„Transformationsökonomie“ – Versionsunterschied

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Die Aufgabe einer vormaligen Beschäftigungsgarantie und die Deregulierung der Arbeitsmärkte führte dazu, dass die in vielen Planwirtschaften bestehende verdeckte Unterbeschäftigung in offene Arbeitslosigkeit umschlug. Dies machte die Einführung marktkompatibler arbeitsmarktpolitischer Instrumente, z. B. Arbeitslosenversicherung, Arbeitsvermittlung, erforderlich.
Die Aufgabe einer vormaligen Beschäftigungsgarantie und die Deregulierung der Arbeitsmärkte führte dazu, dass die in vielen Planwirtschaften bestehende verdeckte Unterbeschäftigung in offene Arbeitslosigkeit umschlug. Dies machte die Einführung marktkompatibler arbeitsmarktpolitischer Instrumente, z. B. Arbeitslosenversicherung, Arbeitsvermittlung, erforderlich.

=== Das Beispiel des Transformationsprozesses in Ostdeutschland: Austausch der alten Nomenklatura ===
: ''Hauptartikel: [[Aufbau Ost]]''

Im Vergleich zu anderen Transformationsökonomien wurde die Marktwirtschaft in [[Ostdeutschland]] besonders [[Aufbau_Ost#Zeitraum|rasch]] eingeführt. Während die osteuropäischen Länder eine Übergangs- und Experimentierphase in Form der [[Schattenwirtschaft]] erlebten, herrschte in Deutschland eine politische Zielsetzung vor, die die Angleichung an westdeutsche Standards und eine umfassende Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe ohne Rücksicht auf die alten ökonomischen [[Elite]]n voran trieb. Diese verschärften [[Modernisierung]]s- und [[Wettbewerb]]sbedingungen führten jedoch nicht zu der erhofften Strukturangleichung. Im Nachhinein wird deutlich, dass die ostdeutsche Wirtschaft im Vergleich zu anderen Transformationsökonomien weder schneller noch besser in Gang gekommen ist, sondern nachhaltig von einer Industriekrise betroffen ist.<ref>{{Literatur | Autor=Markus Pohlmann | Titel=[http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/8504/ Ökonomische Eliten in Ostdeutschland] | Herausgeber=[[Hans-Joachim Veen]] | Sammelwerk=Alte Eliten in jungen Demokratien? Wechsel, Wandel und Kontinuität in Mittel- und Osteuropa | Verlag=Böhlau | Ort=Köln | Jahr=2004 | Seiten=93 | ISBN=978-3-531-15393-3}}</ref>


==Soziale und politische Probleme als Folgen der wirtschaftlichen Transformation==
==Soziale und politische Probleme als Folgen der wirtschaftlichen Transformation==

Version vom 3. September 2009, 13:27 Uhr

Als Transformationsökonomie bezeichnet man die Volkswirtschaften von Ländern, die sich im Übergang von einer Zentralverwaltungswirtschaft zu einem marktwirtschaftlichen System befinden. Zu unterscheiden ist, ob mit dem wirtschaftlichen Transformationsprozess auch eine politische Transformation, d. h. ein Übergang von einem totalitären bzw. autoritären zu einem demokratischen System einhergeht, oder ob das politische System (nahezu) unverändert bleibt.

Merkmale von Transformationsökonomien

Seit der politischen Wende im ehemaligen Einflussbereich der Sowjetunion und der Auflösung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) sind die Staaten des östlichen Mitteleuropas sowie des östlichen und südöstlichen Europas, aber auch viele Staaten in Südostasien mit unterschiedlich ausgeprägtem Reformwillen bestrebt, die sozialistische Planwirtschaft zu überwinden und marktwirtschaftliche Strukturen aufzubauen. Einige europäische Staaten haben den Transformationsprozess inzwischen weitgehend erfolgreich durchlaufen. Sichtbares Zeichen dafür war ihr Beitritt zur Europäischen Union 2004 bzw. 2007.

Gemessen an der Wirtschaftskraft, ihrem Volkseinkommen und ihrer infrastrukturellen Entwicklung sind diese Staaten heute vergleichbar mit fortgeschrittenen Entwicklungsländern und demzufolge als Schwellenländer zu klassifizieren. Andere Staaten, wie z. B. Slowenien, sind inzwischen mit den Industriestaaten West- und Südeuropas vergleichbar.

Trotz ähnlicher Indikatoren hinsichtlich der Wirtschaftskraft und Infrastrukturausstattung unterscheiden sich die Transformationsländer dennoch erheblich von den Schwellenländern, weshalb sie meist gesondert ausgewiesen werden. In der Regel weisen sie im Vergleich zu den asiatischen und lateinamerikanischen Schwellenländern ein deutlich höheres Niveau bei verschiedenen Sozialindikatoren auf (z. B. Bildung, Gesundheitsversorgung). Ein grundlegender Unterschied besteht darüber hinaus in den Ursachen und im Verlauf des Industrialisierungsprozesses. Nicht der Industrialisierungsprozess an sich steht im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Modernisierung der industriellen Strukturen. Der Industrialisierungsgrad dieser Staaten entsprach zu Beginn der Transformation dem der westlichen Industrienationen, teilweise übertraf er ihn sogar. Die Transformation setzte zunächst mit einem dramatischen ökonomischen und in der Folge auch sozialen „Transformationsschock“ ein.

Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch gab es für einige Staaten weitere Rückschläge, so dass sich vor allem in ökonomischer Sicht Indikatoren für echte Entwicklungsländer ergeben. Oftmals hängt das auch mit einem politisch begründeten Reformunwillen (Weißrussland, bis 2005 auch die Ukraine) zusammen. Ebenfalls als echte Entwicklungsländer sind die zentralasiatischen und transkaukasischen GUS-Staaten einzustufen, z. B. Aserbaidschan und Usbekistan.

Bei einigen vormals planwirtschaftlich organisierten Entwicklungsländern fallen Transformationsprozess und Industrialisierung zusammen, so dass sie durch den Transformationsprozess zu Schwellenländern werden; dies gilt für die (ehemals) kommunistischen Staaten Südostasiens, v.a. für Vietnam, zukünftig möglicherweise auch für Laos und Kambodscha (siehe auch Fluggänsemodell).

Wirtschaftliche Transformationsprobleme

Preisliberalisierung

In Plan- bzw. Zentralverwaltungswirtschaften werden bzw. wurden Preise vielfach durch politisch motivierte Entscheidungen festgesetzt, z. B. die äußerst niedrigen Preise für Wohnraum und Grundnahrungsmittel. Um den marktwirtschaftlichen Prozess der Preisbildung in Gang zu setzen, werden im Zuge des Transformationsprozesses Preisbindungen aufgehoben; da es sich bei den festgesetzten Preisen i. d. R. um Preise unterhalb des Markträumungsniveaus handelte, führte die Preisliberalisierung meist zu einem deutlichen Preisanstieg. In der Anfangsphase des Transformationsprozesses führte dies in vielen Ländern zu Hyperinflation mit Inflationsraten von z. T. mehreren hundert Prozent, z. B.:

  • in Polen: 585 % (1990)
  • in Bulgarien: 334 % (1991)
  • in Rumänien: 210 % (1992)

Wirtschaftliche Dezentralisierung

Damit Unternehmen ihre Entscheidungen am Markt und an erzielbaren Gewinnen orientieren können, müssen sie von Planvorgaben befreit und ihre wirtschaftliche Autonomie gestärkt werden.

Stabilisierung

Neben der Inflation infolge der Preisliberalisierung sorgten auch Währungssubstitution und der Verfall des Außenwertes der Währungen vieler Transformationsländer für geld- und währungspolitische Ungleichgewichte, denen durch Maßnahmen wie die Errichtung einer unabhängigen Zentralbank oder eines Currency board begegnet wurde.

Ein weiteres Stabilitätsproblem stellte die rapide steigende Staatsverschuldung dar, weil gleichzeitig Steuereinnahmen wegbrachen und die sozialen Transformationsprobleme zu erhöhten Staatsausgaben führten.

Privatisierung

Um einen marktgesteuerten wettbewerblichen Allokationsprozess in Gang zu setzen, wurden staatliche Monopole aufgebrochen und Unternehmensneugründungen zugelassen bzw. gefördert. Die meisten staatlichen Unternehmen wurden privatisiert, wobei unterschiedliche Formen der Privatisierung zur Anwendung kamen:

  • der Verkauf an (meist ausländische) Investoren
  • die Ausgabe von Anteilsscheinen an die Bevölkerung („Coupon-Privatisierung“), z. B. in größerem Umfang in der Tschechischen Republik
  • der Verkauf an vormalige Manager

Außenwirtschaftliche Liberalisierung

Neben einer Liberalisierung des Außenhandels, z. B. der Abschaffung eines staatlichen Außenhandelsmonopols, wurde auch der Kapitalverkehr erleichtert, indem Kapitalverkehrskontrollen abgeschafft, eine konvertible Währung eingeführt und Direktinvestitionen zugelassen wurden.

Deregulierung und Wettbewerbspolitik

Neben festgelegten Preisen und Planvorgaben behinderten eine Vielzahl von Vorschriften die Entstehung von Märkten für Güter, Dienstleistungen, Arbeit und Kapital; zugleich fehlte jedoch ein wettbewerbspolitisches Instrumentarium, um die erneute Entstehung von Monopolen zu verhindern.

Die Aufgabe einer vormaligen Beschäftigungsgarantie und die Deregulierung der Arbeitsmärkte führte dazu, dass die in vielen Planwirtschaften bestehende verdeckte Unterbeschäftigung in offene Arbeitslosigkeit umschlug. Dies machte die Einführung marktkompatibler arbeitsmarktpolitischer Instrumente, z. B. Arbeitslosenversicherung, Arbeitsvermittlung, erforderlich.

Das Beispiel des Transformationsprozesses in Ostdeutschland: Austausch der alten Nomenklatura

Hauptartikel: Aufbau Ost

Im Vergleich zu anderen Transformationsökonomien wurde die Marktwirtschaft in Ostdeutschland besonders rasch eingeführt. Während die osteuropäischen Länder eine Übergangs- und Experimentierphase in Form der Schattenwirtschaft erlebten, herrschte in Deutschland eine politische Zielsetzung vor, die die Angleichung an westdeutsche Standards und eine umfassende Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe ohne Rücksicht auf die alten ökonomischen Eliten voran trieb. Diese verschärften Modernisierungs- und Wettbewerbsbedingungen führten jedoch nicht zu der erhofften Strukturangleichung. Im Nachhinein wird deutlich, dass die ostdeutsche Wirtschaft im Vergleich zu anderen Transformationsökonomien weder schneller noch besser in Gang gekommen ist, sondern nachhaltig von einer Industriekrise betroffen ist.[1]

Soziale und politische Probleme als Folgen der wirtschaftlichen Transformation

Der Beginn der Transformationsphase war in den meisten Transformationsländern von einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit sowie, als Folgen der Inflation, der Entwertung der Ersparnisse und deutlichen Realeinkommenseinbußen begleitet. Diese können teilweise, aber nicht vollständig, auf bestehende Fehlentwicklungen der Zentralverwaltungswirtschaft zurückgeführt werden.

Im weiteren Verlauf des Transformationsprozesses nahmen die Einkommensunterschiede zwischen „Gewinnern“ und „Verlierern“ der Transformation stark zu. Das Gefühl, auch über einen längeren Zeitraum nicht von den Reformanstrengungen zu profitieren, führte bei Teilen der Bevölkerung zu Widerstand gegenüber den marktwirtschaftlichen Reformen. Dieser schlug sich teils in Wahlsiegen postkommunistischer Parteien, teils in Erfolgen rechtspopulistischer Politiker nieder.

Literatur

  • Benz, Benjamin/Boeckh, Jürgen/Huster, Ernst-Ulrich (2000): Sozialraum Europa. Ökonomische und politische Transformation in Ost und West, Opladen: Leske+Budrich (=Analysen. Politik – Gesellschaft – Wirtschaft, Bd. 72)
  • Randzio-Plath, Christa/Friedmann, Bernhard (1994): Unternehmen Osteuropa – eine Herausforderung für die Europäische Gemeinschaft. Zur Notwendigkeit einer EG-Ostpolitik, Baden-Baden: Nomos.
  • Welfens, Paul J.J. (1995): Grundlagen der Wirtschaftspolitik, Heidelberg: Springer.
  • Welfens, Paul J.J. (1995): Die Europäische Union und die mittelosteuropäischen Länder. Entwicklungen, Probleme, politische Optionen, Köln: BIOst.

Siehe auch

  1. Markus Pohlmann: Ökonomische Eliten in Ostdeutschland. In: Hans-Joachim Veen (Hrsg.): Alte Eliten in jungen Demokratien? Wechsel, Wandel und Kontinuität in Mittel- und Osteuropa. Böhlau, Köln 2004, ISBN 978-3-531-15393-3, S. 93.