„Kostenerstattung (Krankenversicherung)“ – Versionsunterschied

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=== Kontroverse ===
=== Kontroverse ===
In ihren verschiedensten denkbaren Formen wurde die Einführung der Kostenerstattung in der GKV seit den 1950er Jahren sozial- und gesundheitspolitisch, sowie gesellschaftlich diskutiert.<ref>{{Literatur |Autor=Walter Bogs |Titel=Zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere der kassenärztlichen Versorgung |Sammelwerk=Sozialer Fortschritt |Band=8 |Nummer=4 |Datum=1959 |ISSN=0038-609X |JSTOR=24499895 |Seiten=77–81}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Thomas Ruf |Titel=Plädoyer für die Kostenerstattung: Unvermeidlicher Systemwechsel in der gesetzlichen Krankenversicherung |Sammelwerk=Arbeit und Sozialpolitik |Band=20 |Nummer=7/8 |Datum=1966 |ISSN=0340-8434 |JSTOR=26880714 |Seiten=183–186}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Joseph Scholmer |Titel=Reformprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung |Sammelwerk=Patient und Profitmedizin: Das Gesundheitswesen in der Bundesrepublik zwischen Krise und Reform |Verlag=VS Verlag für Sozialwissenschaften |Ort=Wiesbaden |Datum=1973 |ISBN=978-3-322-86043-9 |DOI=10.1007/978-3-322-86043-9_3 |Seiten=33–43}}</ref>
Die Kostenerstattung war bei ihrer Einführung am 01.01.2004 (die durch {{Art.|1|GMG|buzer}} Nr.&nbsp;4 [[GKV-Modernisierungsgesetz|GMG]] erfolgte) umstritten.
Diese Debatte dauerte auch bei ihrer schlussendlichen Einführung am 01.01.2004 (die durch {{Art.|1|GMG|buzer}} Nr.&nbsp;4 [[GKV-Modernisierungsgesetz|GMG]] erfolgte) noch an.<!-- KOMMENTAR: Diese Quellen dienen dem Belegen des Vorhandenseins der Diskussion unter Betroffenen und Fachkreisen (Ärzte, …), sowie in politischen und breiteren gesellschaftlichen Kreisen. Dass die Darstellung/Charakterisierung der Kostenerstattung in dieser Quellen zum Teil inhaltlich objektiv falsch ist kann daher ausser Betracht bleiben -- es geht nur darum, dass überhaupt diskutiert wurde. --><ref>{{Literatur |Autor=Erich Schubert |Titel=Meine fünf wichtigsten IGEL |Sammelwerk=Fortschritte der praktischen Dermatologie und Venerologie |Verlag=Springer |Ort=Berlin, Heidelberg |Datum=2003 |Reihe=Fortschritte der praktischen Dermatologie und Venerologie |ISBN=978-3-642-55661-6 |DOI=10.1007/978-3-642-55661-6_23 |Seiten=129–130 |Online=https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-642-55661-6_23 |Abruf=2024-03-11}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Manfred Zach |Titel=Die Gesundheitsreform 2004 im vorparlamentarischen Beratungsverfahren zwischen Bund und Ländern |Sammelwerk=MedR Medizinrecht |Band=22 |Nummer=4 |Datum=2004-04-01 |ISSN=0723-8886 |DOI=10.1007/s00350-004-1154-1 |Seiten=206–210 |Online=http://link.springer.com/10.1007/s00350-004-1154-1 |Abruf=2024-03-11}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Gerd Speicher |Titel=Prinzip der Kostenerstattung (§ 13 SGB V) |Hrsg=Deutsche AIDS-Hilfe e. V. |Sammelwerk=„Gesundheitsreform“ 2004 |WerkErg=Reader |Band=FAX-Report zu HIV und AIDS |Nummer=01/2004 |Ort=Berlin |Datum=2004-02-27 |Seiten=11-12 |Online=https://www.aidshilfe.de/sites/default/files/documents/2004-Gesundheitsreform-klein.pdf |Format=PDF |Abruf=2024-03-11}}</ref><!-- KOMMENTAR zu Beginn des Quellen-Blocks beachten -->


Der Gesetzgeber versprach sich von der Einführung ein besseres Kostenbewusstsein und sparsameres Verhalten der Patienten. Die Ärzte und Psychotherapeuten erhofften für ihre Gruppe Bürokratieabbau und erleichterte Abrechnungen, denn beim Sachleistungsprinzip gelten unter anderem Beschränkungen und Richtgrößen für Verordnungen von Arzneien und [[Heilmittel]]n, die teilweise mit [[Regress (Recht)|Regressforderungen]] bewehrt sind. Für die Versicherten hingegen kann der Kostenerstattungsprozess dadurch aufwändiger sein, dass sie ihren Erstattungsanspruch bei zwei Abrechnungsstellen geltend machen müssen: der gesetzlichen Krankenkasse, sowie der Beihilfestelle oder privaten Krankenzusatzversicherung. Bei Wahltarifen zur erweiterten Kostenerstattung gilt dies jedoch nicht.
Der Gesetzgeber versprach sich von der Einführung ein besseres Kostenbewusstsein und sparsameres Verhalten der Patienten. Die Ärzte und Psychotherapeuten erhofften für ihre Gruppe Bürokratieabbau und erleichterte Abrechnungen, denn beim Sachleistungsprinzip gelten unter anderem Beschränkungen und Richtgrößen für Verordnungen von Arzneien und [[Heilmittel]]n, die teilweise mit [[Regress (Recht)|Regressforderungen]] bewehrt sind. Für die Versicherten hingegen kann der Kostenerstattungsprozess dadurch aufwändiger sein, dass sie ihren Erstattungsanspruch bei zwei Abrechnungsstellen geltend machen müssen: der gesetzlichen Krankenkasse, sowie der Beihilfestelle oder privaten Krankenzusatzversicherung. Die GKV-Wahltarife zur erweiterten Kostenerstattung, bei denen dies nicht gilt, wurden erst später eingeführt.


Kritiker befürchteten, dass Patienten von sinnvollen Arzt- und Psychotherapeutenbesuchen abgehalten, oder dass ihren auch sinnvolle Leistungen und Verordnungen vorenthalten würden. Der GKV-Spitzenverband erwartete einen vermehrten Verwaltungsaufwand für seine Mitgliedskassen.
Kritiker befürchteten, dass Patienten von sinnvollen Arzt- und Psychotherapeutenbesuchen abgehalten, oder dass ihren auch sinnvolle Leistungen und Verordnungen vorenthalten würden. Der GKV-Spitzenverband erwartete einen vermehrten Verwaltungsaufwand für seine Mitgliedskassen.

Version vom 11. März 2024, 13:30 Uhr

Kostenerstattung bedeutet in der deutschen Krankenversicherung, dass Versicherte die aufgrund eines Behandlungsvertrags erbrachten Leistungen zwar mit ihren Leistungserbringern (bspw. Ärzte, Apotheken, Krankenhäuser, Ergotherapeuten) selbst abrechnen, ihnen diese Kosten aber teilweise oder vollständig von ihrer Krankenversicherung erstattet werden.

Das Kostenerstattungsprinzip ist in der privaten Krankenversicherung (PKV) die Regel, bei vertragsärztlicher Behandlung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hingegen nur ein Wahlrecht der Versicherten. Dort gilt zunächst das Sachleistungsprinzip, wonach die Versicherten die Leistungen der Krankenkassen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen erhalten (§ 2 Abs. 2 S. 1 SGB V), und die Leistungserbringer direkt mit der jeweiligen Krankenkasse abrechnen. Wählt der gesetzlich Versicherte jedoch die Kostenerstattung, so gleicht der grundsätzliche Aufbau und Ablauf auch in der GKV dem der PKV.

Private Krankenversicherung

Die Erstattung der Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen gehört gem. § 192 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in Verbindung mit den Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung[1] zu den vertragstypischen Leistungen des Versicherers im Rahmen einer privaten Krankenversicherung. Der Bundesgerichtshofs (BGH) definiert in ständiger Rechtsprechung die Heilbehandlung als „jede ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung, Besserung oder auch Linderung der Krankheit abzielt“.[2][3] Keine Heilbehandlung liegt vor bei kosmetischen Verbesserungen, Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen.[2]

Die versicherte Person muss gegebenenfalls dem Versicherer darlegen und beweisen, dass es sich bei der Behandlung um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung gehandelt hat.[4] Von der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung ist im Allgemeinen dann auszugehen, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewandt worden ist, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken.[5] Steht diese Eignung nach medizinischen Erkenntnissen fest, steht grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers fest.[6][7]

Gesetzliche Krankenversicherung

Von allen Krankenkassen der GKV muss die gesetzliche Kostenerstattung angeboten werden (§ 13 Abs. 2 SGB V). Zusätzlich haben die einzelnen Krankenkassen die Möglichkeit, in ihrer Satzung einen Wahltarif zur erweiterten Kostenerstattung vorzusehen (§ 53 Abs. 4 SGB V). Darüber hinaus haben Versicherte Anspruch auf Kostenerstattung für Wahlarzneimittel (§ 13 Abs. 2 SGB V i. V. m. § 129 Abs. 1 SGB V). Schließlich besteht als Auffangleistung die Möglichkeit der Kostenerstattung bei Systemversagen (§ 13 Abs. 3 SGB V).

gesetzliche Kostenerstattung

Wählen Versicherte anstelle des Sachleistungsprinzips die gesetzliche Kostenerstattung, müssen sie dies ihrer Krankenkasse vorab mitteilen (§ 13 Abs. 2 S. 2 SGB V). Dabei können sie ihre Wahl auf folgende Leistungsbereiche einschränken (§ 13 Abs. 2 S. 4 SGB V):

  • ambulante ärztliche Versorgung (bspw. Haus- und Facharztbesuche, Blut- und Gewebeuntersuchungen)
  • ambulante zahnärztliche Versorgung (bspw. kieferorthopädische Behandlung, Zahnersatz)
  • stationärer Bereich (bspw. größere Operationen, Krankenhausaufenthalte)
  • veranlasste Leistungen (bspw. rezeptpflichtige Arzneimittel, Ergo- und Physiotherapie auf Rezept)

Im Anschluss sind die Versicherten ein Kalendervierteljahr an ihre Wahl gebunden (§ 13 Abs. 2 S. 12 SGB V); diese Bindung gilt sowohl für die Wahl der Kostenerstattung an sich, als auch für die hierbei gewählten Leistungsbereiche. Die Krankenkasse erstattet dann den Teil der Kosten, den sie bei Beibehaltung des Sachleistungsprinzips zu tragen gehabt hätte. Leistungen, die als Sachleistung nicht hätten erbracht werden dürfen, bleiben von der Erstattung ausgeschlossen.

Nachdem der Versicherte die gesetzliche Kostenerstattung gewählt hat, tritt er als Privatpatient auf und geht Behandlungsverträge mit den in der GKV zugelassenen Leistungserbringern ein. Diese stellen im Anschluss ihre Rechnung an den Versicherten. Der Versicherte begleicht die Rechnung in voller Höhe, und beantragt die Erstattung der Kosten bei seiner Krankenkasse. Die Rechnung muss in voller Höhe beglichen werden, unabhängig vom grundsätzlichen Erstattungsanspruch oder der tatsächlichen Erstattungshöhe. Um das finanzielle Risiko der geringen Erstattungshöhe — nicht jedoch das Risiko des grundsätzlichen Erstattungsanspruchs — zu vermindern, dürfen Krankenkassen Wahltarife zur erweiterten Kostenerstattung anbieten (siehe unten). Um das Risiko des grundsätzlichen Erstattungsanspruchs zu vermeiden, müssen die Versicherten selbst darauf achten, welche Leistungen sie in Anspruch nehmen. Da Leistungen, die nicht als Sachleistung hätten erbracht werden dürfen, stets von der Erstattung ausgeschlossen sind, gibt es insbesondere keine Erstattung für:

  • Leistungen von nicht zugelassene Leistungserbringern (bspw. von reinen Privatärzten oder von Psychotherapeuten ohne Kassensitz)
  • genehmigungspflichtige Leistungen, die ohne Genehmigung stattfanden (bspw. ungenehmigte Psychotherapie oder ungenehmigte Reha-Aufenthalte)
  • Leistungen, die gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V verstoßen haben (bspw. weil sie das Maß des Notwendigen überschritten hatten oder unwirtschaftlich waren)
  • Arzneimittel oder Leistungen, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) ausgeschlossen wurden

Die Krankenkasse muss über Leistungsanträge zur Kostenerstattung zügig entscheiden. Tut sie dies nicht, muss sie einen hinreichenden Grund dafür darlegen. Andernfalls gilt der Antrag nach Ablauf gesetzlicher Fristen als genehmigt (§ 13 Abs. 3a SGB V):[8] Im Regelfall gilt die Frist von drei Wochen ab Antragseingang. Die Frist beträgt fünf Wochen nach Antragseingang in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt wird. In Fällen, in denen bestimmte Gutachten des zahnärztlichen oder kieferorthopädischen Bereichs eingeholt werden, gilt eine Frist von sechs Wochen nach Antragseingang.

Die Rechnungen, die den Versicherten bei Kostenerstattung gestellt werden, folgen den Regeln der amtlichen Gebührenordnungen, die auch in der PKV gelten. Diese unterscheiden sich je nach Leistungsbereich: Im Bereich der ärztlichen Versorgung gilt die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Auch Psychotherapie, die gemäß der Gebührenordnung für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (GOP) berechnet wird, gehört diesem Leistungsbereich an. Für den Bereich der zahnärztlichen Versorgung ist die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) maßgeblich. Bei stationären Leistungen greifen die Fallpauschalen der German Diagnosis Related Groups (G-DRG). Die so in Rechnung gestellten Beträge überschreiten jene, welche die Kasse bei Anwendung des Sachleistungsprinzips zu tragen gehabt hätte, regelmäßig erheblich. Dies ist der Fall, weil beim Sachleistungsprinzip andere Gebührenordnungen zum Tragen kommen (bspw. der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) für ärztliche Leistungen, oder der Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen (BEMA)). Da der Erstattungsbetrag jedoch nicht höher sein darf, als die Kosten bei Sachleistung (außer in Wahltarifen zur erweiterten Kostenerstattung), und die Krankenkasse den Betrag zudem um bis zu 5 % für Verwaltungskosten reduziert (§ 13 Abs. 2 S. 10 SGB V), verbleiben hohe Eigenanteile für die Versicherten.

Wegen dieser hohen Eigenanteile ist die Wahl der gesetzlichen Kostenerstattung vor allem für Versicherte geeignet, die beihilfeberechtigt sind, oder über eine private Krankenzusatzversicherung für den gewählten Leistungsbereich verfügen (bspw. Zahnzusatzversicherung, ambulante Restkostenversicherung), oder die an einem Wahltarif zur erweiterten Kostenerstattung der GKV teilnehmen. Dieser Wahltarif wird im nächsten Abschnitt beschrieben.

erweiterte Kostenerstattung

Versicherte, welche die gesetzliche Kostenerstattung in Anspruch nehmen, können — sofern die Satzung ihrer Krankenkasse dies vorsieht — auch an der erweiterten Kostenerstattung nach § 53 Abs. 4 SGB V teilnehmen. Hierbei handelt es sich um einen Wahltarif, der den bei der gesetzlichen Kostenerstattung verbleibenden Eigenanteil stark reduziert. Von der Höhe des erstatteten Betrags abgesehen entsprechen die Grundsätze denen der gesetzlichen Kostenerstattung: die Leistungserbringer müssen zugelassen sein, Genehmigungspflichten und Wirtschaftlichkeitsgebot bleiben bestehen, und der Leistungskatalog wird nicht erweitert. Es erfolgt also weiterhin keine Erstattung für Leistungen, die nicht als Sachleistung hätten erbracht werden dürfen.[9]

Die Mehrkosten für diese höheren Erstattungsbeträge werden von den Teilnehmern am Wahltarif selbst getragen (§ 53 Abs. 9 SGB V), indem sie eine zusätzliche Prämie zahlen. Eine Querfinanzierung aus anderen Mitteln ist nicht zulässig; auch nicht die Querfinanzierung aus anderen Wahltarifen. Die Aufsichtsbehörden prüfen daher die versicherungstechnischen Annahmen und die Tragfähigkeit der Tarife. Die Krankenkassen legen ihnen dazu regelmäßig, mindestens alle drei Jahre, Rechenschaft ab. Die Mindestbindungsfrist für einen Wahltarif zur erweiterten Kostenerstattung beträgt ein Jahr (§ 53 Abs. 8 S. 1 SGB V). Mitglieder, deren Beiträge vollständig von Dritten getragen werden, können den Tarif nicht wählen (§ 53 Abs. 8 S. 6 SGB V). Wie in der GKV üblich findet keine Gesundheitsprüfung statt. Auch eine Unterscheidung nach dem Geschlecht gibt es nicht. Die Höhe der Prämie für den Wahltarif kann jedoch nach Alter gestaffelt sein. Wahltarife zur erweiterten Kostenerstattung sind seit dem 01.04.2007 möglich (Art. 1 Nr. 33 GKV-WSG).

Krankenkassen mit Wahltarif zur erweiterten Kostenerstattung

Die folgenden gesetzlichen Krankenkassen bieten aktuell (Stand: März 2024) Wahltarife zur erweiterten Kostenerstattung an:

  • Techniker Krankenkasse (TK): ein Tarif für die ambulante ärztliche Versorgung
  • Knappschaft: je ein Tarif für die ambulante ärztliche und die ambulante zahnärztliche Versorgung
  • Securvita BKK: ein Tarif für die ambulante ärztliche Versorgung

Da diese Tarife die nach den amtlichen Gebührenordnungen üblichen Steigerungfaktoren (bspw. den 2,3fachen Gebührensatz für eine Leistung von durchschnittlichem Aufwand, oder den 3,5fachen Gebührensatz für eine besonders aufwändige Leistung) berücksichtigen, übersteigen ihre Erstattungsbeträge im abgedeckten Leistungsbereich jene des Basistarifs der PKV deutlich. Art und Umfang der erstattungsfähigen Leistungen sind indes ungefähr vergleichbar (§ 152 Abs. 1 S. 1 VAG), sofern zugelassene Leistungserbringer (bspw. Vertragsärzte) in Anspruch genommen und etwaige Genehmigungspflichten (bspw. bei Psychotherapie) beachtet wurden.

Gegenüberstellung mit der PKV

Vielfaches der Gebührensätze (Steigerungsfaktoren nach Aufwand) üblicher PKV-Tarif:¹
durchschnittlich / maximal
übliche erweiterte Kostenerstattung der GKV:²
durchschnittlich / maximal
Basistarif der PKV:³
maximal
gesetzliche Kostenerstattung der GKV:⁴
maximal
Kapitel A, E, O GOÄ (medizinisch-technische Leistungen) 1,8 / 2,5 1,8 / 2,5 1,0

ungefähr mit dem Basistarif der PKV vergleichbar,
reduziert um max. 5 % für Verwaltungskosten

Kapitel M und Nr. 437 GOÄ (Laborleistungen) 1,15 / 1,3 1,15 / 1,3 0,9
alle übrigen Kapitel der GOÄ (persönliche ärztliche Leistungen) 2,3 / 3,5 2,3 / 3,5 1,2
zahnärztliche Leistungen nach GOZ 2,3 / 3,5 2,3 / 3,5 2,0
Erstattungsgrundsätze
  • nur Leistungskatalog der jeweiligen GKV
  • nur zugelassene Leistungserbringer
  • bestimmte Leistungen genehmigungspflichtig
  • i. d. R. nur für einzelne Leistungsbereiche
  • nur Leistungen des Pflichtkatalogs jeder GKV
  • auch reine Privatärzte & -therapeuten
  • i. d. R. keine Genehmigungspflichten
  • deckt alle Leistungsbereiche ab
  • nur Leistungskatalog der jeweiligen GKV
  • nur zugelassene Leistungserbringer
  • bestimmte Leistungen genehmigungspflichtig
  • für alle Leistungsbereiche wählbar

Fußnoten:
¹ Die genauen Tarifregeln sind in den jeweiligen Tarifbedingungen der PKV festgelegt. Die tatsächliche Erstattungshöhe kann, insbesondere durch Selbstbehalte, verringert sein. Hier wird ein üblicher, typischer PKV-Tarif dargestellt.
² Die genauen Tarifregeln sind in der jeweiligen Krankenkassen-Satzung festgelegt. Die tatsächliche Erstattungshöhe kann, insbesondere durch Verwaltungskosten und Selbstbehalte, verringert sind. Hier wird ein üblicher, typischer GKV-Wahltarif zur erweiterten Kostenerstattung dargestellt.
³ Gesetzlich festgelegt, unter anderem in § 75 Abs. 3b S. 1 SGB V i. .V. m. § 75 Abs. 3a S. 2 SGB V (Stand: März 2024).
⁴ Ergibt sich, da die Leistungen des Basistarifs „in Art, Umfang und Höhe jeweils“ mit den Pflichtleistungen der GKV vergleichbar sein müssen (§ 152 Abs. 1 S. 1 VAG); die Satzung der Krankenkasse darf Verwaltungskosten bis Höhe zur Höhe von 5 % vorsehen (§ 13 Abs. 2 S. 10 SGB V).

Kostenerstattung für Wahlarzneimittel

Versicherte haben bei jedem Bezug von Arzneimitteln das Recht, sich für ein Wahlarzneimittel zu entscheiden (§ 13 Abs. 2 SGB V i. V. m. § 129 Abs. 1 SGB V). Dabei sind medizinisch-pharmazeutisch begründete Vorschriften weiterhin einzuhalten, sodass insbesondere der Wirkstoff, die Dosis und Packungsgröße gleich bleiben müssen. Die Versicherten sind jedoch nicht mehr an Rabattverträge und ähnliche Vorschriften ihrer Kasse gebunden. Die Entscheidung für ein Wahlarzneimittel muss der Krankenkasse weder vorher angekündigt werden, noch löst sie eine Bindungsfrist aus; sie kann also grundsätzlich mit jedem einzelnen Rezept geändert werden. Die Kosten, die dem Versicherten dabei entstanden sind, werden von der Krankenkasse teilweise erstattet.

Bezieht der Versicherte ein Arzneimittel, so behält die Apotheke das originale Kassenrezept ein. Zur Vorlage bei der Krankenkasse erhält der Versicherte eine Kopie des Rezepts und eine Quittung über den gezahlten Betrag. Diesen Betrag erstattet die Krankenkasse daraufhin teilweise, nämlich reduziert um:

  • Verwaltungskosten (in der Regel 5%), und
  • gesetzlich vorgesehene Zuzahlungen, und
  • einen Abschlag für entgangene Vertragsrabatte, und
  • einen Abschlag für die Wahl eines Arzneimittels, das nicht zu den preisgünstigsten gehört

Der so ermittelte Erstattungsbetrag ist zudem begrenzt auf die Kosten, welche die Kasse beim Bezug des vorgesehenen Arzneimittels als Sachleistung zu tragen gehabt hätte. Die Höhe der Verwaltungskosten und Abschläge unterscheidet sich von Kasse zu Kasse und ist in deren Satzung festgelegt; die Verwaltungskosten dürfen 5% nicht überschreiten (§ 13 Abs. 2 S. 10 SGB V).

Eine Besonderheit ergibt sich, während die gesetzliche Kostenerstattung für den Leistungsbereich der veranlassten Leistungen (siehe oben) gewählt wurde: Dann können die Versicherten auch das vorgesehene Rabattvertragsarzneimittel nicht als Sachleistung, sondern nur gegen Kostenerstattung beziehen. Da sie dabei jedoch ohnehin ein Privatrezept verwenden, können auch diese Versicherten sich jeweils für Wahlarzneimittel entscheiden.

Kostenerstattung bei Systemversagen

In § 13 Abs. 3 SGB V heißt es: „Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 15 des Neunten Buches erstattet.“[10][11]

Nach Meinung des Ärzteblattes[12] ist diese Regelung besonders für psychisch Kranke wichtig, weil sie bedeute, dass „[…] psychisch Kranke, die vergeblich einen Therapieplatz bei einem im Kassenarztsystem zugelassenen Psychotherapeuten gesucht haben, auch approbierte Psychotherapeuten, die in privater Praxis ohne Zulassung arbeiten, aufsuchen [könnten].“ Auch die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) gab 2012 einen Ratgeber heraus, der psychisch Kranken helfen sollte auf diesem Wege einen geeigneten Therapieplatz zu finden.[13]

In den vergangenen zehn Jahren sind die Ausgaben für Kostenerstattungen für Psychotherapie nach § 13 Abs. 3 SGB V beinahe um das Achtfache gestiegen.[14] Allerdings sind sie absolut gesehen noch gering: Im Jahr 2012 betrugen sie 45 Mio. Euro bei einem Gesamtleistungsvolumen von etwa 1,5 Mrd. Euro für ambulante psychotherapeutische Leistungen.[15]

Kontroverse

In ihren verschiedensten denkbaren Formen wurde die Einführung der Kostenerstattung in der GKV seit den 1950er Jahren sozial- und gesundheitspolitisch, sowie gesellschaftlich diskutiert.[16][17][18] Diese Debatte dauerte auch bei ihrer schlussendlichen Einführung am 01.01.2004 (die durch Art. 1 Nr. 4 GMG erfolgte) noch an.[19][20][21]

Der Gesetzgeber versprach sich von der Einführung ein besseres Kostenbewusstsein und sparsameres Verhalten der Patienten. Die Ärzte und Psychotherapeuten erhofften für ihre Gruppe Bürokratieabbau und erleichterte Abrechnungen, denn beim Sachleistungsprinzip gelten unter anderem Beschränkungen und Richtgrößen für Verordnungen von Arzneien und Heilmitteln, die teilweise mit Regressforderungen bewehrt sind. Für die Versicherten hingegen kann der Kostenerstattungsprozess dadurch aufwändiger sein, dass sie ihren Erstattungsanspruch bei zwei Abrechnungsstellen geltend machen müssen: der gesetzlichen Krankenkasse, sowie der Beihilfestelle oder privaten Krankenzusatzversicherung. Die GKV-Wahltarife zur erweiterten Kostenerstattung, bei denen dies nicht gilt, wurden erst später eingeführt.

Kritiker befürchteten, dass Patienten von sinnvollen Arzt- und Psychotherapeutenbesuchen abgehalten, oder dass ihren auch sinnvolle Leistungen und Verordnungen vorenthalten würden. Der GKV-Spitzenverband erwartete einen vermehrten Verwaltungsaufwand für seine Mitgliedskassen.

In der Praxis wird diese Option bisher (Stand: 2018) nur von wenigen Versicherten gewählt.[22]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. § 1 Abs. 2 der Musterbedingungen 2009 für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK 2009) §§ 1-20 Stand: November 2022. Abgerufen am 30. August 2023.
  2. a b Vicki Irene Commer: § 17 Krankenversicherung / a) Heilbehandlung. Haufe.de, abgerufen am 30. August 2023.
  3. vgl. beispielsweise BGH, Urteil vom 29. März 2017 - IV ZR 533/15 Rz. 21.
  4. BGH, Urteil vom 29. Mai 1991 - IV ZR 151/90.
  5. vgl. BGHZ 99, 228, 233 f.
  6. BGH, Urteil vom 10. Juli 1996 - IV ZR 133/95, Rz. 18.
  7. zum Ganzen Christoph Jansen: Die Bestimmung des Leistungsumfangs der privaten Krankenversicherung: zum Begriff der „medizinischen Notwendigkeit“ von Heilbehandlungen. Versicherungsrecht 2022, S. 671–681.
  8. Jana Hauschild: Zoff über Kostenerstattung: Kassen schikanieren Psychotherapie-Patienten. Spiegel online, 13. April 2013
  9. Martin Stellpflug, Dagmar Felix: Zur Reichweite von Wahltarifen zur Kostenerstattung. Urt. v. 30.7.2019 – B 1 KR 34/18 R BSG. In: Institut für Medizinrecht, Universität zu Köln (Hrsg.): Medizinrecht. Band 38, Nr. 5. C.H. Beck, 1. Mai 2020, ISSN 1433-8629, S. 406–411, doi:10.1007/s00350-020-5548-5.
  10. Heinfried Tintner: § 13 Kostenerstattung / 2.3.2 Unmöglichkeit der rechtzeitigen Leistungsgewährung (Abs. 3 Satz 1 1. Alt.) Rz. 33–35. haufe.de, abgerufen am 17. Februar 2019
  11. Tim C. Werner: Der Kostenerstattungsanspruch des § 13, Absatz 3, Satz 1, 2. Alternative SGB V ohne Jahr, abgerufen am 17. Februar 2019
  12. Petra Bühring: Interview mit Felix Jansen, Psychologischer Psychotherapeut: „Die Kostenerstattung bietet definitiv mehr Freiheiten“ Deutsches Ärzteblatt, September 2013
  13. Kostenerstattung. (Memento des Originals vom 2. Juni 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bptk.de Patientenbroschüre der Bundespsychotherapeutenkammer, 2012 (PDF)
  14. Newsletter der Bundespsychotherapeutenkammer, Ausgabe 4, Dezember 2013 (PDF (Memento des Originals vom 23. September 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bptk.de)
  15. Deutscher Bundestag Drucksache 18/2140: Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, 17. Juli 2014 (PDF)
  16. Walter Bogs: Zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere der kassenärztlichen Versorgung. In: Sozialer Fortschritt. Band 8, Nr. 4, 1959, ISSN 0038-609X, S. 77–81, JSTOR:24499895.
  17. Thomas Ruf: Plädoyer für die Kostenerstattung: Unvermeidlicher Systemwechsel in der gesetzlichen Krankenversicherung. In: Arbeit und Sozialpolitik. Band 20, Nr. 7/8, 1966, ISSN 0340-8434, S. 183–186, JSTOR:26880714.
  18. Joseph Scholmer: Reformprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung. In: Patient und Profitmedizin: Das Gesundheitswesen in der Bundesrepublik zwischen Krise und Reform. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 1973, ISBN 978-3-322-86043-9, S. 33–43, doi:10.1007/978-3-322-86043-9_3.
  19. Erich Schubert: Meine fünf wichtigsten IGEL. In: Fortschritte der praktischen Dermatologie und Venerologie (= Fortschritte der praktischen Dermatologie und Venerologie). Springer, Berlin, Heidelberg 2003, ISBN 978-3-642-55661-6, S. 129–130, doi:10.1007/978-3-642-55661-6_23 (springer.com [abgerufen am 11. März 2024]).
  20. Manfred Zach: Die Gesundheitsreform 2004 im vorparlamentarischen Beratungsverfahren zwischen Bund und Ländern. In: MedR Medizinrecht. Band 22, Nr. 4, 1. April 2004, ISSN 0723-8886, S. 206–210, doi:10.1007/s00350-004-1154-1 (springer.com [abgerufen am 11. März 2024]).
  21. Gerd Speicher: Prinzip der Kostenerstattung (§ 13 SGB V). In: Deutsche AIDS-Hilfe e. V. (Hrsg.): „Gesundheitsreform“ 2004. Reader. FAX-Report zu HIV und AIDS, Nr. 01/2004. Berlin 27. Februar 2004, S. 11–12 (aidshilfe.de [PDF; abgerufen am 11. März 2024]).
  22. Sachstand: Wahl der Kostenerstattung durch Versicherte in der Gesetzlichen Krankenversicherung nach § 13 Absatz 2 SGB V. In: WD 9 -3000 -073/18. Wissenschaftliche Dienste, Deutscher Bundestag, 2018, abgerufen am 12. Juli 2019. S. 7.