Benutzer:Gereon ac/Rechtsschutz von Folklore

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Der Rechtsschutz von Folklore ist der Versuch, die Vermeidung von Missbrauch und den Schutz überlieferter traditioneller Volkskunst juristisch zu erreichen.

Vor dem Hintergrund der Komplexität der Probleme existiert ein Spannungsfeld zwischen dem Wunsch, die indigenen Werke der Gemeinden in den Entwicklungsländern zu schützen und der Gefahr den schutzwürdigen Gemeinden selbst zu schaden. Dabei besteht das öffentliche Interesse nach Verbreitung und Verwendung der Folklore. Es stellt sich also die Frage, wie ein effektiver Schutz der tatsächlich Schutzwürdigen erreicht werden kann. Schutz von Folklore ist nur in wenigen Rechtsordnungen explizit normiert und entsprechende Gesetze sind nur in Entwicklungs- und Schwellenländern zu finden. Hier wurden sie vor allem durch die Unesco etabliert. In diesem Fall wird die Folklore als eigene Werkkategorie "works of folklore" erfasst. Auf Konferenzen zu diesem Thema wurde gerade in den letzten Jahren der grundlegende Konflikt zwischen Entwicklungsländern und Industriestaaten deutlich.[1]

Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Thematik wird seit den 1970er Jahren kontrovers diskutiert, wobei die Frage nach der Notwendigkeit und der Möglichkeit des Schutzes von Folklore in ihrer jeweiligen Ausprägung im Vordergrund steht. Auch wenn sich in einzelnen Fällen, wie zum Beispiel das Hissen von Fahnen, Fragen zur Folklore innerhalb Europas ergeben, erhält das Thema für Europa in erster Linie Bedeutung durch die zunehmende Globalisierung und den Kontakt zu den Entwicklungsländern. Zentrale Frage ist, wie mit dem Wissen und den tradierten Riten von Stammeskulturen, insbesondere in den Entwicklungsländern, umgegangen werden soll. Auch hier ergeben sich, wie sonst oft im Bereich der Patentvergabe für Erfindungen, die mit Hilfe des überlieferten Wissens autochthoner Völker zustande kommen, Spannungen zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern. Es wird ein Schutz vor Diebstahl und Ausbeutung dieser Kulturen angestrebt. Die Schwierigkeiten auf diesem Gebiet beginnen bereits bei der Definition des Schutzgegenstandes und sind durch die kulturellen Unterschiede zwischen Industrienationen und den Gemeinschaften in Entwicklungsländern, insbesondere durch ein unterschiedliches Rechtsverständnis, sehr komplex, was durch die unterschiedliche Interessenlage noch verstärkt wird.

Sichtweise der deutschen Bundesregierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die deutsche Bundesregierung teilt die Befürchtung der Entwicklungsländer, eine unkontrollierte und nicht autorisierte Nutzung von Folkloreformen bedrohe deren Authentizität und Existenz. Andererseits hält sie den internationalen Schutz durch die Revidierte Berner Konvention und das Welturheberrechtsabkommen für ausreichend. Folkloreformen wie Tanz, Musik oder Erzählung fallen in Werkkategorien und damit in das auf nationaler Ebene gültige Urheberrecht. Eine zeitliche Begrenzung des Schutzes auf 70 Jahre sei dabei angemessen und der Übergang in die public domain wünschenswert, da andernfalls eine unerträgliche Einschränkung der geistigen Fortentwicklung der Menschheit entstünde.[2]

Bei der Debatte um den Schutz der Folklore darf nicht vergessen werden, dass ihre Nutzung und Verbreitung schließlich auch eine Notwendigkeit zur Erhaltung der Folklore ist. Die Interessen der am Rechtsschutz Beteiligten sind sehr unterschiedlich. Die einen wollen einen Rechtsschutz als Schutz der autochthonen Völker und zur Bewahrung ihrer Kultur, andere möchten Vermarktungsrechte, um diesen Völkern Einnahmen zu verschaffen, und einige Beteiligte wollen unter Vortäuschung des Rechtsschutz für sich selber Gewinne abschöpfen.

Folklore als schutzwürdiger Gegenstand[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Folklore wird häufig als Ausdrucksform der Volkskunst – traditionelle Musikwerke und Texte, die der kollektiven Tradition entspringen und im Wege der mündlichen, seltener der schriftlichen Tradition überliefert werden - definiert. Von der Definition hängt bei möglichen rechtlich bindenden Regelungen der Geltungsbereich ab, so dass erbitterte Definitionsdiskussionen bei der Suche nach einem Folkloreschutz entstehen. Die Möglichkeit einer unterschiedlichen Auslegung des Begriffs und die erheblichen Unterschiede werden bereits deutlich, wenn man beachtet, dass die von Johann Gottlieb Herder genannte Einschränkung, folkloristische Lieder seien nicht für Papier bestimmt, teils bis heute vorherrscht. Schon an dieser Stelle ist die Kollision mit dem Urheberrecht und noch viel mehr mit dem Copyright zu erkennen. So gab es auf den jeweiligen Konferenzen zum Rechtsschutz von Folklore immer neue Definitionsansätze. Mit seiner Beschreibung von Folklore als

"consisting of characteristic elements of the traditional artistic heritage developed and maintained by a community, or by indivuals reflecting the traditional artistic expectations of their community, in particular:

1. verbal expressions, such as folk tales, folk poetry and riddles
2. musical expressions, such as folk songs and instrumental music
3. expressions by action, such as folk dances, plays and artistic forms or rituals
4. tangible expressions, such as
a. productions of folk art, in particular, drawings, paintings, carvings, 
   sculptures, pottery, terracotta, mosaic, woodwork, metalware, jewellery,
   basket weaving, needlework, textiles, carpets, costumes
b. musical instruments;
c. architectual forms"[3]


ist der Unesco und der WIPO 1985 eine anwendbare und juristisch umsetzbare Definition gelungen.

Urheberrecht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund der Ähnlichkeit der Regelungsgegenstände von Folkloreschutz und immateriell-güterrechtlichem Werkschutz ist es nahe liegend zu fragen, in wie weit das Urheberrecht als Möglichkeit zum Rechtsschutz von Folklore genutzt werden kann. Im Klartext bedeutet dies, dass ein westliches, zum Beispiel das deutsche Urheberrecht, dem Entwicklungsland übergestülpt wird, um die entsprechenden Gemeinschaften zu schützen. Ohne die Definitionsfrage von Folklore abschließend zu klären, lässt sich feststellen, dass ein großer Teil der Folkloreformen in die Werkkategorien Kunst oder Literatur und somit in den klassischen Regelungsbereich des Urheberrechts fällt. Hier entsteht die Frage, in wie weit das Urheberrecht Schutzmöglichkeiten für Folkloreformen aufweist, wobei diese eng mit der oben genannten Definitionsfrage verbunden ist. Allerdings existiert in vielen der Länder mit entsprechenden Gemeinschaften kein Urheberrecht. Interessant ist der Fall Australiens, wo trotz Kolonialisierung die Gemeinschaften der Aborigines zum Teil noch intakt sind, da hier das Copyright-System gilt, gleichzeitig der Konflikt mit den autochthonen Bevölkerungsteilen aber vorherrscht. Das Copyright kollidiert mit den jahrhundertealten Rechtsvorstellungen der autochthonen Gemeinschaften. In der Literatur und von den betroffenen Gemeinschaften wird nicht davon ausgegangen, dass das Urheberrecht zum Schutz von Folklore geeignet ist. Die folgenden Charakteristika des Urheberrechts sind für die Zweifel an einer Schutzmöglichkeit durch das Urheberrecht verantwortlich:

-Originalität des Werkes: Die im Urheberrecht gewährten Privilegien werden durch die Vorstellung gerechtfertigt im Mittelpunkt des Schutzes stünde die "persönliche geistige Schöpfung", worin aber auch das Problem liegt. Dieses Schöpferprinzip ist auf viele Werke der Folklore nicht anwendbar, bei denen kein einzelner Schöpfer nachweisbar ist.

-zeitliche Begrenzung des Schutzes: Da Folklore über Generationen weitergegeben wird, erscheint eine Schutzdauer von 70 Jahren nach dem Tod des Künstlers als wenig zielführend, so dass hier für Folklore Sonderregelungen vorgesehen werden müssten.

Solange keine Sonderregelungen für Folklore eingerichtet werden, genießen die Folkloreformen nur dann den Schutz des Urheberrechts, wenn sie wie alle anderen Werkformen die allgemeinen Voraussetzungen des Urheberrechts erfüllen und die Grundprinzipien des Urheberrechts auf sie anwendbar sind. Ansonsten wird oft davon ausgegangen, dass Folkloreformen in die public domain fallen und daher gemeinfrei sind.

Das Originalitätserfordernis bedeutet jedoch nicht Neuheit im Sinne des Patentschutzes, so dass das Werk zwingend vom Künstler stammen müsste. Es reiche eine individuelle Prägung, die durch die Aufführungspraxis erreicht werden könne. Folgt man dieser Auffassung, wären die Probleme mit dem Urheberrecht erheblich abgeschwächt. Wichtig ist weiterhin, dass die Meinung, Folklore sei anonym, nicht zutrifft. Es herrscht eher eine Reproduktion bestehender Elemente mit individuellen Versionen eines Künstlers vor. Folkloreformen sind durch Tradition geprägt. Wenn Originalität im Sinne der Abweichung von der überlieferten Vorgabe aufgefasst wird, macht die Nutzung des Urheberrechts Sinn. Weiteren Schutz können die Künstler in diesem Bereich durch die verwandten Schutzrechte ausübender Künstler erhalten.

Geschichte der Rechtsschutzansätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das vorrangige Problem des Rechtsschutzes auf internationaler Ebene ist, dass es keine autorisierte Stelle wie eine Weltregierung gibt, die für eine umfassende Regelung dieses Themas notwendig wäre. Schutz geistigen Eigentums ist zunächst Angelegenheit der nationalen Rechtsprechung. Daher kümmern sich Organisationen wie die WIPO und die Unesco um dieses Thema auf internationaler Ebene.

Beginn der Rechtsschutzansätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis zum Zweiten Weltkrieg bekam dieses Thema kaum Beachtung. Seither entwickeln sich die Schutzbemühungen in verschiedenen Phasen. Der Vorschlag, das Urheberrecht als Schutz der Folklore zu nutzen, erscheint als kein probates Mittel, da Folklore zu viele Eigenheiten hat. Ein weiterer Ansatz waren die sui generis-Schutzrechte. Für einen eigenständigen Totalschutz von Folklore waren die Voraussetzungen jedoch nicht gelegt und der Versuch scheiterte. In der Folge wurden kleinere Maßnahmen zur sofortigen Verbesserung ergriffen. 1967 wurde der Artikel 15, Absatz 4 der Revidierten Berner Übereinkunft verabschiedet. 1976 folgte das Tunis Model Law. Beide Regelungen versuchten den Schutz von Folklore in die bestehenden Urheberrechtssysteme zu integrieren. Dabei setzt Artikel 15, Absatz 4 RBÜ den Werkcharakter von Folklore voraus. Die Entwicklungsländer schlugen auf der Berner Konferenz vor, Folklore als eine Werkart in den Werkkatalog des Artikel 2, Absatz 1 RBÜ aufzunehmen. Das entstehende Problem hierbei ist jedoch, dass Folklore nicht eindeutig von Werken der Literatur und Kunst abzugrenzen ist. Daraufhin wurde der Artikel 15, Absatz 4 RBÜ in das Übereinkommen aufgenommen:

"In the case of unpublished works where the identity of the author is unknown, but where there is every ground to presume that he is a national of a country of the Union, it shall be a matter for legislation in that country to designate the competent authority which shall represent the author and shall be entitled to protect and enforce his rights in the countries of the Union."[4]

Umfassendere Regelungsansätze[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1976 hat sich das commitee of governmental experts von Unesco und WIPO getroffen und eine Erklärung verfasst und verabschiedet, die zum Ziel hatte, den Entwicklungsländern Vorschläge für ein Urheberrechtsgesetz zu geben, das den Anforderungen der Revidierten Berner Übereinkunft und der Universal Copyrights Convention genügt. Idee war, Folklore nicht den üblichen Werkkategorien gleich zu bewerten, sondern Sonderregelungen für Werke, die als Teil nationaler Folklore eingestuft werden, zu schaffen.

Der Fortschritt gegenüber Artikel 15, Absatz 2 war, dass

1. eine Definition von Folklore getroffen wurde

2. keine körperliche Festlegung der Werke mehr gefordert wurde

3. eine Normierung eines zeitlich unbegrenzten Schutzes nationaler Folklore stattfand.

Mit diesen Punkten kam das Tunis Model Law den Interessen der betroffenen Gemeinschaften erheblich näher. Kritik bestand weiterhin in dem zentralen Punkt einer einzurichtenden staatlichen Stelle, die die Kontrolle über die Nutzung der Folklore der Gemeinschaft entzog. Zudem wurde die gleiche Kritik gegenüber Regelungen aus dem Urheberrecht laut, die die unzulängliche Berücksichtigung von kollektiven Interessen sah. Trotzdem wurden die Regelungen in vielen Ländern umgesetzt.

Mit ihrem Mustergesetz zum Schutz von Folklore vom 10. Mai 1985 haben Unesco und WIPO einen Ansatz für eine Regelung im Sinne des sui generis-Prinzips gefunden. Veranlassung waren die schon seit längerem bestehenden Bemühungen um eine Regelung, aber insbesondere auch die technischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Bild- und Tonaufzeichnungen, die zu einer weltweiten Kommerzialisierung der Folklore ohne Rücksicht auf kulturelle oder ökonomische Interessen der Ursprungsländer geführt hat.[5] Dabei waren die bis dahin gefassten Regelungen wenig effektiv. Die Verbandsländer wurden aufgefordert, eine innerstaatliche Stelle zu bestimmen, welche die Rechte derjenigen Urheber wahrnehmen sollte, deren Identität nicht zu ermitteln ist, doch Angehörige des jeweiligen Staates sind. Artikel 15, Absatz 4 stellt eine Schutzausweitung auf Werke, die schutzlos blieben, weil sie keinem bestimmbaren Autor zuzuordnen waren, dar. Auch wenn dies im Einzelfall zutrifft, bliebe ein Großteil der Folkloreform im Fall der Model Provisions jedoch unberücksichtigt, da zum einen der Werkcharakter gefordert wird und nun die Anonymität des Artikels vorausgesetzt wird. Zudem wird als sehr fraglich angesehen, ob eine innerstaatliche Stelle im Sinne der Gemeinschaften sein kann. Zum einen sieht der Artikel keinen Zwang für die Einrichtung der Stelle aus, zum anderen entsteht eine erhebliche Gefahr für das Wissen der Gemeinschaft. Sollte die Stelle auf staatlicher Ebene installiert werden, ist insbesondere in Staaten wie den Entwicklungsländern, die über keine ausgebildete Rechtskultur verfügen, ein erheblicher Missbrauch möglich. Zudem verlieren die Gemeinschaften ihre Rechte an diese staatliche Stelle, so dass sie gezwungen sein könnten, für die Ausübung ihrer eigenen Kunst im Endeffekt an diese Stelle Gebühren zu zahlen, so dass sie ihrer Tradition nicht mehr nachkommen könnten.

Sichtweise der Entwicklungsländer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die autochthonen Gemeinschaften haben selbst vier wichtige Dokumente zu dem Thema veröffentlicht:

1. Mataatuca-Declaration

2. Coica-Statement

3. Suva-Statement

4. Abschlusserklärung der Konferenz von Wissenschaftlern, Bellagion-Declaration

Die Mataatua-Declaration on Cultural and Intellectual Property Rights of Indigenous Peoples, die 1993 verfasst wurde, versteht den Schutz des geistigen Eigentums als Form der Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes autochthoner Völker und geht in ihrer Aussage also viel weiter als in reinen Schutzbestimmungen von Folklore, wobei sie das eigentliche Anliegen möglicherweise sehr präzise trifft. Der Ton bezüglich des Änderungswillens ist recht scharf.

Zunächst werden Empfehlungen an die autochthonen Völker selbst ausgesprochen und im wesentlichen Aufrufe zur Aufklärung und zur Selbsthilfe gegeben. Im zweiten Teil, der sich an Staaten und internationale Organisationen wendet, werden diese aufgefordert, die Rolle der autochthonen Völker als Hüter und erste Berechtigte ihres geistigen Eigentums anzuerkennen. Es müsse daher ein Schutzrecht geschaffen werden, das im wesentlichen kollektiv geprägt ist. Im Mittelpunkt des dritten Teils, der sich an die Uno richtet, steht die Aufforderung, die Uno möge die Mataatua-Declaration bei der Behandlung der Fragen des geistigen Eigentums autochthoner Völker berücksichtigen.

Das Coica-Statement, das das Ergebnis der International Consultation on Intellectual Property Rights and Biodiversity war, das 1994 abgehalten wurde, ist vom Selbstbestimmungsrecht der autochthonen Völker geprägt. Es lehnt die Übertragung der eurozentrisch geprägten Immaterialgüterrechte auf die Wissenssysteme der autochthonen Gemeinschaften mit der Begründung ab, das herrschende Immaterialgüterrecht sei kolonialistisch, rassistisch und räuberisch. Hier zeigen sich die großen Vorbehalte gegenüber den westlichen Lösungsvorschlägen. Sie brächten die Gefahr mit sich, dass die Selbstregulierungssysteme der autochthonen Gemeinschaften durch die oktroyierten Rechtsregeln verändert oder gar zerstört würden. Die Erklärung formuliert daher kurz- und mittelfristige Empfehlungen, wonach das bestehende Instrumentarium der Immaterialgüterrechte auf ihre Anwendbarkeit auf autochthone Zusammenhänge überprüft und die Führer der autochthonen Gemeinschaften an den bestehenden Rechten geschult werden müssten.

Das Suva-Statement aus dem Jahr 1995 fasst die Erkenntnisse der South Pacific Regional Consultation on Indigenous Peoples' Knowlege and Intellectual Property Rights zusammen. Es enthält nur wenige konkrete Vorschläge im Hinblick auf den Schutz von Folklore durch bestehende Immaterialgüterrechte und konzentriert sich im Wesentlichen darauf, die Bedeutung eines Schutzes der traditionellen Überlieferungen für das Leben der Gemeinschaften und die untrennbare Verbindung der immateriellen Rechte mit den Territorialrechten hervorzuheben. Darüber hinaus enthält es Forderungen wie die stärkere Einbindung der betroffenen Gemeinschaften in den internationalen Diskurs.

Auch die Bellagio-Declaration aus dem Jahr 1993, die auf Einladung der Rockefeller Foundation zustandekam, kritisiert das Verhalten der westlichen Staaten, wie aus den fünf zentralen Kritikpunkten hervorgeht:

1. Die autochthonen Gemeinschaften würden in den internationalen Gremien nur selten beteiligt, obwohl die Anwendung des bestehenden Immaterialgüterrechts erhebliche Auswirkungen auf deren Geistesleben besitze.

2. Im Mittelpunkt des Immaterialgüterrechts stehe der "individual, solitary and original author", der den Realitäten im Geistesschaffen vieler Völker widerspreche.

3. Das geltende Immaterialgüterrecht führe dazu, dass ungeschütztes traditionelles Wissen und Folklore aus den Entwicklungsländern abfließe, während diese darauf angewiesen seien, westliche, durch das geltende Immaterialgüterrecht geschützte Güter zu importieren. Gleichzeitig müsse jedoch die allgemeine Bedeutung der public domain für die freie Geistesentwicklung in verstärktem Maße anerkannt werden.

4. Die Konferenz verurteile die vorstehenden Entwicklungen und fordere die internationale Gemeinschaft dazu auf, die Prämissen des geltenden Immaterialgüterrechts im Hinblick auf einen Sonderschutz von Folklore, des Kulturerbes und des biologischen und ökologischen Know-hows der traditionellen Gemeinschaften zu überprüfen.

Aus den Stellungnahmen der Betroffenen geht hervor, dass sie sich durch das aus ihrer Sicht mangelhafte Vorgehen beim Rechtsschutz in der Wertschätzung missachtet fühlen und eine andere Herangehensweise bei diesen Rechtsfragen haben. Somit hat die Uno in den 80er und 90er Jahren wieder stärker den Minderheitenschutz und die Entwicklung eines sui generis-Ansatzes verfolgt.

Japan und Australien als mögliche Vorbilder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als fortschrittliche Länder beim Rechtsschutz, die als Vorbilder bei einer Regelung genutzt werden könnten, sind Australien, das viele Studien und Gerichtsurteile zu diesem Thema aufweisen kann, zu nennen und ganz besonders Japan, dessen Kulturgüterrecht auch immaterielle Kulturgüter umfasst.

Profiteure von Schutzmaßnahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entwicklungsländer verfügen über kein oder zumindest ein sehr viel schwächeres Urheberrecht als die Industriestaaten. Bezüglich der Frage, was dieser Mangel für den Rechtsschutz von Folklore bedeutet, entfachen sich immer wieder Debatten. So ist bisher ungeklärt, inwieweit ein hohes Schutzniveau den Entwicklungsländern hilfreich ist oder ob es sie eher schwächt.

Dabei wird von Kritikern eines stärkeren Urheberschutzes darauf verwiesen, dass zum einen die nötigen Strukturen für die Schaffung und Durchsetzung eines solchen Rechtsgebiets fehlten, zum anderen könne ein solches Schutzrecht, das dem Entwicklungsland von oben aufgezwungen wird, eher schaden. Argumentiert wird mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Urheberrechts. Die Vermarktung wird jedoch als problematisch angesehen, da hierdurch die Ausübung und das Weiterleben der Tradition als gefährdet angesehen werden. Es wird davon ausgegangen, dass große Konzerne in der Lage sein werden, sich die Rechte zu sichern und die indigene Bevölkerung dann daran hindern können, ihr eigenes Wissen zu nutzen. Ein kompliziertes Rechtswerk wie das Urheberrecht einem Entwicklungsland aufzuzwingen wird von den Kritikern somit als große Gefahr für dessen eigene Kultur angesehen.

Befürworter eines Schutzsystems halten dagegen, dass es nicht sein könne, dass westliche Konzerne kostenlos an das Wissen kämen und dieses für ihre Zwecke vermarkteten. Vertreter der autochthonen Völker selber hoben auf der Sitzung des zwischenstaatlichen Ausschusses (IGC) der WIPO bereits 2006 hervor, dass überliefertes Wissen schon durch das Gewohnheitsrecht dieser Völker, das nur im Verhältnis zum staatlichen und internationalen Recht noch anerkannt werden müsse, geschützt sei.[6] Auf der Sitzung des IGCs im Jahr 2008 wurden zum einen Analysen zu den angeblichen Lücken des bestehenden Immaterialgüterrechtssystems im Hinblick auf traditionelle kulturelle Ausdrucksformen und traditionelles Wissen vorgelegt, zum anderen wiesen einige afrikanische Staaten darauf hin, dass ein verbindlicher völkerrechtlicher Vertrag über den Schutz traditionellen Wissens, traditioneller kultureller Ausdrucksformen und genetischer Ressourcen notwendig sei, da diese Bereiche transnationalen Charakter hätten.[7]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die schärfste Kritik erfolgt von den Entwicklungsländern selbst. Dabei werfen sie einerseits den Industriestaaten vor, nichts für den Schutz zu tun, so dass trotz jahrzehntelanger Verhandlungen kein internationaler Schutzstandard über das Entwurfsstadium hinaus gekommen sei. Andererseits wenden sie sich aber auch gegen die unterbreiteten Vorschläge und anfänglichen Maßnahmen zum Rechtsschutz. Es wird eine durch den zunehmenden Massentourismus stetig ansteigende Gefahr für die traditionellen Lebens- und Kunstformen der Gemeinschaften gesehen, obwohl an dieser Stelle auch auf die Chancen für die Gemeinschaften und die Möglichkeit des Weiterlebens ihrer Kultur verwiesen werden sollte. Oft werden die Maßnahmen als eine erneute Kolonialisierung ihrer Gemeinschaften bezeichnet. Die Entwicklungsländer wenden sich dagegen, dass sie in den Gremien der internationalen Gemeinschaften oft nur wenige Vertreter entsenden dürfen und deren Vorschläge zu wenig Gehör finden. In den Industriestaaten leben kaum autochthone Gemeinschaften, so dass das Interesse an Regelungen gering ist. Dabei müsse es mehr um Überlebenschancen der Gemeinschaften gehen, als rein das Auffinden von finanziellen Entschädigungs- und Nutzungsregelungen. Sie meinen, die unkontrollierte Nutzung von Folkloreformen bedrohe ihre ideellen und wirtschaftlichen Interessen und damit auch ihren Fortbestand als Gemeinschaft.[8] Wie schwierig es ist, sich nur auf einen Weg für Schutzmaßnahmen zu einigen, zeigen bereits die Konflikte innerhalb des IGCs, der die Möglichkeiten eines Schutzes auslotet. Der Ausschuss hat 2001 ein Mandat von der WIPO erhalten, aber auch die 13. Sitzungsperiode 2008 endete ohne Ergebnis, da die Streitigkeiten über das Verfahren und die weitere Vorgehensweise nicht geklärt werden konnten. [9] Auf den Sitzungen wurde bereits im Jahr 2006 nicht über konkrete Schutzmaßnahmen gesprochen, sondern, da die WIPO keine neuen Dokumente zum Schutz der Folklore und des überlieferten Wissens erarbeitet hatte, lediglich die schon bekannten Listen von Schutzzielen, -prinzipien und Schutzelementen diskutiert. Hierbei wurde der grundsätzliche Konflikt zwischen den Industrieländern und Entwicklungsländern sichtbar. Die Entwicklungsländer forderten einen internationalen Vertrag, wogegen sich die Industrieländer unterschiedlich stark wehrten und lediglich über Vertragsartikel sprechen wollten. Manche der Industrieländer sahen die Arbeit an einem internationalen Vertrag als verfrüht an, zeigten jedoch die Bereitschaft, an Empfehlungen oder anderen nicht bindenden Instrumenten zu arbeiten. Die USA zeigten jedoch klar, dass sie nicht einmal bereit waren, die vorgeschlagenen Artikel zu diskutieren.

Ausblick[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Frage, wie ein Rechtsschutz der Folklore erreicht werden kann und welche Schritte dafür getan werden (sollten), ist wie immer wieder angedeutet durch die Komplexität und den Regelungsgegenstand äußerst schwierig. Multipliziert wird dies durch den internationalen Rahmen, in dem die verschiedenen nationalen bzw. regionalen Interessen gegeneinander stehen und keine regelungsfähige Regierung bindende Entscheidungen hervorbringen kann. Diese Probleme zeigen sich auf den Sitzungen des IGCs selbst, auf denen die Industriestaaten versuchen, Schutzmaßnahmen auszubremsen.[10] Nach der Ansicht verschiedener Autoren, ist der Unesco und der WIPO in der Definition der Model Provisions eine für juristische Zwecke geeignete Beschränkung des Regelungsgegenstandes gelungen.[11] Das Urheberrecht bietet Schutz für einige der Folkloreformen und könnte weiterentwickelt Grundlage eines Folkloreschutzes sein, wenn die traditionellen und kollektiven Rechtspositionen der betroffenen Gemeinschaften mit einbezogen werden, um Konflikte zu vermeiden.

Grundlage des derzeit von den internationalen Organisationen verfolgten Weges eines sui generis-Gesetzes, ist das der Model Provisions der Unesco und WIPO. Die Organisationen haben hier Musterregelungen zum Schutz von Folklore gegen unerlaubte Verwertung vorgelegt. Sie gehen auf die Kritik ein, ein mangelnder Rechtsschutz der autochthonen Lebensweise zeige eine Geringschätzung an und hebt daher die Bedeutung von dem Fortbestehen der Folklore hervor:

"Considering that folklore represents an important part of the living cultural heritage of the nation, developed an maintained by the communities within the nation, or by indivuals reflecting the exectations of those communities."[12]

Voraussetzung für einen Erfolg wäre, dass die national festzulegende Stelle für eine Kontrolle und Festlegung der Gebühren von den jeweiligen Gemeinden besetzt wird und nicht in die Hand von - womöglich korrupten - Regierungen gerät.

Es zeigt sich, dass eine zufriedenstellende Lösung durch die Komplexität des Themas, strukturelle Defizite wie das Fehlen einer Regierung und insbesondere durch teils konträre Interessenlagen schwer zu finden ist. Mit einem erheblichen Maß an Kompromissbereitschaft und sauberen Definitionen kann aber ein Schutz von Folklore erreicht werden, der den Betroffenen entgegenkommt, indem er

1. vor Ausbeutung der Werke durch westliche Konzerne schützt

2. wo nicht Missbrauch stattfindet, den Gemeinschaften durch Beiträge finanzielle Einnahmen generiert und

3. die Werke und Kultur vor Verstümmelung schützt.

Literaturverzeichnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Fikentscher, Indigenous Heritage and Intellectual Property: Genetic Resources, Traditional Knowledge and Folklore. In: GRUR Int 2009, 626
  • Matthias Häuptli, Vorübergehende Vervielfältigungen im schweizerischen, europäischen und amerikanischen Urheberrecht. Basler Studien zur Rechtswissenschaft, K. Spiro u. a. (Hrsg.), Bd. 75, Helbing & Lichtenhahn, Basel Genf München 2004, ISBN 3 7190 2350 8
  • Papa Toumané Nydia, Der Schutz der Folklore im Senegal. In: GRUR Int 1993, 296
  • S. v. Lewinski, Erste Sitzung des zwischenstaatlichen Ausschusses über geistiges Eigentum und genetische Ressourcen, überliefertes Wissen und Folklore der WIPO, Genf, 30. April - 3. Mai 2001. In: GRUR Int 2001, 852
  • Adolf Dietz, Das Urheberrecht in der Europäischen Gemeinschaft. Schriftenreihe Europäische Wirtschaft, Rudolf Regul (Hrsg.), Bd. 91, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1978, ISBN 3 7890 0331 x
  • Bernward Deneke, europäische Volkskunst. Propyläen Kunstgeschichte, Supplementband V, Propyläen-Verlag, Oldenburg 1980
  • Ernst Windisch, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht im zwischenstaatlichen Bereich. Bd. 3, J. Schweitzer Verlag, Berlin 1969
  • Matthias Nordmann, Rechtsschutz von Folkloreformen. Schriftenreihe des Archivs für Urheber- und Medienrecht, Manfred Rehbinder (Hrsg.), Bd. 195, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2001, ISBN 3 7890 7547 7
  • Michel M. Walter (Hrsg.), Europäisches Urheberrecht. Springer-Verlag, Wien, New York 2001, ISBN 3211831649
  • Philipp Ullfeld, Das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst, 2. Auflage. C.H.Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München 1928
  • Thomas Dreier, Gernot Schulze: Urheberrechtsgesetz. 3. Auflage. C.H.Beck, München 2008, ISBN 978 3 406 577581
  • Janice G. Weiner: Protection of Folklore: A Political and Legal Challenge, IIC 1987, 56
  • Wendland, Intellectual Property, Traditional Knowledge and Folklore: WIPO's Exploratory Program, IIC 2002, 606

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. S. von Lewinski, Internationales - Sitzung des zwischenstaatlichen Ausschusses (IGC) der WIPO zu genetischen Ressourcen, überliefertem Wissen und Folklore. In: GRUR Int 2006, 626
  2. Unesco/Wipo/Folk/GEI.1/3
  3. National experiences with the protection of expressions of folklore/traditional cultural expressions
  4. Art. 15 Absatz 4 RBÜ
  5. Mustergesetz zum Schutz von Folklore. In: GRUR Int 1985, 779
  6. S. v. Lewinski, Internationales - Sitzung des zwischenstaatlichen Ausschusses (IGC) der WIPO zu genetischen Ressourcen, überliefertem Wissen und Folklore, 24.-28.4.2006 in Genf. In: GRUR Int 2006, 626
  7. S. v. Lewinski, Internationales – 13. Sitzung des WIPO-Ausschusses zu geistigem Eigentum und genetischen Ressourcen, traditionellem Wissen und Folklore. In: GRUR, Int 2008, 1074
  8. vgl. Matthias Nordmann, Rechtsschutz von Folkloreformen, S. 78
  9. S. von Lewinski: Internationales - 13. Sitzung des WIPO-Ausschusses zu geistigem Eigentum und genetischen Ressourcen, traditionellem Wissen und Folklore. In: GRUR Int 2008, 1074
  10. S. von Lewinski, Internationales - 13. Sitzung des WIPO-Ausschusses zu geistigem Eigentum und genetischen Ressourcen, traditionellem Wissen und Folklore. In: GRUR Int 2008, 1074
  11. vgl. Matthias Nordmann: Rechtsschutz von Folkloreformen, S. 41
  12. Preambel to the Model Provisions for National Laws on the Protection of Expressions of Folklore Against Illicit Exploitation an Other Prejudicial Actions