Capriccio

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. März 2016 um 19:52 Uhr durch Aka (Diskussion | Beiträge) (Satzzeichen). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Capriccio (aus dem Italienischen, Mz. Capriccios; Capricci; entsprechend französisch caprice, daraus deutsch Caprice, Kaprice, Kaprize, Mz. Capricen, Kapricen, Kaprizen) bezeichnet Formen der Musik, der Malerei und der Literatur.

Als Begriff der Kunsttheorie bezeichnet es den absichtlichen, lustvollen Regelverstoß, die phantasievolle, spielerische Überschreitung der akademischen Normen, ohne die Norm außer Kraft zu setzen. In die Kunstgeschichte führte den Begriff Giorgio Vasari ein, der ihn für all das verwendete, was dem Kunstkanon seiner Zeit widersprach.[1] Laut Werner Hofmann stammen viele Freiheiten, die sich die moderne Kunst nimmt, „aus dem Zeichen- und Rezeptionsangebot des Capriccio“.[2]

Etymologie

Die Herkunft des Wortes ist ungeklärt. Das Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache von Friedrich Kluge vermutet eine Kombination von italienisch capo (Kopf) und riccio (Igel, Seeigel), woraus sich die Bedeutung „Wirrkopf“ oder „eigensinniger, launischer Mensch“ ableiten lässt.

Im modernen Sprachgebrauch gibt es folgende Bedeutungsvarianten:

  • il capriccio (italienisch) = Laune, Schrulle
  • le caprice (französisch) = die Laune
  • kapriziös = launisch, scherzhaft, eigenwillig, geistreich, die Regeln durchbrechend

Musik

Das Capriccio ist ein Musikstück von freiem, spielerischem und scherzhaftem Charakter, das sich wenig bis gar nicht an tradierten musikalischen Formen orientiert. Bekannte Beispiele sind das Capriccio auf die Abreise des geliebten Bruders (BWV 992, ca. 1705) von Johann Sebastian Bach, Die Wut über den verlorenen Groschen (ca. 1795/98) von Ludwig van Beethoven, die 42 Etuden und Capricen für Violine solo (1796) von Rodolphe Kreutzer, die 24 Capricci für Violine solo (Erstdruck 1820) von Niccolò Paganini, das Capriccio Italien (1879/80) von Pjotr Tschaikowski, das Capriccio espagnol (1887) von Nikolai Rimski-Korsakow sowie die am 28. Oktober 1942 in München uraufgeführte Oper Capriccio von Richard Strauss.

Malerei und Graphik

Capriccio von Rom
(Giovanni Paolo Pannini, 1758)

In der Druckgraphik des Barock meint der Begriff eine Folge von Blättern mit einem Deckblatt in kleinem Format, die ohne programmatische Gebundenheit improvisierte Szenen zeigen und die, ohne sich auf eine Ordnung festzulegen, von einem Bildgegenstand zum nächsten übergehen.

Der Begriff wurde von Jacques Callot eingeführt, der eine 1617 entstandene Serie von Radierungen für den Herzog Cosimo II. de’ Medici Capricci di varie figure nannte.

Ein berühmter Capriccio-Maler und -Graphiker ist Giovanni Battista Piranesi; neben den berühmten Carceri („Kerker“), die an und für sich reine Architekturvisionen sind, hat Piranesi auch zahlreiche römische Porträts und Architekturelemente auf seinen Vedutenstichen willkürlich zusammengestellt. Oft sind diese Capricci die einzigen Dokumente verlorener antiker Kunstwerke.

Literatur

Im Sinne des Rokoko verwandte Ernst Jünger Capriccios als literarische Form in seinem Werk Das abenteuerliche Herz. Figuren und Capriccios (1938).

Weiterführende Literatur

  • Kurt Wölfel: Capriccio. In: Ästhetische Grundbegriffe, Bd. 7, Stuttgart 2010, S. 66 ff.
  • Roland Kanz: Die Kunst des Capriccio. Kreativer Eigensinn in Renaissance und Barock (=Kunstwissenschaftliche Studien 103). Deutscher Kunstverlag, München u. a. 2003, ISBN 3-422-06392-7, (Zugleich: Düsseldorf, Univ., Habil.-Schr., 2000).
  • Ekkehard Mai, Joachim Rees (Hrsg.): Kunstform Capriccio. Von der Groteske zur Spieltheorie der Moderne (=Kunstwissenschaftliche Bibliothek 6). König, Köln 1998, ISBN 3-88375-291-6.

Anmerkungen

  1. Ekkehard Mai: Vorwort. In: Ders., Joachim Rees (Hrsg.): Kunstform Capriccio. Von der Groteske zur Spieltheorie der Moderne (=Kunstwissenschaftliche Bibliothek 6). König, Köln, 1998, S. 7–11, hier S. 9.
  2. Werner Hofmann, Das Capriccio als Kunstprinzip. In: E. Mai/J. Rees (Hrsg.): Das Capriccio als Kunstprinzip. Zur Vorgeschichte der Moderne von Arcimboldo und Callot bis Tiepolo und Goya: Malerei – Zeichnung – Graphik. Skira, Mailand 1996, S. 30.

Siehe auch

Weblinks