0,10

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Blick auf 21 der insgesamt 39 gezeigten Werke von Kasimir Malewitsch.

Die letzte futuristische Ausstellung der Malerei 0,10 (Null–Zehn) (russisch Последняя футуристическая выставка картин 0,10 (ноль–десять) Poslednjaja futuristitzeskaja wystawka kartin 0,10 (nol–desjat)) war eine Kunstausstellung, die vom 19. Dezember 1915 bis zum 19. Januar 1916 im Chudoschestwennoje bjuro (deutsch Kunst-Büro) von Nadeschda Dobytschina in Petrograd stattfand.[1] Die Ausstellung gilt, besonders wegen der präsentierten suprematistischen Werke von Kasimir Malewitsch (darunter das Schwarze Quadrat) und den Konter- und Eck-Reliefs Wladimir Tatlins, als eine der wichtigsten Kunstausstellungen der Moderne. In der Ausstellung waren jedoch insgesamt vierzehn Künstler vertreten, darunter sieben Frauen, von denen einige zu den bedeutendsten Künstlerinnen der russischen Avantgarde und Moderne überhaupt gezählt werden.[1] Die Ausstellung bot ein sehr heterogenes Bild der Avantgarde im Jahr 1915, was die spätere Rezeption, die sich im Wesentlichen auf Malewitsch und Tatlin konzentrierte, überwiegend vernachlässigte.[1]

In der zeitgenössischen, überwiegend bürgerlichen und konservativen Kunstkritik wurde die Ausstellung weitestgehend negativ rezensiert.[1]

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im März 1915 wurde die Ausstellung Die erste futuristische Ausstellung der Malerei Tramwaj W in Petrograd eröffnet. In dieser Ausstellung zeigten insgesamt zehn Künstler ihre Werke. Alle Künstler, bis auf Alexandra Exter und Alexei Morgunow, stellten auch auf der 0,10 aus. Es ist davon auszugehen, dass ursprünglich alle zehn Künstler wieder ausstellen sollten, wovon auch der Ausstellungsname abgeleitet sein soll: Null-Zehn. Neben den Künstlern der Tramwaj W (Xenia Boguslawskaja, Iwan Kljun, Kasimir Malewitsch, Ljubow Popowa, Iwan Puni, Olga Rosanowa, Wladimir Tatlin und Nadeschda Udalzowa), kamen sechs weitere hinzu: Natan Altman, Wassili Kamenski, Anna Kirillowa, Michail Menkow, Wera Pestel und Marie Vassilieff.[2]

Rosanowa, Boguslawskaja und Malewitsch auf der 0,10 vor Gemälden von Malewitsch

Künstler[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Katalog der Ausstellung verzeichnet 154 Exponate, insgesamt wurden jedoch etwas mehr ausgestellt. Einerseits fasste Tatlin mehrere Werke unter einer Nummer zusammen, andererseits sind mindestens zwei Werke mehr ausgestellt worden, wie handschriftlich in einem Exemplar des Ausstellungskataloges festgehalten wurde. Die ausgestellten Werke waren überwiegend erst kurz zuvor angefertigt worden, einige ältere Werke (jedoch nicht älter als ein bis zwei Jahre) wurden jedoch auch gezeigt. Neben der Rivalität von Kasimir Malewitsch und seinen Anhängern und Tatlin und seinen Anhängern bestand auch eine gewisse, fast traditionelle, Rivalität zwischen der Petrograder und Moskauer Avantgarde. Der Charakter der Ausstellungen wurde jedoch stärker durch die Moskauer Avantgarde bestimmt.[2]

In der ersten Etage fand die Ausstellung statt.

Organisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ausstellung wurde durch das Ehepaar Iwan Puni und Xenia Boguslawskaja finanziert, die bereits die Tramwaj W finanzierten. Die Ausstellung fand in der Galerie von Nadeschda Dobytschina statt. Diese befand sich im ersten Stock eines großen, von Domenico Adamini entworfenen und 1824 erbauten Gebäude (Lage des Gebäudes). Insgesamt wurden sechs der zehn Räume für die Galerie genutzt. Die Ausstellung 0,10 befand sich jedoch nur in mindestens drei und maximal fünf Räumen der Galerie.[2]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während die Ausstellung Tramwaj W im März 1915 insbesondere kubofuturistischen Werke zeigte, sowie Reliefs von Tatlin und Kljun und alogische Bilder von Malewitsch, vollzog sich in 0,10 ein weiterer Schritt in der Kunstgeschichte. Tatlin zeigte hier erstmals Konterreliefs, also solche, die sich über die Ecke eines Raumes erstrecken, und Malewitsch zeigte hier erstmals seine suprematistischen Arbeiten.[2]

Nachfolgend eine Tabelle der gezeigten Werke, die heute noch identifiziert werden können. Die Titel folgen dem Katalog, die Jahresangabe bezeichnet das Herstellungsdatum. Diese sind nicht dem Katalog entnommen, da er keine Angaben dazu enthält, sondern dem aktuellen Stand der Kunstwissenschaft. In eckigen Klammern sind die für das Werk üblichen Titel angegeben, wenn diese von dem Katalogtitel abweichen.

Details zu den Werken
Katalog-Nummer Künstler Titel Jahr Material Aufbewahrungsort Abbildung
15 Wassili Kamenski [Porträt Nikolai Jewreinow] 1915 unbekannt verschollen
22 Iwan Kljun Kopf

[Kopf eines Sägers]

1915 Öl auf Leinwand Regionales Kunstmuseum Kowalenko
23 Iwan Kljun Vorüberziehende Landschaft 1915 Holz, Metall, Porzellan und Öl Staatliche Tretjakow-Galerie
24 Iwan Kljun Kubistin bei der Toilette 1915 unbekannt verschollen
39 Kasimir Malewitsch Viereck

[Schwarzes Quadrat]

1915 Öl auf Leinwand Staatliche Tretjakow-Galerie
40 Kasimir Malewitsch Malerischer Realismus eines Fußballspielers – Farbige Massen in der 4. Dimension 1915 Öl auf Leinwand Art Institute of Chicago
41 Kasimir Malewitsch Malerischer Realismus eines Knaben mit Tornister – Farbige Massen in der 4. Dimension 1915 Öl auf Leinwand Museum of Modern Art
43 Kasimir Malewitsch Malerischer Realismus einer Bäuerin in 2 Dimensionen 1915 Öl auf Leinwand Staatliches Russisches Museum
44 Kasimir Malewitsch Selbstporträt in zwei Dimensionen 1915 Öl auf Leinwand Stedelijk Museum
45 Kasimir Malewitsch Automobil und Dame – Farbige Massen in der 4. Dimension 1915 Öl auf Leinwand verschollen
46 Kasimir Malewitsch Dame – Farbige Massen in der 4. und 2. Dimension 1915 Öl auf Leinwand Staatliches Russisches Museum
47 Kasimir Malewitsch Malerischer Realismus von farbigen Massen in 2 Dimensionen 1915 Öl auf Leinwand verschollen
50 Kasimir Malewitsch Malerische Massen in Bewegung 1915 Öl auf Leinwand verschollen
52 Kasimir Malewitsch Malerische Massen in Bewegung 1915 Öl auf Leinwand verschollen
54 Kasimir Malewitsch Malerische Massen in Bewegung 1915 Öl auf Leinwand Stedelijk Museum
55 Kasimir Malewitsch Malerische Massen in Bewegung 1915 Öl auf Leinwand Stedelijk Museum
56 Kasimir Malewitsch Malerische Massen in Bewegung 1915 Öl auf Leinwand verschollen
65 Kasimir Malewitsch Malerische Massen in der 2. Dimension im Ruhezustand 1915 Öl auf Leinwand verschollen
67 Kasimir Malewitsch Malerische Massen in der 2. Dimension im Ruhezustand

[Schwarzes Kreuz]

1915 Öl auf Leinwand Musée National d’Art Moderne
82 Vera Pestel Dame mit Buch 1915 Öl und Zeitungspapier auf Leinwand Staatliches Museum für Zeitgenössische Kunst
85 Vera Pestel Tablett und Kanne

[Stilleben mit Tablett und Kanne]

1915 Öl auf Leinwand Kunstmuseum Nischni Tagil
86 Ljubow Popowa Porträt

[Porträt eines Philosophen]

1915 Öl auf Leinwand Staatliches Russisches Museum
87 Ljubow Popowa Zeichnung für ein Porträt 1915 Gouache auf Karton Staatliche Tretjakow-Galerie
89 Ljubow Popowa Stilleben 1915 Öl auf Leinwand Staatliches Museum Nischni Nowgorod
93 Ljubow Popowa Gegenstände 1915 Öl auf Leinwand Staatliches Russisches Museum
95 Ljubow Popowa Porträt einer Dame 1915 Öl auf Karton auf Holz Museum Ludwig
96 Ljubow Popowa Krug auf einem Tisch 1915 Öl auf Karton auf Holz Staatliche Tretjakow-Galerie
98 Iwan Puni Friseursalon 1915 Öl auf Leinwand Musée National d’Art Moderne
105 Iwan Puni Fensterputzen 1915 Öl auf Leinwand Iwan Puni Archiv
111 Iwan Puni Malerische Skulptur

[Weiße Kugel]

1915 bemalter Gips und Holz Musée National d’Art Moderne
112 Iwan Puni Malerische Skulptur

[Komposition]

1915 Holz, Karton, Eisen und Öl auf Holu Musée National d’Art Moderne
113 Iwan Puni Malerische Skulptur

[Komposition]

1915 Holz, Zinn, Karton und Gouache auf Holz Musée National d’Art Moderne
114 Iwan Puni Malerische Skulptur

[Komposition]

1915 Aluminium, Rhodoid und Öl auf Holz Musée National d’Art Moderne
117 Iwan Puni Malerei

[Suprematistische Komposition]

1915 Öl auf Leinwand Iwan Puni Archiv
118 Iwan Puni Malerei

[Suprematistische Komposition]

1915 Öl auf Leinwand Stedelijk Museum
119 Iwan Puni Malerei

[Bäder]

1915 Öl auf Leinwand Iwan Puni Archiv
120 Iwan Puni Malerei

[Relief]

1915 Holz und Öl auf Leinwand Musée National d’Art Moderne
121 Olga Rosanowa Automobil 1915 unbekannt verschollen
122 Olga Rosanowa Radfahrer (Gehweg des Teufels) 1915 unbekannt verschollen
123 Olga Rosanowa Straße

[Kino „Moderne“ (Auf der Straße)]

1915 Öl auf Leinwand Museum- und Ausstellungszentrum Slobodskoi
124 Olga Rosanowa Metronom[3] 1915 Öl auf Leinwand Staatliche Tretjakow-Galerie
125 Olga Rosanowa Geschirrschrank 1915 Öl auf Leinwand Staatliche Tretjakow-Galerie
126 Olga Rosanowa Nähkästchen 1915 Öl auf Leinwand Staatliche Tretjakow-Galerie
128 Olga Rosanowa *** [Schreibtisch] 1915 Öl auf Leinwand Staatliches Russisches Museum
132 – a Wladimir Tatlin [Eck-Konterrelief] 1915 Blech, Kupfer, Holz, Seil und Befestigungselemente Staatliches Russisches Museum
133 – b Wladimir Tatlin [Eck-Konterrelief] 1915 Blech, Aluminium, Öl, Levkas, Draht und Befestigungselemente verschollen
145 Nadeschda Udalzowa Musik

[Am Piano]

1915 Öl auf Leinwand Yale University Art Gallery
146 Nadeschda Udalzowa Küche 1915 Öl auf Leinwand Kunstmuseum Jekaterinburg
147 Nadeschda Udalzowa Kompliziertes Gambit

[Kubistische Komposition]

1915 Öl auf Leinwand Staatliches Russisches Museum
148 Nadeschda Udalzowa Hammer und Becher 1915 Öl auf Leinwand Dagestan Kunstmuseum
149 Nadeschda Udalzowa Flasche und Weinglas 1915 Öl auf Leinwand Staatliche Tretjakow-Galerie
150 Nadeschda Udalzowa Mein Abbild

[Selbstporträt mit Palette]

1915 Öl auf Leinwand Staatliche Tretjakow-Galerie
151 Nadeschda Udalzowa Blauer Krug 1915 Öl auf Leinwand Staatliche Tretjakow-Galerie
152 Nadeschda Udalzowa Gelber Krug 1914/15 Blech, Kupfer, Holz, Seil und Befestigungselemente Staatliches Museum für Zeitgenössische Kunst

Dokumente[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Umschlag des Ausstellungskataloges

Von der Ausstellung sind insgesamt sechs Installationsfotographien bekannt. Ansonsten sind mehrere Plakate angefertigt und erhalten worden, sowie ein Ausstellungskatalog, zwei Flugblätter, ein Heft von Malewitsch und eines über Tatlin.

  • Poslednjaja futuristitzeskaja bystawka kartin 0,10 (nol–desjat). Katalog. (russisch Последняя футуристическая выставка картин 0,10 (ноль–десять). Каталог.) Petrograd, 1915.
  • [Manifest, unterzeichnet von Iwan Puni und Xenia Boguslawskaja], [Petrograd Dezember 1915].
  • [Manifest, unterzeichnet von Kasimir Malewitsch, Iwan Kljun und Michail Menkow], [Petrograd Dezember 1915]
  • Nadeschda Udalzowa: Wladimir Jewgrafowitsch Tatlin. (russisch Владимир Евграфович Татлин). Petrograd 1915.
  • Kasimir Malewitsch: Ot kubisma k suprematismu. Nowyi schivopisnyi realism. (russisch От кубизма к супрематизму. Новый живописный реализм). Petrograd Dezember 1915 (1. Auflage), Januar 1916 (2. Auflage).

Alle herausgegebenen Dokumente sind in Auf der Suche nach 0,10 – Die letzte futuristische Ausstellung der Malerei. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2015, ISBN 978-3-7757-4032-6. nachgedruckt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Auf der Suche nach 0,10 – Die letzte futuristische Ausstellung der Malerei. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2015, ISBN 978-3-7757-4032-6.
  • Linda S. Boersma: 0,10. The Last Futurist Exhibition of Painting. 010 Publishers, 1994, ISBN 90-6450-135-1.
  • Jane A. Sharp: Malewitsch, Benois und die kritische Rezeption der Ausstellung 0.10. In: Die große Utopie. Die russische Avantgarde 1915–1932. Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main 1992, S. 32–45.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Auf der Suche nach 0,10. Die letzte futuristische Ausstellung der Malerei. Hatje Cantz, Ostfildern 2015, ISBN 978-3-7757-4032-6, S. 15.
  2. a b c d Auf der Suche nach 0,10. Die letzte futuristische Ausstellung der Malerei. Hatje Cantz, Ostfildern 2015, ISBN 978-3-7757-4032-6, S. 43–45.
  3. im Ausstellungskatalog kam es zu einem Druckfehler, dort ist das Gemälde fälschlicherweise als Metropole benannt.