkrankungen vermutlich durch hirnschädigende Stoffe wie Ammoniak verursachte „hepatische Enzephalopathie“, die bei einigen HIV-Patienten beobachtete „HIV-Enzephalopathie“, die durch Mangel an Vitamin B1 (Thiamin) entstehende „Wernicke-Enzephalopathie“ und der Morbus Binswanger („subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie“) oder die Lyme-Enzephalopathie in chronischen Stadien der Borreliose. Eine traumatische Enzephalopathie ist die Dementia Pugilistica. Drogen und Medikamente spielen ebenfalls im Sinne toxischer Einflüsse auf das Gehirn eine Rolle (Toxidrome). Vergiftungen wie eine Bleivergiftung können ebenfalls Ursache von Enzephalopathien sein.[2] Die neuropsychiatrisch dominierte Symptomatik der Enzephalopathie ist nicht spezifisch für die Ursache und vielfältig: Bewusstseinsstörungen, Bewegungsstörungen, vegetative Störungen kommen häufig vor als Teile des charakteristischen sogenannten zerebralen Allgemeinsyndromes.[3] Seltener sind zerebrale Herdsymptome und Hirnstammzeichen, z.B. bei Hypoglykämie bzw. Wernicke-Enzephalopathie [4]

Als Test auf Enzephalopathien wird die klinische Untersuchung im Abgleich mit EEG, neuroradiologischen Verfahren und Labordiagnostik (Serum und Liquor) eingesetzt [1]. Sorgfältig sind andere akute und chronische ZNS-Erkrankungen wie u.a. Schlaganfälle, Infektionen, Trauma und Epilepsie abzugrenzen, bevor die Diagnose einer Enzephalopathie gestellt werden kann. In Einzelfällen wie dem Verdacht auf Prionerkrankung wird die Technik der Protein Misfolding Cyclic Amplification (PMCA) angewandt.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Frank Erbguth: Kap. 8 Pathophysiologie von Enzephalopathien. In: Hans-Christian Hansen (Hrsg.): Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien. 1. Auflage. Springer Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-642-36915-5, S. 129 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Heinz Lüllmann, Klaus Mohr & Lutz Hein: Pharmakologie und Toxikologie. Arzneimittelwirkungen verstehen - Medikamente gezielt einsetzen. 17. Auflage. Thieme, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-13-368517-7, S. 562 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Frank Erbguth: Kap. 5 und 6 Ursachenspektrum und Differenzialdiagnose von Enzephalopathien. In: Hans-Christian Hansen (Hrsg.): Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien. 1. Auflage. Springer Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-642-36915-5, S. 87 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Frank Erbguth: Kap. 19 und 23.2. Enzephalopathien bei erworbenen/getriggerten Stoffwechselleiden. In: Hans-Christian Hansen (Hrsg.): Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien. 1. Auflage. Springer Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-642-36915-5, S. 369 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).