„Ethikkommission“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K überschrift weniger tief
rechtsweg kürzer und klarer, zwei quellen
Zeile 1: Zeile 1:
'''Ethikkommissionen''' sind von deutschen Universitäten, Landesärztekammern und Bundesländern eingerichtete Kommissionen, die Wissenschaftler in ethischer und rechtlicher
'''Ethikkommissionen''' sind von deutschen Universitäten, Landesärztekammern und Bundesländern eingerichtete Kommissionen, die Wissenschaftler in ethischer und rechtlicher
Hinsicht beraten, kontrollieren und beaufsichtigen sollen, die medizinische Forschung am lebenden und am verstorbenen Menschen planen. Sie sollen so Rechte und Sicherheit der Probanden schützen. Einige Kommissionen beurteilen auch Tierversuche. Ärzte sind durch ihre Berufsordnung (§ 15 MBO) verpflichtet, das jeweils zuständige Gremium zu konsultieren. Universitätsinterne Vorschriften legen das in der Regel auch für nichtärztliche Forscher fest. Für [[Klinische Studie|klinische Prüfungen]] von [[Arzneimittel]]n (§§ 40,42 AMG) und [[Medizinprodukt]]en (§§ 20,22 MPG) sind die Ethikkommissionen der Länder die zuständigen Genehmigungsbehörden. Auch für Versuche mit [[Ionisierende Strahlung|ionisierender Strahlung]] ist ihre Zustimmung notwendig (§§ 24, 92 StrSchV, §§ 28b, 28g RöV).
Hinsicht beraten, kontrollieren und beaufsichtigen sollen, die medizinische Forschung am lebenden und am verstorbenen Menschen planen. Sie sollen so Rechte und Sicherheit der Probanden im Sinne der [[Deklaration von Helsinki]] schützen. Einige Kommissionen beurteilen auch Tierversuche. Ärzte sind durch ihre Berufsordnung (§ 15 MBO) verpflichtet, das jeweils zuständige Gremium zu konsultieren. Universitätsinterne Vorschriften legen das in der Regel auch für nichtärztliche Forscher fest. Für [[Klinische Studie|klinische Prüfungen]] von [[Arzneimittel]]n (§§ 40,42 AMG) und [[Medizinprodukt]]en (§§ 20,22 MPG) sind die Ethikkommissionen der Länder die zuständigen Genehmigungsbehörden. Auch für Versuche mit [[Ionisierende Strahlung|ionisierender Strahlung]] ist ihre Zustimmung notwendig (§§ 24, 92 StrSchV, §§ 28b, 28g RöV).


Mitglieder sind in der Regel Mediziner, Naturwissenschaftler, Juristen, Philosophen und Theologen. So setzte sich 2016 die Zentrale Ethikkommission bei der [[Bundesärztekammer]] aus 8 Medizinern und Naturwissenschaftlern sowie 8 Mitgliedern anderer Fakultäten zusammen. Die Ethikkommissionen erstellen ein schriftliches Votum für oder gegen das beantragte Forschungsvorhaben.
Mitglieder sind in der Regel Mediziner, Naturwissenschaftler, Juristen, Philosophen und Theologen. So setzte sich 2016 die Zentrale Ethikkommission bei der [[Bundesärztekammer]] aus 8 Medizinern und Naturwissenschaftlern sowie 8 Mitgliedern anderer Fakultäten zusammen. Die Ethikkommissionen erstellen ein schriftliches Votum für oder gegen das beantragte Forschungsvorhaben.


== Rechtliche Grundlagen ==
== Rechtliche Grundlagen ==
'''a)''' Gesetzliche Grundlage von Ethikkommissionen sind in Deutschland das {{§|40|amg_1976|juris}} Abs. 1 [[Arzneimittelgesetz (Deutschland)|Arzneimittelgesetz]] (AMG) und {{§|20|mpg|juris}} Abs. 1 [[Medizinproduktegesetz]] (MPG). Das [[Stammzellgesetz]] (StZG) sieht für den Import embryonaler Stammzellen ebenfalls eine Prüfung und Bewertung durch eine eigens dafür gebildete Ethikkommission vor ({{§|8|stzg|juris}}, {{§|9|stzg|juris}} StZG). Die konkrete Bildung der Kommissionen richtet sich nach dem jeweiligen Recht des Bundeslandes, ebenso ihr Verfahren. Sie sind zumeist mehrheitlich mit Medizinern besetzt, hinzu kommen Theologen, Juristen und Geisteswissenschaftler. Manche Ethikkommissionen verzeichnen auch Studenten oder Angehörige der [[Gesundheitsfachberuf]]e als Mitglieder.
Gesetzliche Grundlage von Ethikkommissionen sind in Deutschland das {{§|40|amg_1976|juris}} Abs. 1 [[Arzneimittelgesetz (Deutschland)|Arzneimittelgesetz]] (AMG) und {{§|20|mpg|juris}} Abs. 1 [[Medizinproduktegesetz]] (MPG). Das [[Stammzellgesetz]] (StZG) sieht für den Import embryonaler Stammzellen ebenfalls eine Prüfung und Bewertung durch eine eigens dafür gebildete Ethikkommission vor ({{§|8|stzg|juris}}, {{§|9|stzg|juris}} StZG). Die konkrete Bildung der Kommissionen richtet sich nach dem jeweiligen Recht des Bundeslandes, ebenso ihr Verfahren. Sie sind zumeist mehrheitlich mit Medizinern besetzt, hinzu kommen Theologen, Juristen und Geisteswissenschaftler. Manche Ethikkommissionen verzeichnen auch Studenten oder Angehörige der [[Gesundheitsfachberuf]]e als Mitglieder.


'''b)''' [[Standesrecht]]lich sind Ethikkommissionen nach §&nbsp;15 der Musterberufsordnung für Ärzte<ref>[http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=1.100.1143 Musterberufsordnung bei der Bundesärztekammer (Stand 2006)]</ref> bei den Landesärztekammern und den medizinischen Fakultäten bzw. Hochschulen zu errichten. Die Landesgesetze überlassen die Einzelregelung typischerweise den Ärztekammern und Universitäten durch [[Satzung (öffentliches Recht)|Satzungsrecht]]. So ist es zum Beispiel nach §&nbsp;17 Abs.&nbsp;1 Nr.&nbsp;15 Sächsisches Heilberufekammergesetz Aufgabe der [[Ärztekammer (Deutschland)|Ärztekammer]], in einer [[Berufsordnung]] die Beratung der Mitglieder ''... vor der Forschung mit vitalen menschlichen Gameten und Embryonen ...'' in berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen zu regeln. Die Berufsordnung der [[Sächsische Landesärztekammer|Sächsischen Landesärztekammer]] verpflichtet sodann in §&nbsp;15 die Ärzte, sich vor entsprechenden Forschungsvorhaben an die zuständige Ethikkommission zu wenden.
[[Standesrecht]]lich sind Ethikkommissionen nach §&nbsp;15 der Musterberufsordnung für Ärzte<ref>[http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=1.100.1143 Musterberufsordnung bei der Bundesärztekammer (Stand 2006)]</ref> bei den Landesärztekammern und den medizinischen Fakultäten bzw. Hochschulen zu errichten. Die Landesgesetze überlassen die Einzelregelung typischerweise den Ärztekammern und Universitäten durch [[Satzung (öffentliches Recht)|Satzungsrecht]]. So ist es zum Beispiel nach §&nbsp;17 Abs.&nbsp;1 Nr.&nbsp;15 Sächsisches Heilberufekammergesetz Aufgabe der [[Ärztekammer (Deutschland)|Ärztekammer]], in einer [[Berufsordnung]] die Beratung der Mitglieder ''... vor der Forschung mit vitalen menschlichen Gameten und Embryonen ...'' in berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen zu regeln. Die Berufsordnung der [[Sächsische Landesärztekammer|Sächsischen Landesärztekammer]] verpflichtet sodann in §&nbsp;15 die Ärzte, sich vor entsprechenden Forschungsvorhaben an die zuständige Ethikkommission zu wenden.


'''c)''' Außerhalb der Forschung, also bei der medizinischen Behandlung, ist die Hinzuziehung von Ethikkommissionen im Bereich der [[Gentechnik]] am Menschen nicht gesetzlich, sondern nur berufsrechtlich, zum Beispiel durch Richtlinien der Bundesärztekammer (siehe „Richtlinien zum Gentransfer in menschliche Körperzellen“) und durch die Berufsordnungen der Landesärztekammern geregelt. Sie verpflichten den Arzt, sich vor Anwendung bestimmter Behandlungsmethoden durch die jeweilige Ethik-Kommission beraten zu lassen.
Außerhalb der Forschung, also bei der medizinischen Behandlung, ist die Hinzuziehung von Ethikkommissionen im Bereich der [[Gentechnik]] am Menschen nicht gesetzlich, sondern nur berufsrechtlich, zum Beispiel durch Richtlinien der Bundesärztekammer (siehe „Richtlinien zum Gentransfer in menschliche Körperzellen“) und durch die Berufsordnungen der Landesärztekammern geregelt. Sie verpflichten den Arzt, sich vor Anwendung bestimmter Behandlungsmethoden durch die jeweilige Ethik-Kommission beraten zu lassen.


'''d)''' Gutachterlich Stellung nehmen müssen eigens dafür gebildete Ethikkommissionen auch nach dem [[Transplantationsgesetz (Deutschland)|Transplantationsgesetz]] ({{§|8|tpg|juris}} TPG), wenn eine Organspende unter Lebenden erfolgt.
Gutachterlich Stellung nehmen müssen eigens dafür gebildete Ethikkommissionen auch nach dem [[Transplantationsgesetz (Deutschland)|Transplantationsgesetz]] ({{§|8|tpg|juris}} TPG), wenn eine Organspende unter Lebenden erfolgt.


Soweit es sich um bindende Entscheidungen oder Verwaltungsakte handelt, ist gegen Stellungnahmen der Ethikkommissionen der [[Verwaltungsrecht]]sweg möglich.<ref>C von Dewitz, FC Luft, C Pestalozza: ''Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung. Gutachten im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland für die Enquête-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“
=== Aufgabe von medizinischen Ethik-Kommissionen ===
des Deutschen Bundestages, 2004 [http://www.jura.fu-berlin.de/fachbereich/einrichtungen/oeffentliches-recht/emeriti/pestalozzac/materialien/staatshaftung/Rechtsgutachten_2004_v_Dewitz_Luft_Pestalozza.pdf (PDF)]</ref> Beispielsweise kann die Aufsichtsbehörde angerufen werden, [[Feststellungsklage|Feststellungs-]] oder [[Anfechtungsklage]]n sind ebenfalls möglich. Allerdings greifen diese Mittel nur bei wesentlichen Rechts- und Verfahrensfehlern oder bei groben materiellen Fehlern und Willkür, da den Kommissionen ein großer Entscheidungsspielraum zugebilligt wird.<ref name="DeutschSpickhoff2014">{{cite book|author=Erwin Deutsch, Andreas Spickhoff|title=Medizinrecht: Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht|url=http://books.google.com/books?id=s_wfBAAAQBAJ&pg=PA921|date=7. April 2014|publisher=Springer-Verlag|isbn=978-3-642-38149-2|pages=921–2}}</ref>
Ethik-Kommissionen sollen nach Deklaration von Helsinki in erster Linie mithelfen und kontrollieren, das '''Wohlbefinden''' des Studienteilnehmers zu erhalten. Das Wohlbefinden wird dabei als Nutzen-zu-Risiko-Verhältnis definiert, das eine Ethik-Kommission (a) konstruktiv beratend zu maximieren und (b) über das Votum frei- oder nicht freizugeben hat. Der Nutzen wird dabei als Summe aus Individualnutzen und komplementärem Allgemeinnutzen definiert. Ist das Individualnutzen-zu-Risiko Verhältnis schon optimal, fällt es unter Heilkunde und erfordert kein Ethik-Votum. Ist das Individualnutzen-zu-Risiko Verhältnis nicht sicher optimal, fällt es unter Forschung. Dann liegt das Dilemma in der Entscheidung, ob Allgemeinnutzen das Risiko kompensieren kann also ob Allgemeinnutzen über das Individualrisiko gehen darf, was aber letztlich der Studienteilnehmer freiwillig selber entscheiden muss, weil es seine individuelle Entscheidung ist, ob er sich dabei wohl fühlen kann. Die Ethik-Kommission soll hier unabhängige und kann nur prinzipielle Entscheidungshilfe sein - aber im äußersten Falle mit faktischem Veto-Recht über das Votum. Dies setzt aber Expertenwissen bei der Ethik-Kommission voraus, das mit zunehmender Spezialisierung, auf allen Forschungsgebieten und in allen - auch primär auf Ethik ausgelegten - Ethik-Kommissionen nicht überall vorgehalten werden kann. Deshalb erscheint im Streitfall die Konvertierung auf den Rechtsweg umso nötiger, der eine richterliche Unabhängigkeit mit Kontrollinstanzen festschreibt.

=== Rechtsweg gegen ein negatives Ethik-Votum nach Berufsordnung also im Allgemeinen ===
Nach AMG/MPG ist ein negatives Ethik-Votum angreifbar, da AMG/MPG ein positives Ethik-Votum rechtlich zur Voraussetzung für eine Genehmigung macht und damit dem Ethik-Votum Bescheidcharakter verleiht. Nach EURATOM sollte ein negatives Ethik-Votum ebenfalls angreifbar sein, da Artikel 3 der Richtlinie 97/43/EURATOM des Rates die Prüfung durch eine Ethik-Kommission und/oder zuständige Behörde fordert und damit durch ausschließliches „oder“ die Ethik-Kommission einer Behörde gleichstellt. StrlSchV/RöV ist in diesem Punkt aber falsch aus EURATOM herunter gebrochen, weil nach StrlSchV/RöV das Ethik-Votum zu einer internen Stellungnahme ohne Außenwirkung degradiert wird und damit der Angreifbarkeit entzogen wird. Berufsrechtlich wird die Berücksichtigung der Deklaration von Helsinki verlangt, die ein positives Ethik-Votum wissenschaftlich zur Voraussetzung macht.
Rechtlich ist ein Ethik-Votum angreifbar, wenn es Außenwirkung hat. Das Ethik-Votum dient dem Probandenschutz. Im Sinne des Probandenschutzes muss ein negatives Ethik-Votum Wirkung haben, sonst wäre der Sinn des Ethik-Votums unterwandert.
Praktisch bzw. faktisch wird dem Probandenschutz Rechnung getragen, indem ein positives Ethik-Votum Voraussetzung ist für: (a) die Einhaltung der [[Deklaration von Helsinki]] und damit der Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte<ref>[http://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/MBO/MBO_02.07.2015.pdf MBO (§15 Abs. 3)]</ref>, (b) die Einwerbung von Drittmitteln<ref>[http://www.bmbf.de/foerderungen/21822.php BMBF Förderungen]</ref> zur Finanzierung von Forschung, (c) die Studienversicherung (außer nach RöV/StrlSchV), (d) die Registrierung der Studie<ref>[https://clinicaltrials.gov/ Clinical Trials]</ref>, (e) die wissenschaftliche Anerkennung durch Veröffentlichung<ref>[http://www.icmje.org/ ICMJE]</ref> der Forschungsergebnisse und (f) die Zulassung<ref>[http://www.fda.gov/ FDA]</ref>.
Deswegen ist das Ethik-Votum auch kein offenes Beratungsergebnis sondern muss eine digitale Entscheidung sein (Zustimmung/Nicht-Zustimmung), damit es als Voraussetzung für o.g. Folgeentscheidungen eindeutig ist. Wenn ein positives Ethik-Votum Voraussetzung ist, hat ein negatives Ethik-Votum sinngemäß die Wirkung einer Forschungsblockade. Übereinstimmend und schlüssig fordern sowohl Wissenschaft<ref>[http://www.ich.org/fileadmin/Public_Web_Site/ICH_Products/Guidelines/Efficacy/E6/E6_R1_Guideline.pdf Good Clinical Practice] (Abschnitt 3.3.9)</ref> als auch Recht (Grundgesetz ([[Forschungsfreiheit]] (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG))) zur Qualitätssicherung einen Rechtsweg, ein zu unrecht negatives Ethik-Votum korrigieren zu können, da ein negatives Ethik-Votum im Sinne des Probandenschutzes Forschung blockiert. Dem Ethik-Votum Bescheidcharakter d.h. Wirkung zu versagen, unterwandert nur seine Funktion im Probandenschutz und ist deshalb falsch. Nach dem Gebot der Gleichbehandlung ist hier unabhängig vom Ort und von der Art der Forschung - ob nun beispielsweise nach AMG/MPG oder RöV/StrlSchV - eine internationale Harmonisierung zu schaffen, so wie es der Ehrenkodex des [[Weltärztebund]]es nämlich die [[Deklaration von Helsinki]] auch weltweit und generell für Forschung vorsieht. Das '''Bundesverfassungsgericht''' ist seit '''03.07.2014''' gefragt ('''AZ 1 BvR 3210/14'''), ob ein negatives Ethik-Votum '''nach Berufsordnung''' also im Allgemeinen angreifbar ist, wie es mit Good Clinical Practice] (Abschnitt 3.3.9) international wissenschaftlich zwar klar aber national rechtlich noch nicht entschieden ist.


== Ethikkommissionen bei Tierversuchen ==
== Ethikkommissionen bei Tierversuchen ==

Version vom 28. Februar 2016, 13:04 Uhr

Ethikkommissionen sind von deutschen Universitäten, Landesärztekammern und Bundesländern eingerichtete Kommissionen, die Wissenschaftler in ethischer und rechtlicher Hinsicht beraten, kontrollieren und beaufsichtigen sollen, die medizinische Forschung am lebenden und am verstorbenen Menschen planen. Sie sollen so Rechte und Sicherheit der Probanden im Sinne der Deklaration von Helsinki schützen. Einige Kommissionen beurteilen auch Tierversuche. Ärzte sind durch ihre Berufsordnung (§ 15 MBO) verpflichtet, das jeweils zuständige Gremium zu konsultieren. Universitätsinterne Vorschriften legen das in der Regel auch für nichtärztliche Forscher fest. Für klinische Prüfungen von Arzneimitteln (§§ 40,42 AMG) und Medizinprodukten (§§ 20,22 MPG) sind die Ethikkommissionen der Länder die zuständigen Genehmigungsbehörden. Auch für Versuche mit ionisierender Strahlung ist ihre Zustimmung notwendig (§§ 24, 92 StrSchV, §§ 28b, 28g RöV).

Mitglieder sind in der Regel Mediziner, Naturwissenschaftler, Juristen, Philosophen und Theologen. So setzte sich 2016 die Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer aus 8 Medizinern und Naturwissenschaftlern sowie 8 Mitgliedern anderer Fakultäten zusammen. Die Ethikkommissionen erstellen ein schriftliches Votum für oder gegen das beantragte Forschungsvorhaben.

Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Grundlage von Ethikkommissionen sind in Deutschland das § 40 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) und § 20 Abs. 1 Medizinproduktegesetz (MPG). Das Stammzellgesetz (StZG) sieht für den Import embryonaler Stammzellen ebenfalls eine Prüfung und Bewertung durch eine eigens dafür gebildete Ethikkommission vor (§ 8, § 9 StZG). Die konkrete Bildung der Kommissionen richtet sich nach dem jeweiligen Recht des Bundeslandes, ebenso ihr Verfahren. Sie sind zumeist mehrheitlich mit Medizinern besetzt, hinzu kommen Theologen, Juristen und Geisteswissenschaftler. Manche Ethikkommissionen verzeichnen auch Studenten oder Angehörige der Gesundheitsfachberufe als Mitglieder.

Standesrechtlich sind Ethikkommissionen nach § 15 der Musterberufsordnung für Ärzte[1] bei den Landesärztekammern und den medizinischen Fakultäten bzw. Hochschulen zu errichten. Die Landesgesetze überlassen die Einzelregelung typischerweise den Ärztekammern und Universitäten durch Satzungsrecht. So ist es zum Beispiel nach § 17 Abs. 1 Nr. 15 Sächsisches Heilberufekammergesetz Aufgabe der Ärztekammer, in einer Berufsordnung die Beratung der Mitglieder ... vor der Forschung mit vitalen menschlichen Gameten und Embryonen ... in berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen zu regeln. Die Berufsordnung der Sächsischen Landesärztekammer verpflichtet sodann in § 15 die Ärzte, sich vor entsprechenden Forschungsvorhaben an die zuständige Ethikkommission zu wenden.

Außerhalb der Forschung, also bei der medizinischen Behandlung, ist die Hinzuziehung von Ethikkommissionen im Bereich der Gentechnik am Menschen nicht gesetzlich, sondern nur berufsrechtlich, zum Beispiel durch Richtlinien der Bundesärztekammer (siehe „Richtlinien zum Gentransfer in menschliche Körperzellen“) und durch die Berufsordnungen der Landesärztekammern geregelt. Sie verpflichten den Arzt, sich vor Anwendung bestimmter Behandlungsmethoden durch die jeweilige Ethik-Kommission beraten zu lassen.

Gutachterlich Stellung nehmen müssen eigens dafür gebildete Ethikkommissionen auch nach dem Transplantationsgesetz (§ 8 TPG), wenn eine Organspende unter Lebenden erfolgt.

Soweit es sich um bindende Entscheidungen oder Verwaltungsakte handelt, ist gegen Stellungnahmen der Ethikkommissionen der Verwaltungsrechtsweg möglich.[2] Beispielsweise kann die Aufsichtsbehörde angerufen werden, Feststellungs- oder Anfechtungsklagen sind ebenfalls möglich. Allerdings greifen diese Mittel nur bei wesentlichen Rechts- und Verfahrensfehlern oder bei groben materiellen Fehlern und Willkür, da den Kommissionen ein großer Entscheidungsspielraum zugebilligt wird.[3]

Ethikkommissionen bei Tierversuchen

Zur Wahrung des Tierschutzes bei Tierversuchen gibt es Ethikkommissionen, die die Genehmigungsbehörden bei der Entscheidung über die Genehmigung von Tierversuchen unterstützen (Tierschutzgesetz, vgl. § 15 Abs. 1 TierSchG). Diese Kommissionen sind zu einem Drittel aus Vorschlagslisten von Tierschutzorganisationen, zu zwei Dritteln mit fachkundigen Veterinären, Ärzten und Naturwissenschaftlern zu besetzen.

Ethikkommissionen für Psychologie

Auf dem Gebiet der Psychologie thematisieren ethische Richtlinien sowohl die berufliche psychologische Tätigkeit als auch ethische Prinzipien für psychologische Forschung. Langfristiges Ziel ist eine ethische Beurteilung aller psychologischen Forschungsvorhaben am Menschen durch entsprechende Ethikkommissionen, die dafür notwendigen Strukturen werden allerdings vielerorts erst noch aufgebaut[4][5]. Die ethische Beurteilung ist dabei vor allem eine Werteabwägung zwischen Erkenntnisgewinn und Eingriff in die Freiheit/Eigenverantwortlichkeit bzw. möglichen negativen Folgen für Gesundheit oder Befindlichkeit[6].

Europa: Für das Gebiet der Psychologie existieren ethische Richtlinien der EFPA für die europäischen Psychologenverbände[7], die in nationale Ethikrichtlinien umgesetzt werden[8].

In Deutschland ist die nationale Ethikkommission bei der Deutschen Gesellschaft für Psychologie angesiedelt, die „Ethische Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie und des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen“ [9] sowie auf die Forschung bezogene Richtlinien[10] erarbeitet und über deren Einhaltung wacht[11]. Auch Richtlinien für lokale Ethikkommissionen der Psychologie wurden erarbeitet[12].

In der Schweiz entwickelt die Nationale Ethikkommission der Schweizerischen Gesellschaft für Psychologie ethische Richtlinien und Checklisten für die ethische Beurteilung von psychologischen Forschungsvorhaben und unterstützt die Errichtung entsprechender Ethikkommissionen an Schweizer Universitäten[13]. Die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen ist mit einer Berufsethikkommission (BEK) für berufsständische ethische Fragen zuständig[14].

In Österreich existiert eine Ethikrichtlinie für klinische Psychologinnen und klinische Psychologen sowie für Gesundheitspsychologinnen und Gesundheitspsychologen als Richtlinie des Bundesministeriums für Gesundheit auf Grundlage eines Gutachtens des Psychologenbeirates[15].

Sonstige Ethikkommissionen

Soweit Forschung außerhalb des medizinischen Bereichs oder den oben geschilderten Anwendungsgebieten stattfindet (zum Beispiel grüne Gentechnik), ist die Hinzuziehung von Ethikkommissionen weder gesetzlich noch standesrechtlich erforderlich. Dennoch haben Unternehmen zum Teil rein beratende Ethikkommissionen eingerichtet, die zum einen erneute Selbstkontrolle der Forschung sind, zum anderen jedoch auch vorrangig zur Außendarstellung dienen sollen. Es gibt auch private, nicht öffentlich-rechtlich organisierte, Ethikkommissionen, die ihre Dienste anbieten. Rein beratende Tätigkeit hat auch die Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer.

Außerhalb des Bereichs der Forschung wird neuerdings die Einrichtung von Ethikkommissionen auch im Rahmen von Verwaltungsethik diskutiert.

Die Ethikkommission für sichere Energieversorgung wurde während der Nuklearkatastrophe von Fukushima eingesetzt, um innerhalb von drei Monaten über Risiken und „gesellschaftliche“ Bewertungen der Kernenergie und anderer Energie-Formen zu beraten.

Kritik an der Zusammensetzung von Ethikkommissionen

Humanistische Verbände und Vertreter des Atheismus kritisieren seit langem, dass in staatlichen Ethikkommissionen sehr häufig Vertreter von Katholiken und Protestanten vorkommen, Nichtchristen jedoch nicht in gleichem Maße, obwohl Konfessionslose mittlerweile 1/3 der Bevölkerung stellen.[16] Auch in der Schweiz gab es eine vergleichbare Kritik an der Nationalen Ethikkommsission im Bereich der Humanmedizin (NEK), wo Vorwürfe hinsichtlich der Besetzung durch konfessionell gebundene Ethiker laut wurden, insbesondere im Zusammenhang mit dem Nationalfondsprojekt "Lebensende NFP 67"[17].[18]

Aufgrund von theologischen Argumenten würden ethische Entscheidungen getroffen, die sich von Entscheidungen unterscheiden, die auf den Werten der Aufklärung beruhen. Um der Trennung von Staat und Religion Ausdruck zu verleihen, wird daher gefordert, dass staatliche Ethikkommissionen gänzlich auf Vertreter von Religionen verzichten und lediglich mit Wissenschaftlern besetzt werden. Religion bliebe damit Privatsache und der Gläubige könne etwa im Beispiel auf Basis seiner Religion auf eine Präimplationsdiagnostik freiwillig verzichten.

Literatur

Siehe auch

Deutschland

Schweiz

Österreich

Einzelnachweise

  1. Musterberufsordnung bei der Bundesärztekammer (Stand 2006)
  2. C von Dewitz, FC Luft, C Pestalozza: Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung. Gutachten im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland für die Enquête-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages, 2004 (PDF)
  3. Erwin Deutsch, Andreas Spickhoff: Medizinrecht: Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht. Springer-Verlag, 2014, ISBN 978-3-642-38149-2, S. 921–2 (google.com).
  4. Beispiel HU Berlin Antragstellung und Leitlinien
  5. Beispiel Univ. Bielefeld
  6. Planspiel Arbet einer Ethikkommission (PDF; 156 kB)
  7. EFPA (Psychology) Meta Codes of Ethics
  8. Metacode of Ethics, vorläufige deutsche Übersetzung, BÖP (PDF; 122 kB)
  9. Ethische Richtlinien DGPs und BDP
  10. Forschungsrichtlinien Ethik DGPs (PDF; 87 kB)
  11. Ethik-Kommission der DGPs
  12. Einrichtung lokaler Ethikkommissionen: Musterordnung
  13. Nationale Ethikkommission Psychologie der SGP.
  14. Berufsethikkommission (BEK)der FSP
  15. Ethikrichtline Klinische und Gesundheitspsychologie Österreich (PDF; 259 kB)
  16. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-51714185.html
  17. Sterbehilfe-Kritiker unterwandern Ethikkommission von Kurt Marti, vom 27. Januar 2014
  18. Sterbehilfeorganisationen wettern gegen Nationalfondsprojekt NZZ vom 25. April 2013