Arcangela Tarabotti

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Arcangela Tarabotti, geboren als Elena Cassandra Tarabotti (* 24. Februar 1604 in Venedig; † 28. Februar 1652), war eine venezianische Nonne und Autorin. Sie korrespondierte mit bedeutenden Zeitgenossen über die Frage der zwangsweisen Unterbringung von Mädchen und Frauen in Nonnenklöstern der Republik Venedig, deren Ursache im Verehelichungssystem mit seinen exorbitanten Dotierungen lag, aber auch die Frage, ob Frauen überhaupt Menschen seien.

Leben

Elena Cassandra Tarabotti wurde als Tochter von Stefano Tarabotti und Maria Cadena in Castello geboren, einem der sechs Stadtteile (Sestieri) von Venedig. Sie war eines von elf Kindern und die älteste der sechs Töchter. Elena Cassandra wurde in jungen Jahren für das Kloster bestimmt, was möglicherweise mit ihren schlechten Heiratsaussichten zusammenhing. Sie selbst nennt sich mitunter „zoppa“ (lahm).

Die Sant'Anna-Kirche, 2012

Tarabotti trat 1617 ins Konvent von Sant'Anna in Castello ein und nahm drei Jahre später den Schleier, wurde also Nonne. Bei dieser Gelegenheit erhielt sie den Namen Arcangela (Erzengelin). 1629 wurde sie konsekriert. In ihren Schriften wehrte sie sich gegen den zwangsweisen Aufenthalt von Frauen in Klöstern und gegen die Tatsache, dass Frauen Bildung systematisch vorenthalten wurde. Dabei bedauerte sie zutiefst, dass ihre Lateinkenntnisse Anlass für Kritik geben könnten. Insgesamt verfasste sie mindestens sechs Werke, von denen vier zu ihren Lebzeiten publiziert wurden. Dabei korrespondierte sie mit Giovan Francesco Loredan (1607–1661), einem der Gründer der Accademia degli Incogniti, die sie bei ihren Publikationen unterstützte.

Tarabotti schrieb zunächst die Tirannia paterna und das Inferno monacale, die die besagten Zwangaufenthalte angriffen. Allerdings wurde die Tirannia paterna erst posthum 1654 gedruckt und erschien unter dem Pseudonym „Galerana Baratotti“. Auch warf sie der Staatsführung vor, nicht scharf genug gegen dieses Institut vorzugehen, und hielt den Vätern vor, dass sie ihre Töchter um ihr Leben betrügen würden. Das Inferno monacale beschreibt den Weg von der Übergabe der Töchter unter haltlosen Versprechungen bis zur inneren Erstarrung. Doch auch dieses Werk konnte Tarabotti zu ihren Lebzeiten nicht publizieren, selbst als sie es in Frankreich versuchte, misslang dies.

Doch 1643 gelang es ihr, das Paradiso monacale zu veröffentlichen. Darin pries sie das Kloster als den angemessenen Ort für diejenigen Frauen, für die dieser Weg der richtige war. Auch gelang es ihr auf dem Umweg über dieses vergleichsweise gemäßigte Werk, in literarischen Kreisen Fuß zu fassen. So korrespondierte sie mit Angelico Aprosio, Loredano oder Francesco Pona (1595–1655).

1641 wandte sie sich gegen das von Francesco Buoninsegni verfasste satirische Werk Contro 'l lusso donnesco satira menippea aus dem Jahr 1638, indem sie die Antisatira verfasste, ein Werk, das sie anonym publizieren konnte. Sie wendete darin alle Vorwürfe gegen die Frauen nunmehr gegen die Männer, ohne mit Spott zu sparen. Doch da sie auch religiöse Einrichtungen in ihre Satire einbezog und sich gegen Männer im Allgemeinen wandte, verlor sie eine Reihe von Unterstützerinnen. So entstanden Gegenschriften, wie Girolamo Brusonis Antisatira satirizzata, die Tarabotti als „die beste“ dieser Schriften bezeichnete, jedoch mit deutlicher Ironie. Ein anderer ehemaliger Befürworter drohte, ihre wahre Identität preiszugeben. Mit Hilfe ihrer Korrespondenzpartner konnte sie die Publikation allerdings verhindern. Bald warf sie Brusoni vor, er habe Ideen von ihr gestohlen, um seine Amori tragici zu verfassen, in denen es sich ebenfalls um eingesperrte Nonnen drehte.

Schließlich publizierte Tarabotti die Lettere familiari e di complimento (1650). Darin erwies sich, dass sie, trotz Schreibverbots für Nonnen, eine umfangreiche Korrespondenz mit zahlreichen Gelehrten unterhielt, darunter Vittoria della Rovere in Florenz oder Kardinal Mazarin in Paris. Außerdem korrespondierte sie mit ihrem Schwager Giacomo Pighetti, mit ihren Schwestern sowie mit Freunden in Venedig und Bologna, dann mit dem französischen Botschafter Henri Bretel de Grémonville und seiner Familie, dann aber auch mit Renée de Clermont-Galerande. Mit Le lagrime (die Tränen) verfasste sie eine Briefsammlung zu Ehren von Regina Donà, die als Nonne in Sant’Anna gestorben war und deren Tod Tarabotti in ihren Briefen betrauert.

Ihr letztes Werk, Che le donne siano della specie degli uomini (1651), war eine Reaktion auf ein frauenfeindliches Werk, die Disputatio nova contra mulieres, die Valens Acidalius zugeschrieben wird. Sie war 1595 erstmals in Latein erschienen und unter dem Titel Ob die Weiber Menschen seyn, oder nicht? auch auf Deutsch. Darin galten Frauen nicht als menschliche Wesen. Mit biblischen Exempla widerlegte sie seine Beispiele. Damit wies sie nach, dass sie in der Lage war, auch auf theologischem und philosophischem Feld standzuhalten, ebenso wie auf dem literarischen.

Verloren gegangen sind möglicherweise ein von ihr selbst angedeutetes Werk mit dem Titel Purgatorio delle malmaritate sowie weitere Werke. Tarabotti starb im Alter von 48 Jahren in Sant’Anna.

Editionen

  • Letizia Panizza (Hrsg.): Paternal Tyranny. University of Chicago Press, 2004.
  • Elissa B. Weaver (Hrsg.): Satira e Antisatira. Salerno, Rom 1998.
  • Francesca Medioli (Hrsg.): L’Inferno monacale’ di Arcangela Tarabotti. Rosenberg & Sellier, Turin 1990.
  • Meredith Ray, Lynn Westwater (Hrsg.): Lettere familiari e di complimento della sign. Arcangela Tarabotti. Rosenberg & Sellier, Turin 2004.

Literatur

  • Emilio Zanette: Suor Arcangela monaca del Seicento veneziano. Istituto per la Collaborazione Culturale, Rom und Venedig 1960.

Weblinks