Alexander Pawlowitsch (Ingenieur)

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Alexander Pawlowitsch (eigentlicher Name Alex Pawlowitsch) (* 20. März 1915 in Motrunki, Russisches Kaiserreich, heute Ukraine; † 24. Januar 1988 in Dresden) war ein deutscher Maschinenbauingenieur und Hochschullehrer für Strahltriebwerke, Thermodynamik und Technische Thermodynamik.

Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pawlowitsch legte 1933 am Staatlichen Humanistischen Gymnasium „Stanisław Konarski“ in Dubno die Reifeprüfung ab. Anschließend studierte er Maschinenbau am Polytechnikum Warschau und am Polytechnikum Lemberg. 1940 setze er das Studium an der Deutschen Technischen Hochschule in Prag fort, wo er 1941 den Abschluss als Diplom-Ingenieur erlangte.[1][2]

Nach dem Studium wurde er in der Flugmotorenindustrie eingesetzt und arbeitete 1941 als Ingenieur im Zweigwerk Basdorf[3] der BMW-Flugmotorenwerke Brandenburg. 1943 wurde ihm die Leitung der Montageabteilung für BMW-Strahlturbinen in den in Zühlsdorf neu errichteten Entwicklungswerkstätten für Strahltriebwerke[4] übertragen.[1][2] Er beteiligte sich dort bis zum Kriegsende an der Weiterentwicklung des Triebwerks BMW 003.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Pawlowitsch bis 1946 als Planungsingenieur und Assistent des Technischen Leiters im BMW-Automobilwerk Eisenach bei der Einrichtung des zerstörten Werkes tätig und unterstützte dabei die Wiederaufnahme der Pkw-Nachkriegsproduktionen BMW 321/2 und BMW326/2,[1] was erst mit dem SMAD-Befehl Nr. 93/45 vom 13. Oktober 1945 realisiert werden konnte.[5][6]

1946 wurde er von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) im BMW-Entwicklungswerkes Unseburg bei Staßfurt, das unter sowjetischer Aufsicht stand, eingesetzt und war dort stellvertretender kaufmännischer Direktor.[2] Das Werk gehörte als OKB-2 (russisch ОКБ, Abkürzung für Опытно-конструкторское бюро Opytno-konstruktorskoje bjuro „Experimental-Konstruktionsbüro“) zu den besonderen technischen Büros, die unter sowjetischer Aufsicht standen. Im Rahmen der Aktion Ossawakim wurde Pawlowitsch am 22. Oktober 1946 als einer der Wissenschaftler und Spezialisten für Flugzeugtechnik wie Gerhard Cordes, Karl Prestel, Rudolf Scheinost, Helmut Heinrich und Franz Bredendick zur Arbeit in der Sowjetunion zwangsverpflichtet. Zusammen mit anderen Mitarbeitern der ehemaligen BMW-Flugmotorenabteilung Staßfurt wurde er in der Abteilung Motorenkonstruktion des Werkes in Uprawlentscheski Gorodok bei Kujbyschew eingesetzt. Er arbeitete dort als Dolmetscher und Entwurfsingenieur und war an der Entwicklung und Konstruktion von Luftstrahl- und Propellertriebwerken beteiligt.

Im November 1953 konnte er mit seiner Familie zurückkehren[7][8] und wurde 1954 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent bei Wilhelm Richter im Aerodynamischen Institut der neuen Fakultät für Leichtbau[9] (1956 umbenannt in Fakultät für Luftfahrtwesen[10][A 1]) der Technischen Hochschule Dresden. In der im Herbst 1954 innerhalb des Instituts gegründeten Abteilung Triebwerke[11] gehörte Pawlowitsch zum Lehrkörper[12] und erhielt ab März 1955 die Wahrnehmung einer Professur mit Lehrauftrag.[13] Aus dieser Abteilung wurde zum November 1955 das Institut für Strahltriebwerke geschaffen, das von Rudolf Schmidt (1908–1997) geleitet wurde.[11] Ab Dezember 1957 wurde Pawlowitsch der Auftrag zur Wahrnehmung einer Professur mit vollem Lehrauftrag erteilt. Er hielt Vorlesungen zur Thermodynamik der Strahltriebwerke.[14] Die Fakultät für Luftfahrtwesen wurde nach dem Ministerratsbeschluss vom 13. Juli 1961 zur Auflösung der DDR-Luftfahrtindustrie[15] am 31. August 1961 geschlossen und das Institut für Strahltriebwerke in die Fakultät Maschinenwesen der nunmehr als Technische Universität tätigen Bildungseinrichtung eingegliedert. 1963 erfolgte eine weitere Strukturänderung.[10] Pawlowitsch wurde am Institut für Thermodynamik und Energiewirtschaft, das unter der Leitung von Norbert Elsner stand, zum Herbstsemester 1963 die Wahrnehmung einer Professur mit vollem Lehrauftrag zugewiesen.[16] 1967 promovierte Pawlowitsch an diesem Institut mit der Dissertationsschrift Zur Analyse der Gasturbinen-Prozesse mit Hilfe von Wirkungszahlen[17] zum Dr.-Ing. und wurde mit Wirkung vom 1. September 1967 zum Professor mit Lehrauftrag für Thermodynamik berufen.[18]

Mit der 3. Hochschulreform 1968 wurde das Institut für Thermodynamik und Energiewirtschaft dem Wissenschaftsbereich Wärmetechnik und Technische Gebäudeausrüstung innerhalb der neuen Sektion Energieumwandlung der Universität zugeordnet.[19] Nach den Neuregelungen in der Hochschullehrerberufungsverordnung[20] wurde Pawlowitsch mit Wirkung vom 1. September 1969 zum ordentlichen Professor für Energieumwandlung (Technische Thermodynamik) berufen[21] und war bis zu seiner Emeritierung im September 1980 an der Sektion Energieumwandlung tätig. Er arbeitete auf den Gebieten der Prozessthermodynamik und Wärmeübertragung. Zu seinen Forschungstätigkeiten gehörte die Modellierung realer Gasturbinenprozesse. Pawlowitsch engagierte sich für die Weiterentwicklung der Ausbildung an der Technischen Universität Dresden.[1] So verfasste er gemeinsam mit Elsner eine Abhandlung über den Beitrag der Technischen Thermodynamik für die moderne Ingenieurausbildung.[22] Auch nach seiner Emeritierung bereitete er Material über die Entwicklung der Thermodynamik der Dresdner Schule auf.[1]

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Über die Thermodynamik der Strahlturbine mit Berücksichtigung der einfachen Nachverbrennung. In: Die Technik. 13. Jahrgang, Nr. 5 und Nr. 6, Berlin 1958, ISSN 0040-1099, S. 358–362 und S. 430–438.
  • Über die Hauptkennwerte der Flugtriebwerke. In: Deutsche Flugtechnik. 5. Jahrgang, Nr. 5, Berlin 1961, OCLC 311986482, S. 175–184.
  • Zur Frage des effektiven Wirkungsgrades von Luftstrahltriebwerken. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden. 13. Jahrgang, Nr. 4, Dresden 1964, ISSN 0043-6925, S. 1126–1135.
  • Kreisprozeßcharakteristiken zur Untersuchung des Joule-Prozesses in seiner Anwendung auf Prozesse in Luftstrahltriebwerken. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden. 15. Jahrgang, Nr. 1, Dresden 1966, ISSN 0043-6925, S. 83–88.
  • Über die Empfindlichkeit der Hauptkennwerte von Gasturbinenanlagen mit offenem Kreislauf auf Änderungen der die Auslegungsrechnungen beeinflussenden Parameter. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden. 17. Jahrgang, Nr. 4, Dresden 1968, ISSN 0043-6925, S. 875–886.
  • Zur Frage der Aufstellung und Anwendung einiger wichtiger Differentialgleichungen der Technischen Thermodynamik. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden. 19. Jahrgang, Nr. 2, Dresden 1970, ISSN 0043-6925, S. 431–439.[2]
  • Richard Lenk (Hrsg.), Walter Gellert (Hrsg.): Brockhaus ABC – Physik. Band 1 und, Band 2, Brockhaus, Leipzig 1972–1973, DNB 730278751 und DNB 740023144 (Stichwörter über Luftstrahl und Raketentriebwerke).[23]
  • Technische Thermodynamik II. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1974, DNB 200263811 (Mitwirkender im Autorenkollektiv).[23]
  • Zum wissenschaftlichen Schaffen Gustav Zeuners aus heutiger Sicht. In: Maschinenbau-Technik. 27. Jahrgang, Nr. 11, Berlin 1978, ISSN 0025-4495, S. 484–487.
  • Zur Geschichte der Wasserdampftafeln mit besonderer Hervorhebung der Leistungen sowjetischer Thermodynamiker. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden. 27. Jahrgang, Nr. 5, Dresden 1978, ISSN 0043-6925, S. 981–992.
  • „Réflexions ...“ von Carnot im gegenwärtigen Naturverständnis. Zur 150. Wiederkehr des Todestages von Nicolas Léonard Sadi Carnot. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden. 31. Jahrgang, Nr. 2, Dresden 1982, ISSN 0043-6925, S. 81–89.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Pawlowitsch, Alexander. In: Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender 1966. Walter de Gruyter & Co, Berlin 1966, S. 1813.
  • Reiner Pommerin (Hrsg.), Dorit Petschel: Die Professoren der TU Dresden 1828–2003. (= 175 Jahre TU Dresden. Band 3). Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2003, ISBN 978-3-412-02503-8, S. 709–710.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Karin Großmann: Persönliches – Prof. (em.) Dr.-Ing. Alex Pawlowitsch †. In: Energietechnik. 38. Jahrgang, Nr. 3, Leipzig 1988, ISSN 0013-7421, S. 117.
  2. a b c d Dorit Petschel: Die Professoren der TU Dresden, 1828–2003. Reiner Pommerin (Hrsg.) (= 175 Jahre TU Dresden. Band 3). Böhlau, Köln/Weimar/Wien 2003, ISBN 978-3-412-02503-8, S. 709–710 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). Abgerufen am 12. April 2024.
  3. Werk Basdorf BMW Group Archiv. Abgerufen am 12. April 2024.
  4. Werk Zühlsdorf. BMW Group Archiv. Abgerufen am 12. April 2024.
  5. SMAD-Befehl Nr. 93/45 vom 13. Okt. 1945: Inangriffnahme der Automobil- und Motorradproduktion in der Automobil- und Maschinenfabrik (vormals BMW) in Eisenach. Deutsche Digitale Bibliothek. Abgerufen am 12. April 2024.
  6. Vor 75 Jahren rettete am 13. Oktober 1945 der SMAD-Befehl Nr. 93 den Automobilstandort Eisenach. awe Museum – automobile welt eisenach. Abgerufen am 12. April 2024.
  7. Surveys of Soviet Installations. In: CIA vom 22. März 1955 (PDF), Liste aller Spezialisten in Uprawlentscheski (Zavod 2) und Gorodomlja (NII-88), die in die DDR zurückgekehrt sind, S. 21. Abgerufen am 12. April 2024 (englisch).
  8. Heinz Hartlepp (Hrsg.): Erinnerungen an Samara. Deutsche Luftfahrtspezialisten von Junkers, BMW und Askania in der Sowjetunion von 1946 bis 1954 und die Zeit danach. Aviatic, Oberhaching 2005, ISBN 3-925505-83-0, S. 169.
  9. Personal- und Vorlesungsverzeichnis der Technischen Hochschule Dresden. Studienjahr 1954/55. Herbst-Semester. S. 50. Abgerufen am 12. April 2024.
  10. a b Geschichte des Instituts für Festkörpermechanik ab dem Ende des 2. Weltkrieges. Gekürzter Aufsatz von Prof. H. Göldner über die Zeit von 1945 bis 1990. tu-dresden.de (online). Abgerufen am 12. April 2024.
  11. a b Sven Schultze: Luftfahrtforschung und -ausbildung in der DDR: Hightechkaderschmiede oder „Gartenmöbelforschung“? Die Fakultät für Leichtbau/Luftfahrtwesen der TH Dresden. ibidem, Stuttgart 2012, S. 67–69, (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). Abgerufen am 12. April 2024.
  12. Personal- und Vorlesungsverzeichnis der Technischen Hochschule Dresden. Studienjahr 1954/55. Frühjahrs-Semester. S. 82. Abgerufen am 12. April 2024.
  13. Personal- und Vorlesungsverzeichnis der Technischen Hochschule Dresden. Studienjahr 1955/56. Herbst-Semester. S. 84; Personal- und Vorlesungsverzeichnis der Technischen Hochschule Dresden. Studienjahr 1956/57. Herbst-Semester. S. 100. Abgerufen am 12. April 2024.
  14. Personal- und Vorlesungsverzeichnis der Technischen Hochschule Dresden. Studienjahr 1957/58. Frühjahrs-Semester. S. 111 und S. 177. Abgerufen am 12. April 2024
  15. Gerhard Barkleit, Heinz Hartlepp: Zur Geschichte der Luftfahrtindustrie in der DDR 1952–1961. (= Berichte und Studien des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung e. V. an der TU Dresden, Nr. 1, 1995). 2. Auflage, ISBN 3-931648-00-1, S. 56 (PDF; 2,1 MB). Abgerufen am 12. April 2024.
  16. Wichtigste Ergänzungen und Veränderungen zum Personalverzeichnis des Herbst-Semesters 1963 (Stand vom 15. November 1963). In: Personal- und Vorlesungsverzeichnis der Technischen Hochschule Dresden. Studienjahr 1963/64. Frühjahrs-Semester. S. 13. Abgerufen am 12. April 2024.
  17. Zur Analyse der Gasturbinen-Prozesse mit Hilfe von Wirkungszahlen. Dissertation vom 4. Februar 1967, DNB 482190396
  18. Personal- und Vorlesungsverzeichnis der Technischen Hochschule Dresden. Studienjahr 1967/68. Herbst-Semester. S. 149. Abgerufen am 12. April 2024.
  19. Klaus Koppe: Historische Entwicklung der Energietechnik an der TU Dresden und ihre Einordnung in die Technikgeschichte. Ein Beitrag aus Anlass der 175. Wiederkehr der Gründung der Technischen Universität Dresden im Jahr 2003. Technische Universität Dresden, Institut für Energietechnik (Hrsg.), S. 31–33 (PDF; 3,7 MB). Abgerufen am 12. April 2024.
  20. Verordnung über die Berufung und Stellung der Hochschullehrer an den wissenschaftlichen Hochschulen – Hochschullehrerberufungsverordnung (HBVO) – vom 6. November 1968. In: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik. Teil II, Nr. 127, Berlin 1968, S. 997–1003.
  21. Personal- und Vorlesungsverzeichnis der Technischen Hochschule Dresden. Studienjahr 1967/68. Herbst-Semester. S. 149. Abgerufen am 12. April 2024.
  22. Norbert Elsner, Alex Pawlowitsch: Beitrag der Technischen Thermodynamik für die moderne Ingenieurausbildung unter besonderer Berücksichtigung der Dresdener Schule. In: Energietechnik. 28. Jahrgang, Nr. 10, Leipzig 1978, ISSN 0013-7421, S. 365–370.
  23. a b Rolf Sonnemann (Hrsg.): Geschichte der Technischen Universität Dresden: 1828-1978. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1978, DNB 790087146, S. 429 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). Abgerufen am 12. April 2024.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Sven Schultze: Luftfahrtforschung und -ausbildung in der DDR: Hightechkaderschmiede oder "Gartenmöbelforschung"? Die Fakultät für Leichtbau/Luftfahrtwesen der TH Dresden. ibidem, Stuttgart 2012, S. 67 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche) gibt die Umbenennung in Fakultät für Luftfahrtwesen mit dem Datum 5. November 1955 an und bezieht sich dabei auf das Archivale der TU Dresden, Fakultät Luftfahrtwesen, Nr. XX/44, wonach vom Staatssekretariat für Hochschulwesen der DDR vorgegeben wurde, dass die Umbenennung zu diesem Termin vorzunehmen war. In Veröffentlichungen zur Geschichte der TU Dresden wird dagegen überwiegend der 1. Mai 1956 für die Umbenennung angegeben.