Ausfallbürgschaft

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Die Ausfallbürgschaft ist eine Unterart der Bürgschaft, die als Kreditsicherheit von Kreditinstituten hereingenommen wird.

Rechtsgrundlagen und Inhalt

Das BGB in Deutschland kennt als Bürgschaftsarten nur die „gewöhnliche“ Bürgschaft (§ 765 BGB), die Mitbürgschaft (§ 769 BGB) und die Zeitbürgschaft (§ 777 BGB). Bei der gewöhnlichen Bürgschaft haftet der Bürge nur, wenn der Gläubiger die erfolglose Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen nachweisen kann. Bei der selbstschuldnerischen Bürgschaft stehen dem Bürgen keinerlei Einreden zu, die den Gläubiger zunächst auf die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners verweisen, bevor der Bürge in Anspruch genommen werden kann.

Die Ausfallbürgschaft ist im BGB indes nicht geregelt, aber durch die Rechtsprechung des BGH anerkannt.[1] Hierbei haftet der Bürge erst dann, wenn der Gläubiger nachweist, dass er bei der verbürgten Forderung nach Verwertung evtl. Sicherheiten und anschließender Vollstreckung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Hauptschuldners einen Verlust erlitten hat. Dieser Verlust ist als Ausfall anzusehen. Ein derartiger Ausfall gilt auch dann als eingetreten, wenn der Gläubiger ohne Erfolg die Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen des Hauptschuldners betrieben hat. Der Ausfallbürge hat dem Gläubiger mithin für das einzustehen, was dieser trotz angewandter Sorgfalt vom Hauptschuldner nicht erlangen kann.[2] Die Ausfallbürgschaft hängt jedoch in ihrer Wirksamkeit nicht davon ab, ob es zu einem Ausfall kommt. Es geht wie bei der „gewöhnlichen Bürgschaft“ lediglich darum, ob sich das vom Bürgen übernommene Risiko verwirklicht. Dieses ist lediglich bei der Ausfallbürgschaft enger begrenzt.

Der Bürgschaftsfall wird somit bei der Ausfallbürgschaft durch den Nachweis ausgelöst, dass der Gläubiger erfolglos in das Vermögen des Hauptschuldners die Zwangsvollstreckung betrieben hat; einer Einrede der Vorausklage bis zur erfolglosen Zwangsvollstreckung durch den Bürgen bedarf es nicht (§ 771 BGB). Der Gläubiger hat nicht nur den eingetretenen Verlust nachzuweisen, sondern auch darzulegen und zu beweisen, dass der Ausfall trotz Einhaltung der bei der Verfolgung des verbürgten Anspruchs gebotenen Sorgfalt eingetreten ist oder auch eingetreten wäre, wenn er diese Sorgfalt angewandt hätte.[3] Bei Verschulden entfällt indes die Haftung des Bürgen.[4] Der Ausfall ist ein anspruchsbegründender Tatbestand.[5] Der Ausfallbürge kann erst in Anspruch genommen werden, wenn feststeht, dass die Inanspruchnahme des Hauptschuldners, gegebenenfalls auch die Verwertung anderer Sicherheiten, keinen vollen Erfolg verspricht.[6]

Arten der Ausfallbürgschaft

In Deutschland unterscheidet man zwischen der „normalen“ Ausfallbürgschaft und der modifizierten Ausfallbürgschaft. Bei der „normalen“ Ausfallbürgschaft gilt der Ausfall als eingetreten, wenn der Gläubiger die fruchtlose Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners vorgenommen und dem Bürgen nachgewiesen hat. Diese Prozedur zum Nachweis des Bürgschaftsfalles ist für den Gläubiger zeitraubend und aufwendig, sodass in der Kautelarpraxis die modifizierte Ausfallbürgschaft entwickelt wurde.

Die modifizierte Ausfallbürgschaft enthält Vereinbarungen zwischen Gläubiger und Ausfallbürgen darüber, wann der Ausfall als eingetreten gelten soll. Die modifizierte Ausfallbürgschaft ist eine Vereinbarung, bei der ein Ausfallereignis fingiert wird. Hierbei soll ein bestimmter Zeitpunkt (z. B. „3 Monate nach Kreditfälligkeit“, „Eröffnung des gerichtlichen Insolvenzverfahrens“) oder ein Ereignis (z. B. „Zahlungseinstellung des Hauptschuldners“, „Nichtzahlung fälliger Zins- und Tilgungsbeträge“) als Ausfall und damit als Bürgschaftsfall gelten.

Diese Form ist insbesondere bei den Bürgschaftsleistungen öffentlicher Gebietskörperschaften (wie von Städten und Gemeinden) sowie Bürgschaftsbanken und Kreditgarantiegemeinschaften üblich. Auch öffentliche Bürgschaften des Staates kommen in der Form der modifizierten Ausfallbürgschaft vor. Wenn hierbei der Kreditnehmer zusätzlich auch Sicherheiten stellen muss, sind erst diese Kreditsicherheiten zu verwerten. Bleibt dann im Falle der Sicherheitenverwertung (z. B. durch eine Versteigerung von Maschinen, eine Zwangsversteigerung von Immobilien usw.) noch ein Restkreditbetrag offen, der durch den Verwertungserlös nicht gedeckt ist, so kann der Ausfallbürge lediglich für diesen offenen Restbetrag in Anspruch genommen werden.

Grenzen der Ausfallhaftung

Wesen einer Ausfallbürgschaft ist es, dass der Bürge nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der Gläubiger trotz fristgemäßer Wahrnehmung sämtlicher Möglichkeiten in Zwangsvollstreckung und Insolvenz des Hauptschuldners mit seiner Forderung ganz oder teilweise ausgefallen ist. Diesem Leitbild widersprechen allgemeine Vertragsbedingungen, wonach der Ausfallbürge sechs Monate nach Benachrichtigung über (angebliche) Zahlungsrückstände des Schuldners in Anspruch genommen werden darf. Damit wurde die Gläubigerbank praktisch von ihrer Verpflichtung entbunden, sich beim Hauptschuldner um die Beitreibung ihrer Forderung zu bemühen. Diese gravierende Abweichung vom Leitbild der Ausfallbürgschaft führte im Ergebnis dazu, dass der Bundesgerichtshof diese gesamte Klausel für unwirksam erklärte[7].

Bankenaufsichtsrechtliche Anerkennung

Allgemeines

Kreditsicherheiten gelten seit Januar 2014 bankenaufsichtsrechtlich als Kreditrisikominderungstechniken. Werden Kreditsicherheiten durch die in allen EU-Mitgliedstaaten geltenden Capital Requirements Regulation (CRR) als Kreditrisikominderungstechniken anerkannt, führen sie bei Kreditinstituten zu einer geringeren Unterlegung durch Eigenkapital als bei Blankokrediten. Das hat zur Folge, dass besicherte Kredite mit einem günstigeren Kreditzins gewährt werden können.

Art. 194 CRR stellt Grundsätze für die aufsichtsrechtliche Anerkennung von Kreditrisikominderungstechniken auf, wonach Kreditsicherheiten insbesondere in allen Rechtsordnungen rechtswirksam (englisch valid) und durchsetzbar (englisch enforceable) sein müssen, ausreichend liquide, im Zeitablauf wertstabil und bei einem Kreditereignis zeitnah verwertbar sein müssen. Die positive Korrelation zwischen den Sicherheiten und der Kreditnehmerbonität darf nicht sehr hoch sein (Art. 194 Abs. 4 CRR). Unterschieden wird zwischen Kreditrisikominderungstechniken „mit Sicherheitsleistung“ (Realsicherheiten; Art. 4 Abs. 1 Nr. 58 CRR) und „ohne Sicherheitsleistung“ (Personalsicherheiten; Art. 203 CRR).

Bürgschaften/Garantien

Demnach gehören Garantien und Bürgschaften zu den Personalsicherheiten.[8] Kommunale Ausfallbürgschaften besitzen eine besondere Bedeutung gerade bei Kommunalkrediten, bei Bürgschaftsbanken und bei Förderbanken, werden jedoch in den CRR nicht besonders erwähnt. Sie gelten als Bürgschaften, die weitere Bedingungen zu erfüllen haben. Art. 213 CRR verlangt unmittelbare Garantien/Bürgschaften, nach Art. 214 Abs. 1 CRR sind bestimmte Rückbürgschaften anerkannt. Bei Rückbürgschaften von Staaten und anderen öffentlichen Stellen dürfen die besicherten Forderungen wie Forderungen an den Staat behandelt werden. Art. 215 CRR schreibt vor, dass bei Ausfall des Kreditnehmers der Sicherungsgeber (Garant/Bürge) uneingeschränkt in Anspruch genommen werden kann und kein Vorbehalt vorhanden sein darf, nach dem das Institut den geschuldeten Betrag zunächst beim Kreditnehmer einfordern muss. Dieses Kriterium wäre bei Bürgschaften mit Einrede der Vorausklage und Ausfallbürgschaften nicht erfüllt.[9] Enthält jedoch die Garantie/Bürgschaft das Recht einer vorläufigen Zahlung, kommt es darauf nicht an. Gemäß Art. 183 Abs. 1c CRR muss sie schriftlich erteilt sein, darf vom Sicherungsgeber nicht widerrufen werden können und Vermögenswerte des Sicherungsgebers müssen durch ein vollstreckbares Urteil pfändbar sein. Bedingte Garantien/Bürgschaften, bei denen festgelegt ist, unter welchen Bedingungen der Sicherungsgeber unter Umständen von seiner Pflicht zur Garantieerfüllung befreit ist, können bei entsprechender Genehmigung der zuständigen Behörden anerkannt werden. Für anerkannte Sicherungsgeber gelten nach Art. 183 Abs. 1b CRR dieselben Regeln wie für Schuldner (Art. 171, 172 und 173 CRR), so dass deshalb die wirtschaftlichen Verhältnisse des haftenden Sicherungsgebers im Rahmen einer Kreditwürdigkeitsprüfung genauso zu prüfen sind wie die des Kreditnehmers. Zur Vermeidung positiver Korrelationen dürfen Sicherungsgeber weder konzernmäßig mit dem Kreditnehmer (englisch cross-garanties) noch mit dem Kreditinstitut verbunden sein.

Ferner sind kommunalrechtlich noch Anzeige- und Notifizierungspflichten nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV zu erfüllen, damit Gewährleistungen zugunsten Dritter rechtswirksam zustande kommen können.

Einzelnachweise

  1. BGH WM 1978, 1267
  2. BGH WM 1998, 976. In diesem Urteil bezeichnet der BGH die Ausfallbürgschaft als das Gegenteil einer selbstschuldnerischen Bürgschaft.
  3. BGH WM 1999, 173
  4. BGH NJW 1979, 646
  5. Münchner Kommentar BGB/Habersack, 3. Aufl. § 765 Rdnr. 102
  6. BGH WM 1999, 173, 177
  7. BGH WM 1998, 976, 979
  8. Thorsten Gendrich/Walter Gruber/Ronny Hahn (Hrsg.), Handbuch Solvabilität, 2014, S. 175 FN 38
  9. Thorsten Gendrich/Walter Gruber/Ronny Hahn (Hrsg.), Handbuch Solvabilität, 2014, S. 176

Weblinks