Alt-Berlin (Bar)

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Gebäude Münzstr.23 mit Bierstube Alt-Berlin, 2010

Das Lokal Alt-Berlin war eine Bierbar oder Bierstube in der Münzstraße in Berlin-Mitte, die 1893 eröffnet und 2014 geschlossen wurde. Sie war eine der ältesten solchen Einrichtungen Berlins. Nach der Schließung wurde die Einrichtung mehrmals an anderen Orten, jeweils unter Verwendung originaler Einrichtungsgegenstände, neu eröffnet.

Geschichte

Die 1893 direkt nach der Errichtung des Gebäudes Münzstraße 23 (heute ein Baudenkmal) eröffnete Bar gehörte während der 1920er zum von Alfred Döblin in Berlin-Alexanderplatz beschriebenen Milieu; laut Oral History hieß sie im Volksmund in den 1930ern und 1940ern „Zu den drei Ritzen“, da der Berliner Straßenstrich damals nahe bei verlief und das Lokal von drei Frauen geführt wurde. Im Jahr 1945 wurde die Kreuzung noch kurz vor Kriegsende schwer beschädigt; nach Kriegsende eröffnete hier bald wieder ein Lokal, das, wieder dem Hörensagen nach, von einer Persönlichkeit aus der Unterwelt geführt wurde, die 1949 wegen verschiedener Raubüberfälle in Haft gekommen sein soll[1]. Die HO übernahm zu DDR-Zeiten das Lokal. Mythen über die Bar, die Rückzugsort für Prostituierte und ein Künstlertreff mit Bertolt Brecht als Stammgast gewesen sein soll und die sicher eine typische Berliner „Kiezbar“ war, kursierten im „neuen Berlin“ zahlreich.

Die Inneneinrichtung wirkte bis in die 2010er praktisch original, obwohl die Schankwirtschaft nach der Beschädigung 1945 verkleinert wurde; am Zugang vorne war eine Bar, in der hinten gelegenen "Stube" gab es Sitzgelegenheite und Tische. Nach einem im Schaufenster ausgestellten Spruch - „Das schönste aller Dinge - ein Schluck bei Heinz und Inge“ (nach den Betreibern der Bar während der DDR-Zeit, die noch lange in der Wohnung über der Kneipe gewohnt haben sollen [2]) - wurde die Bar alternativ auch „Heinz und Inge“ genannt.[3] Der Ort war im Berlin-Mitte nach 2000 einer der wenigen verbliebenen Sammelpunkte oder Rückzugsorte (es gab keine Möglichkeit, von außen in das Lokal zu blicken) eines „lokalen“ Publikums, das die langsamen Verwandlung des Viertels in eine internationale Einkaufsmeile nicht mitmachte.

Um 2014 erwarb der in Berlin breit aktive Investor Harm Müller-Spreer, nach eigenen Aussagen selbst ein früherer Stammgast im Alt-Berlin,[4] das Areal, in dem das Lokal lag, um dieses in Wert zu setzen; die Räume machten dann inzwischen wechselnden Lifestyle-Showrooms Platz.

Reaktionen auf die Schließung und Folgezeit

Das Ende des „Alt-Berlins“ wurde in der Berliner Presse umfassend berichtet. Für das Wochenmagazin Focus war das Ende des Lokals ein Zeichen dafür, dass es für die traditionellen Berliner Kiez-Kneipen „eng“ wird[5]; laut Andreas Mühe bedeutete es sogar den endgültigen „Tod des Bezirks Mitte“.[5] Auch der britische Guardian berichtete über die Schließung als bezeichnendes Ereignis in der Wandlung Berlins von einer alternativen Stadt am Rande der Geschehnisse zu einem Hotspot des Kapitalismus.[6] Um die Schließung herum gab es verschiedene Proteste, Facebook-Aktionen („Alt Berlin – zeigen wir Courage“) und auch eine Petition gegen die Schließung, die aber keinen Erfolg hatte.[7]

Das „Alt-Berlin“ sollte aber, Zeitungsmeldungen zufolge, nach dem Willen des Investors und zum Schutz der Lokalkultur „respektvoll umgesetzt“ und so erhalten werden.[8] Tatsächlich gab es dann auch eine zeitweilige Neueröffnung in der neuzeitgeistlichen Kunsthalle „Platoon“ an der Schönhauser Allee. Dort wurde der Tresen samt des „Heinz und Inge“-Schilds dann allerdings – ganz im Gegensatz – in einer Art öffentlichen Installation zur Schau gestellt.[9] Die meisten früheren Gäste folgten der Übersetzung ihrer Traditionsbar in diesen neuen Zusammenhang aber höchstens vorübergehend, bevor die Kneipe dann endgültig geschlossen wurde.

Im Juni 2016 eröffnete dann eine neue Inkarnation, wieder unter Verwendung originaler Einrichtungsobjekte, in der Berliner Chausseestraße.[10]

Einzelnachweise

  1. http://www.yelp.de/biz/bierstube-alt-berlin?hrid=CIMfEBudirJGKeQQx4-8SQ&rh_type=phrase&rh_ident=inge
  2. http://www.berliner-zeitung.de/berlin/das-alt-berlin-schliesst-zum-abschied-sag--ich-leise-prost-1545552
  3. http://www.tagesspiegel.de/berlin/kneipenkultur-in-berlin-das-alt-berlin-schliesst-nach-121-jahren/9811012.html
  4. Uwe Aulich, Sabine Deckwerth: Investor Harm Müller-Spreer: "Spekulant" kritisiert die Baupläne am Alex. In: Berliner Zeitung. 9. Juni 2014, abgerufen am 21. April 2016.
  5. a b http://www.focus.de/magazin/archiv/eng-wirds-fuer-berliner-kiez-kneipen_id_3801389.html
  6. http://www.theguardian.com/world/2014/apr/20/alt-berlin-bar-faces-closure
  7. http://www.berlin1.de/berliner-ideen/stadtgesprch/die-bierstube-alt-berlin-der-mnzstrae-muss-schlieen-20141159
  8. http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article127123678/Kneipenlegende-steht-vor-Aus-Alt-Berlin-soll-schliessen.html
  9. http://www.kunsthalle.com/berlin/archive/program/vernissage-alt-berlin
  10. http://www.sueddeutsche.de/kultur/schauplatz-berlin-alles-verschoben-1.3017196