Benutzer:Bibhistor/Überlieferungsgeschichte der antiken Literatur

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Überlieferungsgeschichte der antiken Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die antike Kultur hatte mit ihrem Höhepunkt während der frühen römischen Kaiserzeit eine Zivilisationsstufe erreicht, die Europa in wesentlichen Punkten (Agrarproduktivität[1] , Transportwesen, Medizin- und Sanitärwesen, Alphabetisierungsgrad, Bibliotheksbestand[2] ) erst nach 1800 wieder erreichen konnte. Die überlieferte antike Literatur hatte, direkt oder zumindest als Anregung, einen wesentlichen Anteil an diesem Wiederaufstieg.

Die klassische "heidnische" Antike (vor ca. 350 AD) besaß um die 100 Millionen Bücher. Davon wurde kein einziges überliefert. Um 400 AD gab es eine heute kaum noch bekannte Büchervernichtung im ganzen christlich gewordenen Römischen Reich. Von den einigen Millionen Titeln wurden nur ca. 0,1% in Fassungen aus christlicher Zeit überliefert. Diese Grunddaten der Überlieferungsgeschichte weisen auf eine kulturelle Katastrophe, die ohne Beispiel in der Geschichte der Menschheit ist.

Zwischen den weltlich geprägten Kulturen der Antike und der Moderne lagen über 1000 Jahre des extrem religiös am Jenseits orientierten Mittelalters. Eine Zeit, in der der persönliche Willen Gottes als wesentlicher Mechanismus für alle Dinge der Natur und des menschlichen Schicksals vorgeschrieben wurde. Um Gott zu gefallen, machte man die christliche Glaubenslehre (Theologie) zum leitenden Maßstab verpflichtend für jeden Menschen. Abweichlern drohte Gefängnis, Folter oder gar eine grausame Hinrichtung.[3] Anderen Weltanschauungen, auch der rationalen Weltsicht der antiken Texte, stand man meist feindlich gegenüber. Die Vernichtung der antiken Bücher sowie das Überleben und die Auferstehung ihrer wenigen Reste sind die wesentlichen Elemente der Überlieferungsgeschichte.

Die Überlieferungsgeschichte ist eng verbunden mit der Textkritik innerhalb der klassischen Philologie. Während die Textkritik sich immer nur einzelner Titel annahm, konnten bis heute genügend Überlieferungslinien[4] rekonstruiert werden, um eine Überlieferungsgeschichte der gesamten heute verfügbaren antiken Literatur zu skizzieren. Wesentlich dafür waren Erkenntnisse aus verschiedensten anderen Gebieten wie Archäologie, Papyrologie, Paläographie, Codiologie und begleitende technische Fortschritte wie vor allem der Fotografie.[5]


Die Überlieferungsgeschichte kann man in 4 Phasen einteilen:

  1. Erstellungsphase (vor ca. 350)
  2. Vernichtungs- und Duldungsphase (ca. 350-800)
  3. Erhaltungsphase (ca. 800-1400)
  4. Verbreitungs- und Wirkungsphase nach 1400
  5. Revisionsphase?

Vernichtungs- und Duldungsphase (ca. 350-800)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dieser Teil der Überlieferungsgeschichte ist sicher der bedeutendste, wegen der weitreichenden Implikationen aber auch der umstrittenste. In der säkular geprägten deutschen Forschung um 1900 - Deutschland war damals führend in der Erforschung der Antike - war die Vernichtung der antiken Literatur einer der Gründe für den Terminus „Finsteres Mittelalter“. Da das Mittelalter die Hochzeit des katholischen Glaubens war, wurde dies auch ein Argument im anti-katholischen Kulturkampf Ende des 19. Jahrhunderts.[6] Der anti-katholische Theodor Mommsen (1817-1903) war im akademischen Bereich ein wesentlicher Akteur in dieser Auseinandersetzung. Er galt bereits zu Lebzeiten als der bedeutendste Historiker der römischen Antike im 19. Jh.,[7] Anhänger des antiken Kaisertums (besonders von Caesar) und hielt die Überlieferung der Kaiserzeit für verfälscht.[8]

Die Forschungslage bereits um 1900 erschien klar. Nach der Machtübernahme des katholischen Christentums verschwand die antike Literatur und noch im Hochmittelalter schrieb man die Vernichtung sogar Papst Gregor persönlich zu. Er habe die große Palatina Bibliothek in Rom verbrennen lassen.[9] Dies wurde weiter unterstützt durch den Stand in den 1950ern, wonach gesichert erschien, dass der Verlust vor 500 eingetreten war.[10] Mit dem Abschluss des CLA in den 1970ern wurde dies noch weiter gefestigt.[11]

In der Zwischenzeit hatte sich aber die Situation der Forschenden etwas verändert. Während Mommsen um 1900 noch die Besetzung geschichtlicher Lehrstühle durch Theologen als Skandal anprangerte, wurde dies in späterer Zeit nicht unüblich. Zusammen mit den Konkordatslehrstühlen ergab sich daraus eine gewisse Re-Christianisierung der deutschen Geschichtsforschung vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich auch in den angelsächsischen Ländern.[12] Durch den damit einhergehenden Konsens einer friedlichen Koexistenz der Weltanschauungen ergab sich für die Überlieferungsgeschichte eine etwas prekäre Lage. Eine Darstellung der entscheidenden spätantiken Phase müsste Dinge erwähnen, die die Christianisierung Europas in einem etwas akzentuierten Licht erscheinen lässt[13] und besonders für den Katholizismus verletzend wirken muss.[14]

Um den Konsens trotz dieser Altlasten zu wahren, beschränkte man sich daher auf die Geschichte einzelner Texte und vermied eine Gesamtdarstellung der kritischen Spätantike. Wo man es dennoch tat, wurde die Umschreibungs-/ Verrottungsthese präsentiert. Demnach sind die antiken Bücher vergangen, aber nicht aktiv vernichtet worden.[15] Außerdem wird in all diesen jüngeren Arbeiten jede Quantifizierung vermieden.[16] Selbst ein diesbezüglich interessierter Student kann sich so schwerlich ein Bild davon machen, wie groß der Verlust überhaupt war. Am deutlichsten wird diese Problematik in Reynolds und Wilson „Scribes and Scholars“, was eine Gesamtdarstellung der Überlieferungsgeschichte ist.[17]

Der Bestand der Antike und der Überlieferung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die leere Papyrusrolle war in der Antike billig und kostete meist ein bis zwei einfachste Tagelöhne.[18] Die Beschreibung kostete etwa das gleiche.[19] Damit konnte selbst ein einfacher Tagelöhner bei nur 1 % Rücklage mindestens eine Buchrolle pro Jahr kaufen. Berichte von tausenden Buchrollen bei wohlhabenden Bürgern sind daher sehr plausibel. Auch die sonstige Behandlung der Rollen entspricht diesem Bild.[20]

Durch die Überlieferung in Bibliotheken, also vor den Papyrusfunden ab 1900, waren von der griechischen Literatur vor dem Jahr 500 etwa 2000 Autorennamen bekannt, aber nur von 253 Autoren waren zumindest Teile ihrer Schriften erhalten. Für die römische Literatur waren es 772 Autorennamen, aber nur von 144 waren Schriften erhalten geblieben.[21] Dies führte zur häufig gebrachten Schätzung, wonach weniger als 10 % der antiken Literatur überliefert wurde.[22] Die fast 3000 Autorennamen stellen aber nur eine Mindestzahl dar. Es handelt sich nur um Autoren, die in überlieferten Texten erwähnt werden. Die überlieferten Texte sind jedoch recht selektiv und wurden zu einem großen Teil von christlichen Autoren ausgewählt, die in der Antike nur eine kleine und radikale Minderheit darstellten.

Eine Abschätzung des antiken Bestandes an Titeln und Büchern ist nur indirekt über die Bibliotheksgeschichte möglich. Die bekannteste Bibliothek der Antike, die Bibliothek von Alexandria, wuchs von 235 v. Chr. bis 47 v. Chr. von 490.000 auf 700.000 Rollen, größtenteils in griechisch.[23] Eine Rolle entsprach etwa auch einem Titel (siehe Glossar - Quantitativ). Die Titelproduktion der griechischen Welt betrug daher mindestens 1100 pro Jahr. Extrapoliert auf das Jahr 350[24] ergäbe das einen Bestand von über einer Million Titel.[25]

Der Umfang des lateinischen Schrifttums lässt sich nicht genau bestimmen, könnte aber ebenso groß gewesen sein. Bedenkt man, dass eher triviale Werke aus den Provinzen wahrscheinlich keinen Eingang in die großen Bibliotheken hielten,[26] so kann man den Gesamtbestand der Antike auf mehrere Millionen Titel schätzen. Unter der Annahme einer durchschnittlichen Verbreitung von 10–100 Kopien[27] sind dies um 100 Millionen Rollen oder, neutral umschrieben, Bücher (siehe Glossar). Diese Hochrechnung wird unterstützt durch eine Untersuchuung von Naphtali Lewis über das Ausmass der Papyrusproduktion im Ägypten der frühen Kaiserzeit. Er kam zum Ergebnis, die Produktion "ging ohne Zweifel in die Millionen von Rollen pro Jahr."[28] Auch auf dieser Basis kommt man auf einen Umlauf in der Grössenordnung von 100 Millionen Buchrollen.[29]

Von diesen Millionen Büchern aus der Zeit vor 350 ist kein einziges in einer Bibliothek überliefert worden. Alle Quellen aus heidnischer Zeit, also etwa vor 350, wurden nur als christliche Editionen (kompiliert um 400) überliefert.

Über die Anzahl der überlieferten antiken Titel (ohne Funde) wurden bisher noch keine genauen Zahlen veröffentlicht.[30] Die Größenordnung dürfte bei etwa 3000 liegen, 1000 davon in Latein. Der größte Teil davon liegt nur in Bruchstücken vor. Das gesamte überlieferte heidnische Textvolumen umfasst, zumindest in Latein, wahrscheinlich weniger als in 100 Codices passen würde. Der Bruch im Bestand liegt in der Größenordnung von einem Faktor 1000. Mit anderen Worten, nur 0,1 % oder einer von 1000 Buchtiteln wurde überliefert. Diese Zahl ergibt sich, wenn man den geschätzten Gesamtbestand an Titeln von einigen Millionen den einigen 1000 überlieferten Titeln gegenüberstellt; oder – völlig unabhängig davon – die letzte antike Bibliothek (Konstantinopel, 476 mit 120.000 Codices) mit der ersten mittelalterlichen (Cassiodor, 576 mit ca. 100 Codices) vergleicht.[31]

Das zentrale Problem, der extreme Bruch in der Überlieferungsgeschichte, zeigt diese Statistik der Bibliotheken. Da im Mittelalter etwa 90% der Bestände nur Theologie enthielten war der Verlust an Wissen noch um einen Faktor 10 größer als es hier erscheint.

Diese Grunddaten der Überlieferungsgeschichte weisen auf eine kulturelle Katastrophe, die ohne Beispiel in der Geschichte der Menschheit ist. Im Folgenden wird versucht, die wichtigsten Informationen über diesen Vorgang zusammenzustellen. Es sind dies meist indirekt erschlossene Informationen aus Zahlenangaben, Zitaten- und Titellisten oder die Beschreibung scheinbar regionaler Ereignisse durch Zeitzeugen. Die geringe Anzahl eindeutiger Informationen ist wahrscheinlich durch die Überlieferung selbst bedingt. Sie enthielt vornehmlich Texte des Christentums, das um 400 im Kampf über das Heidentum siegte und auch bestimmte, welche Texte des Heidentums überliefert werden.

Die christliche Subskription[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wahrscheinlich fast alle uns überlieferten Bücher enthielten eine christliche Subskription. Dies war ein kurzer Nachtext, der beschrieb, wann das Buch kopiert wurde und wer es auf seine Richtigkeit überprüft hatte. Solche Subskriptionen waren wahrscheinlich auch in heidnischer Zeit zumindest bei wertvollen Büchern üblich. Sie bestätigten die Herkunft und die Fehlerfreiheit der Abschrift.

Bis auf eine Ausnahme stammen alle erhaltene Subskriptionen aus christlicher Zeit, beginnend gegen Ende des 4. Jahrhunderts.[32] Reynolds und Wilson,[33] die das Thema aus traditioneller Sicht diskutieren, sehen kaum Anhaltspunkte, dass die davon bezeugte Herausgabe- und Korrektur-Aktivität bei heidnischen Texten auf eine irgendwie geartete Opposition zum Christentum hindeutet. Im Gegenteil waren Christen an der Subskribierung heidnischer Texte sicher beteiligt.[34]

Unklar ist eher ob Heiden überhaupt beteiligt waren. Die Subskripienten aus den Nicomachi und Symmachi Familien waren bereits Christen. Reynolds und Wilson sehen das "plötzliche wiederauftreten der Subskriptionen in säkularen Texten gegen Ende des 4. Jh," eher verbunden mit der Umschrift zum Codex.[35] Und wie von Albrecht schreibt: "Autoren, die hierbei keine Berücksichtigung finden, sind fortan aus der Überlieferung ausgeschieden."[36]

Die eine überliefterte heidnische Subskription von Statilius Maximus (um 180 AD) bezeugte deutliche Aktivität zur Verbesserung des Textes[37] und deutet bereits auf einen Codex.[38] Reynolds und Wilson fiel auf, dass die von ihnen seperat diskutierte Subskriptionen in christlicher Zeit zumindest teilweise nicht mehr wie früher auf Textverbesserung ausgerichtet war. Sie bezweifeln daher, dass die christliche Subskription der klassischen Literatur eine wesentliche Hilfe war.[39]

Für historisch interessant sehen sie aber den grösstenteils hohen gesellschaftlichen Status der Personen die in den christlichen Subskriptionen erwähnt sind.[40] Interessant ebenfalls, dass Korrekturen eines Textes offenbar noch Jahrhunderte nach seiner Abschrift erfolgt sind.[41]

Aus einem Brief des Bischofs Synesius von Cyrene (um 400) geht aber hervor, dass es zu seiner Zeit eine Klasse von Büchern gab, die als „unüberarbeitete Kopien“ galten. Sie zu besitzen war eine erhebliche Beschuldigung.[42] Dies deutet darauf hin, dass die christliche Subskription nicht nur Schreibfehler, sondern auch inhaltliche Veränderungen betroffen haben könnte. Es handelte sich dabei wohl um Veränderungen, die für die christliche Ideologie um 400 im Kampf gegen des Heidentum oder andere Fraktionen von Relevanz sein mussten. Rein formelle Dinge, wie Schriftart oder gar ein Bilderverbot, können für diese Zeit ausgeschlossen werden.

Auswahlkriterien bei der Überlieferung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch die Überlieferung sind von der griechischen Literatur vor 500 etwa 2000 Autorennamen bekannt, aber nur von 253 Autoren die Bücher. Von diesen 253 Autoren waren von 127 nur Bruchstücke, von 136 aber alle Titel erhalten. In der römischen Literatur waren es 772 Autorennamen, von 144 waren Schriften erhalten, darunter 37, von denen alle Schriften überliefert sind.[43] Diese Zahlen zeigen, besonders für das Griechische, einen hohen Anteil an Autoren, die komplett überliefert sind. Im Vergleich zu den fragmentarisch oder nur mit Namen bekannten Autoren kann dies nicht durch eine zufällige Auswahl erklärt werden. Offensichtlich wurden bestimmte Autoren, wahrscheinlich christliche Propagandisten, gezielt bevorzugt.

Dies zeigt auch die thematische Gewichtung der Literatur. Zu Beginn der Kaiserzeit hatten die (verlorenen) 493 Rollen der Enzyklopädie des Varro folgende Verteilung: 34 % Unterhaltung (Poesie und Satire), 39 % Wissenschaft (Philosophie und angewandte Wissenschaft, Technik), 27 % Geschichte (8 % Literatur und Theater, 16 % Berühmte Personen und Völker, 3 % Religion).[44]

Die um 1900 in der ägyptischen Provinzstadt Oxyrhynchos gefundenen Papyri stammten aus einer antiken Müllhalde von 100 bis 600. Sie scheinen ein großes Spektrum der Bevölkerung zu repräsentieren.[45] Man fand darunter auch Rollen mit Literatur. Der daraus ablesbare Geschmack des Volkes hat noch immer Ähnlichkeit mit der Gewichtung von Varro: 56 % Unterhaltung (33 % Epik, 12 % Tragödien, 5 % Bukolik), 44 % Sachbuch (21 % Geschichte, 18 % Philosophie, 5 % Reden).[46]

Der Inhalt der Bibliotheken der letzten 2000 Jahre. Mit der christlichen Machtübernahme kam ein extremer Bruch in Interesse und Fähigkeit der westlichen Kultur. Erst nach 1800 wurde in einigen Ländern wieder ein säkularer Stand wie in der Antike erreicht...

Im Gegensatz zur Antike zeigt die Buchproduktion nach 400 eine extreme Zunahme religiöser, christlich theologischer Titel bis auf 80–90 % der Bestände im Mittelalter.[47] Der säkulare Anteil von 10–20 % umfasste vor allem Worterklärungen und Grammatika. Unterhaltung, Zeitgeschichte und jede Art von Wissenschaft hatte in den christlichen Bibliotheken des Mittelalters einen Anteil von unter 5 %. Bei dem geringen Bestand der meisten Bibliotheken konnte man solche Bücher nur in den wenigen großen Klosterbibliotheken (etwa 10–20 nach dem Jahr 800) unter Beständen von einigen 100 Codices erwarten.[48] Welche Folgen dieser Zusammenbruch für die Kultur hatte, zeigt die Überlieferungsgeschichte der Wissenschaften

Wann ging das Gros antiker Literatur verloren?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Brand einer Bibliothek[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Antike besaß eine große Zahl an Bibliotheken. Öffentliche Stadtbiliotheken und private mit 20.000 bis 50.000 Rollen sind bekannt. Es gab sie nicht nur in Rom (29 öffentliche um 350), sondern auch in den Provinzen. Bei Caesars Besuch in Alexandria verbrannte nicht die große Bibliothek, sondern ein Lagerhaus am Hafen mit 40'000 Rollen, wahrscheinlich eine Jahresproduktion [49] die für den Export bestimmt war. [50] Die Bibliothek von Alexandria umfasste in hellenistischer Zeit mehr als 490'000 Rollen,[51] diejenige in Pergamon 200'000 Rollen. Spätestens in der Kaiserzeit dürften einige Städte, vor allem aus Gründen des Status, dieses Niveau erreicht haben.

Über die Bestandszahlen der großen Bibliotheken Roms sind keine Angaben überliefert. Archäologisch kann über die Größe von Wandnischen für Bücherschränke bei der Palatina und der Ulpia Trajana auf mindestens 100'000 Rollen geschlossen werden. Wahrscheinlich befanden sich darin aber nur die kostbarsten Rollen, auch die Bibliothek von Pergamon hatte fast alle ihre Bestände in Depoträumen. Von der Größe der Gebäude hätten die Hauptbibliotheken Roms, wie auch in Alexandria und Athen, jeweils Platz für Millionen Rollen gehabt. Bei einer solchen geografischen Verteilung des antiken Wissens konnten einzelne Ereignisse wie der Verlust einer Bibliothek für die Überlieferung kein wesentliches Problem darstellen.


Die Umschreibungs- / Verrottungs-These[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seite aus dem vielleicht ältesten überlieferten Buch, dem Vergilius Vaticanus (um 400). Der gute Erhaltungszustand zeigt, zumindest aus technischer Sicht, dass die Überlieferung der Bücher von vor 300 auch möglich gewesen wäre.

Einige Historiker vermuteten, um 400 habe eine Umschreibung von Papyrus-Rollen auf Pergament-Codices stattgefunden. In der christlich dominierten Zeit oder sogar schon früher, habe die Gesellschaft dann das Interesse an den heidnischen Rollen verloren. Sie seien daher nicht weiter kopiert worden und im Laufe des Mittelalters in Bibliotheken verrottet, während die haltbareren Pergament-Codices überdauerten.

Diese Vermutung wird besonders von Papyrologen bezweifelt. Papyrus steht in Haltbarkeit dem Pergament nicht nach. Roberts und Skeat, die das Thema selbst untersuchten, erklären dies 1983 in „The Birth of the Codex“ sehr deutlich.[52] Um 200 war es kein Problem in einer Bibliothek in Rom eine 300 Jahre alte Papyrusrolle zu lesen.[53] Das Material hätte also über 400 Jahre aushalten müssen. Aber ab 800 haben die vielen antiken Rollen sicher nicht mehr existiert. Aus den Katalogen und der Kopiertätigkeit dieser Zeit können wir dies sicher schließen. Man konnte ab 800 nur noch auf Codices zurückgreifen die nach 400 geschrieben waren.

Außerdem enthält der C.L.A. mindestens 7 Papyrus Codices die in Bibliotheken aus der Zeit zwischen 433 und 600 bis heute, zumindest in Teilen, überlebten. Einer, C.L.A. #1507, um 550, ist in Wien und hat noch 103 Seiten. Wenn die 1500 Jahre überdauern konnten hätten die vielen anderen doch mindestens 400 Jahre halten müssen. Der Verlust kann also nicht durch die Haltbarkeit von Papyrus, Rollen oder Codices erklärt werden.

Vielmehr sieht es danach aus, als seien nach 400 plötzlich viel weniger Bücher und diese nur noch in Form von Codices produziert worden. Die in Oxyrhynchos gefundenen Buchrollen (ca. 34% der gesamten Papyri, 66% waren Urkunden)[54] zeigen eine rege Buchproduktion im 2. und 3. Jh, (655 und 489 Stück) und einen massiven Einbruch im 4. und 5. Jh. (119 und 92 Stück), sowie nur noch geringe Produktion danach (41, 5 und 2 Stück nach dem 7. Jh als auch die Stadt verschwand).

Ein ähnliches Bild liefert der C.L.A. für Europa. Danach wurden von 400 bis 700 in Europa (außer Italien) nur etwa 150 Codices überliefert. Davon entfallen auch noch 100 nur auf Frankreich. Das bestätigt auch die weitere Paläografie nach dem Zeitraum des C.L.A.. Die Bestände der großen Klosterbibliotheken um 900 (Lorsch, Bobio, Reichenau, alle um 700 Codices) stammten fast alle aus der Zeit nach 750 und zeigen damit die so genannte karolingische Renaissance. Für die meisten antiken Bücher stammen die ältesten heute erhaltenen Kopien aus dieser Zeit. Wahrscheinlich kopierte man da Bücher aus dem 5. Jh. die heute nicht mehr erhalten sind. Der C.L.A. kennt für die Zeit bis 800 nur 56 überlieferte klassische Bücher, davon 31 nur aus dem 5. Jh.

Was zunächst als Phase der Umschreibung von Rolle auf Codex erschien, war offenbar nur das Resultat einer extrem reduzierten Buchproduktion. Erreichte sie vor 300 wahrscheinlich die Größenordnung von 100'000 pro Jahr, so lag sie nach 400 bei unter 10 pro Jahr. Dieser Wert gilt für den lateinischen Bereich auf Basis des C.L.A.. Der C.L.A. zeigt eine Überlieferung von 1 bis 2 pro Jahr für 400 bis 700. Dies deutet auf eine geringe Produktion aufgrund der für den billigen Papyrus kein Bedarf mehr bestand. Man zog das bisher edlere, aber nun leichter verfügbare Pergament vor. Papyrus wurde nur noch in Ausnahmefällen für Bücher oder Urkunden verwendet und im Lateinischen Bereich ab etwa 600 kaum noch verfügbar.

Die Eingrenzung des Zeitraums: vor 500[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie bereits erwähnt waren die antiken Bücher ab 800 sicher nicht mehr vorhanden. Wahrscheinlich waren sie aber auch schon ab 500 nicht mehr da. Cassiodor lebte von ca. 490 bis 583 in Italien. Er war zunächst Senator und Sekretär des Ostgotenkönigs Theoderich. Während des Kriegs mit Ostrom (Gotenkrieg) zog er sich, nach Aufenthalt in Konstantinopel, [55] um 540 auf seine privaten Ländereien nach Süditalien zurück und gründete des Kloster Vivarium. Er sprach Latein, Griechisch und Gotisch, sammelte Bücher und übersetzte auch welche von Griechisch nach Latein. Sein erklärtes Ziel war die Rettung der klassischen Bildung, und er erklärte als erster das Kopieren von Büchern zur Pflicht für Mönche.

Cassiodor in Vivarium, Codex Amiatinus.

Aufgrund seiner wohlhabenden Position und seiner weiten Kontakte, auch in den griechischen Bereich, war er in einer außergewöhnlich guten Position, die wichtigsten zu seiner Zeit im Mittelmeerraum noch verfügbaren Bücher auch zu bekommen. [56] In seinen eigenen Texten beschreibt er seine Bibliothek, einzelne Bücher und gibt Zitate aus ihm wahrscheinlich vorliegenden Werken. Aufgrund dieser Angaben haben zunächst A. Franz und später R.A.B. Mynors „a provisional indication of the contents of the library at Vivarium“ erstellt.[57] Das Ergebnis war, dass Cassiodor nicht wesentlich mehr antike Texte kannte als wir heute. Er hatte die einzige größere Bibliothek des 6. Jahrhunderts, über deren Inhalt etwas bekannt ist. Sie verfügte etwa über 100 Codices.

Ähnlich war die Situation bei Bischof Isidor von Sevilla, der von ca. 560 bis 636 in Spanien lebte. Er hatte die einzige Bibliothek des 7. Jh., über deren Inhalt etwas bekannt ist. Angeregt von seinem berühmten Lehrer Traube unternahm Paul Lehmann eine entsprechende Untersuchung von Isidors Schriften. Er kam zum Ergebnis, dass Isidor wahrscheinlich auf mindestens drei Büchern Cassiodors aufbaute ohne diesen auch nur in einem seiner Werke zu erwähnen. Lehmann: „Die meisten Schriften, die Isidor mit Titel und Verfasser angibt, hat er wahrscheinlich nie gelesen.“[58] Isidor konnte nur 154 Titel zitieren.[59] Seine Bibliothek war wahrscheinlich deutlich kleiner als die von Cassiodor. Die großen Bibliotheken waren also vor 500 verschwunden. Was blieb waren kleine Klosterbibliotheken von um 20 Büchern. [60] Wie das sehr faktenreichen Standardwerk „Geschichte der Bibliotheken“ 1955 schrieb, musste der Verlust vor 500 stattgefunden haben; „Bereits zu Beginn des 6.Jahrhunderts war der große Verlust an antiken Texten eingetreten, und der Vorrat der Schriftsteller, die Cassiodor und Isidor zur Hand waren, überschreitet nicht erheblich den Kreis des auch uns Bekannten.“[61]

Haas[62] verweist auf einen konkreten Fall von Wissensverlust in der Spätantike, bezogen auf Bücher. Ein Asclepiades war um 490 einer der wenigen heidnischen Gelehrten in Alexandria. Er und sein Kreis hielten sich für die letzten Priester des Osiris und verwendeten Hieroglyphen bei rituellen Handlungen. Haas geht aber davon aus, dass dieser Kreis Hieroglyphen nicht mehr lesen konnte. Denn Asclepiades Sohn, Horapollon, verfasste das einzige überlieferte spätantike Werk über die Bedeutung der Hieroglyphen. Darin fehlt aber jeder Hinweis auf deren lautsprachliche Funktion. Es werden nur phantasievolle allegorisch-mystische Funktionen beschrieben. Bis ins 4. Jh. wurden Hieroglyphen verwendet und es waren damals sicher entsprechende Bücher dazu vorhanden. Um 500 hatte offenbar selbst ein Fachmann in seiner Privatbibliothek im Gelehrtenzentrum Alexandria kein solches Buch mehr.

Horapollon war Professor an einer Philosophenschule in Alexandria. Er wurde angeklagt heidnische Opfer dargebracht zu haben[63] und ein Untersucher kam dafür 488 aus Konstantinopel[64] Der folgende Vorgang wurde von einem modernen Historiker als "Inquisition" bezeichnet,[65] Horapollon und andere Lehrer wurden gefoltert[66]. Wahrscheinlich wurde dieses Buch mit anderen "heidnischen" Texten im Archiv dieser Früh-Inquisition in Byzanz überliefert. Im 9. Jh. scheint dann Photius dieses spätantike Material gesichtet zu haben[67].

Die Eingrenzung des Zeitraums: 350 bis 400[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Betrachtet man die Zeitspanne von 300 bis 800, so gab es immer wieder Ereignisse in denen einzelne Bibliotheken zerstört worden sein könnten. Es gab jedoch nur einen kurzen Zeitraum, von etwa 380 bis 400, in dem die Existenz aller Bibliotheken des römischen Reichs gleichzeitig bedroht war. Nur von einer einzigen großen Bibliothek wissen wir, dass sie diese Zeit überstanden hat: Die Palastbibliothek von Constantinopel wurde erst 476 mit 120'000 Codices durch ein Feuer zerstört. Die nächste bekannte Bibliothek ist erst wieder 100 Jahre später die von Cassiodor mit etwa 100 Codices.

Der Zeitraum 370 bis 400 war ein Höhepunkt im gewaltsamen Vorgehen des nun den Staat dominierenden Christentums gegen das Heidentum und seine gesamte Kultur. Im Jahre 391 erliess Kaiser Theodosius I. ein Gesetz wonach alle heidnischen Tempel zu schließen seien. Im Begriff der damaligen Zeit waren heidnische Tempel aber die meisten nicht-kirchlichen Kulturgebäude. Etwa eine den Göttern geweihte Bibliothek oder auch das Museum, ein Tempel der Muse. In diesem Kontext wurde Theodosius' Edict als Versuch interpretiert, alle heidnischen Bibliotheken zu vernichten.[68]

So wissen wir von der Bibliothek im Serapeum, das die Stadtbibliothek von Alexandria darstellte[69], dass sie 392 von christlichen Fanatikern zerstört wurde. Von dem Museum von Alexandria, das die berühmte große Bibliothek enthielt und als Gebäude bis etwa 380 belegt ist,[70] gibt es nach 400 keine Spur mehr. Bereits im 5. Jh. wird das Gelände als Ödnis beschrieben. Johannes Philoponos erwaehnt um 520 AD die „große Bibliothek“ die einstmals der Stolz Alexandrias war.[71] Erst Ausgrabungen 2003 fanden Fundamente.

Wie John von Nikiu berichtet, haben zwischen 412 und 425 radikale Christen in Alexandria "grosse Mengen Holz gesammelt und den Ort der heidnischen Philosophen verbrannt."[72] Ein Ort der heidnischen Philosophen war immer eine Bibliothek oder ein Gebäude, wie das Museum, das eine Bibliothek enthielt. Bemerkenswert an dieser Episode ist, dass die Bibliothek offenbar bereits leer war. Denn sonst hätte man nicht erst Holz sammeln müssen, die Codices und Rollen dort hätten es auch getan.

Ammianus Marcellinus (ca. 330 bis 395), die wichtigste Quelle für diesen Zeitraum, erwähnt die Verfolgung und Hinrichtung offenbar gebildeter Leute, denen der Besitz von Büchern mit verbotenem Inhalt vorgeworfen wurde. Ihre Codices und Rollen wurden in großer Zahl öffentlich verbrannt. Bei den Büchern soll es sich angeblich um „Zaubertexte“ gehandelt haben. Ammianus meinte aber, es waren vor allem Werke der „artes liberales“, der klassischen antiken Wissenschaften. Infolge des "Terrors", so Ammianus wörtlich, hätten in den östlichen Provinzen „aus Furcht vor ähnlichen Schicksalen die Besitzer ihre ganzen Bibliotheken verbrannt“.[73]

Hierzu sei auch an eine andere Stelle bei Ammianus erinnert. Er kritisiert die oberflächliche Unterhaltungslust der römischen Oberschicht und fügt dabei ein: „die Bibliotheken waren geschlossen für immer, wie Grüfte.“[74] Dies wurde im 19. und dem größten Teil des 20. Jh. von den meisten Gelehrten so interpretiert, als seien die großen öffentlichen Bibliotheken Roms geschlossen. In jüngster Zeit vermuten manche, es könne sich nur auf die Hausbibliotheken und die Vergnügungen eines dekadenten römischen Adels beziehen.[75]

Etwas später, um 415, besuchte der christliche Propagandist Orosius Alexandria. Er beschreibt, er habe dort selbst in einigen Tempeln leere Bücherregale gesehen. Diese seien geleert worden „von unseren eigenen Leuten, zu unserer Zeit, als diese Tempel geplündert wurden.“[76] Auch in Rom scheinen ab 400 die großen Bibliotheken geschlossen oder leer gewesen zu sein. Selbst unter der Annahme, die Gebäude der Trajansbibliothek hätten 455 noch gestanden, [77] gibt es keinen Hinweis, wonach sie oder andere dort noch geöffnet waren oder noch Bücher enthielten.

Die Notitia Dignitatum, ein Katalog der offiziellen Verwaltungsposten im Römischen Reich um 400, zeigte keinen Hinweis, dass noch irgendwer für Bibliotheken zuständig sei. [78] Aus anderen Dokumenten und Grabinschrift wissen wir aber, dass die Verantwortung für eine oder mehrere Bibliotheken vor 300 als wichtiges und ehrenvolles Amt betrachtet wurde. Hätte es nach 400 noch die großen Bibliotheken gegeben, so wäre ihre Verwaltung von extremer Bedeutung gewesen. Denn der Verwalter hätte bestimmt, welche Bücher nach dem Sieg über das Heidentum noch verfügbar sein dürfen und welche nicht. Die Schließung der großen Bibliotheken war die einfachste Lösung dieses Problem zu umgehen, denn ihr Inhalt bestand zu über 99% aus heidnischen Büchern.

Das Zitat des Chrysostomos[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt aus der Zeit um 400 aber einen noch deutlicheren, selten erwähnten Hinweis auf die gezielte Vernichtung der antiken Literatur. Johannes Chrysostomos (349–407) war Bischof von Konstantinopel, aktiv in der Bekämpfung des Heidentums und einer einer der bedeutendsten christlichen Gelehrten seiner Zeit. In einer seiner Schriften hält er Rückblick auf die Zeit nach der „Schlacht“ mit dem Heidentum. Ein Kampf den er zu seinem Lebensende als gewonnen betrachten konnte.

Er schreibt die Philosophen und Redner der Heiden wären danach nur noch lächerlich gewesen wie dumme Kinder und hätten niemanden mehr überzeugen können:

„Ihre Schriften wurden so gering geschätzt, dass ihre Bücher schon vor langer Zeit verschwanden, die meisten wurden bei ihrem ersten Erscheinen zerstört. Wenn man überhaupt noch etwas von ihnen erhalten findet, so findet man es aufbewahrt bei Christen."[79]

Das Zitat wurde für diesen Wikipedia Artikel erstmals ins Deutsche übersetzt. Die einzige bekannte moderne Quelle war ein Buch der Catholic University of America[80]. Es erschien mit Imprimatur als offiziell korrekte Schrift der katholischen Kirche. Da die verwendeten englischen Worte nicht ganz eindeutig waren, entschloss sich der Wikipedia User "Rominator", ein professioneller Althistoriker, die griechische Originalfassung zu untersuchen. Er fand dort:

"Ihre Schriften wurden so gering geschätzt, dass ihre Bücher vor kurzem vom Erdkreis ausgelöscht wurden, die meisten sind sogleich vernichtet worden, als sie auftauchten."

Die Diskussion der Entdeckung hier und des Originals hier. Wo im Original stand "vor kurzem vom Erdkreis ausgelöscht" wurde in der modernen Fassung "vor langer Zeit verschwunden". Damit wurde das wichtigste Zitat zum Verlust der Antike von einer Zeitzeugen-Aussage zur Allegorie. Nur als Allegorie erwähnte dann auch Speyer 1981 diese Stelle:

"Wenn aber Johannes Chrysostomos den Anschein erweckt, als sei zu seiner Zeit die Literatur der Antike schon fast vergessen und derartige Schriften seien nur noch vereinzelt bei den Christen zu finden, so dürfte er in apologetisch-missionarischen Eifer übertrieben haben (20). (20) Joh. Chrys. de S. Babyla et contra Iul. 2 (PG 50,536f)" (Speyer, 1981, S. 124)

Obwohl Speyer häufig die Quellen direkt zitiert, mitunter sogar das griechische Original mit deutscher Überrsetzung bringt (z.B. S. 34), unterliess er hier ein Zitat. Vielleicht gerade weil es die brisanteste Stelle seines ganzen Buches darstellte. Denn die Grundaussage von Speyers Buch, säkulare heidnische Schriften seien nie gezielt vernichtet worden, wird hiermit widerlegt. Speyer kann man hier eher eine Unterlassung, aber keine Fälschung vorwerfen. Letzteres darf jedoch in der Genese der modernen Fassung vermutet werden.

Eine neuere Übersetzung durch Rominator die auch den Kontext deutlich macht:

"Die Tyrannen und Kaiser, die in ihrer Rede unschlagbaren Sophisten und die Philosophen, Scharlatane, Zauberer und Dämonen haben sich daran gemacht [die christliche Lehre] zu zerstören. [...] Die Philosophen und verdienten Redner waren bei der Mehrheit sehr angesehen aufgrund ihrer Würde bzw. ihrer Redefähigkeit. Nach dem Kampf gegen uns waren sie lächerlich und wirkten nicht anders als dumme Kinder. [...] So groß ist die Lächerlichkeit ihrer Schriften, dass ihre Buchrollen neulich ausgelöscht wurden, die meisten sind zerstört worden sobald sie auftauchten. Wenn man überhaupt noch etwas davon aufbewahrt findet, so findet man sie aufbewahrt bei Christen. [...] Obwohl diese satanische Lächerlichkeit noch nicht vollständig von der Erde ausgelöscht wurde, so vermag doch das bereits Geschehene euch für die Zukunft eine Lehre sein. Der Großteil ist in sehr kurzer Zeit zerstört worden. Von nun an wird niemand mehr über die Überreste streiten wollen." Joh. Chrys. de S. Babyla et contra Iul. 2 (PG 50,536f). Übersetzung: Rominator 5/2009.

Der archäologische Kontext[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Könnte es sich bei Ammianus und Chrysostomos Schilderungen um Übertreibungen oder nur lokale Ereignisse handeln? Nach heutigem Stand der Forschung kann man beiden eine Untertreibung nachweisen. Um 380 schilderte Libanius in einem Brief an Kaiser Theodosius I. systematische Zerstörungen einer Vielzahl heidnischer Tempel durch „Banden schwarz gekleideter Mönche“.[81]

Diese Zerstörungen wurden bald von der Kirche offiziell organisiert. John Chrysostomos schrieb, er habe Mönche gezielt dabei unterstützt. Er sorgte dafür, dass sie genug Kleidung, Schuhe und Nahrung bekamen. Und er verschaffte ihnen "Geld für Aufseher und Arbeiter um die Tempel abzureissen."[82]

Ein Gesetz von 397 befahl die Steine von zerstörten Tempeln für öffentliche Arbeiten zu benutzen. Etwa zur Reperatur von Strassen, Brücken, Aquedukten und Befestigungen. Der Historiker Pierre Chuvin sah dies als einen sicheren Hinweis auf das Ausmass der Zerstörungen.[83]John Chrysostomos rühmte sich um 405 im Rückblick auf sein Lebenswerk: "Nur Ruinen der Tempel blieben übrig. Sogar die Ruinen sind nur noch schwer zu erkennen."[84] Etwas später, um 430, verfasste der christliche Autor Theodoret eine der letzten antiken Schriften gegen Nichtchristen. Hier wurde sogar die Auslöschung der antiken Philosophie direkt mit der Tempelzerstörung verbunden:

„Warum sprechen wir noch von den Philosophen, Kaisern und Generälen, da doch die Märtyrer im Gedächtnis der Menschen die Nachfolger derer wurden, die man Götter nannte. Wahrlich, ihre Tempel sind so vollständig zerstört, dass man sich nicht einmal ihre frühere Stätte vorstellen kann, während das Baumaterial nunmehr den Märtyrerschreinen gewidmet ist."[85]

Für diese Zerstörungen heidnischer Kulturgüter („Ikonoclasmus“) gibt es direkte archäologische Belege. Wenn wir heute irgendwo einen antiken Kopf mit abgeschlagener Nase sehen, so waren dies nahezu sicher christliche Gewalttäter der Spätantike, wahrscheinlich um 400. Im Jahre 408 wird durch ein reichsweites Gesetzt die Zerstörung aller bis dahin verbliebenen heidnischen Kunstwerke angeordnet.[86] Der Archäologe Eberhard Sauer hat zum Ikonoclasmus der Spätantike erstmals eine größere Arbeit vorgestellt: The Archaeology of Religious Hatred, (2003).

Sauer findet zerstörte heidnische Tempel für diese Zeit vor allem im Westen. Dies liegt aber nur daran, dass hier (vor allem in Deutschland) die Ausgrabungen zahlreicher und sorgfältiger waren. Letzteres war entscheidend um aus Beifunden wie Münzen den ungefähren Zeitraum der Zerstörung der Tempel zu ermitteln. Sauer konnte klar darlegen, dass die Zerstörungen exzessiv waren und das ganze Reich umfassten:

„Auf der Basis schriftlicher und archäologischer Hinweise kann es keinen Zweifel geben, dass die Christianisierung des römischen Kaiserreichs und des frühmittelalterlichen Europas einherging mit der Zerstörung von Werken der Kunst in einem Ausmaß wie man es in der Geschichte der Menschheit nie zuvor sah.“[87]

Diese Zerstörungen waren offenbar von grausamen Hinrichtungen begleitet wie sie Ammianus um Zusammenhang mit den Bücherverbrennungen als „Terror“ erwähnt. Es gibt direkte archäologische Zeugnisse dieses Terror gegen Heiden.

Der Skelett-Fund im Mithras-Tempel von Sarrebourg

In einem mit Felsen verschlossenen und zugeschütteten Mithrastempel fand man das Skelett eines schmächtigen Mannes mit hinter dem Rücken gefesselten Händen. Er war offenbar in dem unterirdischen Raum lebendig begraben worden.[88] In einem anderen Mithrastempel fand man das Skelett eines gepfählten Mannes der offenbar zum Sterben in den Raum gelegt wurde ehe man ihn zuschüttete.[89]

Wenn Chrysostomos solche Gewaltakte nicht erwähnte, so am ehesten weil sich das damalige Christentum als friedfertige pazifistische Bewegung präsentieren wollte - zumindest für die Nachwelt. In der seit damals gepflegten christlichen Geschichtsschreibung wurden immer christliche Märtyrer Opfer heidnischen Terrors. Wenn es Ammianus nicht erwähnte, so vielleicht, weil er um sein Leben fürchtete. Gerade diese Auslassungen bei der Verfolgung von Heiden ließen manche Kritiker auch daran denken, Ammianus könnte ein christlicher Schreiber gewesen sein.[90] Jedenfalls zeigen diese archäologisch/schriftlichen Zusammenhänge[91] hier eine systematische Verfälschung in der Schilderung von wesentlichen Vorgängen der Spätantiken Welt.[92]

Der heilige Laurentius[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Beispiel solch systematischer Verfälschung ist womöglich der heilige "Laurentius von Rom". Nach der Legende soll er 258 AD Verwalter von Kirchengütern gewesen sein. Auf Befehl, die Reichtümer der Kirche dem kaiserlichen Präfekten zu übergeben, bat er sich drei Tage dafür aus. In dieser Zeit verteilte er aber die Reichtümer unter die Armen. Für diese Zuwiderhandlung wurde er auf einem eisernen Gitter zu Tode geröstet. Er wurde dann zum Schutzpatron der Bibliothekare.

Manche behaupten dies sei eine der besten belegten Märtyrer Geschichten, da sie schon um 400 von Prudentius und Augustinus berichtet wurde. Bei nährer Betrachtung ist sie jedoch gleich in mehreren Punkten unglaubwürdig.[93] Letztlich, ein Verwalter ist kein Archivar und vor allem kein Bibliothekar. Es gibt keine wirklich plausible Erklärung, warum er Schutzpatron der Bibliothekare werden konnte.

Viel mehr Sinn macht die Geschichte, wenn hier kein Kirchenheiliger im 3. Jh. sondern ein führender Bibliothekar um 375 AD zur Zeit des "Terror" das Vorbild war. Wenn es um die Vernichtung einer grossen antiken Bibliothek von 100'000 oder mehr Büchern ging. Der Prozess der Büchervernichtung kam aus dem Osten des Reichs in den Westen. Es ist gut möglich, dass Verantwortliche einige Tage vor dem Vollzug eines solchen Befehls davon Kenntnis erhielten. Zumal in der Verwaltung sicher auch noch gebildete Leute angestellt waren. Es gab keine Möglichkeit eine grosse Bibliothek in kurzer Zeit irgendwohin in Sicherheit zu bringen. Die einzige Chance die Bücher zu retten war sie in der Bevölkerung zu verteilen.

Der heilige Laurentius von Rom. Mosaik im Mausoleum der Galla Placidia in Ravenna, 5. Jahrhundert. Es verdeutlichte die Strafe auf Besitz verbotener Bücher. Man beachte die eisernen Räder des Rostes. Die Kenntnis eines solch realistischen Details deutet auf eine häufigere Anwendung als bisher vermutet.

Mit dieser Tat opferte sich der Bibliothekar für seine Bücher, er wurde wie Hypatia zum Märtyrer der antiken Kultur. Seine Hinrichtung war wahrscheinlich, wie in der Heiligen Legende, besonders grausam, durch langsame Röstung. Damit wurde ein Exempel statuiert um Besitzer oder Verwalter von Bibliotheken vor der Verteilung ihrer Bücher zu warnen. Ebenso vor der Todesstrafe für den Besitz verbotener Bücher. Das Bekanntwerden seiner Geschichte war von den neuen Machthabern daher durchaus gewünscht. Dies ist eine frappierende Paralelle zur Hypatia- St. Katharina Legende. Auch dort wurde eine reale Geschichte als Exempel verbreitet und später zu einer christlichen Märtyrer Legende umgeschrieben.[94]

Ein Mosaik in Ravenna aus dem 5. Jh. ist vielleicht dem Heiligen Laurentius gewidmet. Sicher ist es eine Warnung vor dem Besitz verbotener Bücher.[95] Der Zweck des Gebäudes, eine Art kleiner Kapelle, ist bis heute unklar. [96] Es erinnert eher an den Ort des "nächtlichen Rates" nach Platon. Ein Ort wo man nach Platon Andersdenkenden im geheimen eine letzte Ermahnung zukommen lassen sollte. Nur ein sehr kleiner Kreis von Wissenden sollte damit betraut sein. Aus dem Hohen Mittelalter gibt es Berichte über geheime Gerichte. Dies waren geheime Versammlungen bei denen ohne Anhörung der Angeklagten Todesurteile wegen Ketzerei, Heidentum und Zauberei gesprochen wurden.[1] Der Besitz unerlaubter Bücher war wahrscheinlich dabei sogar das erstrangige Delikt. [2]

Die Rolle der „Zauberbücher“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie Eingangs erwähnt, war die antike Literatur wahrscheinlich weit verbreitet, auch in kleinen und kleinsten privaten Bibliotheken. Durch die Beschlagnahme der großen Bibliotheken konnte man daher wahrscheinlich nicht einmal der Hälfte des Bestandes habhaft werden. Die vollständige Auslöschung all der Millionen vor ca. 350 erstellten Bücher muss eine längere Kampagne gewesen sein. Spuren dieser Kampagne müssen sich in der Geschichtsschreibung finden lassen. Die Verfolgung der Zauberbücher könnte ein Hinweis sein. Diese Literaturgattung war zu Begin des ersten Jahrtausends eher selten zu finden (siehe Häufigkeit von Zauberbüchern). Sie werden aber seit der christlichen Machtübernahme im 4. Jh. der Hauptgrund für Büchervernichtungen.

Eine umfangreiche, etwas christlich apologetisch geprägte[97] Arbeit widmete sich 1981 dem Thema der antiken Büchervernichtung.[98] Zum Thema „Die Vernichtung der heidnischen Literatur“ fand der Autor nur Hinweise auf die Vernichtung christenfeindlicher Schriften, von Ritualbüchern (also heidnischer Theologie), von lasziver Literatur (Erotik, Pornographie) und von Zauberbüchern. Demnach sind Schriften der klassischen Wissenschaften nie gezielt vernichtet worden.[99] Verfolgung von Zauberschriften, wahrscheinlich Fluch- und Schadsprüche/Rituale, gab es schon zu heidnischer Zeit. Gebildete, wie Plinius der Ältere, hielten Zauberei schlicht für Betrug.[100]

Im Volksglauben war Magie aber immer mehr oder weniger vorhanden. In christlicher Zeit, ab ca. 350, scheint die Verfolgung von Zauberbüchern ein nie gekanntes Ausmaß angenommen zu haben. Die von Ammian berichtete Verbrennung von Büchern der klassischen Wissenschaften im Rahmen von Zauberbücher-Verfolgung war wahrscheinlich Teil einer systematischen Vernichtung der heidnischen Literatur.

Ob ein Buch Magie oder Wissenschaft enthielt war nur durch sein Lesen erkennbar. Selbst dann dürfte es noch einige Bildung benötigt haben, immer den Unterschied zu erkennen. Diese Bildung war aber immer weniger vorhanden, vor allem nicht bei Christen. So wurden die heidnischen Götter als Dämonen und böse Geister gedeutet.[101] Noch heute gelten im katholischen Exorzismus heidnische Kaiser, wie etwa Nero, als Dämonen die Menschen befallen können. In dem extremeren Kontext der Spätantike könnte nahezu jedes heidnische Buch als Zauberbuch denunziert werden. Wenn es einem berühmten Heiden oder einer Gottheit gewidmet ist oder nur einen inzwischen als Magier angesehenen Wissenschaftler zitiert. Ein nichtchristliches Buch konnte als Zauberbuch erkannt werden, wenn es einem berühmten Nichtchristen oder einer Gottheit gewidmet ist oder nur einen inzwischen als Magier angesehenen Wissenschaftler zitierte. Der Vorwurf der Magie war sehr weit gefasst und wurde auch gegen antike Religionen insgesamt verwendet.[102]

Von Paulus in Ephesos bekehrte „Zauberer“ beim Verbrennen ihrer Bücher. Bibelillustration von Gustave Doré, um 1866

Die Verbrennung von Zauberbüchern durch Christen geht auf eine Passage in der Apostelgeschichte zurück.[103] Dabei wird erzählt wie Paulus Dämonen austrieb um Kranke zu heilen. Er war dabei erfolgreicher als „Söhne eines jüdischen Hohenpriesters Skeva“ die als „umherziehende jüdische Beschwörer“ bezeichnet wurden[104] Nach dem Triumph von Paulus in der Stadt: „Viele aber von denen, die gläubig geworden waren, kamen und bekannten und verkündeten ihre Taten. Viele aber von denen, welche vorwitzige Künste getrieben hatten, trugen die Bücher zusammen und verbrannten sie vor allen; und sie berechneten den Wert derselben und fanden ihn zu fünfzigtausend Stück Silber.“ (Apg, 19,18-19). In dieser Passage kann man aber nur aus dem Kontext vermuten, dass Bücher mit Zaubersprüchen gemeint sind.[105] Die große Menge der hier vernichteten Bücher macht entweder die Passage unglaubwürdig oder lässt nur den Schluss zu, dass es sich nicht um Zauberbücher im heutigen Sinne gehandelt hat.[106] Von besonderer Relevanz ist nun, dass es außer dieser Bibelstelle erst wieder ab dem 4. Jh. Nachweise für die Verbrennung von „Zauberbüchern“ im Rahmen christlicher Bekehrung gibt.

Von ca. 350 bis ins Mittelalter hinein gibt es einige Schilderungen wie der Besitz von „Zauberbücher“ lebensgefährlich war, sie gezielt gesucht und vernichtet wurden. Vor allem in der Zeit ca. 350-400 konnte es auch für den Besitzer tödliche Folgen haben:

„In dieser Zeit wurde mit größter Strenge gegen die Besitzer von Zauberbüchern vorgegangen. Von Johannes Chrysostomos erfahren wir, dass Soldaten seine Heimatstadt Antiochien am Orontes genau nach magischen Schriften durchsuchten. Als er selbst zu dieser Zeit mit seinem Freund am Orontes entlangging, sahen sie einen Gegenstand auf dem Fluss schwimmen. Sie zogen ihn heraus und erkannten, dass sie ein verbotenes Zauberbuch in Händen hielten. Im selben Augenblick zeigten sich in ihrer Nähe Soldaten. Doch es gelang ihnen noch, das Buch unbemerkt im Gewand zu verstecken und es wenig später wieder in den Fluss zu werfen. So entgingen sie der Lebensgefahr. Wie Chrysostomos weiter berichtet, hatte ein Besitzer eines Zauberbuches dieses aus Angst vor den Verfolgern in den Fluss geworfen. Er wurde dabei beobachtet, der Zauberei überführt und mit dem Tode bestraft.“[107]

Nicht nur Chrysostomos, auch Ammian beschreibt Hinrichtungen im Zusammenhang mit der Verfolgung von Zauberbüchern. So wird der offenbar bekanntere Philosoph Simonides auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Ammian vergleicht ihn mit dem griechischen „berühmten Philosophen Peregrinus mit dem Beinamen Proteus.“ Chuvin sieht in ihm sogar einen möglichen Märyterer der heidnischen Philosophie während dieser „Hexenjagd“.[108] Nach Simonides Verbrennung wurden, so Ammian, „eine Menge von Menschen fast aller Bevölkerungsklassen“ gefoltert und hingerichtet. „So bot sich überall das Bild einer wahren Tierschlächterei“.[109]

Bemerkenswert an der Schilderung des Terrors bei Ammian ist, dass scheinbar nur Heiden die Opfer waren. Obwohl Christen der Zauberei ähnliche Riten eher vollzogen als heidnische Philosophen dieser Zeit, wird in christlichen Quellen keine Heimsuchung von Christen erwähnt. Der Terror fand nur gegen Heiden statt.

Nach Chrysostomos und Ammian muss das Gros der heidischen Literatur während dieser Zeit im 4. Jh. vernichtet worden sein. Sie sind auch die einzigen (derzeit bekannten) Quellen zur Vernichtung von Zauberbüchern im 4. Jh. Erst aus dem 5. Jh. haben wir mehr Berichte dazu. Demnach waren es Kampagnen von Bischöfen die mit kaiserlicher Genehmigung durchgeführt wurden. Zusammen mit dem Abbruch ehemaliger Tempel kam es zu Hausdurchsuchungen nach heidnischen „Idolen“ und Büchern, die dann vernichtet wurden.[110]

Wenn Speyer hier nur "Ritualbücher“ vermutet,[111] so erscheint das deutlich zu kurz gedacht. Für Christen der Spätantike kann es keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Zauberbüchern und Ritualbüchern gegeben haben. In ihrem Verständnis, und dem der Neuplatoniker, war jeder heidnische Ritus eine Anrufung von Dämonen, ebenso wie bei der Zauberei. Bei einer solchen Weltsicht dürfte sich auch der Unterschied zwischen Zauberbüchern und säkularen heidnischen Büchern bei den meisten Christen verwischt haben.

Die Büchervernichtungen des 5. und 6. Jh. waren reichsweite Aktivitäten kirchlicher Organe mit Billigung der weltlichen Macht. Wenn mehr Berichte aus dem östlichen Teil des Reichs erhalten sind, so spiegelt das wahrscheinlich nur die bessere Überlieferungslage aus diesem Gebiet.[112]

Im Jahre 526 ließ Kaiser Justinian die Akademie von Athen schließen. Im Jahre 546 erließ er ein Lehrverbot für Heiden und ließ heidnische „Grammatiker, Rhetoren, Ärzte und Juristen“ verfolgen und 562 „heidnische Bücher“ öffentlich Verbrennen.[113] Aus der Reihenfolge dieser Ereignisse lässt sich schließen, dass die heidnischen Bücher wahrscheinlich erst mit Hausdurchsuchungen gefunden wurden. Dies macht deutlicher warum Chrysostomos um 400 heidnische Bücher am ehesten noch im Besitz von Christen vermutete. Sie waren von entsprechenden Hausdurchsuchungen nicht oder weniger bedroht.

Die Verbindung zwischen den klassischen Wissenschaften und den Zauberbüchern könnte aber noch direkter sein als bisher angenommen. So werden in den Gesetzen der Spätantike seit 409 „Mathematiker“ verpflichtet „ihre Bücher vor den Augen der Bischöfe zu verbrennen, andernfalls seien sie aus Rom und allen Gemeinden zu vertreiben.“[114] Üblicherweise werden Mathematiker in der Spätantike mit Astrologen gleichgesetzt. Dies erscheint aber nicht zwingend. Unter Mathematik verstand die Antike wesentliche Teile der klassischen Wissenschaften. Nur im einfachen Sprachgebrauch wurden darunter Astrologen (Sterndeuter) verstanden.[115]


Sarefield fand bei seiner Dissertation zur antiken Bücherverbrennung besonders in den Berichten des 5. und 6. Jh. eine Verwischung der Begriffe zwischen Bücher über Zauberei oder einfach heidnischen Inhalten.[116]

Es ist im 5. und 6. Jh. aber keine Radikalisierung erkennbar, im Gegenteil. Die überlieferten Vorgänge waren nicht mehr mit Hinrichtungen verbunden. Auch dies spricht dafür, dass der Höhepunkt der Verfolgung im 4. Jh. stattfand. Wenn daher im 5. und 6. Jh. nun eine verbreitete Gleichsetzung von Zauberbüchern und allgemein heidnischen Büchern erkennbar ist, dann ist dies für die Zeit von Ammian und Chrysostomos im 4. Jh. noch wahrscheinlicher.

Sarefield bekam den Eindruck, dass "Bücherverbrennung eine herausragende Erscheinungsform religiöser Gewalt in der spätrömischen Zeit wurde."[117] Sie wurde zur „heiligen Gewalt“, mit deren Ausübung Christen glaubten Gott erfreuen zu können.[118] Diese Sicht Sarefield`s zur Vernichtung nicht-christlicher Bücher lässt sich das ganze Mittelalter hindurch belegen.[119]

Die Weltsicht des Chrysostomos[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

War die Ermordung heidnischer Philosophen und das Verbrennen ihrer Bücher ein zufälliger Exzess oder gab es dafür tiefere Gründe? Hierzu ist die Ansicht von John Chrysostomos, ein Heiliger und Kirchenvater von besonderer Bedeutung.[120] Er war nicht nur der herausragende christliche Denker für das späte 4. Jh.. Er war auch einer der letzten christlichen Denker die zwischen Zauberern, Rhetorikern und Philosophen noch differenzieren konnten. Als 100 Jahre später die Neuplatoniker die heidnische Philopsophie dominierten war dieser Unterschied kaum noch vorhanden. Denn diese "Philosophen" hielten sich selbst für Zauberer.[121]

Für Chrysostomos waren Wissenschaftler, also Philosophen, eine konkurrierende Gruppe die "Tricks ohne Nutzen vollbringt." Sein Vergleich mit damaligen Schau- Asketen gibt Einblick in eine bizarre Geisteshaltung.[122] Im obigen Zitat zur Büchervernichtung erwähnt er direkt auch die Philosophen, die sich daran gemacht hätten die christliche Lehre zu zerstören. Er begrüsst die Vernichtung ihrer Bücher und nennt deren Inhalt eine "satanische Lächerlichkeit". In eimem anderen Text beschreibt er, wie er sich die Zukunft vorstellt:

"Und es war das Ergebnis einer unaussprechlichen Macht, dass [die Apostel] nur durch ihren Befehl, sie die Toten ins Leben erhoben, die Dämonen austrieben, den Tod vertrieben, die Zungen der Philosophen stoppten, die Münder der Rhetoriker zunähten, Könige und Herrscher überwältigten, und waren siegreich über Barbaren, Heiden und jede Nation."[123]

Hier werden auch weltliche Taten, wie Krankenheilung ("den Tod vertrieben") oder Sieg über Barbaren, mit Hilfe einer unaussprechlichen Macht erreicht. Johannes Chrysostomos meint hier eine besondere Form des göttlichen Beistands, der dem wahren Gläubigen über Askese erreichbar sei. Dies geht auf den heiligen "Antonius der Grosse" (251?-356) zurück, besonders propagiert durch Athanasius Schrift "Das Leben des Antonius" um 360 AD.

Antonius lebte 10 Jahre als Einsiedler in einer Grabhöhle auf einem Berg. Als Einsiedler sah er sich: "drei Kämpfen entrissen: Dem Hören, dem Sehen, dem Reden. Er hat nur noch einen Kampf zu führen: den gegen die Unreinheit!" Was er dort erlebte kennt die moderne Medizin als endogene Halluzination, hervorgerufen durch sensorische Deprivation. Solche "Abschaltung der Sinne", für Stunden oder Tage, durch Brillen, Hörschutz und Fixierung wird seit Jahrzehnten auch als Foltermethode verwendet.

Wie sein Biograf berichtet, hatte Antonius in dieser Zeit intensiven Kontakt mit Dämonen die ihn "Versuchen" wollten. Den intellektuellen Hintergrund zur Interpretation dieser Visionen hatte Antonius durch den Origenes Kreis in Alexandria, mit dem er in Kontakt war. Dieser Kreis legte die Grundlagen der Dämonenlehre des Christentums, teilweise auch des Neuplatonismus.

Demnach gibt es keine Naturgesetze, sondern alle Vorgänge werden durch Dämonen gesteuert. Diese Dämonen sind auch direkt über die Sinne erfahrbar und für Christen eine Bedrohung. Um sich dagegen zu wehren können Christen verstorbene Märtyrer oder Heilige anrufen. Diese haben ähnliche Macht wie heidnische Dämonen und können den Christen direkt mit der Macht Gottes in Verbindung bringen. Antonius soll so in späteren Jahren, wie der Apostel Paulus, vor Besuchern Wunderheilungen und Dämonenaustreibungen vollzogen haben. Vor allem durch Athanasius sehr einflussreiche Schrift gilt Antonius als Begründer des christlichen Mönchtums.

Chrysostomos war mit diesen Gedanken vertraut. In Erwiderung auf heidnische Philosophen macht er deutlich, dass er eine Welt bewegt durch Naturgesetze ablehnte. Denn diese Gesetze wären ein Werk der Dämonen. Statt dessen bewege nur der Wille Gottes die Dinge. Welche Konsequenzen diese Weltsicht hatte, macht eine von Eusebius von Caesarea (ca. 263-339) berichtete Legende klar. Demnach sollen die natur- und heilkundlichen Schriften Salomons vernichtet worden sein, weil das Volk die Heilung von Krankheiten aus diesen Schriften und nicht mehr aus dem Bittgebet zu Gott gesucht habe.[124]

Aus dieser Sicht des Chrysostomos hatte die Vernichtung auch wissenschaftlicher heidnischer Schriften sogar einen doppelten Vorteil. Das Bitten um den Willen Gottes kann dann nicht mehr umgangen werden. Der zu erwartende Zerfall der Zivilisation, des allgemeinen Lebenstandards, führt die Menschen zur Askese, die wiederum leichter zu Gott führt. So schrieb er im Rückblick auf den Sieg des Christentums:

"Denn nicht nur die Tradition widersetzte sich, sondern auch die Lebensfreude beherrschte [den Erdkreis], zwei tyrannische Faktoren. Denn die Hellenen wurden überredet zu verabscheuen, was sie in vielen Jahren von den Vätern, Großvätern, Urgroßvätern, Vorfahren, Philosophen und Rhetoren empfangen hatten. Obgleich es äußerst misslich war, wurden sie dazu gebracht, eine andere, neue Tradition anzunehmen, nämlich eine sehr mühselige. Und das war ja noch schwieriger zu vollbringen."[125]

Aus dieser Weltsicht ist der Zusammenbruch der antiken Zivilisation kein Unglück sondern eine Chance zur Verbesserung des Menschen. Die Vernichtung aller heidnischen Literatur, besonders auch der wissenschaftlichen, war dazu eine wesentliche Vorausetzung. Die Menschen dazu zu bewegen empfand Chrysostomos als sehr schwere Aufgabe. Dennoch ist ihm und seinen Mitstreitern dieses Werk gelungen.

Der Kontext der Spätantike[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Poetin. Schreibende Frau, Pompeji um 70 AD.

Diese Darlegung des spätantiken Teils der Überlieferungsgeschichte wird noch durch andere Informationen gestützt. Die antike Welt hatte wahrscheinlich einen relativ hohen Alphabetisierungsgrad. Plinius schrieb seine Enzyklopädie ausdrücklich für Bauern. Papyrusfunde aus Ägypten bestätigen, dass auch arme Bauern in den Provinzen offenbar lesen und schreiben konnten. Ein Grabstein gefunden in Bayern, gesetzt von einem Sklaven für einen Sklaven, deutet sogar auf Alphabetisierung ländlicher Sklaven in den Provinzen.[126] Für städtische Sklaven war dies schon länger belegt.

Ein Gesetz, wonach der letzte heidnische Kaiser, Julian Apostata, versucht hätte Christen vom Lehrbetrieb auszuschließen, ist eine Legende.[127] Nach einem späteren Gesetz im 4. Jh. war es nur noch Christen erlaubt, als Lehrer tätig zu werden. Dies war offenbar der Beginn des Schulmonopols durch die Kirche, das diese noch am Ende des Mittelalters gegen säkularen Einfluss verteidigte. Um 700 war die Alphabetisierung im christlichen Europa aber bei nahe Null angelangt. Dies scheint auch mit der überlieferten antiken Literatur zu tun gehabt haben. Augustinus von Hippo (354-430), der bedeutendste Kirchenvater der Spätantike, argumentierte für den Erhalt des heidnischen Schrifttums. Aber im Prinzip nur verschlossen in einer Bibliothek, denn er wollte es weder verbreitet noch gelehrt sehen. Er sprach sich gegen die Lehre der ars grammatica und alles was dazu gehört aus. Nur kirchliche Schriften seien zu benutzen.[128]

Es war daher voll auf der Linie des Kirchenvaters, wenn Papst Gregor der Große (540-604) eine deutlich negative Haltung zur antiken Bildung verfestigte. Er vermied strikt antike Zitate, tadelte empört einen Bischof der Grammatik unterrichtete und ließ dies schließlich sogar per Gesetz verbieten.[129] Ebenso Isidor von Sevilla, der in seinen Regeln für das Mönchstum warnte, nur sehr gefestigten Schülern dürfe erlaubt sein, heidnische Schriften zu lesen. Wahrscheinlich ein Grund, warum er versuchte Zusammenfassungen davon zu schreiben. Hagendahl: Man fühlt sich nach Cassiodor, sagt Manitius, „in eine andere Welt versetzt: Mystik, Aberglaube und Wundersucht überwuchern jetzt die früher oft so logische und sachgemäße Darstellung“.[130]

Als Folge dieser Kulturpolitik konnte die Kirche aber nicht einmal in ihrem inneren Bereich den Alphabetisierungsgrad halten. Cassiodor kämpfte mit der geringen Alphabetisierung seiner Mönche und scheiterte daran. Lowe: „Von den Regeln der Orthographie und Grammatik, die er niederlegte, kann man ermessen wie tief die Gelehrsamkeit zu seiner Zeit bereits abgesunken war.“[131] Zur Zeit Isidors von Sevilla musste dann ein Gesetz erlassen werden, das Analphabeten vom Amt des Bischofs ausschloss - das höchste Amt, das die Kirche damals zu vergeben hatte.

Bischof Isidor von Sevilla, der bedeutendste Autor des Frühmittelalters, konnte zwar lesen und schreiben. Seine Bildung war jedoch so gering, dass er mitunter den Inhalt von Texten nicht verstand. Cassiodor kannte das Konzept der Erdkugel noch und bevorzugte lediglich die Flacherde.[132] Isidor hingegen kannte die Idee der Kugelform nicht mehr und hielt die Erde wirklich für eine runde Scheibe. Ein antiker Text, der die Klimakreise beschrieb, interpretierte er als Kreise, die wie Spiegeleier in der Pfanne auf der Oberfläche dieser Scheibe verteilt seien.[133] Er war zumindest teilweise was man heute einen funktionalen Analphabeten nennt. Dennoch war er, besonders wegen seiner im Mittelalter sehr verbreiteten Enzyklopädie, der bedeutendste christliche Gelehrte seiner Zeit. Und: „Isidor war dem Mittelalter Autorität für die Beurteilung der heidnischen Autoren.“[134]

Die meisten Mönche des Mittelalters waren ebenfalls Analphabeten. Selbst viele Schreiber von Codices malten nur das textliche Bild der Vorlage ab.[135] Dies hatte aber auch den Vorteil, dass die Kopien dieser Zeit sehr originalgetreu sind – man wagte nicht, die Vorlage zu „verbessern“.

Alphabetisierungsgrad bis 2000 AD. Die jüngeren Kurven...

Aus dem 16. und 17. Jahrhundert zurückrechnend kommt man für den Beginn des Spätmittelalters, um 1350, auf einen Alphabetisierungsgrad in Europa von etwa 1 %.[136] Grob geschätzt bedeutet dies, die 90 % Landbevölkerung sind völlige Analphabeten, von den 10 % Stadtbevölkerung sind es dann wiederum nur 10 %, die lesen und schreiben können. Das Mittelalter zeigte von 700 bis 1500 aber Hinweise für eine ständige Zunahme der Schriftlichkeit. Daraus geschlossen muss der Alphabetisierungsgrad um 600, zur Zeit Isidors, deutlich unter 0,1 % gelegen haben. Es könnte damals in Europa weniger als 1000 Menschen gegeben haben, die lesen und schreiben konnten. Eventuell konnten für einige Jahrhunderte in Europa mehr Juden lesen und schreiben als Christen. Ein Grund für die Kirche, um ihre kulturelle Vormacht zu erhalten, diese Gruppe von Christen zu isolieren. Der Antisemitismus des Mittelalters ist unter diesem Aspekt noch nicht untersucht worden.

Die Bücher der Barbaren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die um 375 begonnene Verfolgung des Heidentums und aller antiken Bücher dürfte bis 407 im ganzen Römischen Reich Alltag gewesen sein. Im Januar 407 überquerten Germanen den Rhein und übernahmen die Kontrolle in der Provinz Gallien. Nach den archäologischen Befunden war es eher eine Übernahme,[137] die Oberschicht wurde ausgetauscht, das Gros der Bevölkerung verblieb am Ort. Ähnliches geschah um 493 auch in Italien, als die Ostgoten unter Theoderich sich dort niederliesen. Damit war um 500 der gesamte Westen des ehemaligen Reichs unter Kontrolle von "Barbaren". Diese Barbaren, zumeist Germanenstämme, sahen die antike Kultur jedoch sehr positiv. Einige waren Christen, jedoch mit deutlich anderen Vorstellungen als das katholische Rom. Sie hatten ein entbehrungsreiches Leben hinter sich und wollten sich den höheren Lebensstandard aneignen. Askese war nicht ihr Wunsch.

Es gab weder systematische Zerstörungen von Kulturgütern noch Bücherverbrennungen wie zuvor unter christlich-römischerer Herrschaft. Im Gegenteil lies Theoderich Übersetzungen säkularer Bücher aus dem griechischen ins Latein erstellen[138] und machte klassisch gebildete Römer zu engsten Beratern. Etwa die von ihren Schriften noch heute bekannten Boethius und Cassiodor. Für eine Renaissance war der Bildungsstand der Römer aber bereits zu gering, zu religiös. Man verstand nicht mehr die Grundlagen klassischer Philosophie, hielt sie gar für eine Form der Wahrsagerei oder Magie.[139] Dies alles war eine offensichtliche Folge davon, dass es in Italien um 500 keine antiken Bücher mehr gegeben hat.[140]

Deutlich anders war die Situation nördlich der Alpen. Vor 400 gab es eine lange Landgrenze zum Barbaricum, die von West nach Ost besonders für Römer eher passierbar war. Während dem "Terror" dürften einige Gelehrte zu den Barbaren geflüchtet sein. Den geringeren Lebensstandard wiegte das Fehlen von Verfolgung mehr als auf. Die Bücher und ihre Besitzer waren für die Barbaren echte Kulturbringer.[141]

Wenn auch nur eine grössere Privatbibliothek so ins Barbaricum kam, dann waren dies um 10000 Titel.[142] Wenn nur ein Promille der im Reich existierenden Bücher es über die Grenze schaffte, dann waren dies um die 100 000 Stück.[143] Kein einziges dieser antiken Bücher überlebte bis zur Renaissance.[144]

Direkte Berichte über ihre Vernichtung gibt es aber kaum. Dies ist auch wenig verwunderlich, da die Kirche praktisch die Erstellung und Überlieferung aller geschichtlicher Aufzeichnungen kontrollierte. Die nur wenigen, meist indirekten Hinweise auf die fast totale Büchervernichtung im Reich im 4. Jh. sind ein deutliches Zeichen dieser Politik der Vertuschung. Erstaunlich, wie etwas das Millionen Menschen miterlebten nach einiger Zeit aus der Geschichte verschwinden konnte.

Die Büchervernichtung war eine Massnahme zur Erzielung und Aufrechterhaltung der Askese. Beim Gros der Bevölkerung konnte die Kirche dabei nicht mit viel Zustimmung rechnen. Im Gegenteil hätte die Erinnerung daran zu einem Verlust an Ansehen und Vertrauen führen können. Selbst in den eigenen Reihen gab es immer wieder Personen die dem Wissen der Antike positiv gegenüber standen. Für den Kampf gegen die Reste der Antike brauchte es eine spezielle Gruppe, die dies aus tiefer innerer Überzeugung tat. Dies war das irische Mönchtum. Aus seiner Geschichte und Hinterlassenschaft lässt sich das Geschehen rekonstruieren.


Irland und die Klassiker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Irland war nie unter römischer Verwaltung. Praktisch umgeben vom Römischebn Reich war es mit diesem eng verbunden. Man betrieb Handel,[145] Irländer ("Scotti") gründeten Siedlungen in West England[146] und stellten wahrscheinlich Hilfstruppen für das römische Heer in Frankreich.[147] Iren hinterliesen schriftliche Spuren im Reich auf dem Kontinent[148] und nahmen Kultur vom Kontinent zurück auf die Insel. Archäologische Funde zeigen christlichen Einfluss bereits für das 4. Jahrhundert.[149]

Eine frühmittelalterliche Notiz[150] beschreibt als Folge der Barbareneinfälle in der ersten Hälfte des 5. Jh. (ab 407) einen Exodus von Gelehrten aus Gallien nach Irland. Sie "brachten einen sehr grossen Anstieg der Gelehrsamkeit zu den Bewohnern dieser Gegenden."[151]

Kenney, der alle Dokumente zur frühen Geschichte Irlands sammelte, sieht deutliche Hinweise auf einen Transfer von klassischem Bildungsgut auf die Insel.[152] Konkret nennt er 4 Punkte[153] von denen die "Hisperica Famina" hier besonders von Interesse ist. Es ist eine Gedichtsammlung aus dem 9./10. Jh. die offenbar klassische Teile aus Irland enthält.[154] Es werden darin Redner, ihre Schule und die lateinische Sprache glorifiziert. Der Stil erinnert an Bukolik, der Inhalt betrifft die Lebenswelt antiker Rhetorik Schüler. Die lateinischen Gelehrten, die Lehrer, stammten nicht aus Irland. Denn sie haben Probleme beim Umgang mit dem nur irisch sprechenden Landvolk.[155]

Offenbar war Irland wirklich ein Zufluchtsort für klassische Gelehrte und ihre Bücher, aus dem 5. oder aber auch schon aus dem 4. Jh. als Folge von Ammians "Terror" gegen Bücherbesitzer. Denn diese Details deuten sicher auf eine Entstehung vor der christlichen Eroberung Irlands durch St. Patrick. Unter ihm wären keine Rhetoren gewürdigt worden. Es fehlt auch jeder Hinweis auf kirchliche Umgebung oder mönchische Lebensweise.

Die Missionierung Irlands[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Mission Irlands durch St. Patrick im 5. Jh. wurden keine relevanten zeitgenössischen Aufzeichnungen überliefert. Erst etwa 200 Jahre später gibt es die Berichte von Tirechan und Muirchu im Buch von Armagh. Sie beruhen auf heute verlorenen Aufzeichnungen die damals noch vorhanden waren.[156]

Tirechan und Muirchu erwähnen bei der Mission Patricks mehrfach Zauberer als Führungspersonen oder Berater heidnischer Lords. Diese Zauberer sind als antike Philosophen, Gelehrte, erkennbar. Sowohl in der Kleidung,[157] als auch der Funktion.[158]

In den von St. Patrik selbst verfassten Texten ist von Zauberern nie die Rede. Aber er erwähnt die "dominicati rethorici audite et scrutamini", was traditionell als philosophisch gelehrte Landlords übersetzt wird. Offenbar konnten antike Gelehrte erst im 7. Jh. als Zauberer dargestellt werden. In jüngerer Zeit wird der Terminus mitunter etwas frei als "gelehrte Geistliche" übersetzt. Manche antike Landlords hatten auch geistliche Funktionen. Der Zusatz "audite et scrutamini" deutet aber auf Hoheitsfunktionen wie Polizei-, Inspektions- der Gerichtswesen. Zweifellos handelt sich um die wesentlichen Kulturträger des heidnischen Irland. Damit waren sie die Hauptkontrahenten Patricks.

Wie Muirchu berichtet, haben diese Zauberer das kommen von Patricks Mission vorausgesehen.[159] In diesem Zusammenhang wurde von Muirchu ein Gedicht überliefert. Es ist ein einmaliges Dokument der Sicht der Heiden auf die kommende Mission Patricks:

Kommen wird Axtkopf,
Übers Meer Wildkopf,
Sein Mantel Hohlkopf,
Sein Stab Krummkopf,
Sein Tisch gen Osten in seinem Haus,
Der seinen Antwort tönt daraus:
Amen, Amen. [160]

Als Hohlkopf mit Krummstab ist wahrscheinlich St. Patrick gemeint. Er beschrieb sich selbst mehrfach als schlecht in Latein und von nur einfacher Bildung.[161] Ein Zauberer kam zu Patrick um zu verhandeln, dieser lies ihn jedoch in Sichtweite der Heiden töten.[162]

Dann kam es zum Kampf. Dieser wird geschildert ohne die Truppe von Patrik zu erwähnen. Nie werden Kämpfer oder Gewalt auf Seiten Patricks erwähnt, immer werden diese Stellen durch Wunder ersetzt. Diese Umschreibung der Geschichte, auch noch bei der eines Heiligen, sowie die Vernichtung der Originalgeschichte, ist ein extremer Vorgang. Ohne Befehl oder Erlaubnis höherer Kirchenautoritäten ist das nicht denkbar. Die entsprechende Überprüfung anderer Hagiographien wäre sinnvoll, denn dies kann kaum ein Einzelfall sein.

Nach dem Patrick die Schlacht gewann wurde ein Zauberer mit seinen Büchern verbrannt. Der König war "sehr empört" als er vom Tod des Zauberers hörte. Die Angst war aber zu gross und er sagte seinem Senat: "Es ist besser ich werde gläubig als zu sterben." Der Senat stimmte für die Taufe und so wurden viele gläubig.[163] Seine Regentschaft blieb erhalten, seinen Nachkommen blieb das Amt aber für immer verboten.[164]

Damit wurde garantiert, dass die Bildungstradition des Konigshauses mit diesem Herscher erlosch. Der gesamte Bestand klassischer Bücher, die Irland im 5. Jh. gehabt haben muss, wurde restlos vernichtet. Nur Fragmente davon finden sich in kirchlichen Büchern. Einige Grammatiken und Worterklärungen zur Erhaltung der lateinischen Sprache waren wahrscheinlich noch vorhanden. Aber selbst der Zugang zu Florilegien (Zitatensammlungen) blieb auf einen sehr kleinen Kreis beschränkt.

Columban und die Klassiker[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die These von Klassiker Überlieferungen aus Irland ruhte im wesentlichen auf St Columban (Columban von Luxeuil, 540-615), seine Kenntnis von Klassikern und seine Lyrik im klassischen Stil. Aber von seinen Zitaten darf nicht auf seine Kenntnis des ganzen Buches geschlossen werden[165]

Insbesondere auf den Inseln sind sogar in etwas späterer Zeit kaum Klassikern vorhanden.[166] Zumindest von Irland gibt es auch keinen Hinweis für einen Transfer solcher Bücher auf den Kontinent.[167] Dies aktzeptieren auch Verteidiger Columbans.[168] Denn die wenigen Klassiker in insularer Schrift stammen nur vom Kontinent und auch erst aus karolingischer Zeit - fast 200 Jahre nach Columban.[169]


Columban könnte seine Stilkenntnisse aus einer Sammelschrift haben,[170] aber Bischoff, vertraut mit den überlieferten Schriften, hingegen glaubt Columban bekam seine Kenntnis der Klassiker erst auf dem Kontinent. Denn alle seine diesbezueglichen Schriften stammen aus dieser Zeit.[171]

Es besteht aber Einigkeit, dass Columbans Vertrautheit mit Klassikern einmalig war zu seiner Zeit in Irland und auch auf dem Kontinent Anfang des 7. Jh.[172]

Wenn nun Columban, der bedeutenste bekannte Vertreter der Klassik um 600 AD, seine Kenntnisse nicht aus Klassikern in Irland erworben hat, was sagt dies über die Kultur der irischen Kirche dieser Zeit? Über die Einstellung der irischen Mönche zur humanistischen Bildung?


Die irische Kirche und der Humanismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wenn Ludwig Bieler über das frühmittelalterliche Irland schreibt, es gäbe dort keine Spur einer humanistischen Einstellung,[173] so meint er die literarische Überlieferung. Man kann dies aber noch aus anderer Sicht untersuchen. Der Humanismus, das Gedankengut der Klassiker, beruht auf der Idee der Entwicklung des Menschen. Vor allem der Jugend, durch Vorbild und Übermittlung von Wissen. Ein geistiger Prozess der auf Einsicht ohne jede Gewalt aufbaut. Gab es diesen Hummanismus in der irischen Kirche? Dazu von Padberg:

"Hinzu kommen noch zwei irische Besonderheiten, die für die weitere Entwicklung bedeutsam werden sollten: die in den Klöstern praktizierte Busse und das Konzept der Peregrinatio. Alle Sünden mussten gebeichtet werden, und in Bussbüchern, einer vollkommen neuen Gattung, wurde aufgelistet, welche Kompensationsleistung der Christ dafür zu erbringen hatte. Entscheidend für das gesamte Mittelalter war dabei, daß die Busse in erster Linie als Strafe und nicht als bessernde und heilende Aufgabe verstanden wurde.
Nicht nach der Intention, sondern nach der Tat wurde gefragt, und damit traten äussere Werke und Leistungen in den Vordergrund. Frömmigkeit wurde zählbar. Weil es nicht so sehr auf die ethische Besserung, sondern auf den Tarifausgleich ankam, konnte man sich von der Bussleistung auch dadurch freikaufen, dass man einen Stellvertreter für die eigenen Sünden abbüssen liess. Auf die Tat folgten also Strafe und Busse, nach Reue wurde nicht gefragt.
Lutz E. von Padberg: Die Christianisierung Europas im Mittelalter, Stuttgart 1998, S. 66f

Diese gewalttätige Strafkultur war das Gegenteil von Humanismus. Sie hatte weder die Verbesserung des Menschen noch seiner Lebensbedingungen zum Ziel. Treffend umschreibt Bieler, in seinem Buch "Irland. Wegbereiter des Mittelalters", das irische Mönchstum als geprägt von einer "Weltflucht und ... strengen Askese".[174]

Es war gerade Columban, der mit seiner Mission diese antihumanistische Kultur von Irland auf den Kontinent brachte:

"Zwar findet die Klosterregel Columbans mit ihrer eisernen Strenge, die jede eigene Willensregung unterdrückt, die unbedeutendsten Verstösse mit Schlägen bestraft, auch in dem Frankenreiche Eingang und verbreitet sich von einer Gründung zu der anderen; aber sie wird doch bald modifiziert, mit anderen Regeln verbunden."[175]

Konkret von Padberg über Columbans Klöster:

Seine Regeln waren hart, und nach den Bussvorschriften drohten ständig Stockschläge. "Wer", so heisst es dort, "am Beginn eines Psalms hustet und nicht gut singt, werde mit sechs Schlägen bestraft."[176]

Das Aufwachsen in einer solchen Umgebung führte sehr wahrscheinlich zu den gleichen Veränderungen in der Gehirnstruktur wie sie die unten erwähnte Forschung des NIH aufzeigte. Mit diesen Klosterregeln entstand eine asketische Gruppe deren Feindlichkeit gegen Humanismus und säkulare Kultur sich von selbst tradierte, Sie wurde von Generation zu Generation in der Erziehung weitergegeben. Ein typischer irischer Mönch um 600 wird dem Inhalt der Klassiker nicht mit Desinteresse sondern mit offener Feindschaft gegenüberstehen. Für ihn waren sie Verführung zur Sünde. Dieser prinzipielle Konflikt, von der Kirche traditionell bestritten, wurde bisher meist übersehen. Er ist aber wichtig um die heutigen Ergebnisse der irischen Mission zu verstehen.


Das Ergebnis der Mission[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ende des 6. Jh. begann eine Gruppe irischer Mönche unter St. Columban mit der Missionierung der Franken, Alamannen und Langobarden auf dem Kontinent. Sie gründeten dazu mehrere Klöster. Am berühmtesten Luxeuil (ca. 590), St. Gallen (613)[177], Bobbio (614) und von Luxeuil aus Corbie (660). Fleury (640) war zwar eine Gründung der Benediktinern, zeigte aber mit seiner "keltisch-festländischen Schrift" (Bischoff)[178] deutlich irischen Einfluss.

Produziert wurden in diesen Klöstern, wie auf den Inseln, fast nur theologische Schriften. Allerdings schrieb man sie mitunter auf Pergament, von dem man zuvor Klassiker ausradiert (meist abgewaschen) hatte. Für solche Klassiker "Palimpseste" sind gerade diese Klöster besonders berühmt. Bischoff:

"Die wertvollsten und wichtigsten abendländischen Palimpsesthandschriften, mit Schriften des IV. (III.?) bis VII. Jahrhunderts, die im VII. und VIII. Jahrhundert überschrieben worden sind, sind aus Bobbio, Luxeuil, Fleury, Corbie und St. Gallen überliefert, darunter Cicero, "De re publica" und Reden, Plautus, Fronto..."[179]

Zu Fleury: "Hier wurde die letzte Handschrift von Sallusts "Historiae" teils reskribiert, teils zu Vorsatzblättern verarbeitet."[180]

Die wertvollsten Palimpseste werden heute als ein Ergebnis der irischen Mission betrachtet:

Reynolds zu Palimpsests: "The peak period for this operation was the seventh and early eighth centuries, and although palimpsests survive from many centres, the bulk of them have come from the Irish foundations of Luxeuil and Bobbio."[181]

Umstritten ist, ob das Ziel die Vernichtung antiker Texte war oder nur die Gewinnung von Schreibmaterial. Mollweide, von Lowe und Bischoff öfterts erwähnt, sah eine gezielte Vernichtung.[182]

Lowe hielt es für möglich, dass Bobbio lediglich ein besonders armes Kloster und daher auf Palimpseste angewiesen war. Prinz, ein Experte für das frühe westliche Mönchtum führt dagegen einige Punkte an.[183]

  • Dass etwa zur gleichen Zeit, Anfang 7. Jh., Isidor von Sevilla "die mager gewordenen Reste antiker Bildungstradition lexikonartig noch einmal zusammenfaßte, aber auch dies mit der ausdrücklichen Absicht, alles für den kirchlichen Bedarf Unnötige überflüssig zu machen." S. 466
  • Dass bereits früher auf die Paralelle zwischen der feindlichen Haltung Pabst Gregor des Grossen zu Klassikern und der Praxis des Klosters Bobbio hingewiesen wurde.[184]
  • Dass Bobbio kein armes Kloster gewesen sein kann, dies kein Grund für die Vernichtung der Klassiker gewesen sein kann.[185]

Bedenkt man dazu noch die irische Klosterkultur, so muss man letztlich mit Mollweide die Motivation in einer Feindschaft zur klassischen Kultur sehen. Alle Indizien deuten deutlich nur in diese Richtung. Aber wie ist das mit St. Columbans klassischer Dichtkunst zu vereinbaren? Brown bemerkte, Coulmban hatte ein Gespür dafür welchen Stil er zu welchem Anlass verwenden musste.[186] Für erfolgreiche Missionare war das sicher eine Vorausetzung. Columban musste Sympathien bei Liebhabern von Klassikern aufbauen. Sonst hätte er keine Chance gehabt die Bücher aufzuspüren. Die Besitzer hätten sich als Ignoranten ausgegeben und ihre Bücher waren zu leicht zu verstecken.

Letztlich hat St. Columban nur fortgeführt was St. Patrick mit der Missionierung Irlands 100 Jahre zuvor erfolgreich durchführte. Dies erklärt den totalen Verlust aller Klassiker auf der Insel, ebenso wie die Fähigkeit Columbans eine ähnliche Mission auf dem Kontinent zu vollbringen. Ein weiterer Ire, St. Bonifaz (ca. 675-755), unternahm das gleiche im 8. Jh. auf dem Kontinent im Gebiet der Angelsachsen in Friesland. Bonifaz war ähnlich Columban Lehrer für Grammatik und Dichtung.

Er wurde in Friesland ermordet. Wenige Jahrzehnte später, 784 AD, ist die 5. Dekade des Livius im Besitz des Bischof von Utrecht. Utrecht war damal das Missionszentrum für Friesland. Wahrscheinlich verdanken wir es dem Einfluss der Karolinger, dass dieses Buch noch heute, als CLA X,1472, existiert. Es handelt sich um die Bände 41-45 des 142 Bände umfassenden Geschichtswerk des Livius (ca. 60 BC - 17 AD), des grössten und bedeutensten Geschichtswerk der Antike.

Das Buch wurde geschrieben im frühen 5. Jh. in Italien. Es ist die einzige Überlieferung der 5. Dekade. Von den 142 Bänden sind heute 107 verloren. Noch im 8. Jh. wurde in Luxeuil die 1. Dekade palimpsestiert (CLA 4,499). Es war auch aus dem 5. Jh., auch Italien. Lowe hält es zumindest für Luxeuil als gesichert, dass das Ausradieren dort auch stattgefunden haben muss.[187]

Denn Luxeuil war das erste Kloster dort und die ausradierten Texte zeigen eine Systematik unerwünschter Inhalte. Es befanden sich darunter drei biblische Texte in einer Übersetzung älter als Hieronymus. Damit waren sie nicht kanonisch und wurden wie alle nicht kanonischen christlichen Schriften vernichtet. Das erkennen solcher Schriften setzte damals aber ein relativ hohes Mass an Bildung voraus. Nur gebildete Iren scheinen zu dieser Zeit in dieser Region dazu in der Lage oder willens gewesen zu sein.

Teil des rätselhaften lateinischen Luxeuil-Euklid (CLA 4,501), Ende 5. Jh., überschrieben im 8. Jh. in Luxeuil oder Umgebung mit Gregorius Moralia. Wer ausser Boethius beschäftigte sich damals noch mit der Erhaltung des Euklid?

Eine ähnliche Motivation muss daher auch für das Ausradieren der Klassiker angenommen werden. Es waren in Luxeuil unter anderm Virgil, Ovid, Livius, Plinius der Ältere und sogar ein lateinischer Euklid. Zur Zeit von Boethius (ca. 478-525) kannte man Euklid`s "Elemente" in lateinischer Sprache in Italien nicht mehr. Denn Boethius wollte eine Übersetzung anfertigen. Diese ist aber verloren,[188] sie könnte in Luxeuil ausradiert worden sein.[189]

Nahezu alle Bücher der Goten wurden vernichtet, einige wenige mit christlichem Inhalt wurden in Bobbio ausradiert. Wie in Luxeuil waren die zu palimpsestierenden Texte scheinbar einer inhaltlichen Vorauswahl unterzogen worden. Heretische oder offensichtlich gefährliche Texte sind nicht darunter, sie scheinen nicht einmal bis ins Kloster gekommen zu sein. Auch die palimpsestierten Klassiker, meist aus dem 5. Jh., sind eine ganz besondere Auswahl. Sie stammen alle aus dem Korpus von Titeln, die in der karolingischen Renaissance um 800 AD auftauchen werden. Das karolingische Korpus machte jedoch nur um 0.1% des gesamten der Antike aus. Da der palimpsestierte Klassiker Korpus überwiegend eine Teilmenge des karolingischen Klassiker Korpus ist, besteht zwischen den beiden eine bisher unerkannte Verbindung.[190]

Das Palimpsest Korpus, teilweise sicher in Italien verfasst, dürfte aus dem Barbaricum stammen. Zumindest aus den inzwischen von Iren missionierten Gebieten Galliens und Germaniens. Aber von den antiken Büchern im Barbaricum kann es auch nur ein kleiner Bruchteil der dortigen Titel gewesen sein. Wie konnte diese Auswahl dann geschehen? Es muss bis ins 7. und 8. Jh. eine Liste oder eine Beschreibung erlaubter antiker Titel gegeben haben. Die Iren hielten sich nicht daran und haben sie trotzdem ausradiert. Damit haben sie uns ungewollt diesen sehr wichtigen Hinweis für die Bewertung des karolingischen Klassiker Korpus gegeben.

Ursachen des Untergangs der antiken Kultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die wissenschaftliche Diskussion über die Gründe für den Untergang des Römischen Reiches läuft seit über 200 Jahren ohne das ein Konsens in Aussicht ist. Während für den Untergang des Reichs Barbareneinfälle eine Rolle spielten, hat der Untergang der antiken Literatur, und damit der antiken Kultur, rein interne Ursachen gehabt. Auch kann hierbei kaum Zweifel an der Berechtigung des Wortes Untergang bestehen. Und der wesentliche Faktor ist sehr offensichtlich: "Schlimmer [als die Germanisierung] für die römische Kultur ist der endgültige Sieg des Christentums."[191] Aber wie konnte eine Religion, die heute für Friede und Toleranz der westlichen Zivilisation steht, eine solche Kultur-Katastrophe verursachen? Im folgenden seien die wichtigsten Erklärungsvorschläge dazu kurz diskutiert.


Eine Folge des Machtkampfes?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch wenn die Märtyrergeschichten etwas übertrieben erscheinen kann kaum ein Zweifel bestehen, dass der römische Staat versuchte das frühe Christentum als relevante Bewegung zu vernichten. Der Staat setzte dabei alle Mittel ein die ihm zur Verfügung standen. Die Christen kannten dann diese Mittel und setzten sie selbst später zur Vernichtung des Heidentums ein. Nahezu für jede Maßnahme, die die Christen nun gegen die heidnische Kultur anwanden liess sich ein früheres Beispiel aus der Christenverfolgung finden.[192] Aus dieser Perspektive war es der Kampf zweier Kulturen bis eine den totalen Sieg erkämpfte. Ignoriert man Chrysostomos, so blieb bisher offen, ob die völlige Vernichtung der Bücher aus heidnischer Zeit ein Ziel oder ein Nebeneffekt war.

Verteidigung des Glaubens gegen das weltliche Wissen?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit den antiken Büchern wurde auch das weltliche Wissen vernichtet. Dies war in der Spätantike sicher so umfangreich und kompliziert das eine mündliche Überlieferung nicht mehr möglich war. Damit wurde eine der damaligen Glaubenslehre konkurierende Weltanschauung vernichtet. Die Konkurenz bestand in täglichen Dingen wie Krankenheilung [193] aber auch im Verlauf komplexer militärischer Operationen.[194]

Am bedrohlichsten für den reinen Glauben könnten aber Werke der heidnischen Unterhaltung gewesen sein. Viele Klassiker stellten eine Welt mit Figuren dar, in die sich der Leser ohne Probleme hineinversetzen konnte. Auch konnte der Leser daraus Wissen über die Welt erfahren das er auch selbst anwenden konnte. Die kirchlichen Schriften hingegen belehrten nur über den Glauben und versprachen nur bedingt Hilfe. Nur bedingt, da ein Versagen der Hilfe immer als Prüfung oder Mahnung des mangelnden Glaubens interpretiert werden konnte. Wahrscheinlich am gefährlichsten waren die pornografischen Texte der Antike. In der heidnisch-römischen Kultur waren pornografische Darstellungen aller Art im gesamten Alltag verbreitet.[195]

Ein diesbezüglicher Jugendschutz fehlte völlig. Derart den weltlichen Genüßen zugetan, warum sollte eine Person sich dann noch um das Seelenheil im Jenseits kümmern? Dieser Bedrohung konnte die Kirche ausser einem Verbot praktisch nichts entgegensetzen. Es ist daher kein Zufall wenn bereits um 200 Kirchenvater Tertullian[196] nicht nur die heidnischen Philosophen (die Wissenschaftler der Antike) sondern auch die Schauspieler verdammt und zur Hölle wünscht.[197] Konsequent warnt Isidor später ausdrücklich vor den heidnischen Dichtern[198] und stellt Schauspieler auf die gleiche Stufe mit Prostituierten, Verbrechern und Räubern[199]

Endzeiterwartungen?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

War die Vernichtung des Wissens und die Entschriftlichung der Kultur eine von mehreren Massnahmen um die Zivilisation der Antike gezielt in eine Katastrophe zu führen? Der Untergang Roms, die Eroberung des Reichs durch Barbaren, wurde von Zeitgenossen tatsächlich als apokalyptisch, wie ein Weltuntergang empfunden. Es gibt jedoch keinen Hinweis, dass dieses Ereignis (oder noch schlimmere im 6. Jh.) als Rache an Rom für die Hinrichtung von Jesus Christus oder ähnlichem interpretiert wurde. Die heutige Interpretation der Bibel war im wesentlichen auch die damalige und lies dies nicht zu.

Relevanter ist allerdings der Endzeit Gedanke des NT, der dem AT durchaus ähnelt. Im AT musste der jüdische Staat erst in höchste Not geraten ehe Gott seine Himmlischen Heerscharen schickt um das Reich Gottes auf Erden zu errichten.[200] Auch im NT muss sich erst eine große Katastrophe ereignen bevor das Paradies auf Erden kommt und die Geschichte der Menschheit sich erfüllt. So die Prophezeiung am Ende der Bibel, in der Apokalypse des Johnannes. Der Glaube an das nahe bevorstehende katastrophale Ende der Welt durchzieht das ganze Mittelalter und ist noch in der Moderne verbreitet. Im Kalten Krieg wurden in den USA Befürchtungen laut der sehr religiöse Präsident Reagan konnte geneigt sein einen Atomkrieg zu führen um die Prophezeiung zu erfüllen. [201]

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass für einzelne Personen der Spätantike dies eine Motivation gewesen sein könnte. Zumindest war es eine Möglichkeit des Trostes in der Misere, wenn späteren Generationen dafür ein viel besseres Leben sicher ist.[202] In allen Glaubensinterpretationen des Christentums ist es aber strikt verboten durch irgendwelche Taten Gott direkt zum Handeln zu provozieren. Ebenso verboten sind alle vermeidbaren Handlungen die andere Christen in Gefahr bringen. Solange deutlich andere Ansichten aus der Spätantike nicht belegt sind bleibt diese Ursache lediglich denkbar.

Typisch fundamentalistisch?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sauer, in seinem Buch über Ikonoklasmus, kam nicht umhin die religiös motivierten Zerstörungen der Spätantike mit denen der Taliban in Afghanistan zu vergleichen. Weltberühmt wurde deren Ikonoklasmus bei der Sprengung der 1500 Jahre alten Buddha Statuen von Bamiyan in 2001. Weniger bekannt wurde die systematische Zerstörung archäologischer Funde in den Lagerräumen des Kabuler Kulturministeriums. Das Fachjournal Archaeology zeigte dazu ein Bild mit diesem Text:

"Hier sind ein halber Kubickmeter von vorangig Gandharan und Bactrian Funden aus dem Kabul Museum, in Stücken nicht größer als mein kleiner Finger. Die Taliban kamen am Morgen, hämmerten bis zur Gebetszeit, pausierten, hämmerten wieder, pausierten zum Tee, dann hämmerten sie für den Rest des Tages."[203]

Das Vorgehen zeigt eine deutliche Paralelle zu den intensiven spätantiken Zerstörungen im Dendera Tempel, die Mönche auf Leitern Wochen oder gar Monate beschäftigt haben müssen.[204] Die Taliban zeigten auch weitere Merkmale des Spätantiken Christentums. Frauen wurden rechtlich und praktisch Personen zweiter Klasse, Theater und Tanz wurden verboten, anderen Religionen wurden Veranstaltungen verboten, Homosexualität mit dem Tode bestraft, Wissenschaft nahezu abgeschafft. In der Praxis der Taliban wurden Schullehrer ermordet, Mädchenschulen angezündet, Frauen die unter der Burkha lackierte Fingernägel hatten die Finger abgehackt, Kindern das Drachenfliegen verboten, Fernseher und Videokassetten öffentlich verbrannt, in einem Museum mussten sogar Menschen in Landschaftbildern übermalt werden.[205]

Solche extremen Taten werden heute meist dem religiösen Fundamentalismus zugeordnet. Extreme Gewalt als Strafe bei Taten die im säkularen Staat nicht oder kaum strafwürdig sind ist das wesentliche Merkmal. Geringes Interesse oder gar die Ablehnung von weltlichem Wissen ein weiteres. Friedrich Prinz, Experte für das frühe Mönchtum, sieht gerade letzteres bei den führenden christlichen Intellektuellen um 400 AD. Die Grundhaltung von Leuten wie Hieronymus und Augustinus ist, trotz ihrer rhetorischen Fähigkeiten, deutlich "fundamentalistisch" (Prinz) und ein wesentlicher Faktor für den geistigen Niedergang danach.[206] Der Begriff "religiöser Fundamentalismus" weist unverkennbar die Richtung.

Eine Frage der Gehirnstruktur?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Anlehnung an Humboldts "Kosmos" schrieb der Physiker Carl Sagan 1980 ein gleichnamiges und ebenso einflussreiches Buch.[207] Er schildert darin die Geschichte des Lebens, der Menschheit und ihrer Umgebung im All. Mit dem Ende der Antike um 400[208] sieht er dann den Einbruch "einer tausendjährigen Finsternis - eine schmerzliche Einbuße für die Menschheit."[209] Sagan gibt dem spätantiken Christentum die Schuld, präsentiert in diesem Zusammenhang aber eine völlig neue Interpretation. Er verweist auf die Ergebnisse eines Forschungsprogramms am nationalen Gesundheitsamt der USA.[210]

Dieses Programm verwertete statistische Analysen der anthropologischen Daten von 400 Kulturen. Meist aus dem 19. und 20. Jh., aber auch aus der Antike. Dazu Erkenntnise der experimentellen Gehirnforschung an Menschen und Primaten, der Kriminologie und Gerichtsmedizin. Der wissenschaftliche Leiter des Programms, James W. Prescott, kam zu dem Ergebnis, dass eine Neigung zur Gewalt direkt mit funktionalen Gehirnstrukturen verbunden ist. Die Ausbildung dieser Strukturen wird durch Erlebnisse in der Kindheit bestimmt und kann danach nur noch begrenzt beeinflusst werden. Offenbar benötigt das menschliche Gehirn in den ersten Monaten und Jahren eine hinreichende Stimulation über die Haut. Geschieht dies nicht, so kann nur noch die Möglichkeit zu früher sexueller Aktivität eine Fehlbildung verhindern. Tritt diese Fehlbildung[211] aber auf, so wird sie durch Erziehung von Generation zu Generation weiter tradiert. Bei betroffenen Gruppen und Einzelpersonen zeigt sich eine deutlich grössere Neigung zur Religiosiät. Auch zur Aktzeptanz von Gewaltmassnahmen[212] und der Verdammung sexuellen Genusses.[213]

Das Keuschheitsgebot und das deutliche Verbot vorehelichen Verkehrs könnten hier wesentliche Faktoren im spätantiken Christentum gewesen. Nirgends gibt es im Christentum eine Einschränkung was die liebevolle Behandlung von Babys oder Kleinkindern betrifft. Zwei Faktoren können hierbei aber eine ungünstige Rolle spielen. Eine Erwachsene Person die bereits unter den sexuellen Einschränkungen leidet kann die Stimulation eines nackten Kindes als deutlich negatives Ereignis wahrnehmen und wird versuchen es zu unterbinden. Auch wegen der Befürchtung das Kind könnte sich sonst "verweichlicht" negativ entwickeln - nämlich anders als der Beobachter selbst. Ein weiterer Faktor könnte eine fehlende Gefühlsbindung der Mutter zum Kind sein. Das Verbot von Verhütungsmitteln und Abtreibung führte zu vielen unerwünschten Kindern, die nicht die notwendige Hingabe empfangen konnten.[214]

Die sexuellen Beschränkungen im Christentum sollen dem Erwachsenen die Möglichkeit geben ein freiwilliges Opfer vor Gott zu erbringen. Ein deutlicher Verzicht als Beweis der Hingabe. Dass dies jedoch zu einer kulturellen Verschiebung führt, die nachhaltig die Gehirnentwicklung der nächsten Generationen beeinflusst, konnte niemand voraussehen. Offenbar hat hier das spätantike Christentum ein Opfer gebracht das weit über jede Erwartung und alles Wünschbare hinaus ging.

Glossar - Quantitativ[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Buch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff Buch ist in der Überlieferung nicht immer eindeutig. Erst aus dem Kontext kann man schließen oder vermuten, ob eine Rolle oder ein Codex gemeint ist. Allgemein gilt ein Buch als ein Titel und ein Band. Dies ist heute üblich, galt aber nicht für den Codex vor 1500. Ein physisches Buch wird im Deutschen als Band bezeichnet, dies muss aber nicht für das englische „Volume“ gelten.

Die Rolle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Rolle war in der Antike als Buch mit literarischem Inhalt (im Gegensatz zu Urkunde oder Brief) aus Papyrus und meist einseitig beschrieben. In etwa kann man eine Rolle mit einem Titel gleichsetzen (s.u.). Am wichtigsten für statistische Angaben sind die Rollen von Oxyrhynchos. Die Buchrollen unter den Funden von Oxyrhynchos stammen vom 1. bis zum 7. Jahrhundert. Bereits im 4. Jh. kam es zu einem massiven Einbruch (-75%) der Buchproduktion bei gleichzeitig rapidem Anstieg (+500%) des christlichen Anteils.[215] Der Datensatz betrifft daher fast nur das 1. bis 4. Jh. Er reicht nicht vor das 1. Jh., da die lokalen Bedingungen, wahrscheinlich die in Tiefe zunehmende Bodenfeuchte, das tiefere, ältere Material, vernichtet haben.

Nach diesen Daten von W.A. Johnson, The Literary Papyrus Roll(Yale 1992), betrug die durchschnittliche Länge 10.3 m. Dies ist jedoch eine Hochrechnung von Fragmenten, beeinflusst auch durch einige vermutlich große Rollen (19 bis 29 m) Herodot, Platon und Thucydides. Die Existenz solch großer Rollen scheint andernorts belegt. Axon erwähnt eine 120 feet (40 m) lange Homer-Rolle, geschrieben mit Goldbuchstaben, als Bestand der Palastbibliothek von Konstantinopel um 400.[216] Vermutlich war es ein immer ausgebreitet präsentiertes Ausstellungsstück aus einer heidnischen Schule oder Bibliothek.

Der bedeutende deutsche Papyrologe Dieter Hagedorn schätzt die durchschnittliche Rolle auf 3 bis 4 m, glaubt aber, „Rollen von 10 m Länge dürften keine Seltenheit gewesen sein.“[217] Pöhlmann kommt von Literaturrecherchen auf einen Wert von 6 bis 11 m. [218] Vielleicht kann man von einer durchschnittlichen Länge der Buchrolle von 6 bis 8 m ausgehen. Besonders relevant ist dieser Wert aber nur zur Berechnung der Bestände von Schränken in Wandnischen, wenn nur noch diese Gemäuerüberreste von einer antiken Bibliothek vorhanden sind.

Wichtiger ist die durchschnittliche Anzahl der Buchstaben pro Rolle. Sie betrug bei Johnsons Datensatz von Oxyrhynchos 83.300 pro Rolle. Werte von 150.000 scheinen für 10 bis 12 m lange Rollen großer Werke, etwa Herodot, noch üblich gewesen zu sein. Die durchschnittliche Buchstabenbreite betrug 3,3 mm, konnte aber auch von 5 bis unter 2 mm reichen. Die Anzahl der Buchstaben pro Rolle ist daher unabhängig von der durchschnittlichen Größe der Rolle.

Axon stellte eine Statistik von 14 Werken von 7 überlieferten berühmten lateinischen Autoren auf. Sie sind zwar nur als Codex überliefert, da sich aber die Werke in Rollen („Bücher“, „Volumes“) unterteilten, kann man gut auf die Anzahl der Rollen schließen. Es waren insgesamt 141 Rollen mit zusammen 7'755'903 Buchstaben. Axon erhielt so einen Durchschnittswert von 53'860 Buchstaben pro Rolle. Die Vermutung liegt nahe, dass die Römer, wohlhabender und praktischer veranlagt als die Ägypter, etwas kleinere Rollen bevorzugt haben. Im folgenden wird der Wert von Oxyrhynchos mit 83'300 Buchstaben pro Rolle verwendet, da er auf einem größeren Datensatz beruht.

Der Codex[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Codex, der unseren heutigen Büchern ähnelt, war bereits im 1. Jh. in Rom auch für triviale Literatur üblich.[219] Meist aus Pergament war der Codex mitunter handlicher, aber immer teurer als die Papyrus-Rolle. Codices mit Papyrus Seiten waren ebenfalls üblich. Die meisten antiken sind durch Funde aus Ägypten bekannt und enthielten vom Umfang her etwa 4 Papyrus-Rollen. Allerdings änderte sich die Größe des Codex in drastischer Weise in der Spätantike.

Bis zum 3. Jh. ist kein Codex bekannt, der mehr als 300 Seiten (150 Blätter) gehabt hätte, die meisten hatten weniger. Ab 400 und aus dem 5. Jh sind dann Codices überliefert, die mindestens 638, 1460, 1600 und 1640 Seiten hatten. Ulpians 35 Rollen „Ars Edictum“ fanden sich zu der Zeit in 3 Codices zu je 14, 11 und 7 Rollen. Gregor der Große erwähnt, er habe in 6 Codices den Text von 35 Rollen untergebracht.[220] Roberts und Skeat rechnen bis Ende der Spätantike mit durchschnittlich 6 Rollen pro Codex.[221] Die großen Codices der Spätantike waren aber unhandliche, überformatige Monstren von 10 bis 20 kg Gewicht. Ein Wert von 4 Rollen pro Codex passt weitaus besser zum lateinisch-mittelalterlichen Codex, der um 800 auch etwa diese Textmenge (4 x 83.300) und Titelzahl umfasste. Gegen Ende des Mittelalters, beim Übergang vom Pergament zum billigeren Papier, könnte sich die Titelzahl weiter verringert haben. Mit der Verbreitung des Buchdrucks war dann nur noch ein Titel üblich. Der Begriff Codex sollte eher handschriftlichen Büchern vorbehalten sein. Es gab sie noch bis ins 18. Jh., da das Kopieren einzelner Bücher deutlich billiger war als eine Auflage im Druck.

Titelzahl bei Rolle und Codex[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Antike sehr verbreitete große Werke enthielten einige Rollen pro Titel. Die lateinische Aufstellung Axons (s.o.), die er für repräsentativ hält, kam bei 14 Titel (Werken) auf durchschnittlich 10 Rollen pro Titel. Allerdings bezieht sich dieser Wert nur auf überlieferte Bücher. Aus der Antike selbst gibt es für die Zeit um 235 v. Chr. eine deutliche Aussage. Demnach enthielt die Bibliothek von Alexandria damals von 490.000 Rollen 400.000 (80%) mit „gemischtem Inhalt“.[222] Damit könnten nicht nur mehrere Titel sondern sogar mehrere Autoren pro Rolle gemeint sein. Mehrere Titel auf einer Rolle könnte auch auf ungewöhnlich große Rollen in der Anfangszeit der Bibliothek hindeuten. Unsere Daten zur Größe der Rollen stammen vor allem aus der wirtschaftlich besseren, pragmatischeren römisch-kaiserzeitlichen Periode. Sieht man die Rollengröße der alten griechischen Klassiker (Homer, Herodot, usw.) im Verhältnis zu den Werten von Oxyrhynchos oder der Lateiner Statistik von Axon, so zeigt dies eine Verringerung der durchschnittliche Größe der Rolle. Dies würde dann eher auf nur einen Titel pro Rolle führen.

Wie lässt sich die Diskrepanz zwischen dem antiken Wert von einer Rolle pro Titel zu dem überlieferten Bestand von im Mittel 10 Rollen pro Titel erklären? Es könnte mit der Überlieferung durch große spätantike Codices zu tun haben. Die Editionen um 400 werden die berühmtesten (erlaubten) Werke ihrer Zeit enthalten haben. Dies waren dann vor allem große Werke von Plinius, Livius und Aulus Gellius mit 37, 35 und 20 Rollen. Die 3 Titel von Tacitus, die je eine Rolle umfassen, wurden wohl nur überliefert weil sie mit den Annales (12 Rollen) und Historia (5) in einem Codex zusammengefasst waren. Bei einer personenbezogenen Titelauswahl mit Neigung zu den berühmtesten und damit meist größten Werken ist beim so erhaltenen Corpus ein deutliches Anwachen der Rollenzahl pro Titel zu erwarten.

Interessant ist dazu die Feststellung von J. O. Ward. Demnach war das im Mittelalter zirkulierende Medium nicht der Codex, der heute in der Bibliothek steht, sondern das „Booklet“. Es war vom Umfang her nicht größer als 1 bis 2 Rollen. Mehrere Booklets wurden dann im Mittelalter, meist sogar später, zu Codices zusammengebunden.[223] Da ein zirkulierendes Booklet mindestens einen Titel umfassen musste, scheint die typische Titelgröße auch im Mittelalter bei 1 bis 2 Rollen gelegen zu haben. Die Größe eines durchschnittlichen Werkes, eines Titels, vor der Zeit des Buchdrucks, war daher eher im Bereich eines größeren Zeitschriftenartikels und nicht dem eines heutigen Buches. Die Gleichsetzung eines Titels mit einer Rolle dürfte für die Antike zumindest die Größenordnung sicher treffen.


Häufigkeit von Zauberbüchern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter einem Zauberbuch versteht man heute ein Grimoire. Sie enthalten angeblich geheimes Wissen über Magie, Dämonen und Hexerei. Typisch sind Sammlungen von Zaubersprüchen, Anleitungen für Rituale oder zur Herstellung von nicht funktionierenden Wundermitteln.[224]

Von solchen Büchern streng zu trennen sind Notizen, die im Rahmen von Ritualen geschrieben wurden. Sie enthalten Bittgesuche an Götter, Beschwörungen oder Verfluchungen. Solche Notizen auf Blei, Stein, Holz oder Papyrus sind zu Hunderten gefunden worden. Ebenfalls nicht unter Zauberbücher fallen einzelne kurze magische Texte wie Rezepte zu jeweils einem Ritual.

Aus dem Vorhandensein von Zauberbüchern in der Überlieferung oder in einzelnen Papyrusfunden lässt sich wenig über die Häufigkeit aussagen.[225]

Die Papyrusfunde von Oxyrhynchus sind aber aus einer Zeit in der es kaum oder keine Verfolgung von Zauberbüchern gab. Da sie aus einer Müllhalde stammen zeigen sie wahrscheinlich einen Querschnitt der damals gebrauchten Bücher. Der Themenvergleich mit den Titeln des Varro (s. o.) unterstützt diese Vermutung.

Die Studie von Julian Krüger[226] über die Literaturrezeption in Oxyrhynchos präsentiert auf Seite 227 bis 245 Inhaltsangaben zu 1485 Papyrustexten.[227]

Davon sind nur 14 mit Zauberei verbunden:

  1. PSI 1290 "Initiationritus zu Mysterien"
  2. P.Oxy. 1380 "Anrufung der Isis"
  3. P.Oxy. 1381 "Preisung des Imuthes-Asklepios"
  4. P.Oxy. 885 "Abhandlung über Divination" (Wahrsagen)
  5. P.Oxy. 2332 "Töpferorakel"
  6. P.Oxy. 886 "Magischer Text"
  7. P.Oxy. 887 "Magischer Text"
  8. P.Harr.55 "Magischer Text"
  9. P.Laur.123 "Magischer Text"
  10. P.Oxy. 658 "Heidnisches Opfer"
  11. P.Oxy. inv.50 4B 23/I(1-3)b "Liebeszauber"
  12. P.Oxy. 2753 "Magische Sprüche"
  13. PSI 29 "Magische Sprüche"
  14. P.Osl. 76 "Über Divination" (Wahrsagen)

Diese 14 wären nun weniger als 1 % der Gesamtmenge. Bei nährer Betrachtung dürften die meisten aber einfache Bitt- oder Beschwörungsnotizen sein. Selbst No. 1, 4, 5 und 14 scheinen höchstens Einzelthemen aber keine Sammlungen zu sein. Zählt man sie dennoch als Zauberbücher, so kommt man auf einen Anteil von 0,3 % an der Gesamtsammlung. Dies zeigt, dass der Anteil der Zauberbücher unter den Büchern der Antike sehr gering war. Wahrscheinlich eher eines von Tausend als eines von Hundert.


Bemerkung zu Skeat (1982)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Oben wurde die Rollengrösse diskutiert und ein Kostenvorteil des Codex strikt verneint. Die Frage kam auf, warum ein Artikel von T. C. Skeat (The Length of the Standard Papyrus Roll and the Cost-Advantage of the Codex. Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 45 (1982) S. 169-175) dazu nicht erwähnt wurde. Die Antwort lautet, dass in Skeats Artikel, trotz des suggestiven Titels, keine dazu relevanten Informationen enthalten sind.

Die "Standard Rolle" ist ein von Plinius dem Älteren um 60 AD verwendeter Begriff, der die Grösse damals in Rom üblicher Papyrus Rollen beschreibt. Skeats Schlussfolgerung einer Länge der Standard Rolle von ca. 3,5 m entspricht den oben erwähnten archäologischen Erfahrungen. Diese Standard Rolle ist wahrscheinlich ein Handelsbegriff und sicher nicht identisch mit der literarischen Rolle. Diese war, wie oben dargelegt, eher doppelt so lange.

Einen Kostenvorteil für den Papyrus-Codex konnte Skeat nicht wirklich zeigen. Skeat errechnete zwar, dass ein Codex 26 % Kostenvorteil zum gleichen Textvolumen in der Rolle hätte. Dabei setzte er voraus, dass die Rolle einseitig beschrieben wurde, der Papyrus im Codex aber beidseitig. Der Kostenvorteil resultierte daher aus dem halben Papyrusbedarf für den Codex - bei Schreibkosten zu Papyruskosten etwa 1 zu 1. Skeat erwähnte aber nicht drei wichtige und ihm sicher bekannte Punkte:

1. Nicht nur Codexseiten, sondern auch Rollen wurden aus Kosten- oder Handhabungsgründen mitunter beidseitig beschrieben. Dies war für einige Epochen der Antike sogar eher üblich.[228] Auch die Funde aus Oxyrhynchus zeigen diese Praxis[229] und Plinius der Jüngere erwähnt es bei den hinterlassenen 160 Rollen seines Onkels.[230]
2. Es fehlen in Skeats Rechnung höhere Kosten für den beidseitig beschreibbaren Papyrustyp.
3. Es fehlen in Skeats Rechnung Arbeits- und Materialkosten für das Binden des Codex. Selbst bei einfachstem Codex, ohne Schnitzereien im Buchdeckel und ohne Metallklammern, könnte dies gut 10 bis 20 % Mehrkosten ausmachen.

Diese 3 Punkte zeigen deutlich die Unhaltbarkeit von Skeats Kostenaufstellung. Abschliessend sei erwähnt, dass diese Diskussion nichts mit dem spätantiken Übergang von Papyrusrolle zum Pergamentcodex zu tun hat. Die Arbeitszeit und damit die Kosten der Pergamentherstellung betrugen ein Mehrfaches von Papyrus. Leider haben Reynolds und Wilson in ihrem "Scribes and Scholars" (1991) Skeats Artikel als Referenz zum spätantiken Übergang "From Roll to Codex" angegeben.

Obwohl Skeat nur von Papyrus spricht, wird er von Reynolds und Wilson im Kontext von Pergamentcodices präsentiert. Dies alles lässt sich kaum noch als Kette von Fehlleistungen entschuldigen. Zu offensichtlich erscheint der Wunsch, Argumente für die Umschreibungsthese von Rolle zu Codex zu finden, um damit den Verlust der antiken Literatur harmlos zu erklären. Opfer dieser Aktivitäten ist der wissenschaftliche Nachwuchs, der mit Eifer und Einfühlungsvermögen sich der Thematik widmet und dessen Vertrauen missbraucht wird.[231]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Nach Einleitung Wirtschaft im Römischen Reich arbeiteten während der Kaiserzeit zwischen 30 und 40% aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft. Um 1800 waren noch 75 bis 80% der Bevölkerung Europas in der Landwirtschaft beschäftigt. (Bairoch, Paul: Cities and Economic Development, 1988, p. 287) Für Deutschland werden 80 bis 90% geschätzt. (Roesener, Werner: Einfuehrung in die Agrargeschichte, Darmstadt 1997, p. 169)
  2. Siehe [[1]] hier
  3. Diese extreme Durchsetzung religiöser Normen ist der wesentliche Unterschied der religiösen Praxis des Mittelalters im Vergleich zu der der Antike oder der Moderne. Tausende wurden im Mittelalter als Abweichler hingerichtet. Interessant der Fall des Roger Bacon (1220-1292). Er war Mönch von wohlhabender Herkunft und hatte Kenntnisse aus zumindest einem, heute verlorenen, verbotenen Buch aus heidnisch-klassischer Zeit. Bacon wollte eine auf Experimente basierende Naturwissenschaft aufbauen, wie später Galilei. Schon recht berühmt, wurde er wegen dieser neuen Ideen in seinem eigenen Kloster inhaftiert.
  4. Eine Sammlung der Überlieferungslinien der wichtigsten lateinischen Texte gibt Michael von Albrecht: Geschichte der römischen Literatur. Bd. I und II, dtv, München 1997. Allerdings ohne die Überlieferungsgeschichte der 2. bis 4. Phase.
  5. Der CLA wurde erst möglich als man Detailfotografien aller Codices an einer Stelle zum Vergleich zur Verfügung hatte. Denn es war unmöglich, die wertvollen Codices selbst alle an einen Ort zum Studium zu verbringen. Lowe machte dies in Princeton. Kopien seiner umfangreichen Fotosammlung gibt es noch andernorts. Die UV- Fotografie half bei der Entzifferung von Palimpsesten (ausradierten Texten) und die IR-Fotografie bei Papyri. Für die Rekonstruktion der Überlieferungsgeschichte waren diese aber weniger wichtig.
  6. Bei diesem Konflikt ging es um den Einfluss der katholischen Kirche auf Schulen und Universitäten in Deutschland. Er hielt unter verschiedener Bezeichnung bis Mitte des 20. Jh. an und wurde, je nach Zeit, vom extrem linken (1918-1933) über die liberale Mitte (vor 1914) bis zum extrem rechten politischen Spektrum (1933-45) geführt.
  7. s. Diskussion bei Thomas Wiedemann: „Mommsen's Roman History: Genesis and Influence“ http://www.dur.ac.uk/Classics/histos/1997/wiedemann.html
  8. Dass er diese Behauptung aufstellte, konnten sich Fachkollegen in letzter Zeit noch erinnern. Unklar ist, ob er es je publizierte. Unklar ist ebenfalls, ob er direkte Verfälschung von Texten meinte oder nur eine verfälschende Auswahl. Letzteres ist heute kaum umstritten. Sollte er es je versucht haben, so ist ihm jedenfalls ein überzeugender Nachweis systematischer Textverfälschung in der Überlieferungsgeschichte nicht gelungen.
  9. So Johannes von Salisbury (1120-1180) in „Policraticus“, (De nugis curialium et vestigiis philosophorum, 1. ii. c. 26). Bei heutigem Forschungsstand ist ausgeschlossen, das Gregor der Große (540-604) dies getan haben könnte. Denn der Verlust muss bereits vor seinen Lebzeiten stattgefunden haben. Ob es einer seiner Vorgänger im 5. Jh. war, bleibt Spekulation. Die Palatina Bibliothek, von Augustus gegründet und wahrscheinlich die größte Roms, verschwand aus der Geschichte ohne jeden Hinweis auf ihr Schicksal.
  10. Cassiodors Bibliotheksbestand wurde schon 1937 rekonstruiert (s. u.), der von Isidors Bibliothek von einem französischen Autor in den 1950ern
  11. Er zeigte den geringen Einfluss des Zeitgeschehens auf Buchproduktion und Bestand in Italien und die Langlebigkeit von Überlieferungen auf Papyrus.
  12. Während in Deutschland der anti-katholische Kulturkampf eine wesentliche Rolle spielte, waren es in den USA und Großbritannien eher marxistisch oder linksintellektuell geprägte Strömungen. Wie deren materialistisch geprägte Sicht des Mittelalters in den letzten Jahrzehnten mit Hilfe der katholischen Kirche revidiert wurde, beschrieb anschaulich der bedeutende US-Mediävist Norman Cantor in seinem Buch „Inventing the Middle Ages“ (1991).
  13. Das Schicksal der Hypathia wurde seit Voltaire im 18. Jh. als Kampfargument säkularer Strömungen gegen die katholische Kirche vorgebracht. (Dzielska, Maria: Hypatia of Alexandria, London 1995. p. 2ff)
  14. Der Protestantismus kann sich, nicht ganz zu Unrecht, als Kind des spätmittelalterlichen Humanismus präsentieren. Besonders in den protestantischen Ländern fand die antike Literatur frühe und weite Verbreitung. In jüngerer Zeit wurde auch im arabischen Raum die Büchervernichtung während der Spätantike mit den Grundlagen des Katholizismus in Verbindung gebracht. (Mostafa El-Abbadi: Life and Fate of the ancient Library of Alexandria, 2ed ed, Paris 1992, p. 165)
  15. Diesen Eindruck macht Pöhlmann (Pöhlmann, Egert: Einführung in die Überlieferungsgeschichte und in die Textkritik der antiken Literatur, 1994)
  16. Oder gar gezielt manipuliert. Siehe Anmerkung zur 10%-Angabe weiter unten
  17. Reynolds, L. D. und Wilson, N. G.: Scribes and Scholars. A Guide to the Transmission of Greek and Latin Literature, 3rd Ed. Oxford 1991:
    • Das Schicksal der antiken Bibliotheken wird völlig ausgeblendet. Nirgends werden Bestandszahlen von Antike und Mittelalter verglichen. Die geringe Größe von Cassiodors, Isidors und der folgenden Bibliotheken wird nicht erwähnt.
    • Die Autoren erwähnen mehrere, heute verlorene antike Schriften, die um 600 noch zitiert wurden und schließen daraus: „The bulk of Latin literature was still extant“ (p. 81). Ignoriert wird dabei die Möglichkeit, dass dies nur Zitate aus einem oder wenigen spätantiken Bücher sind - wie es Lehmann bei Isidor nachwies (s.u.). Aus der Existenz einiger älterer Bücher ist auch nicht auf die Fortexistenz des Gros des antiken Bestands zu schließen. Dass die Bibliotheken von Cassiodor und Isidor aber zu etwa 90% uns heute bekannte antike Werke umfasste, zeigt, dass der entscheidende Auswahlprozess auf 1 : 1000 bereits vorher geschehen war. Auch dies wird von den Autoren ignoriert.
    • Die Autoren vertreten ausschließlich die Umschreibungs- / Verrottungsthese, ohne die Kritik daran zu erwähnen. Sie bezweifeln daher eine Verbreitung des Codex bereits im 1. Jahrhundert und halten die von Martial erwähnten Codex-Editionen der Klassiker für einen erfolglosen Versuch. Obwohl der archäologische Fund von Teilen eines Pergamentcodex aus Martials Zeit (De Bellis Macedonicis, P. Lit. Lond. 121, von einem unbekanntem Autor in Latein um AD 100) gerade auf eine frühe Verbreitung hindeutet - auch wenn der deutlich teurere Codex sicher weniger zahlreich war als die Rolle.
    • Die Behauptung der Autoren in einem Nebensatz, der Codex „may have cost rather less to produce“ als die Papyrusrolle (p. 35) ist wohl eher aus Verzweifelung geschrieben. Papyrusseiten können mit dem aus Papyrus selbst gewonnenen Klebstoff zu beliebig langen Rollen verklebt werden. Wie die Funde von Oxyrhynchus zeigen, war dies sogar Teil der antiken Büroarbeit. Die Arbeit, einen Codex mit Holzdeckeln zu erstellen, ist erheblich umfangreicher. Die Erzeugung einer Pergamentseite aus Schafhaut erfordert viele langwierige Arbeitsschritte und ein Vielfaches an technischem Aufwand und Arbeitszeit gegenüber einer Papyrusseite.
    • Mit Bezug auf Galen (s.u.) wird behauptet, eine Papyrusrolle könne bis zu 300 Jahre alt werden (p. 34). Aber Galen erwähnte das Studium einer wahrscheinlich 300 Jahre alten Rolle nur, um die Sorgfalt seiner Textedition zu belegen. Er hat das Alter des Papyrus nicht als etwas Besonderes erwähnt. Daher ist aus seinem Zitat nicht auf ein Höchstalter, sondern auf ein erreichbares Mindestalter für Rollen zu schließen. Die Behauptung der Autoren, die durchschnittliche Lebensdauer der Rollen sei geringer gewesen, ist eine Vermutung ohne Beleg. Letztlich wird die umstrittene Umschreibungs- / Verrottungsthese auch noch selbst als Argument für die überlegene Haltbarkeit von Pergament herangezogen: „... parchment was a much more durable material; in time its toughness was to prove a vital factor in the survival of classical literature.“ (p. 34)
  18. So nach Kostennotizen in Papyrifunden und Lohnangaben in Funden und der Überlieferung. Lewis, Naphtali: Papyrus in classical antiquity, Oxford 1974, pp. 132f
  19. T. C. Skeat: The Length of the Standard Papyrus Roll and the Cost-Advantage of the Codex. Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 45 (1982) S. 169-175. Zur Diskussion dieses Artikels s. u.
  20. *Man produzierte Packpapier zum einwickeln von Handelsgütern (Plinius N.H. XIII, 76) und verwendete beschriebene Rollen, auch Buchrollen, zum einwickeln auf dem Fischmarkt. Martial erwähnte Letzteres. Lewis (1974, p. 130) bemerkt bei Papyrusfunden (vor allem aus der Kaiserzeit) den sehr geringen Anteil an Palimpsesten. Obwohl man die Schrift einfach abwaschen konnte wurde dies selten gemacht. Lewis zur Nutzung der Rückseite einer Rolle: "and in most the verso is blank - in fact, at certain levels of society the use of both sides of the paper was disdained as a sign of poverty or stinginess, and apologized for when unavoidable."
    • Der anekdotenreiche Diogenes Laertius schrieb (VII, 174), der Philosoph Gleanthes
    hätte Zenos Vorlesungen auf Scherben und flachen Ochsenknochen geschrieben, da ihm das Geld für Papyrus gefehlt hätte. Dies wurde mitunter als Hinweis auf hohe Papyruspreise interpretiert. Um den Scherz zu erkennen, stelle man sich vor, wie dieser Student so die Mitschrift einer Vorlesung abtransportieren will. Die Anekdote könnte aber noch eine reale Grundlage haben. Gleanthes war ein berühmter Student Zenos und wurde sein Nachfolger als Oberhaupt der Schule. Es ist möglich, dass er Devotionalien aus Keramik oder Schnitzerei mit Aussprüchen Zenos herstellen ließ. Solche PR-Artikel hätten die sicher erwünschte Bekanntheit Zenos und seiner Schule gefördert.
  21. Hans Gerstinger, Bestand und Ueberlieferung, Graz 1948.
  22. Although much Greek literature has been preserved, the amount actually brought down to modern times is probably less than 10 % of all that was written (Elmer D. Johnson, A History of Libraries in the Western World, London 1965). Das gleiche Buch bekam von einem neuen Autor 30 Jahre später eine geradezu gefährliche Veränderung dieser Textstelle: „Why do we know so little about Greek libraries when such a relatively large amount of classic Greek literature has been preserved? It is estimated that perhaps ten percent of the major Greek classical writings have survived.“ (Harris, Michael H.: A History of Libraries in the Western World, London 1995, p. 51) Harris Schätzung bezieht sich nun nur noch auf die „major“ Schriften. Was er darunter versteht kann er beliebig auslegen, der Satz ist daher nicht zwingend falsch. Allerdings hat weder Harris in seinem Buch noch sonst ein heute Lebender die Möglichkeit zu beurteilen was es damals noch an bedeutenden Schriften gab. Der Satz ist daher völlig sinnfrei. Aber warum diese Verschlechterung des Buches? Im Kontext mit dem vorangegangen Satz müssen die meisten Leser den Eindruck bekommen als wären 10% der gesamten Literatur überliefert. Aufgrund der Brisanz der Verlustschätzung für die Überlieferungsgeschichte könnte diese Passage absichtlich irreführend formuliert worden sein. Eine andere Motivation ist zumindest nicht erkennbar.
  23. So die überlieferten Bestandszahlen beim Tod des Bibliotheksvorstehers Kallimachos (ca. 240-235 v. Chr. nach Parsons) bis zum Besuch Caesars in Edward A. Parsons, The Alexandrian library. Glory of the Hellenic world. Its rise, antiquities, and destructions, 1952.
  24. Die große Bibliothek existierte damals wahrscheinlich noch, von Caesar wurde sie jedenfalls nach heutigem Stand der Forschung nicht zerstört, vgl. Sylwia Kaminska in Wolfram Hoepfner, Antike Bibliotheken, Mainz 2002. Dem caesarkritische Geschichtsschreiber Cassius Dio zufolge vernichtete das Feuer nur Warenhäuser am Hafen, die Getreide und Bücher enthielten. Dies ist auch das Ergebnis der Analyse von Robert Barnes, Cloistered Bookworms in the Chicken-Coop of the Muses. The Ancient Library of Alexandria, in Roy MacLeod (Hrsg.), The Library of Alexandria, London 2000 und der umfangreichen Quellenkritik von Edward A. Parsons, The Alexandrian library. Glory of the Hellenic world. Its rise, antiquities, and destructions, 1952. Das Museion, das Gebäude der Bibliothek, ist bis um 380 nachgewiesen, so Mostafa El-Abbadi (siehe unten).
  25. So auch Parsons’ Schätzung. Der Kleine Pauly schätzt unter dem Stichwort Alexandria ohne Begründung nur 900.000.
  26. In der frühen Kaiserzeit war es für Autoren eine Ehre, in den großen Bibliotheken enthalten zu sein. Der in Ungnade gefallene Ovid beklagte in der Verbannung, dass seine Schriften vom Hüter der (Palatina-) Bibliothek abgewiesen worden waren. (Trist. 3,1.59ff)
  27. Unter den literarischen Papyri einer Müllhalde in Oxyrhynchos waren ca. 20 % Texte von Homer. Hochgerechnet auf den griechischen Reichsteil um 200 deutet dies auf Millionen Kopien im Umlauf. Die grossen Bibliotheken nahmen nicht jeden Titel auf (Ovid, Trist. 3,1.59ff). Ein Titel, der es in die Bibliothek von Alexandria schaffte, dürfte reichsweit in etlichen Exemplaren vorgelegen haben. Viele ihrer Bücher bezogen die Bibliotheken von Verlagen, mit denen Subskriptionsverträge bestanden. In Rom gab es zwei Stadtviertel, die als Standort für Verlage und Buchhändler bekannt waren. Umfangreicher Buchhandel ist auch in einigen Provinzstädten bezeugt. Von Horatz (Carm. 2,20.13ff) und Martial (7,88; 11,3) wird eine Verbreitung ihrer Werke bis in die Grenzgebiete des Reichs behauptet, für Varro wird dies durch Plinius d. Ä. bestätigt (Nat. hist. 35,11). Um 100 A.D. ist in Rom die Startauflage für eine private Gedenkschrift von 1000 Exemplaren belegt (Plinius, Epist. 4,7.2), was auf eine erhebliche Produktionskapazität hindeutet. (Krüger, Julian: Oxyrhynchos in der Kaiserzeit (1990), Blanck, Horst: Das Buch in der Antike, München 1992)
  28. "amounting, beyond doubt, to millions of rolls per annum" Lewis (1974), p. 102
  29. Werden von 10 Mio Rollen pro Jahr nur 10% zu Buchrollen (das meiste in Oxyrhnchus waren Verwaltungsschriften, Briefe und Urkunden) so wären die 100 Mio in 100 Jahren erreicht. Diese Zahl wird noch höher, da die Benutzungsdauer einer Buchrolle sicher einige Jahrhunderte betragen konnte. Galen benutzte 300 Jahre alte Rollen und Lewis (1974, p. 60) nennt weitere ähnliche Beispiele. Auch der kulturelle Geschmack hielt sich in der Antike über Jahrhunderte. Um 200 AD war Homer sehr verbreitet (wahrscheinlich mehr als je zuvor), Vergil und Cicero hielten sich noch weit in die Spätantike. Die Sammlung der berühmten Philosophen des Diogenes Laertius (um 230 AD) hat fast nur Personen die über 400 Jahre zuvor lebten. Entsprechend dürften Buchrollen in der Antike ein langes Leben gehabt haben.
  30. Es gibt eine Gruppe die seit einigen Jahren über diese Zahlen verfügt. Aus mir nicht genannten Gründen will man aber nicht veröffentlichen. Ein Bekannter von mir hatte jedoch etwas Einblick. Demnach entsprechen die Zahlen gut der Grössenordnung die ich hier angebe.
  31. Zur Palastbiliothek von Konstantinopel siehe Pöhlmann, Einführung in die Überlieferungsgeschichte, 1994. Die Schätzung von 100 bei Cassiodor beruht auf der Titelliste von Franz und Mynors (siehe unten) sowie etwa 4 Titeln pro Codex, was eher typisch um 800 war. Die Codices im 5. Jahrhundert waren aber meist deutlich größer als um 800. Daher könnte der Verlustfaktor bei Titeln in diesem Beispiel sogar die 10.000 erreichen.
  32. Reynolds und Wilson (1991), p. 40.
  33. Reynolds, L. D. und Wilson, N. G.: Scribes and scholars. A Guide to the Transmission of Greek and Latin Literature, 3rd Ed. Oxford 1991.
  34. Beispiele bei Reynolds und Wilson (1991), p. 39ff.
  35. "A more probable hypothesis is that the process had been given special point and impetus by the transference of literature from roll to codex, as works were brought together and put into a new and more permanent form. But subscriptions continued even when that process was complete and must, whatever the original motivation, have become a traditional practice." Reynolds und Wilson (1991), p. 42.
  36. "Besonders gefährdet ist das Fortleben bestimmter Werke in der Phase der Umschrift der römischen Literatur von Papyrusrollen auf Pergament-Codices. Dieser Prozess ist etwa im 4. Jh. n. Chr. abgeschlossen. Autoren, die hierbei keine Berücksichtigung finden, sind fortan aus der Überlieferung ausgeschieden." Michael von Albrecht: Geschichte der römischen Literatur. Bd. II, München 1997, S. 1383
  37. Poggio fand sie 1417 in einer Hs von Ciceros "De lege agraria". Sie lautete: "Ich, Statilius Maximus, habe [den Text] ein zweites Mal verbessert nach Tiro, Laetanianus, Dom[itius] und anderen Alten. Es ist die dritte, ausgezeichnete Rede." Nach Hunger, Herbert: Geschichte der Textueberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur, 1. Antikes und mittelalterliches Buch- und Schriftwesen, Zuerich, 1961, S. 355
  38. Pöhlmann sieht Hinweise, dass diese Subskription bereits in einem Codex stand. Auch der Horaz-Kommentar des Porphyrio scheint auf einen Codex nur wenig jüngerer Zeit hinzudeuten. Archäologische Unterstützung seiner philologischen Argumentation sieht er in den inzwischen bekannten Fragmenten von drei Pergament- und 12 Papyruscodices aus dem 2. Jh.. Pöhlmann, Egert: Einfuehrung in die Überlieferungsgeschichte und in die Textkritik der antiken Literatur (1994), S. 79.
  39. "The philological as well as the historical significance of the activity that the subscriptions record is similarly disputed. Generalization is clearly impossible. Some texts were corrected by students as part of their training. Others appear to amount to nothing more than the correcting of one's own copy for personal use. Persius was revised twice by a young officer, Flavius Julius Tryphonianus Sabinus, while he was on military service in Barcelona and Toulouse; he worked "sine antigrapho", as he disarmingly tells us, and "prout potui sine magistro". Such protestations inspire little confidence in the quality of the product, but may nevertheless suggest that correction against an exemplar and the help of a professional was what one might reasonably expect. (...) Whether the practice did anything to promote significantly the survival of classical literature is doubtful, and the value of these subscriptions for us may lie more in their historical interest." Reynolds und Wilson (1991), p. 42.
  40. "The predominantly high status of the men recorded in surviving subscriptions strongly suggests that it was upon their stately shelves that many of our texts had resided before finding their way into the monasteries and cathedrals that ensured their survival." Reynolds und Wilson (1991), p. 42f.
  41. Dies bezeugt eine Subskription aus dem 7. Jh. im Codex Sinaiticus. Der Sinaiticus ist eine Mitte des 4. Jhs. geschriebene Bibel und gilt allgemein als das älteste überlieferte Buch überhaupt. Zu dieser Subskription: Pöhlmann (1994), S. 81
  42. Finally, it defends my library, also, which the same men accused, on the ground that it conceals unrevised copies. These spiteful fellows have not kept their hands even off things like these. (Brief 154 des Synesius von Cyrene an Hypatia, zitiert nach [2].
  43. Hans Gerstinger, Bestand und Überlieferung, Graz 1948.
  44. Nach Titelliste unter „Varro“ in Der Kleine Pauly, Bd. 5, Sp. 1131 ff.
  45. Julian Krüger, Oxyrhynchos in der Kaiserzeit, 1990.
  46. William A. Johnson, The literary papyrus roll, 1992.
  47. L. D. Reynolds (Hrsg.), Texts and Transmission, Oxford 1983; Angelika Haese, Mittelalterliche Bücherverzeichnisse aus Kloster Lorsch, Dissertation, Wiesbaden 2002.
  48. Empfehlenswert die Übersicht von Karl Christ und Anton Kern, Das Mittelalter, in Georg Leyh (Hrsg.), Handbuch der Bibliothekswissenschaft, Band 3,1, Geschichte der Bibliotheken, Bd. 1, Wiesbaden 1955. Ebenso J. O. Ward, Alexandria and its Medieaval Legacy. The Book, the Monk and the Rose in Roy MacLeod (Hrsg.): The Library of Alexandria, London 2000.
  49. Eine Rolle mit 83'300 Zeichen braucht bei 1 Zeichen pro Sekunde etwa 23 Stunden Schreibzeit. Zusammen mit der Herstellung der Papyrusrolle und einigen Zeichnungen ist das gut innerhalb 4 Arbeitstagen machbar. Mit 400 Personen (Alexandria hatte mindestens mehrere 100'000 Einwohner) wäre ein Auftrag von 40'000 Rollen dann innerhalb 400 Tagen zu erledigen.
  50. Bucheditionen aus Alexandria wurden als besonders hochwertig betrachtet und stellten offenbar einen Markt dar. Unter Kaiser Domitian (81-96) konnte der Verluste einer öffentlichen Bibliothek in Rom mit einer Lieferung aus Alexandria ausgleichen werden. (Pöhlmann).
  51. Tzetzes, Prolegomena de comoedia Aristophanis 2,10.
  52. „The durability of both under normal condition is not oben to doubt. Many instances of long life of writings on papyrus could be quoted, but this is no longer necessary, since the myth that papyrus is not a durable material has at last been authoritatively and, one would hope, finally refuted by Lewis (op. cit., pp. 60-1). (Verm.: Lewis, Naphtali: Papyrus of Classical Antiquity, Oxford 1974.) Aus: Roberts, Colin H., Skeat, T. C: The Birth of the Codex, London (1983), pp. 6f
  53. Galen (129-216) schrieb, dass er für seine Edition von Hippokrates 300 Jahre alte Rollen aus einer Bibliothek verwendete. (Pöhlmann, Egert: Einführung in die Überlieferungsgeschichte und in die Textkritik der antiken Literatur (1994) S. 77
  54. Krüger, Julian: Oxyrhynchos in der Kaiserzeit (1990)
  55. Kaster, Robert A.: Geschichte der Philologie in Rom, in: Graf, F. (Hg.): Einleitung in die lateinische Philologie, Stuttgart (1997), S. 15
  56. Christ und Kern über Cassiodors Bibliothek: „In unermüdlichem Sammeln und Suchen, unterstützt durch das Abschreiben seiner Mönche, hat er sie vereinigt. Aus ganz Italien, aus Afrika und den verschiedensten Ländern waren die Codices gekommen; die reichen Mittel Cassiodors, der Ruf seines Namens hatte den Erwerb ermöglicht.“ S. 287 in: Leyh, Georg (Hg.): Handbuch der Bibliothekswissenschaft, Band 3,1 - Wiesbaden 1955, Kap.: DAS MITTELALTER, Von Karl Christ ergänzt von Anton Kern
  57. Mynors, R. A. B.: Cassiodori Senatoris Institutiones, Oxford (1937)
  58. Lehmann, Paul: Erforschung des Mittelalters, Ausgewaehlte Abhandlungen und Aufsaetze, Bd. II, Stuttgart 1959
  59. Encyclopedia of Library History (1994)
  60. „The major libraries of antiquity had disappeared by c600 AD and early monastic libraries might have contained around 20 or so books.“ Ward glaubt auch ohne Verweiss auf Cassiodor oder Beschreibung der Inhalte von Isidor`s Bibliothek den Verlust vor 500 begründen zu können. Auf Reynolds und Wilson`s Behauptung, um 500 AD "the bulk of Latin literature was still extant" Antwortet er: "This cannot be true." Er sieht die anderen kulturellen Vorstellungen des Christentums sowie den Niedergang von Bildung und Lehre als einen Hinweis für den Bruch vor 500 AD. (p. 166). Die im Vergleich zur Antike kleinen Bibliotheken des Mittelalters, auch die des Isidor, sieht er als späte Folgen dieser Entwicklung in der Spätantike. J. O. Ward: „Alexandria and its Medieaval Legacy: The Book, the Monk and the Rose“ in MacLeod, Roy (Ed.): The Library of Alexandria, London 2000
  61. Leyh, Georg (Hg.): Handbuch der Bibliothekswissenschaft, Band 3,1 - Wiesbaden 1955, Kap.: DAS MITTELALTER, Von Karl Christ ergänzt von Anton Kern, S. 243
  62. Haas, Christopher.: Alexandria in Late Antiquity, London 1997, p. 129 und 171f. Haas bezieht sich zu dem Kreis auf Damascius: "Leben des Isidor", fr. 174 (ed. Zintzen, p. 147)
  63. Watts, Edward: City and School - Late Antique Athens and Alexandria, London 2006, p. 212
  64. Watts (2006), p. 220
  65. Watts (2006), p. 226
  66. Watts (2006), p. 225
  67. Watts (2006), p. 127
  68. Johnson, Elmer D.: A History of Libraries in the Western World, London 1965, p. 77; Wendel und Göber sehen diese Motivation auch auf lokaler Ebene: Leyh, Georg (Hg.): Handbuch der Bibliothekswissenschaft Band 3,1 - Geschichte der Bibliotheken, Bd.1, Wiesbaden 1955, S. 79
  69. So die Interpretation von Wendel und Göber (s.o.). Zusätzlich gestützt durch die Aussage des Aphthonius von Antiochia, der sie Ende des 4. Jh. besuchte. Er beschrieb die Räume voll mit Büchern die für jeden zugänglich seien und „die ganze Stadt anzogen um die Weisheiten zu verinnerlichen.“ (Aphthonius, Progymnasmata, 12)
  70. Mostafa El-Abbadi: Life and Fate of the ancient Library of Alexandria, 2ed ed, Paris 1992 - „Synesius of Cyrene, who studied under Hypathia at the end of the fourth century, saw the Mouseion and described the images of the philosophers in it.33 We have no later reference to its existence in the fifth century. As Theon, the distinguished mathematician and father of Hypathia, herself a renowned scholar, was the last recorded scholar-member (c. 380),34“ [33 Synesius, Calvitii Encomium, 6.], [34 Suidas, s.v. Theon]
  71. Geschichte der Bibliotheken, Bd. 1, in: Leyh, Georg (Hg.): Handbuch der Bibliothekswissenschaft, Band 3,1 - Wiesbaden 1955, Kapitel 2, von Carl Wendel, ergaenzt von Willi Göbe, S. 80
  72. Haas (1997): "A broader context for the antipagan violence of this period is suggested by John of Nikiu's remark that "in those days [i.e., after Cyril's enthronement in 412 and before the death of Atticus in 425], the orthodox inhabitants of Alexandria were filled with zeal and they collected a large quantity of wood and burned the place of the heathen philosophers" (Chron. 84.45, trans. Charles). This comment is set apart quite distinctly from John's account of the death of Hypatia (84.87-103) and must refer not to her ritual cremation, but to some otherwise unreported attack on pagan institutions." Haas, Christopher.: Alexandria in Late Antiquity, London 1997, p. 469
  73. Sodann wurden zahllose Bücher und viele Haufen von Schriftrollen zusammengetragen und vor den Augen der Richter verbrannt. Man hatte sie in Häusern wegen ihres angeblich verbotenen Inhalts ausfindig gemacht, und nun sollten sie dazu dienen, den üblen Eindruck der Hinrichtungen zu verwischen. Dabei handelte es sich größtenteils doch nur um Werke über die verschiedenen freien Wissenschaften und über Rechtsfragen.“ (Ammian 29,1,41). Nach den Hinrichtungen, die mit dem Besitz von „Zaubertexten“ begründet wurden: „So kam es denn in den östlichen Provinzen, dass aus Furcht vor ähnlichen Schicksalen die Besitzer ihre ganzen Bibliotheken verbrannten; denn ein solcher Schrecken hatte alle erfasst.“ (Ammian 29,2,4)
  74. „bibliothecis sepulerorum ritu in perpetuum Clausis“ Ammianus Marcellinus 14.6.18
  75. Am deutlichsten vertreten wird dies von George W. Houston: A Revisionary Note on Ammianus Marcellinus 14.6.18: When did the Public Libraries of Ancient Rome close?“ (Library Quarterly, vo. 58, no. 2, pp. 258-264.) Houston nennt wesentliche Vorgänger mit anderer Meinung und begründet dann seine vor allem mit 2 Punkten: Es gäbe keine weiteren Hinweise auf eine Schließung und zumindest die Trajansbibliothek sei bis 455 nachweislich geöffnet gewesen. Beide Punkte sind schlicht falsch. Das Edikt Kaiser Theodosius’ I. von 391 zum Schließen heidnischer Tempel und der Kampf des Christentums um die kulturelle Vorherrschaft, mit der Zerstörung von Bibliotheken, werden nicht erwähnt. Aber gerade dieser Hintergrund war bisher ein wesentlicher Grund Ammians Text so zu interpretieren. Houston führt stattdessen an, ein Draconitus will gegen Ende des 4. Jh. einen Text in der „scola“ des Trajanforums in Rom gelesen und editiert haben. Wenn dies vor 390 war ist es nicht relevant. Selbst danach sollten Schulen am Trajans Forum, was eine Art Geschäftszentrum Roms war, noch lange zu erwarten sein. Über die Existenz der Bibliothek sagt es nichts. Ein weiteres Argument das Houston für die Existenz anführt ist Sidonius Apollinaris. Dieser schrieb, er habe 455 eine Statue verliehen bekommen. Sie sei auf dem Trajans Forum „zwischen den Autoren der beiden Bibliotheken“ aufgestellt worden. Die Trajansbibliothek war in zwei Gebäude (latein/griechisch) verteilt und Statuen der Autoren standen davor. Da die Statuen noch standen, schließt Houston, auch die Bibliotheksgebäude mussten noch da gewesen sein - und sie mussten auch noch geöffnet gewesen sein! Warum er dies schloss, schrieb Houston nicht.
  76. Paulus Orosius: The seven books of history against the pagans. transl.: Irving Woodworth Raymond, Columbia University Press 1936, (BOOK SIX) p. 298
  77. wg. Sidonius Apollinaris, s.o. Houston
  78. Houston (s.o.) argumentiert es seien in der Notitia Dignitatum auch keine Verwalter für die Straßen Roms oder die Spiele genannt. Aber die Straßen Roms verfielen auch nach 400. Die Erwähnung einer Tierhatz 523 ist kein Hinweis auf eine umfängliche (um einen Verwalter zu benötigen) Fortsetzung der Spiele in Rom nach 400.
  79. Saint John Chrysostom, Apologist. Discourse on Blessed Babylas (= Liber in S. Babylam et Contra Gentes 11): „The philosophers and talented orators had a great reputation with the public on account of their dignity and ability to speak. After the battle against us they became ridiculous and seemed no different from foolish children. From so many nations and peoples, they were not able to change anyone, wise ignorant, male, female, or even a small child. The estimation of what they wrote is so low that their books disappeared a long time ago, and mostly perished when they first appeared. If anything at all is found preserved, one finds it being preserved by Christians.“
  80. Schatkin, M.A. and P.W. Harkins, Saint John Chrysostom, Apologist. Discourse on Blessed Babylas and against the Greeks. Demonstration against the Pagans that Christ is God (Fathers of the Church 73), Washington, DC: Catholic University of America Press, 1985.
  81. „...they assault the temple carrying wooden beams, stones and iron tools or even without these items with their hand and feet. Then they are an easy prey; even though they destroy the roofs, raze the walls to the ground, pull down the statues and tear down the altars, the priest have to keep silent or they have to die.“ Libanius (speech 30,8) nach Sauer, The Archaeology of Religious Hatred, (2003), p. 159
  82. "He also provided them with more material aid, seeing to it that they had enough clothing, shoes, and food, and giving them money for overseers and workmen to demolish the temples." Chuvin, Pierre: A Chronicle of the Last Pagans, London 1990, p. 76
  83. "On November 1, 397, a law addressed to the count of the East ordered that the stones of destroyed temples be used for public works, such as the repair of roads, bridges, aqueducts, and fortifications. This would seem to suggest not only an intention to scatter the stones and profane them, but surely also the magnitude of the destructions.7" (Chuvin, 1990, p. 75)
  84. "only ruins of the temples survived. Even the ruins are hardly visible." Liber in S. Babylam et Contra Gentes, 41
  85. Theoderet, Heilmittel gegen die hellenistischen Krankheiten 8,68f.
  86. "Wenn irgendwelche Bildnisse noch in Tempeln oder Schreinen stehen, und wenn sie heute oder jemals zuvor Verehrung von Heiden irgendwo erhielten, so sollen sie herunter gerissen werden." - "If any images now stand in the temples and shrines, and if they have received or do now receive the worship of pagans anywhere, they shall be torn down." Codex Theodosianus 16,10,19 (trans. Pharr). Edward Watts: "City and School: Late Antique Athens and Alexandria" UCUP 2006, p. 199
  87. „There can be no doubt on the basis of the written and archaeological evidence that the Christianisation of the Roman Empire and early medieval Europe involved the destruction of works of art on a scale never before seen in human history.“ Sauer, p. 157
  88. Es war das Mithraeum von Sarrebourg. Es zeigte starke Spuren von Ikonoklasmus. Ein Reliefbild wurde in über 300 Teile zerschlagen. Die jüngste gefundene Münze stammte aus dem Jahr 394. Die Hände des Mannes waren mit eisernen Handschellen hinter seinem Rücken gefesselt. Er hatte keine Grabbeigaben und kaum Kleidung. Es gab keinen bekannten Ritus der bei einem Toten oder Verletzten eine solche Fesselung vorsah. Demnach wurde der Mann wahrscheinlich lebendig in der Gruft eingeschlossen und ist nach einigen Tagen darin verstorben. Beim nicht unbeträchtlichen Wert solcher Eisenteile in der Spätantike lässt dies auf Täter schließen die keine materiellen Interessen hatten. Archäologische Diskussion des Falles bei Sauer über das Buch verteilt.
  89. Der Fund fand in der Schweiz, an der Via Mala statt. Er wurde im TV dokumentiert und Sauer wird ihn in einer späteren Auflage berücksichtigen
  90. Es war daher lange umstritten ob Ammianus überhaupt ein heidnischer Autor war.
  91. Nicht nur Sauers Arbeit, auch die Daten des CLA, die Haltbarkeit von Papyrus und Pergament- Codices sowie teilweise die Größen der Bibliotheken sind im wesentlichen archäologische Informationen
  92. Aufgrund der Überlieferungslage ist eine gezielte Manipulation der Texte noch während der Spätantike gut möglich, aber in diesem Falle nicht unbedingt nötig. Wenn die Heiden gezieltem Terror ausgesetzt waren werden nur wenige von ihnen kritische Texte verfasst haben an denen man sie hätte überführen können. Die Chance eine Stimme der anderen Seite zu lesen ist daher verschwindend gering. Denn alle uns überlieferten Texte wurden entweder von Christen ausgewählt oder verfasst.
  93. *Beschlagnahme von Reichtümern, in mancher Version der Legende "Edelsteine", wird immer sofort vollzogen. Ohne Vorwarnung, in ständiger Begleitung bis zum Ende des Vorgangs. Eine drei Tage Frist ist nicht vorstellbar, dies würde die sichere Beschlagnahme unmöglich machen.
    • Ein verteilen an die Armen macht wenig Sinn, ein verstecken wäre sinnvoller. Beides braucht keine drei Tage.
    • Mit der Verteilung wurde es der Kirche entzogen, die Absicht des Kaisers damit erfüllt. Der Staat war nicht darauf angewiesen, die anschliessende Reaktion des Präfekten daher nicht nachvollziehbar.
  94. Siehe Artikel "Überlieferungsgeschichte der Wissenschaften" unter "Die Fälschung des Claudius Ptolemaios" hier.
  95. Zentrales Element des Mosaik ist der Feuerrost. Er war in erster Linie ein Folterinstrument. Man rollte ihn mit dem Menschen darauf über eine Feuerglut wie im Mosaik gezeigt. Hölzerne Räder wären da mit der Zeit zerstört worden, darum das interesante Detail der Eisenräder. Dieses Gerät war also dem Künstler wohl bekannt und dürfte ein berüchtigtes Instrument des Schreckens gewesen sein.
    • Alleinstehend wäre der Rost ohne Aussage, es ist noch nicht einmal klar ob es sich bei dem Heiligen um Laurentius handelt. Wie in der Ikonografie mitunter üblich, werden einem Schreckensszenario Alternativen gegenüber gestellt. Die Alternative zum Tod auf dem Rost ist der Bücherschrank, Symbol einer Bibliothek. Aber nicht der Schrank oder irgendwelche Bücher, sondern explizit christliche Titel der Bibel.
    • Damit bleibt nur eine Aussage: Will man dem Feuerrost entgehen darf man nur erlaubte, also christliche Bücher in seiner Bibliothek haben. Was erlaubt war und was nicht, das blieb im ganzen Mittelalter etwas im unklaren. Diese Ungewissheit dürfte die Angst vor falschen Büchern noch erhöht haben. Wie von Ammian beschrieben wurden um 370 AD Leute überhaupt wegen dem Besitz von nichtchristlichen Büchern hingerichtet. Wer anderes als die Bibel hatte konnte bereits in Gefahr geraten. Diese gerichtliche Verfolgung war vom damaligen Recht getragen und der Heilige im Mosaik könnte ein Gesetzbuch in der Hand halten.
    • Das ganze war offiziell ein weltlicher Vorgang. Aber der Feuertod als Alternative zu falschen Büchern hat auch eine direkte Entsprechung in der katholischen Theologie. Demnach können in heidnischen Büchern Dämonen lauern die von dort auf Menschen überspringen. Ein sicherer Weg den Menschen davon zu reinigen ist der Feuertod, wie ihn auch die Heilige Inquisition mitunter praktizierte. Die vom Dämon befreite Seele kann dann den Weg in den Himmel finden. Im Mosaik ist dies mit der Fensternische über dem Rost gut dargestellt.
    • Dieses "Grabmal", wo sich das Mosaik befindet, hatte nach Meinung von Archäologen zuerst eine andere Funktion. Das Mosaik war daher zum gesehen werden als eine Ermahnung für die Lebenden und hatte nichts mit einem Grab zu tun.
  96. Hier deutet man es als Oratorium für die Familie der Theodosier. Dann würde das Mosaik eine Hauptleistung dieser Familie würdigen, Mit nur 10 x 11 Meter Aussenmass erscheint der Bau für ein Oratorium aber deutlich zu klein.
  97. Das Libanius Zitat zum offenen Terror gegen Heiden wird nicht erwähnt. Chrysostomos obiges Zitat wird nur als Referenz vermerkt. Man erfährt so nicht, dass nach seiner Aussage die Bücher der Heiden gleich nach ihrem Erscheinen vernichtet wurden. Wie in der christlich geprägten Geschichtsschreibung üblich, werden bei Speyer moralische zweifelhafte christliche Aktionen immer als Reaktion auf vorangegangene Aktionen der Heiden dargestellt,
  98. Speyer, Wolfgang: Büchervernichtung und Zensur des Geistes bei Heiden, Juden und Christen, Stuttgart 1981
  99. Speyer erwähnt aber nicht, dass Chrysostomos von der Vernichtung der Bücher der heidnischen Philosophen und Redner (beide Teile der klassischen Wissenschaften) schreibt.
  100. Plinius der Ältere schrieb in seinem 30. Buch der "Naturgeschichte" auch eine kurze Geschichte der Magie. Darin hat er von Anfang an gegen den "leeren und unsinigen Glauben an die Magie" polemisiert. Er nennt sie darin "fraudulentissima artium", "die betrügerischste aller Künste". (Graf, Fritz: Gottesnähe und Schadenzauber: die Magie in der griechisch-römischen Antike, München 1996, S. 48)
  101. Speyer, S. 130
  102. Sarefield, Burning Knowledge, Diss. Ohio State 2006, S. 86.
  103. Speyer, S. 130
  104. Apg. 19,13-14; Elberfelder Übersetzung, wie auch folgend
  105. Das NT kennt nur in Apg 8,9ff und Apg 13,6.8 den Begriff Zauberer (gr. magoi), so Rienecker, F. (Hg.): Lexikon zur Bibel (1985), S. 1558: „Zauberei“
  106. Speyer nennt zur Diskussion dieser Stelle mehrere Autoren, S. 169
  107. Speyer, S. 132
  108. So Chuvin wörtlich. Chuvin, Pierre: A Chronicle of the Last Pagans, London 1990, p. 52f
  109. Ammian 29, 37-41
  110. Die Schilderung bei Sarefield:
    • In 402 the bishop of Gaza, Porphyry, received imperial approval for his campaign to eradicate traditional religion in his still primarily pagan see.30 Many took part eagerly. The capstone of this program was the violent destruction of Gaza's most famous temple, the fabulous Marneion. Its desecration was a propagandists triumph, as a church was erected on the site of the temple. Also, the victors could not resist the temptation to underscore the temple's destruction, in perpetuity, by paving the roadway before the newly constructed holy site with the cella walls of its predecessor. In the aftermath, Porphyry's enthusiastic partisans conducted door-to-door searches of nearby homes, producing numerous religious images and books. These were burned in bonfires, according to Mark the Deacon, or thrown into public latrines.31
    Daniel Sarefield: Bookburning in the Christian Roman Empire - Transforming a Pagan Rite of Purification, in: H.A. Drake (Ed.): Violence in Late Antiquity Perceptions and Practices. Burlington (2006)
  111. Unklar ist warum Speyer (1981, S. 34) glaubt, dies müssen "Ritualbücher" gewesen sein. Vermutlich dachte Speyer an heutige kirchliche Gesangbücher. Jedoch gibt es keinen Hinweiss, wonach Besucher heidnischer Tempel überhaupt ähnliche Bücher benötigt hätten oder solche in der Antike gar existierten.
  112. Aus der Auzählung von Sarefield:
    • Bishop Porphyry's bookburning and the imperial legislation that began in the early fifth century, providing official sanction and material support for other ecclesiastical officials to do likewise, highlights what is perhaps the most conspicuous change associated with bookburning in this period, the expanding spectrum of agents who took personal initiative to see that condemned books were burned. That bookburning was carried out by bishops has already been indicated and is well attested. In addition to bishops, others are known to have employed it.
    • Bands of monks and the leaders of monastic communities also took action to burn forbidden books, such as Hypatius in rural Bithynia in the mid-fifth century and the notorious Shenoute of Egypt's White Monastery, who stole and destroyed the sacred texts of both a local pagan notable and a presumed Christian gnostic cell operating in an abandoned sanctuary in a nearby village.34 According to Zacharias'
    • Life of Severus, the bishop of Berytus, John, was prompted to investigate the accusation of a conspiracy to commit acts of malevolent sorcery by the philoponoi, a group of zealous Christian students from the city's school of law. He commissioned this group to look into the matter with the aid of imperial notaries and they succeeded in uncovering the magical books of two individuals, while others were said to have fled with theirs. John burned the confiscated books before the church of the Theotokos, where philoponoi met nightly to study.35 The fact that this bookburning took place in the vicinity of a church underscores the gradual Christianization of the rite in this period. Similarly in Rome, where a series of popes took action to eliminate the continued presence of Manichaeism in the fifth and sixth centuries, Gelasius burned Manichaean books before the doors of Santa Maria Maggiore. Symmachus and Hormisdas followed suit in front of the Lateran Basilica.36
    Sarefield (2006) s. o.
  113. Speyer, S. 136
  114. Cod. Theod. 9,16, 12 (= Cod. Iust. 1, 4, 14): mathematicos, nisi parati sint codicibus erroris proprii... Speyer S.170: „... Astrologen haben ihre Schriften vor den Augen der Bischöfe zu verbrennen, andernfalls seien sie aus Rom und allen Gemeinden zu vertreiben.“
  115. Mathematik ist „die Gesamtheit des von der Philosophie geforderten Lernstoffs, also Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik(-theorie), ja noch in der Kaiserzeit fielen Grammatik (elem. Sprachlehre und Philologie) wie Rhetorik mit darunter... Im Latein nach Gell. 1,9,6 die arithm. und geometr. Operationen bedürfenden Wissenschaften, im vulg. Sprachgebrauch einfach die Nativitäts-Astrologie...“ Der Kleine Pauly, Bd. 3, S. 1078
  116. "books of sorcery and the occult, or perhaps, even "paganism", since the boundaries between these categories blurred increasingly during the late Roman period, particularly in the eyes of Christians." Daniel Sarefield: Burning Knowledge, Studies of Bookburning in Ancient Rome, Dissertation, Ohio State University, 2004, p. 86
  117. "As this discussion has indicated bookburning became a prominent form of religious violence in the late Roman period." Daniel Sarefield: Bookburning in the Christian Roman Empire: Transforming a Pagan Rite of Purification. In: H.A. Drake (Hrsg.): Violence in Late Antiquity. Aldershot, Hampshire 2006, 295
  118. Bookburning became a form of "holy violence" that was fitting for Christians and pleasing to God.152 Sometimes the actors were unruly, autonomous crowds, or mobs under the direction of charismatic religious authorities, while more frequently the book burner was an individual - a saint, or a monk, or perhaps the emperor - a person who asserted his or her religious authority by this powerful gesture of negation.153 This type of bookburning is evident throughout the fifth and sixth centuries C.E., when owners of magical books were compelled to hand over or burn them by individuals endowed with personal religious authority in dramatic confrontations. Daniel Sarefield: Burning Knowledge, Studies of Bookburning in Ancient Rome, Dissertation, Ohio State University, 2004, p. 86f
  119. Am bedeutetsten die verbrennung der arabischen bibliotheken während der Reqonquista in spanien. Sie enthielten auch klassische und christliche Bücher. Letztere hatten aber nahezu sicher keine inhaltliche Genehmigung der katholischen Kirche. Nur diese bestimmte was in ihrem Herrschaftsbereich eine christliche Schrift darstellt.
  120. Ausser den hier genannten Quellen kann man noch die Webseite www.documentacatholicaomnia.eu nach "Iohannes Chrysostomus" durchsuchen um Originale und neueste Übersetzungen zu finden. In Zunkunft sind von WP User Rominator weitere Darlegungen zu Chrysostomos und diesem Artikel zu erwarten.
  121. Zum Ende der antiken Philosophie und der Dämonen Verbindung zwischen Christentum und Neuplatonikern, siehe einen anderen Text hier
  122. "Daher gibt es heute noch immer heruntergekommene Männer, voll unzähliger Fehler, die viel grössere Kunststücke zeigen als die Philosophen: Einige essen geschärfte spitze Nägel, einige kauen und verschlingen abgetragene Sandalen, andere schieben scharfe Stifte durch ihre Köpfe, andere springen nackt in vereistes Wasser, wieder andere ertragen noch seltsamere Dinge als das. Solche Erscheinungen sind viel beeindruckender als das Weinfass mit Besäufnis. Aber wir übernehmen keines von beidem und ebenso tadeln und beklagen wir die Philosophen und alle die ähnliche Tricks ohne Nutzen vollbringen."
    "Thus even now there are still depraved men, filled with innumerable vices, who display much greater feats than the philosopher: some eat pointed and sharpened nails, some chew up and devour sandals, some take other risks much greater than these.92 Such phenomena are much more impressive than the wine cask and the rags, but we do not accept either, and equally censure and bewail the philosopher and all those who perform similar tricks to no purpose." 92 Alternative Überlieferung: "Some chew the soles of worn-out sandals; others drive sharp spikes through their heads; others jump naked into waters frozen with cold; still others endure things even more outlandish than these." Saint John Chrysostom, Discourse on the blessed Babylas, 45. in: Schatkin and Harkins: Saint John Chrysostom, Apologist, (1985) p. 101
  123. "(3) And it was the result of an ineffable power that the fisherman, the publican, and the tentmaker,4 at their mere commands, raised the dead to life, drove out demons, drove off death, stopped the tongues of philosophers, stitched shut the mouths of rhetoricians, overcame kings and rulers, and were victorious over barbarians, pagans, and every nation. 4 Peter is the fisherman, Matthew the publican, and Paul the tentmaker." Saint John Chrysostom, Demonstration Against the Pagans that Christ is God, Chapter V, The Mission of the Apostles Foretold, in: Schatkin and Harkins: Saint John Chrysostom, Apologist, (1985) p. 210
  124. "König Hiskija (Ezekias 716-687 v. Chr.) soll in religiösem Eifer die natur- und heilkundlichen Schriften Salomons beseitigt haben, weil das Volk die Heilung von Krankheiten aus diesen Schriften und nicht mehr aus dem Bittgebet zu Gott gesucht habe.(13)" Speyer (1981) S. 110f
  125. Dies ist die direkte Übersetzung aus dem Original von WP User Rominator. Hier die englische Version mit daran angelehnter Übersetzung.
    "(6) For two tyrannical factors opposed this change: habit and pleasure. For many years their fathers, grandfathers, great grandfathers, their ancestors, their philosophers, and public speakers had given them a certain way of life. Yet people were persuaded to reject this, even though it was a difficult thing to do. They were also persuaded to accept a strange and very hard way of life which was introduced to replace their old ways. And this was a still more difficult thing to do." Saint John Chrysostom, Demonstration Against the Pagans that Christ is God, Chapter V, The Mission of the Apostles Foretold, in: Schatkin and Harkins: Saint John Chrysostom, Apologist, (1985) p. 240
    "Zwei tyrannische Faktoren standen der Veränderung entgegen: Gewohnheit und Genuss. Ihre Väter, ihre Grossväter, Urgrossväter, ihre Vorfahren, ihre Wissenschaftler, und öffentliche Redner haben ihnen für viele Jahre ein sicheres Leben geboten. Trotzdem wurden die Menschen überredet dies abzulehnen, was eine schwierige Aufgabe war. Sie wurden auch überredet eine fremde und sehr harte Lebensweise zu aktzeptieren, die ihre frühre Lebensweise ersetzte. Und dies war sogar noch schwieriger zu erreichen."
  126. Czysz, Wolfgang: Die Römer in Bayern, Stuttgart 1995, S. 237
  127. Der Text eines solchen Gesetzes ist nicht überliefert. Codex Theodosianus (C.Th. XIII, 3, 5) hat nach neuerer Forschung (Watts) nicht direkt damit zu tun. Watts glaubt aus Briefen Julians den Inhalt des Gesetzes erschliessen zu können. Demnach wurde darin über die Religion des Lehreres nichts gesagt. Dem Lehrer wurde aufgetragen, Dinge die er für unehrenhaft hält nicht zu unterrichten. Wenn er aber seinen Schülern Bücher vorstellt und erklärt, so muss er zuvor deutlich machen, dass diese Autoren nicht der Gottlosigkeit schuldig ist (Watts (2006), p. 70). Direkt werden dazu die klassischen Autoren Homer und Hesiod erwähnt. Da für den Unterricht in Grammatik und Rhetorik nur solche Autoren existierten hätten daraufhin alle christlichen Lehrer den Untericht verweigert. Weder ist letzteres glaubhaft, noch kann man daraus, wie Watts, ein Lehrverbot für Christen ableiten. Nur radikale Christen werden sich verweigert haben. Letztlich war das Gesetz, wenn es existierte, nur ein Verbot Vertreter anderer Glaubensvorstellungen in der Schule zu deffamieren. Es wäre dem Lehrer sogar noch immer erlaubt gewesen seinen Glauben als den besseren darzustellen. Offenbar betrachten einige moderne Autoren solche Auflagen als untragbar für Christen. Dem liegt eine Auffassung von christlicher Religiosität zugrunde die damals wie heute auch anders gesehen werden kann.
  128. Kaster, Robert A.: Geschichte der Philologie in Rom, in: Graf, F. (Hg.): Einleitung in die lateinische Philologie, Stuttgart (1997), S. 14f
  129. Corp. iur. can. 1,86,5 „Sacram scripturam, non grammaticam licet exponere episcopis.“ Hagendahl, Herbert: Von Tertulian zu Cassiodor. Göteborg (1983), S. 113f
  130. Zitat aus Hagendahl (s.o.), S. 114. Mit Manitius zitiert Hagendahl, selbst nicht unbedeutend, einen der bedeutendsten deutschen klassischen Philologen. Manitius, Max: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, I, München (1911), S. 94
  131. E. A. Lowe: Handwriting. in: The Legacy of the Middle Ages, S. 203
  132. „Varro, a careful writer, in his volume on Geometry compared the shape of the world to an elongated sphere, making its form like that of the egg which is round in its latitude but oblong in its length. However [But] it will be sufficient for us to know as much of this part [art] as Holy Scripture contains, because it is foolish to follow human reason in this matter on which we know and have as much divine teaching as is useful to us.“ Cassiodorus: Institutiones, transl. by James W. and Barbara Halporn. (Varro meinte wahrscheinlich kein Ei sondern ein gestauchtes Rotationsellipsoid. Aufgrund der Idee einer größtenteils flüssigen Erde und der Wirkung der Fliehkraft konnte er dies annehmen. Mit den Mitteln der Antike konnte man dies wahrscheinlich noch nicht messen.)
  133. „The explanation of the passage and of the figure which illustrates it seems to be that Isidore accepted the terminology of the spherical earth from Hyginus62 without taking the time to understand it - if indeed he had the ability to do so - and applied it without compunction to the flat earth. He evidently thought that zona and circulus were interchangeable terms,63 and his ‚circles‘ did not run around the circumference of a spherical earth, but lay flat on a flat earth, where they filled with sufficient completeness the orbis terrae or circle of the land. The adjustment of the two conflicting theories was extremely crude, since it involved placing the arctic and antarctic circles side by side, and the two temperate circles one in the east and one in the west. By such a blunder as this may be measured the stagnation of the secular thought of the time.“ Brehaut, Ernest: An Encyclopedist of The Dark Ages - Isidore of Seville. Columbia University, New York (1912). Full Text: http://bestiary.ca/etexts/brehaut1912/brehaut1912.htm
  134. Karl Christ und Anton Kern: Das Mittelalter, in: Leyh, Georg (Hg.): Handbuch der Bibliothekswissenschaft Band 3,1 - Geschichte der Bibliotheken, Bd.1, Wiesbaden 1955, S. 305
  135. Man merkte es wenn ganze Zeilen fehlten und vom Korrektor nachgetragen wurden. Etwa: Hunger, Herbert: Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur, 1. Antikes und mittelalterliches Buch- und Schriftwesen, Zuerich 1961
  136. So die Schätzung von Cipolla (Cipolla, Carlo M.: Literacy and Development in the West, London 1969)
    • Dies wird unterstützt durch die Stichprobe von Montaillou in Südfrankreich. In diesem Dorf wurden 1308 alle 250 Einwohner über dem Alter von 12 Jahren von der heiligen Inquisition verhaftet. Aus den Akten der Inquisition geht hervor, dass nur 4 Personen (1,6 %) lesen konnten. ("Montaillou: The Promised Land of Error" by Emmanuel LeRoy Ladurie, (1978). Repr. in H. J. Graff: Literacy and social (1981), p. 46f)
    • Auf einen Wert von 1,0 bis 1,4 % in England um 1300 kommt man, wenn man die ersten statistisch nachweisbaren Werte von 1530 (David Cressy: "Levels of Illiteracy in England, 1530-1730." Historical Journal 20 (1977):1-23, p. 13: Chart: Illiteracy of Social Groups, Diocese of Norwich, 1530-1730) mit der Anzahl der Schulen von 1340-1548 (Moran, J. A. H.: The Growth of English Schooling 1340-1548, (1985)) zurückrechnet und mit der Bevölckerungsverteilung korregiert.
  137. Friedrich Prinz, in "Frühes Mönchtum in Frankreich" (1965) S. 48, gibt einige archäologische Arbeiten an, die darauf hindeuten.
  138. Riche, Pierre: Education and Culture in the Barbarian West, 1976, p. 70
  139. Riche: "Philosophy was so unfamiliar to Boethius contemporaries that they confused it with the occult sciences condemned by both the Church and the state. Cassiodorus himself contributed to this confusion when called philosophers those who "say that one should venerate the sun, the moon and the other stars."" (1976), p. 45f. Ein Zeitgenosse hielt Arithmetik und Rhetorik für verbunden, ein anderer betrachtet Astrologie, Medizin und Zunkunftsdeutung (durch die "Leberschau" geopferter Schafe), als Grundlagen der Philosophie. Boethius, der sehr wohl noch wusste aus was klassische Philosophie bestand, wurde im Prozess vorgeworfen er sei ein Astrologe und Magier. Wahrscheinlich weil er auch versuchte die Astronomie des Ptolemaios, heute bekannt als "Almagest", zu übersetzen. Etwa zu der Zeit (510 AD) wurden in Rom Senatoren wegen praktizieren von Magie angeklagt. Riche meint, es bestand bei den Römern kein Interesse mehr Übersetzungen, wie Boethius sie anfertigte, überhaupt zu lesen. Dies war erst wieder im Hochmittelalter der Fall. Riche (1976) p. 44. Zumindest dürfte die Gefahr, deshalb als Magier verfolgt zu werden, dann geringer gewesen sein.
  140. Gemeint sind vor 350 hergestellte Bücher. Da wir Cassiodors Suche und deren Ergebnis kennen (siehe oben), muss diese Aussage als recht sicher betrachtet werden. Zwar könnte es in Verstecken noch welche gegeben haben. Die über 100 Jahre Verfolgung ihrer Besitzer machten sie aber inzwischen unauffindbar. Wobei offen bleiben muss, ob bei einem Auffinden die katholische Kirche vielleicht auch unter den Goten genügend Einfluss gehabt hätte sie zu vernichten. In Gallien hingegen, wo die Verfolgung nur um 30 Jahre dauerte, dürften einige Bücherhorte ab 407 wieder aufgetaucht sein.
  141. Als die Westgoten 410 Rom eroberten wurde Dionysius, ein gelehrter Mediziner, von ihen entführt "da sie sich von seiner Kunst behandeln liesen", wie es damals umschrieben wurde. Riche (1976) p. 70
  142. Grosse Privatbibliotheken erreichten um 200 AD mindestens 62000 Rollen. So die des Gelehrten Sammonicus Serenus. Dies ist nur bekannt weil sein Sohn sie an Gordianus II., also an die Öffentlichkeit, vermachte. Hunger (1961), S. 346. Bis ins 4. Jh. könnten sie noch gewachsen sein. Die Zahl 10000 dürfte die Grössenordung einer stattlichen aber nicht seltenen Privatbiblithek treffen. Egal ob man von Rollen, Titeln oder Codices spricht.
  143. Zur Schätzung der Gesamtzahl an Büchern, 100 Millionen, siehe oben.
  144. gemeint bis ins 15. Jh., denn ab da wären sie von den humanistischen Büchersammlern verbreitet worden. Diese fanden aber nur noch Bücher aus dem Mittelalter vor. Auch wenn nicht mehr alle Fundstücke der Humanisten erhalten sind, so können wir aufgrund von Korruptelen diese Aussage machen.
  145. "One of the last of the many important contributions made by Heinrich Zimmer to Irish history was an exhaustive study of the texts bearing on direct trade relations between Ireland and West Gaul in ancient times and the early middle ages. He has made it clear from both native and foreign sources that a trade considerable for its' time was maintained for many centuries between Ireland and the western coast of Gaul - Brittany and the mouths of the rivers Loire and Garonne." Kenney, James F.: The Sources for the early history of Irland, New York 1929, p. 139
  146. Kenney (1929), p. 135
  147. Kenney (1929), p. 135 und p. 137 (Notitia dignitatum). Die Herkunft der "Atacotti" aus Irland wurde später bezweifelt, aber inzwischen neigt man wieder der älteren Ansicht zu. Siehe: Rance, P.: "Attacotti, Deisi and Magnus Maximus: the Case for Irish Federates in Late Roman Britain", Britannia, (2001) 32, pp. 243-270
  148. "The occasional appearance of Scottus, Scottius, and, in a few cases, Hibernus, in Latin inscriptions on the continent of Europe indicates that a certain number of Irish were filtering into the cosmopolitan population of the Roman Empire." Kenney (1929), p. 135
  149. Padberg, Lutz E. von: Die Christianisierung Europas im Mittelalter, Stuttgart 1998, S. 66
  150. im "Glossar von Leyden", CLA 10,1585. Eine Sammlung verschiedener Texte, geschrieben in alemannischer Minuskel des 8./9. Jh., wahrscheinlich in St. Gallen. Zimmer vermutet vom Inhalt her die Notiz könnte in der zweiten Hälfte des 6. Jh. verfasst worden sein. CLA #1585 enthielte dann nur eine Kopie.
  151. Kenney (1929), p. 142:
    • "The Huns, who are the offspring of an infamous union, i.e., of demons, after they had found their way by the guidance of a hind through the Maeotic marshes, attacked the Goths, whom they terrified exceedingly because of the unlooked-for horror which they inspired. From them the devastation of the whole empire took its beginning, and it was completed by Huns and Vandals ("Guandalis"), Goths and Alans, at whose devastation all the learned men on this side of the sea took flight, and in transmarine parts, namely, in Ireland ("Hiberia") and wherever they betook themselves, brought about a very great increase of learning to the inhabitants of those regions."
    • "Guandalis" ist typisch für den romanischen Sprachraum. "Hiberia" wurde von Columbanus (um 600) benutzt und entspricht "Hiberio" wie es Patrick im 5. Jh. verwendete. Da der erste Satz aus der Getica von Jordanes stammt (551 AD), könnte Zimmers Datierung (zweiten Hälfte des 6. Jh. verfasst) stimmen. Im Abstand von fast 200 Jahren könnte sich die Erinnerung an die Fluchtbewegungen der 370er und der 407er Jahre vermischt haben.
  152. "it was chiefly in the fourth and fifth centuries that Roman civilisation made its way into Ireland. And the more we learn about letters in early mediaeval Ireland the more probable it appears to be that the literary ideals and practices of Gaul in the last era of Roman dominion and the first epoch of barbarian rule exercised a powerful influence on the formation of Irish vernacular literature." Kenney (1929) p. 141
  153. Kenney (1929) p. 142f:
    1. the occurrence of the word "Bordgal" - the Irish form of Burdigala, Bordeaux - as a place-name in Westmeath and in Kilkenny, and also as a common noun in the sense of "meeting-place, place of assembly";
    2. the implication in the Confession of Patricius - a contemporary of these Gallic emigres - of the presence in Ireland of a body of scholars well educated in the Latin tongue who regarded with scorn the illiteracy of the saint and even questioned the legitimacy of his mission;
    3. the Irish origin of the Hisperica Famina;
    4. the traces in early Irish writings of the influence of late Gallo-Latin literature. (Hier verweist Kenney auf: Meyer, Kuno: Learning in Ireland in the fifth century. (1913))
  154. Die Überlieferung der Sammlung aus Irland ist unstrittig. Jedoch ist Latein (und Worte aus anderen Sprachen) mit gälischer Grammatik verknüpft. Dies deutet auf eine Entstehung im spätantiken Irland hin. Kenney (1929) p. 256
  155. "In content the Hisperic writings seem to be made up of a series of composition exercises on various subjects, loosely strung together. Jenkinson gives the following summary of the principal text: "1-48. Glorification of the rhetors or sophiae arcatores and their school, and of the speaker himself as a match for any of his contemporaries. 49-86. A would-be scholar, a grazier, who has mistaken his vocation, is recommended to go home to his family, where confusion reigns in his absence. 87-115. The superiority of the speaker's Latin is illustrated by similes. 116-132. The connexion of this passage with what precedes is not clear. It describes the faults which writers of Latin are liable to commit. 133-357. A day, from sunrise to sunset, and its occupations are described. 133-177 the awakening of nature, 178-189 of the rural population, 190-221 of the school: 222-302 midday; a walk and a meal, provided by possessores, who have to be addressed in Irish, about which there is some difficulty as the scholars may only talk Latin: 303-357 sunset; another meal, apparently provided by inhabitants of the town; then the scholars turn in, some to sleep, and others to sit up." (...) Kenney (1929) p. 256
  156. Die Details zu Namen und Verwandtschaftbeziehungen deuten auf zeitgenössische Dokumente die damals noch vorlagen, etwa das von Tirechan erwähnte Buch von Ultán. Die einzigen von St. Patrick überlieferten Dokumente sind auch im Buch von Armagh und auffallend inhaltsleer was historische Ereignisse angeht. Dies legt die Vermutung nahe, im 7. Jh. hat eine Säuberung der Überlieferung stattgefunden. Alle Zeichen christlicher Gewalt wurden getilgt und durch Wunder ersetzt. Die so entstandene Wundergeschichte wäre im 5. Jh. wohl noch zu unglaubwürdig gewsen. Erst der Bildungsrückang während der 200 Jahre christlicher Herrschaft erlaubte eine solche, typisch mittelalterliche Geschichtsschreibung.
  157. "and he came to them with nine magicians, clad in white garments, with a magical host." (http://www.maryjones.us/ctexts/patrick-armagh4-tirechan.html Tirechan's Collections Concerning St. Patrick, Book of Armagh (TCD MS 52))
  158. Sie werden beschrieben als Berater, Unterhändler und verbunden mit Büchern. Muirchu: "All these things were done in sight of the king, between the magician and Patrick, and the king said, "Cast your books into the water, and him whose books shall pass this trial, we will adore."" Die Verbindung mit Büchern schliesst Druiden aus. Denn nach aller Evidence besassen die Druiden keine Buchkultur. Caesar beschreibt keltische Schriftkultur nur in einem südgallischen Stamm auf Basis griechischer Schriftzeichen ohne geistlichen Bezug.
  159. "amongst whom, two were eminent above the rest, their names were Lothroch, which is Lochric, and Lucamael, which is Ronal; and those two, by their magic art, often prophesied that there would be a certain foreign custom introduced, as the custom of the kingdom, with a certain unknown obnoxious doctrine, from far beyond sea, dictated by a few, and received by many:
    To be honored by all,
    About to overthrow kingdoms,
    About to seduce opposing crowds,
    About to destroy all their gods,
    And about to rule above all others, by
    the powers of its art, for all ages.
    (Life of S. Patrick, by Muirchu moccu Machtheni)
  160. Dies ist die Übersetzung des Irlandexperten Ludwig Bieler aus seinem Buch "Irland. Wegbereiter des Mittelalters", Freiburg 1961. Bielers Quelle ist das Book of Armagh. Bieler erstellte später ein neue Ausgabe: "The Patrician texts in the Book of Armagh." Dublin 1979. Die Übersetzung oben ist daher direkt und anderen Versionen vorzuziehen.
  161. "There is, however, another aspect of the Confession that reveals something about Patrick’s character. Patrick is excessively humble, saying that he is "unskilled in everything" (Confession 49), and frequently citing his poor Latin, his simplicity and his rusticity." John Lewis examines the life of St. Patrick: http://cssaame.com/jhs/achievements.htm
  162. "As they commenced discoursing alternately, the magician, Locru, was bold in the presence of the Saint, daring to detract from the Catholic faith, with boisterous words, but Saint Patrick glancing at him uttering such expressions, as Peter did formerly at Simon, with power and great boldness exclaiming to the Lord, he said, "O Lord! who art almighty, and by whose power all things consist, and ye who sent me hither, let this impious wretch who blasphemes thy name, be lifted forth, and let him quickly die." And having said this, the magician was lifted up to the sky, and again cast down and his brains dashed out against a stone, and he died in their sight, and the gentiles feared."(http://www.maryjones.us/ctexts/patrick-armagh1-muirchu.html Life of S. Patrick, Muirchu moccu Machtheni)
  163. Muirchu:
    • "the king was greatly indignant against Patrick, on account of the death of his magician, and he almost had rushed upon him, desiring to slay him, but God prevented him, for at the intercession of Patrick, and at his entreaty the wrath of God descended on his head, and the king greatly feared, and his heart was alarmed, and all the state with him.
    • The elders, therefore, and all his senate, being assembled in Loigaire, said to them, "It is better that I should believe than die" and the council being entered into, according to their advice, he believed on that day, and was converted to the everlasting God of Israel." (Muirchu, s.o.)
  164. "Thereupon many others also believed, and Saint Patrick said to the king, "Because cause you have resisted my doctrine, and have been a scandal to me, although the days of your reign may be prolonged, nevertheless, there shall be no king of your seed for ever." (Muirchu, s.o.)
  165. "If a man quotes a passage, he has read it; but we must not assume that he has read the work in which it occurs. Quotations were often taken second-hand from grammar books. The researches of C. K. Ullman have revealed that anthologies contributed largely to the classical knowledge of medieval scholars;" Bolgar, R. R.: The Classical Heritage and its Beneficiaries, Cambridge 1973 p. 9
  166. Der CLA verzeichnet für Irland und Grossbritanien nur drei Klassiker (9,1370 Justinus, Epit. Hist. Philippicae; X,1578 Plinius, Nat. Hist.; Suppl.,1806 Servius, Com. in Vergilli Aeneida) in angelsächsischer Schrift, aus dem 8. Jh., die aus England kommen könnten. Da sie sich aber auf dem Kontinent befinden, auch noch in einer Region mit angelsächsischer Schrifttradition, und kein Hinweis auf einen Transfer erkennbar ist, stammt eher nur ihr Schreiber aus England. Vielleicht auch nur dessen Lehrer. Allerdings erwähnt Alkuin (um 800) den alten Plinius, den Servius und wahrscheinlich den Justinus in der Bibliothek von York. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass sich diese 3 Titel im 8 Jh. dort befanden. Es könnten sogar die im CLA erfassten Codices gewesen sein. Dann hätten die Inseln nur für wenige Jahrzehnte im 8. Jh. Klassiker besessen. Ab dem 9. Jh. dürften dann karolingische vom Kontinent gekommen sein.
  167. "It is unlikely that Ireland possessed much in the way of classical literature, and there is no evidence that the Irish actually carried literary texts from their homeland to the Continent." Reynolds, Text and Transmission, (1983) p. xx
  168. "The number of classical texts which have come down to us in copies made by Irish scribes is exceedingly small, and these few copies were made on the continent where Irish script was practised widely during the seventh and eighth centuries." L. Bieler (1971), p. 47 in: Bolgar, R. R. (Ed.): Classical Influences on European Culture AD. 500-1500, Cambridge 1971, The classics in Celtic Ireland, p. 45ff
  169. Die von Bieler erwähnten "few copies" waren Petronius, Caesar, und Horace. Alle aus karolingischer Zeit. Dass Columbanus Horaz zitierte ist sicher kein Hinweis auf Horaz Studien seit dem 6. Jh.. Columbans Zitate stammten aus den Schriften von Kirchenvätern.
  170. So auch Bieler: "The possibility that many of the quotations we find in the works of Irish writers have come to them second-hand cannot be discounted." (1971) p.46f.
  171. B. Bischoff: "Ferner halte ich es, im Gegensatz zu meinem Freund Ludwig Bieler für wahrscheinlich, dass Columbanus das meiste an Kenntnis klassischer und spätantiker Poesie erst auf dem Festland erwarb, ebenso wie die eigene Übung in metrischer Dichtung," in: Brown,(1975) p. 298
  172. "In any case, Columbanus`s "classicism" appears to have been unique in the Irland of his own day, and indeed on the Continent in the early years of the 7th century." Brown (1975) p. 244
  173. "There is no trace of a general humanistic attitude." L. Bieler (1971), p. 47
  174. Bieler (1961), S. 16
  175. Wilhelm Levison: Die Iren und die fränkische Kirche (1912), in: Prinz, Friedrich (Hrsg.): Mönchtum und Gesellschaft im Frühmittelalter, Darmstadt 1976. S. 96
  176. Direktes Zitat aus von Padberg, (1998) S. 68
  177. St. Gallen war einige Zeit nur eine "Mönchsklause". Luxeuil dürfte Anfangs auch für Südwest Germanien zuständig gewesen sein.
  178. Paläographie (1986), S. 122
  179. "... aber auch Ulfilas (U. Carolinus, in Wolfenbüttel, dessen Entdeckung durch F. A. Knittel um 1756 für die Palimpsestforschung epochemachend wurde) und der westgotische Codex Euricianus. Häufig haben die Iren abgeschabtes Pergament benützt, wenn auch hier der Palimpsestcharakter oft schwer feststellbar ist. Seit der karolingischen Zeit ist das Palimpsestieren verhältnismäßig selten..." B. Bischoff, Paläographie, (1986) S. 27
  180. Bischoff (1986), S. 255
  181. Reynolds: Scribes and Scholars (1994) p. 85
  182. Richard Mollweide: Die Entstehung der Cicero-Exzerpte des Hadoard und ihre Bedeutung für die Textkritik. Wiener Studien. XXXIII. 1911. 18, S. 274-292. Text im Internet. Auszug:
    • "Die Bruchstücken der Historien Sallusts stammen nach den Untersuchungen Edm. Haulers ebenfalls aus dieser Zeit und auch in diesen beiden Fällen ist die absichtliche Vernichtung des klassischen Textes aus christlich- religiösen Gründen außerordentlich wahrscheinlich, weil man sich kaum vorstellen kann, daß diejenigen, welche die ursprüngliche Schrift abwuschen und ausradierten, nicht gewußt hätten, daß sie
    dadurch Schriftwerke von der größten Bedeutung vernichteten. In dieser Zeit der Verfolgung klassischer Literatur durch die christliche Kirche, die, wie gesagt, ihren Höhepunkt etwa zwischen 550 bis 650 erreicht haben dürfte, ist bei Palimpsesten wohl häufig zu großer Religionseifer vorauszusetzen. Methodisch und prinzipiell scheinen mir in dieser Hinsicht die Mönche in dem Kloster Bobbio vorgegangen zu sein, aus dem so viele Palimpseste stammen." Interessant im weiteren auch Mollweides Verweis auf den Ikonoklasmus, was erst Sauer wieder aufnahm.
  183. Prinz, Friedrich: Frühes Mönchtum im Frankenreich, München 1965
  184. "M. MANITIUS, Gesch. d. lat. Lit. I, S. 92ff., bes. S. 94, macht auf die innere Logik aufmerksam, die Gregors Haltung mit der Praxis des Klosters Bobbio verbindet, alte Klassikerhss. abzuschaben und mit Kirchenvätern neu zu beschriften. Vor einer Überschätzung dessen, was in Bobbio wirklich an Bildungsgut der Antike lebendig war, warnt mit Recht P. LEHMANN, Panorama der literarischen Kultur des Abendlandes im 7. Jahrhundert (Erforschung d. Mittelalters Bd. V) Stuttgart 1962, S. 258-274, bes. S. 264f." S. 466
  185. "Dennoch kann man sich gewisser Bedenken nicht erwehren, eine mit Hilfe des langobardischen Königshauses entstandene Stiftung ohne weiteres als arm zu bezeichnen, da dies allen Parallelfällen (Corbie, Poitiers, St. Croix, Agaunum, Fulda, Reichenau etc.), wo Klöster aus königlicher Initiative entstanden, widerspräche. Auch hatte sich Bobbio in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts als monastisches Kulturzentrum wie auch als Skriptorium so weit etabliert, dass man es damals erst recht nicht nötig gehabt hätte, aus Armut Klassikerhandschriften durch Palimpsestieren zu vernichten." S. 527
  186. "He clearly knew very well what style to use on what occasion." Brown (1975) p. 296
  187. E.A. Lowe: Codices Rescripti - A List of the Oldest Latin Palimpsests with Stray Observations on their Origin. In: Melanges Eugene Tisserant, v (Bibliotheca Vaticana, 1964), 67-112. Auch in: E.A. Lowe: Palaeographical Papers 1907-1965. Vol. II, Oxford 1972
  188. Die "Geometria Boetii" ist ein Werk des 11. Jh. (Heiberg, L.L.: Geschichte der Mathematik und Naturwisenschaft im Altertum, München 1925, S. 13f) Die heutige Euklid Tradition stammt von Übersetzungen aus dem arabischen und griechischen im 12. Jh.
  189. Die meisten Forscher sehen dieses Palimpsest als Teil der Boethius Tradtion. Womöglich sogar als Autograph des Boethius. Lowe datiert aber den Euklid Text auf das späte 5. Jh. (CLA 4,501). Wenn das stimmt kann er nur schwerlich von Boethius stammen, hätte er ihn doch vor seinem 22. Lebensjahr verfassen müssen. Eine solche Frühleistung wäre doch irgendwo erwähnt worden. Zwar ist diese paläographische Datierung nicht exakt, sie wird aber noch von einem anderen Punkt gestützt. Denn der Ort der palimpsestierung, Luxeuil in Frankreich, spricht auch eher gegen ein Werk von Boethius. Ein solches hätte man eher unter den Palimpsesten von Bobbio in Italien erwartet, wo auch andere gotische Bücher ausradiert wurden. Stammt der Text aber nicht von Boethius, so muss er auch ausserhalb Italiens entstanden sein. Die arianischen Goten unter Theoderich hätten ihn sonst wahrscheinlich gefunden und kopiert. Lowe ist der Entstehungsort unklar. Er vermutet Frankreich, da Luxeuil dort liegt. Jedenfalls kommt der Text von einem Ort, von dem kaum weitere Schriftproben überliefert sind. Ein heute völlig aus der Geschichtsschreibung verschwundener Ort, an dem man noch Ende des 5. Jh. Interesse an antiker Philosophie hatte.
  190. Nochmal zur Verdeutlichung. Wenn sich diese beide Sammlungen zum grossen Teil decken. Wenn beide aus einer 1000 mal grösseren Sammlung (des Barbaricums oder der Antike) entnommen wurden. Dann kann diese Entnahme kein zufälliger Prozess gewsen sein. Beide male muss jemand nach den gleichen Kriterien aussortiert haben.
  191. Hunger, H. (u.a.): Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur. Bd. 1 (1961) S. 362
  192. Besonders Speyer verweist auf diese Paralellen. (Speyer, Wolfgang: Büchervernichtung und Zensur des Geistes bei Heiden, Juden und Christen, Stuttgart 1981)
  193. Die obige Passage aus der Apostelgeschichte mit Paulus kann als ein solcher Vorgang interpretiert werden. Wundersame Krankenheilung wird auch von anderen Personen des NT und vielen Heiligen berichtet.
  194. Während man im 17. Jh. die Fähigkeiten eines siegreichen katholischen Heerführers als ein Geschenk Gottes interpretierte wurde im Mittelalter der komplette Verlauf einer Schlacht öfters dem direkten Einwirken Gottes zugeschrieben. Durch diese Interpretation wurde sogar das systematische Sammeln militärischen Wissens verhindert. Noch für Napoleon war daher Caesars Gallischer Krieg das Standartwerk der Kriegführung.
  195. Pornografische Bilder oder Statuen waren weitaus mehr verbreitet als es die meisten heutigen Sammlungen zeigen. Viel Material wurde in Sondersammlungen weggeschlossen oder im 19. Jh. sogar an der Fundstelle wieder verborgen. Auch Pornografische Schriften machten wahrscheinlich einen deutlich grösseren Anteil in der Antike aus als in der Überlieferung. In der Antike konnten Pornografische Schriften aus öffentlichen Bibliotheken entliehen werden. Dies wurde sogar zur Förderung der Gesundheit ausdrücklich empfohlen
  196. "instrumental in shaping the vocabulary and thought of Western Christianity" Encyclopaedia Britannica 2003
  197. Sauer (s.o.), hat darauf hingewiesen, S. 14, Tertullian: On the Games, 30
  198. Christ und Kern (s.o.), S. 306
  199. Diesner, Hans-Joachim: Isidor von Sevilla (1977) S. 38
  200. Deutlicher als im AT sind diese Endzeiterwartungen in den Schriften von Qumran. Wahrscheinlich repräsentieren diese Schriften eher das Denken in Judäa im 1. Jh. als das AT. Nach der in den 1990er bekannt gewordenen Interpretation von Eisenman könnten diese Endzeitgedanken eine Motivation beim jüdischen Aufstand gegen Rom gewesen sein. Man wollte vielleicht sogar den Untergang des Staates provozieren damit die Prophezeiung sich erfüllen konnte.
  201. Scheer, Robert: With enough shovels: Reagan, Bush and nuclear war, New York (1983), Diskussion des Kontext auf dieser Schulseite. Dort verlinkt für Details ein Artikel aus Convergence (New York, Columbia Univ. Press) aus den 1980ern: Andrew Lang: The politics of Armageddon - Reagan links Bible Prophecy with Nuclear War.
  202. In der Spätantiken Welt, mit der noch aus dem heidnischen kommenden Neigung Zeichen zukünftiger Ereignisse und Vorhersagen zu sehen, könnte dies eine Überlegung gewesen sein. Sie entspricht allerdings nicht dem vorwiegenden Heilsversprechen des MA oder der Moderne. Denn dies ist, über das Jüngste Gericht, streng personalisiert.
  203. The journal Archaeology (May/June 2002, 24) features a photograph of the devastation in the store-room of the Ministry of Information and 'Culture' at Kabul as a result of iconoclasm in 2001. Paul Bucherer-Dietschi, an insider of recent Afghan history and campaigner for the preservation and restoration of the little that remains of the once rich cultural heritage of this country comments (ibid. 22 & 24): "Here's 18 cubic feet of primarily Gandharan and Bactrian artifacts from the Kabul Museum, in pieces no bigger than my little finger. The Taliban came in the morning, hammered until prayer time, paused, hammered again, paused for tea, then hammered for the rest of the day." (Sauer, s.o. S, 164)
  204. Sauer, s.o., Chapter 7: "Destruction at Dendera: a colossal task
  205. Der Maler berichtete davon im TV. Er hatte vorher eine Firnissschicht aufgetragen um es wieder rückgängig zu machen. Christliches Bilderverbot gab es erst im Mittelalter um 700 in Byzanz.
  206. Friedrich Prinz: Das wahre Leben der Heiligen, München 2003, S. 56:
    "Mag auch die radikale Verachtung der antiken Bildung, wie sie das Traumerlebnis des Hieronymus widerspiegelt, thematisch nichts mit seiner scharfen Polemik gegen die Kritiker des Asketismus zu tun haben, so weisen dennoch beide Fälle auf ein historisch bedeutsames Phänomen hin, nämlich auf den starken kulturellen Bruch in der Spätantike, den eine Phalanx kirchlich führender Intellektueller bewusst vollzogen hat: Selbst noch im Vollbesitz der traditionellen paganen Bildungsstandards, der "artes liberales", d. h. der antiken Kulturwissenschaften, nahmen sie von diesem Erbe weitgehend Abschied, so dass die folgenden Generationen aus religiösen Gründen - heute würde man sie mit Blick auf andere Weltreligionen als "fundamentalistisch" bezeichnen - zwangsläufig auf ein viel niedrigeres geistiges Niveau herabgedrückt wurden.
    Mit anderen Worten: Hieronymus, Augustinus und andere Leuchten der Kirche hatten noch die Möglichkeit der Wahl zwischen grossen, aber weitgehend gegensätzlichen geistigen Konzeptionen des Welt- und Selbstverständnisses und haben diese Möglichkeiten jeweils auf ihre Weise auch voll genutzt. So konnte Hieronymus in einer bestimmten Phase seines Lebens die erworbene klassische Bildung radikal ablehnen, wie der Brief an Eustochium zeigt.
    Gleichzeitig aber war er in der Lage, mit dem Instrumentarium der "artes liberales", mit Philosophie, Rhetorik, Grammatik und mit philologischer Präzision, also mit antik- paganen Errungenschaften, zu schreiben und scharf zu polemisieren, um, wie im Falle von Helvidius und Jovinianus, ideologische Gegner überlegen vor sich her zu treiben. Es waren dies aber säkulare Fähigkeiten, die im Kontext rein christlich- religiöser Erziehung von Generation zu Generation mehr verkümmern oder gar ganz abhanden kommen mussten, wie dies die Epoche zwischen 6. und 7. Jahrhundert belegt."
  207. "Cosmos" wurde zum meistgedruckten englischsprachigen Sachbuch.
  208. Konkret die Zerstörung der Bibliothek von Alexandria und der Tot Hypatias. Zwischen beiden Ereignissen liegen zwar mehrere Jahrzehnte, aus der gewählten zeitlichen Perspektive fallen sie aber praktisch zusammen.
  209. So die deutsche Übersetzung: "Unser Kosmos", München 1982. Da Sagan auch etwas deutsch sprach dürfte die Wahl des Wortes Finsternis (im Diagramm sogar "finsteres Mittelalter", aber in "") kein Zufall gewesen sein. Er war ein führender Propagandist der säkularen naturwissenschaftlichen Weltanschauung
  210. Der wissenschaftliche Leiter dieses Programms hatte die Ergebnisse 1976 publiziert. Wegen des eher unerwünschten Inhalts wurde es jedoch wenig bekannt. Die Vereinigung unabhängiger Nuklearwaffen Wissenschaftler wurde darauf aufmerksam und veröfftentlichte es in ihrem in Fachkreisen sehr berühmten Journal. (James W. Prescott: Body Pleasure and the Origins of Violence, in: The Bulletin of The Atomic Scientists, November 1975, S. 10-20) Sagan, der, was wenig bekannt ist, auch mit Nuklearwaffen beruflich zu tun hatte, wurde dadurch darauf aufmerksam. Er präsentiert es in seinem Buch nicht nur im Kontext mit dem gewaltsamen Ende der Antike sondern auch mit der Gefahr eines erneuten Untergangs der modernen Kultur durch einen Atomkrieg.
  211. Aus evolutionärer Sicht muss dies keine Fehlbildung sein, sondern wäre auch als eine Art "Notschaltung" zu interpretieren. Ein fehlen der Zuwendung ist am wahrscheinlichsten wenn die Horde in einer Krisensituation ist. Etwa extremer Nahrungsmangel oder Tod der meisten Gruppenmitglieder, wodurch keiner mehr Zeit für die Kleinkinder hat. Für diesen Fall wäre eine Neigung zur Gewalt ein Überlebensvorteil für das Individuum. Lebt die Person aber in einer Zivilisation, dann ist diese Notschaltung sowohl für den Einzelnen als auch für seine Umgebung eine Katastrophe.
  212. Prescott veröffentlichte dazu eine Umfragestatistik unter US College Studenten. Von denen die eine negative Haltung zu sexuellem Genuss haben, wird eine Neigung zur Akzeptanz von Gewaltmassnahnem deutlich:
    • 85 % "Harte körperliche Bestrafung ist gut für Kinder die sich oft widersetzen"
    • 81 % "Körperliche Bestrafung und Schmerz helfen beim Aufbau eines starken moralischen Charakters"
    • 80 % "Abtreibung sollte von der Gesellschaft bestraft werden"
    • 76 % "Todesstrafe sollte gesellschaftlich erlaubt sein"
    • 75 % "Gewalt ist nötig um unsere Probleme wirklich zu lösen"
    • 74 % "Körperliche Bestrafung sollte an Schulen erlaubt sein"
    • (...)
  213. * 84% "Prostitution sollte von der Gesellschaft bestraft werden"
    • 80% "Verantwortungsvollem vorehelichem Sex kann ich nicht zustimmen"
    • 78% "Nacktheit in der Familie hat einen schädlichen Einfluss auf Kinder"
    • 73% "Sexueller Genuss führt zu einem schwachen moralischen Charakter"
    • 72% "Die Gesellschaft sollte sich einmischen in das private sexuelle Verhalten zwischen Erwachsenen"
    • (...)
  214. "IMHOF argumentiert, daß das nachlässige Pflegeverhalten der katholischen Mütter durch unzureichende Ernährung, Reinlichkeit und Gleichgültigkeit in manchen Dingen erheblich zum frühen Tode ihrer Kinder beitrug. Dafür finden sich Belege in der zeitgenössischen Literatur: "Sogar das zärtlichste Mutterherz wird für das fünfte Kind gleichgültig, und dem sechsten wünscht sie laut den Tod, daß das Kind, wie man sich hier ausdrückt, himmeln sollte", stellte der bayerische Autor Joseph Hazzi 1801 fest." Pfister, C.: Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie 1500-1800, (1994), S. 36: Konfessionsspezifische Einstellungen zum Leben
  215. Krüger, Julian: Oxyrhynchos in der Kaiserzeit (1990)
  216. Axon, William E. A.: On the Extent of Ancient Libraries, in: Transactions of the Royal Society of Literature of the United Kingdom. Second Series, Vol. X., London (1874), pp. 383-405.
  217. Hagedorn, Dieter: Papyrologie, in: Nesselrath, H.-G.: Einleitung in die griechische Philologie (1997)
  218. Pöhlmann, Egert: Einführung in die Überlieferungsgeschichte und in die Textkritik der antiken Literatur (1994), S. 124
  219. Martial macht um AD 85 in zwei seiner Bücher, im Proömion und im 14. Buch der Epigramme, Werbung für Codex Editionen von seinem Verleger Secundus und nennt auch gleich dessen Adresse. Er preist sie als handlicher, empfiehlt sie als Reiselektüre (Taschenbuch?), nennt sie aber auch umfangreicher, da sie das Gesamtwerk eines Autors enthalten können. Homers Odyssee oder Ilias in je einem Codex. Secundus Codex Angebot enthielt außer den berühmten griechischen und lateinischen Klassikern auch Werk von Martial. Sich zwischen Homer, Vergil, Cicero, Livius und Ovid in der Auslage zu finden dürfte ihm gefallen haben.
  220. Roberts, Colin H., Skeat, T. C: The Birth of the Codex, London (1983), p. 48
  221. s.o. p. 76
  222. Aus der illuminierten Handschrift von Tzetzes, reproduziert und analysiert bei Parsons: The Alexandrian library (1952).
  223. J. O. Ward: „Alexandria and its Medieaval Legacy: The Book, the Monk and the Rose“ in MacLeod, Roy (Ed.): The Library of Alexandria, London (2000), p. 165
  224. Sie funktionierten sicher nicht, da sie sonst in einem Medizin- oder Ingenieursbuch gestanden hätten. Man hätte sie dann nicht in einem Zauberbuch als "geheimes Wissen" verkaufen können. Dies ist der besondere Unterschied zwischen einem Zauberbuch der frühen römischen Kaiserzeit und etwa einem 1000 Jahre älteren. In solch frührerer Zeit könnte tatsächlich relevantes Wissen, etwa in Medizin, als Herrschaftswissen zur Legitimierung einer Priesterkaste, geheim gehalten worden sein.
  225. Sie könnten als Belegmaterial zur Spätantiken Strafverfolgung gehäuft vorkommen. Oder wegen der Strafbarkeit ab 400 n. Chr. eben kaum überliefert worden sein. Ähnlich für Funde: Wurden sie gehäuft vergraben wegen der Strafbarkeit oder waren sie deshalb kaum vorhanden? Eine statistische Aussage wäre erst möglich wenn man die Entstehungszeit und Verlustzeit mit der Gesamtzahl aller Papyrifunde koreliert. Graf bietet eine Übersicht zum Forschungsstand über Zauberpapyri. Da er solch quantitative Aussagen nicht erwähnt sind sie wahrscheinlich noch nicht erstellt worden. (Graf, Fritz: Gottesnähe und Schadenzauber: die Magie in der griechisch-römischen Antike, München 1996,)
  226. Julian Krüger, Oxyrhynchos in der Kaiserzeit, 1990.
  227. Krüger S. 161: 891 Stücke einseitig mit Literatur beschrieben, 180 beidseitig mit Literatur und 234 mit Literatur auf der einen und Urkunden auf der anderen Seite. Das macht 891 + 180 * 2 + 234 = 1485 Textseiten mit Literatur.
  228. Der sehr erfahrene Papyrologe Turner zum beidseitigen Gebrauch der Papyrusrolle: "If the sheet is well made there will be little difference in the smoothness and finish of the two sides; one side may be given a higher degree of polish than the other. Whether the fibres run with the direction of the writing or against it, in such a sheet there will be little resistance to the pen. Indeed, for a time in the early Ptolemaic period documents (i.e. sheets cut from a roll) were regularly written across the fibres; and similarly for a time in the Byzantine age." (Turner, Eric G.: Greek papyri, Oxford 1968, p. 4). Der eher unübliche beidseitige Gebrauch in römischer Zeit wird von N. Lewis mit dem geringen Preis von Papyrus während dieser Epoche in Verbindung gebracht. (Lewis 1973, p. 130; Zitat s.o.)
  229. Viele Papyri Funde sind beidseitig beschrieben, meist als Zweitverwertung, bei einigen aber mit fortlaufendem Text. So ist von 1305 Rollen mit Literatur bei ca. 110 (= 8,4 %) der gleiche Titel auf Vorder- und Rückseite zu finden. (Krüger, (1990), S. 161ff). Dies kann also nicht das Ergebnis einer späteren Zweitverwertung sein, sondern deutet klar auf eine durchaus verbreitete Verwendungsart der Rolle.
  230. "...ausserdem vermachte er mir 160 Rollen ausgewählter Notizen. Jede Rolle beschrieben auf beiden Seiten und in der kleinsten möglichen Handschrift, was praktisch ihre Anzahl verdoppelte." (Plin. Ep. III, 5)
  231. Etwa bei Katharina de la Durantaye: "Ruhm und Ehre. Der Schutz literarischer Urheberschaft im Rom der klassischen Antike." (2006) [3] Eine brilliante Arbeit mit deutlichem Interesse an der Antike geschrieben. Der Autorin war offenbar nicht bekannt, dass die überlieferte Literatur das Ergebnis eines gezielten Auswahlprozesses durch radikale Christen während der Spätantike ist. Entsprechend sind die Darstellungen der heidnischen Kaiser meist negativ verzerrt. Dies ist inzwischen typisch für jüngere Arbeiten. Das fast völlige Fehlen von Literatur aus dem 3. Jh. deutet nicht auf einen Mangel an Produktivität (S. 17), sondern auf die Unerwünschheit dieser Texte bei der Auswahl. Für den spätantiken Übergang zum Codex macht sie die bessere Handhabung und Skeats Preisvorteil verantwortlich. Eine Kritik dieser Punkte sollte nicht bei ihr, sondern bei den derzeitigen Standardwerken zum Thema ansetzen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Behandelt nur Phase 1, die Entstehung. Mit Schwerpunkt auf geistigem Inhalt, Umfeld und Rezeption.
  • Mostafa El-Abbadi: Life and Fate of the Ancient Library of Alexandria. 2. Auflage. Unesco, Paris 1992, ISBN 92-3-102632-1.
  • William E. A. Axon: On the Extent of Ancient Libraries. In: Transactions of the Royal Society of Literature of the United Kingdom. Second Series, Vol. X, London 1874, S. 383–405
  • Bairoch, Paul: Cities and Economic Development, 1988
  • Robert Barnes: Cloistered Bookworms in the Chicken-Coop of the Muses. The Ancient Library of Alexandria. In: Roy MacLeod (Hrsg.): The Library of Alexandria. London 2000.
  • Bieler, Ludwig: Irland. Wegbereiter des Mittelalters, Freiburg 1961
  • Bieler, Ludwig (1971): The classics in Celtic Ireland, in: Bolgar, R. R. (Ed.): Classical Influences on European Culture AD. 500-1500, Cambridge 1971, p. 45ff
  • Bischoff, Bernhard: Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters, Berlin 1986
  • Blanck, Horst: Das Buch in der Antike, München 1992
Gute Einführung in die antike Buchkultur
  • Bolgar, R. R.: The Classical Heritage and its Beneficiaries, Cambridge 1973
  • Brehaut, Ernest: An Encyclopedist of The Dark Ages - Isidore of Seville. Columbia University, New York 1912
  • Brown, T. Julian: An Historical Introduction to the Use of Classical Latin Authors in the British Isles From the 5th to the 11th Century. In: La Cultura antica nell'Occidente Latinodal 7 all 11 secolo. ed, Jeauneau, Edouard. 237-299, 1975. (22nd Conference Centro Italiano di Studi sull'alto Medioevo. Spoleto, Italy: Centro Italiano di Studisull'alto Medioevo.)
Auf S. 294-299 auch Diskussionsbeiträge von Ludwig Bieler und Bernhard Bischoff.
  • Karl Christ, Anton Kern: Das Mittelalter. In: Georg Leyh (Hrsg.): Handbuch der Bibliothekswissenschaft. Band 3,1. Geschichte der Bibliotheken. Wiesbaden 1955.
  • Chuvin, Pierre: A Chronicle of the Last Pagans, London 1990
  • Diesner, Hans-Joachim: Isidor von Sevilla, 1977
  • Dzielska, Maria: Hypatia of Alexandria, London 1995
  • Hans Gerstinger: Bestand und Überlieferung der Literaturwerke des griechisch-römischen Altertums. Kienreich, Graz 1948.
  • Graf, Fritz: Gottesnähe und Schadenzauber: die Magie in der griechisch-römischen Antike, München 1996
  • Haas, Christopher.: Alexandria in Late Antiquity, London 1997
  • Angelika Haese: Mittelalterliche Bücherverzeichnisse aus Kloster Lorsch. Einleitung, Edition und Kommentar. Harrassowitz, Wiesbaden 2002, ISBN 3-447-04490-X.
  • Dieter Hagedorn: Papyrologie. In: Heinz-Günther Nesselrath (Hrsg.): Einleitung in die griechische Philologie. Teubner, Stuttgart 1997, ISBN 3-519-07435-4.
  • Hagendahl, Herbert: Von Tertulian zu Cassiodor. Göteborg 1983
  • Richard Mollweide: Die Entstehung der Cicero-Exzerpte des Hadoard und ihre Bedeutung für die Textkritik. Wiener Studien. XXXIII. 1911. 18, S. 274-292
  • Michael H. Harris: A history of libraries in the western world. Scarecrow Press, Lanham, Maryland 1995, ISBN 0-8108-3724-2.
Dies ist eine Überarbeitung von Johnson (1965 mit gleichem Titel). Enthält nun eine irreführende Veränderung an entscheidender Stelle (s.o.).
  • Wolfram Hoepfner (Hrsg.): Antike Bibliotheken. Philipp von Zabern, Mainz 2002, ISBN 3-8053-2846-X.
  • Hunger, Herbert (Hrsg.): Geschichte der Textueberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur, Band 1, Antikes und mittelalterliches Buch- und Schriftwesen, Zuerich, 1961
Etwas christlich apologetisch geprägt, vermeidet zu deutliche Aussagen.
  • George W. Houston: A Revisionary Note on Ammianus Marcellinus 14.6.18: When did the Public Libraries of Ancient Rome close?. In: Library Quarterly. Vol. 58, Nr. 2, 1988, S. 258–264
Vernichtende Kritik s.o.
  • Hunt, R. W.: The deposit of Latin classics in the twelfth-century Renaissance, in: Bolgar, R. R. (Ed.): Classical Influences on European Culture AD. 500-1500, Cambridge 1971, p. 51ff
  • Elmer D. Johnson: A history of libraries in the western world. Scarecrow Press, Metuchen, New Jersey 1965, ISBN 0-8108-0949-4.
  • William A. Johnson: The literary papyrus roll. Format and conventions; an analysis of the evidence from Oxyrhynchus. Yale University Press, New Haven, Connecticut 1992.
  • Robert A. Kaster: Geschichte der Philologie in Rom. In: Fritz Graf u. a. (Hrsg.): Einleitung in die lateinische Philologie. Teubner, Stuttgart 1997, ISBN 3-519-07434-6.
  • Kenney, James F.: The Sources for the early history of Irland, New York 1929
  • Krüger, Julian: Oxyrhynchos in der Kaiserzeit (1990)
Wichtigste Statistik zu den Papyri von dort
  • Lehmann, Paul: Erforschung des Mittelalters, Ausgewaehlte Abhandlungen und Aufsaetze, Bd. II, Stuttgart 1959
  • Lewis, Naphtali: Papyrus in classical antiquity, Oxford 1974
Standardwerk zu Papyrusrollen. Lewis eigene und die von ihm zitierten Aussagen anderer Papyrologen zur Langlebigkeit der Rollen werden von Philologen wie Reynolds konstant ignoriert.
  • Lowe, E. A.: Codices Rescripti - A List of the Oldest Latin Palimpsests with Stray Observations on their Origin. In: Melanges Eugene Tisserant, v (Bibliotheca Vaticana, 1964), 67-112.
Auch in: E.A. Lowe: Palaeographical Papers 1907-1965. Vol. II, Oxford 1972
  • Max Manitius: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. C. H. Beck, München 1974 ff. (Nachdruck der Ausgabe München 1911)
  1. Von Justinian bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts. 1974.
  • Fritz Milkau, Georg Leyh (Hrsg.): Handbuch der Bibliothekswissenschaft. 2. Auflage. Harrassowitz, Wiesbaden 1952–1961.
Könnte in allen Bereichen ein Update und Ergänzungen vertragen. Ist aber auch nach 50 Jahren noch immer der einmalige und unerreichte Standard zum Thema Geschichte der Bibliotheken.
  • Mynors, R. A. B.: Cassiodori Senatoris Institutiones, Oxford (1937)
  • Orosius, Paulus: The seven books of history against the pagans. transl.: Irving Woodworth Raymond, Columbia University Press 1936
  • Padberg, Lutz E. von: Die Christianisierung Europas im Mittelalter, Stuttgart 1998
  • Edward A. Parsons: The Alexandrian Library. Glory of the hellenic world. Its rise, antiquities, and destructions. New York 1952.
Bisher bedeutenstes Werk über diese Bibliothek, besonders die Analyse ihres Untergangs. Zeigt, dass Caesar nichts damit zu tun hatte und bestimmte antike Quellen systematische Falschdarstellungen enthalten. Diese Meinung hat sich heute zwar durchgesetzt. Das Potential seiner vorbildlichen Analyse blieb jedoch bis heute verkannt.
  • Pfister, C.: Bevölkerungsgeschichte und Historische Demographie 1500-1800, (1994),
  • Egert Pöhlmann: Einführung in die Überlieferungsgeschichte und in die Textkritik der antiken Literatur (Die Altertumswissenschaft). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1994.
Behandelt nur die antike Phase. Aber gibt sehr interessante Informationen zum Buchwesen der Antike.
  • Prinz, Friedrich.: Frühes Mönchtum im Frankenreich, 1965
  • Friedrich Prinz: Das wahre Leben der Heiligen, München 2003
  • Wayne A. Wiegand (Hrsg.): Encyclopedia of library history. Garland, New York 1994, ISBN 0-8240-5787-2.
Schwerpunkt auf Moderne, 20. Jahrhundert.
  • Leighton D. Reynolds (Hrsg.): Texts and transmission. A survey of the latin classics. Clarendon Press, Oxford 1990, ISBN 0-19-814456-3.
Standardwerk zur Überlieferung einzelner Titel. Mit Stemmata und ausführlicher Literatur. Reynolds Einführung konstatiert zwar einen Tiefpunkt der Überlieferung im 7. Jahrhundert, gibt dafür aber keinerlei geschichtliche Erklärung. Weder Büchervernichtungen in der Spätantike noch ihre Gründe werden irgendwo erwähnt.
  • Leighton D. Reynolds und Nigel G. Wilson: Scribes and scholars. A guide to the transmission of Greek and Latin literature. 3. Auflage. Clarendon Press, Oxford 1991.
Behandelt die gesammte Überlieferungsgeschichte, aber ohne wissenschaftlichen Wert. Behauptungen sind teils völlig falsch oder auch missweisend und nie belegt. Zur Kritik s.o. und John O. Ward (2000)
  • Riche, Pierre: Education and Culture in the Barbarian West, 1976
  • Colin H. Roberts, Theodore C. Skeat: The birth of the codex. Oxford University Press, London 1983.
Schwerpunkt Ägypten da von dort die meisten Funde.
  • Daniel Sarefield: Burning Knowledge, Studies of Bookburning in Ancient Rome, Dissertation, Ohio State University, 2004
  • Daniel Sarefield: Bookburning in the Christian Roman Empire - Transforming a Pagan Rite of Purification, in: H.A. Drake (Ed.): Violence in Late Antiquity Perceptions and Practices. Burlington (2006)
  • Eberhard Sauer: The archaeology of religious hatred in the Roman and early medieval world. Tempus Books, Stroud 2003, ISBN 0-7524-2530-7.
Erstes und einziges Buch zu der offensichtlichen Frage an die Überreste der Antike: Wer zerstörte wann und warum diese Kunstwerke?
  • Schatkin, M.A. and P.W. Harkins, Saint John Chrysostom, Apologist. Discourse on Blessed Babylas and against the Greeks. Demonstration against the Pagans that Christ is God (Fathers of the Church 73), Washington, DC: Catholic University of America Press, 1985.
Vorsicht! Auffallender Fehler in der Übersetzung an wichtiger Stelle. Siehe obige Diskussion.
  • Skeat, T. C.: The Length of the Standard Papyrus Roll and the Cost-Advantage of the Codex. Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 45 (1982) S. 169-175
Vor diesem Aufsatz sei gewarnt. Oben im Artikel kann man lesen warum.
  • Wolfgang Speyer: Büchervernichtung und Zensur des Geistes bei Heiden, Juden und Christen. Hiersemann, Stuttgart 1981, ISBN 3-7772-8146-8 (Bibliothek des Buchwesens, Band 7).
Bringt nicht das bedeutenste Zitat zum Thema, von St. Chrysostomos. Auch sonst sehr stark christlich apologetisch geprägt, s.o.
  • Turner, Eric G.: Greek papyri, Oxford 1968
  • John O. Ward: Alexandria and its medieval legacy. The book, the monk and the rose. In Roy MacLeod (Hrsg.): The Library of Alexandria. London 2000.
  • Edward J. Watts: City and school in Late antique Athens and Alexandria. University of California Press, Berkeley, California 2006, ISBN 0-520-24421-4.
Behandelt gut den Lehrbetrieb der Spätantike. Aber fehlende Kenntnis der Grundzüge der antiken Wissenschaft. Ignoriert völlig die nur indirekt überlieferten Inhalte. Seine Schlussfolgerung, die antike Wissenschaft hätte bis ins 6. Jh. überlebt, ist unhaltbar. Sein Buch war Auslöser für diesen Artikel: Überlieferungsgeschichte der Wissenschaften