Alphacedratvirus

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Alphacedratvirus

TEM-Aufnahme von Virionen des Cedratvirus A11[2]

Systematik
Klassifikation: Viren
Realm: Varidnaviria[1]
Reich: Bamfordvirae[1]
Phylum: Nucleocytoviricota[1]
Klasse: Megaviricetes[1]
Ordnung: Pimascovirales[1]
Familie: Cedratviridae
Gattung: Alphacedratvirus
Taxonomische Merkmale
Genom: dsDNA zirkulär
Baltimore: Gruppe 1
Symmetrie: vorhanden
Wissenschaftlicher Name
Alphacedratvirus
Links

Alphacedratvirus (ursprünglich vorgeschlagen als Cedratvirus) ist die Bezeichnung einer am 30. April 2024 vom International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) offiziell bestätigten Gattung innerhalb der gleichzeitig neu eingerichteten Familie Cedratviridae (Ordnung Pimascovirales) innerhalb des Riesenviren-Phylums Negarnaviricota. Die Mitglieder der Gattung Alphacedratvirus haben eiförmige Viruspartikeln (Virionen) und unterscheidet sich von den Mitgliedern der Schwesterfamilie Pithoviridae durch ihre zweilagige Hüllmembran.[3]

Der erste bekannte Vertreter aus dieser Gattung, Cedratvirus A11 (Spezies Alphacedratvirus aljazairense), wurde 2016 von Julien Andrean et al. bei der gemeinsamen Kultivierung von Amöben der Spezies Acanthamoeba castellanii mit verschiedenen Umweltproben aus Algerien beschrieben.[3][4]

Der offizielle Bestätigung einer Familie Cedratviridae bestätigt damit die Identifizierung einer Klade (Verwandtschaftsgruppe) „Cedratvirus lineage“ durch Claire Bertelli et al. 2017.[5]

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

TEM-Aufnahme von einem Virion eines Ver­treters der Gattung Cedratvirus, isoliert aus der Klär­anlage von Minas Gerais, Brasilien. An beiden Enden ist jeweils deutlich eine Pore (Ostiole) er­kenn­bar.[6]
Virionen von Cedratvirus N38 im Negativ. Balkenlänge in (a) und (B) jeweils 200 nm.[7]

Die Virionen (Viruspartikel) der Gattung Alphacedratvirus erreichen eine Länge von 1 bis 1,2 µm und einen Durchmesser von bis zu 0,5 µm. Die Form der Virionen ist eiförmig und den Virionen von den Alphapithovirus sibericum ähnlich, außerdem haben sie eine zweilagige Hülle. Die Dicke der Virionhüllen ist in verschiedenen Stadien des Infektionszyklus unterschiedlich: In den frühen Stadien der Infektion hat die äußere Schicht eine Dicke von 40±5 nm und wächst später bis auf 55±5 nm. Solche Veränderungen können durch die Einlagerung von Viruspartikeln in Phagosomen und Vakuolen der Amöbe sowie durch die allmähliche Zerstörung von Virionen nach der Freisetzung von Virus-DNA in das Zytoplasma der Zelle verursacht werden. Wie bei Alphapithovirus sibericum gelangt die DNA durch eine spezielle Öffnung (Ostiole) im Kapsid der Virionen in das Zytoplasma.[3]

Das Genom ist bei der Gattung Alphacedratvirus ein doppelsträngiges zirkuläres DNA-Molekül (dsDNA) mit einer Länge von 589.068 bp.[8] Der GC-Anteil am Genoms beträgt 42,6 %. Trotz der morphologischen Ähnlichkeit der Virionen mit denen der Gattung Alphapithovirus ist das Genom von Cedratvirus A11 um 20.965 bp[8] bzw. ca. 97.000 bp kürzer als das von Alphapithovirus sibericum respektive Alphapithovirus massiliense. Es wurden keine palindromischen Sequenzen im Genom von Mitgliedern der Gattung Alphacedratvirus gefunden, aber 27 mögliche Wiederholungsregionen. Im Genom von Cedratvirus A11 sind vermutlich 574 Proteine kodiert, mehr als das bei der Gattung Alphapithovirus (425 bei Alphapithovirus sibericum).[8] Im Genom wurden keine tRNA-Gene gefunden. Für 177 der Proteine von Cedratvirus A11 konnten in den Datenbanken keine Homologe gefunden werden; 258 der Proteine sind homolog zu Proteinen anderer Viren, 108 zu Proteinen von Eukaryoten und nur 31 zu Proteinen von Prokaryoten. Von den viralen Proteinen besteht bei 84,1 % Homologie zum Pithovirus. Proteinhomologe eukaryotischen Ursprungs besteht zum Amöbenwirt A. castellanii, sowie zur Grünalge Micromonas pusilla und der Braunalge Ectocarpus siliculosus.

Viele der kodierenden Gene der Gattung Alphacedratvirus sind an Prozessen beteiligt, die spezifisch für Riesenviren sind: So wurden beispielsweise die Gene für die Synthese aromatischer Aminosäuren und das Gen für die D-3-Phospho­glycerat-Dehydrogenase gefunden. Zwei Kopien des Ribonuklease-III-Gens und ein entferntes Homolog des Ribonuklease-H-Gens wurden ebenfalls nachgewiesen.[3]

Vermehrungszyklus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Infektionszyklus bei Vertretern der Gattung Alphacedratvirus beginnt wie üblich für Riesenviren: Virionen werden von Amöben aufgenommen (phagozytiert) und dringen in die Phagosomen und Vakuolen ein. Nachdem die interne Virusmembran und die Vakuolenmembran zusammengewachsen sind, gelangt virale DNA in das Zytoplasma. Anscheinend ist nur eine Schicht des zweischichtigen Kapsids an der Ausgabe der DNA beteiligt. Im Zytoplasma sind eine Anzahl leerer Viruspartikel nachweisbar, die keine DNA enthalten. Vier Stunden nach der Infektion erscheint eine Virusfabrik (englisch virus factory) im Zytoplasma der Zelle. Nach zwei bis vier Stunden sind dort reife Virionen nachweisbar, wobei die Bildung neuer Partikel weiter anhält. Zehn Stunden nach der Infektion der Kultur zersetzen sich einige Zellen und setzen Viruspartikel frei, und 24 Stunden nach der Infektion findet eine vollständige Lyse der Kultur statt.[3]

Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es wurde zunächst angenommen, dass die engsten bis dato bekannten Verwandten von Cedratvirus A11 die Alphapithovirus-Vertreter Alphapitovirus sibericum und Alphapithovirus massiliense sind, weshalb beide Gattungen zunächst vorschlagsgemäß derselben Familie der Pithoviridae zugeordnet wurden.[3] Das ICTV hatte dann aber die Grenzen für die Familienzugehörigkeit dieser Viren enger gefasst und daher 2024 eine eigene neue Familie Cedratviridae geschaffen; genauso wie auch für die neue Gattung Alphaorpheovirus eine eigene Familie Orpheoviridae errichtet wurde.[9]

2017 wurde die Entdeckung einer weiteren Spezies der Gattung bekannt gegeben – Alphacedratvirus franciense’ (mit Cedratvirus lausannensis und dem später entdeckten Cedratvirus zaza), die ebenfalls verwandtschaftliche Näher zur Gattung Alphapithovirus zeigt. Cedratvirus lausannensis wurde in einer Wasserprobe zur Bewässerung von Pflanzen in Frankreich gefunden.[10]

2018 wurde ein dritter Vertreter der Gattung beschrieben, der in Brasilien entdeckt wurde – Cedratvirus getuliensis alias Brazilian cedratvirus (Spezies Alphacedratvirus brasiliense).[11] Die phylogenetische Analyse von 2018 ergab, dass das brasilianische Virus einen eigenen Evolutionszweig in der Gattung Cedratvirus bildet.[12] Um weitere zwischenzeitliche Vorschläge (unten in Anführungszeichen) ergänzt ergibt sich die folgende vermutete Systematik der so erweiterten Familie Pithoviridae:[9][13][14][15]

Ordnung Pimascovirales

  • Familie Cedratviridae
    • Gattung Alphacedratvirus (ursprünglich Cedratvirus[16])
      • Spezies Alphacedratvirus aljazairense
        • Cedratvirus A11 – Referenz,[4][7] Genomlänge 589.068 bp[2]
      • Spezies Alphacedratvirus brasiliense
        • Cedratvirus getuliensis alias Brazilian cedratvirus [IHUMI] – Genomlänge 460.038 bp[2]
      • Spezies Alphacedratvirus franciense
        • Cedratvirus lausannensis [CRIB-75][7]
        • Cedratvirus zaza [IHUMI][7]
      • Spezies Alphacedratvirus rossiense
      • Spezies „Cedratvirus borely
      • Spezies „Cedratvirus Ce2-1
      • Spezies „Cedratvirus Ce7-1
      • Spezies „Cedratvirus duvanny[17]
      • Spezies „Cedratvirus lena[17]
      • Spezies „Cedratvirus N38[18][7]
      • Spezies „Cedratvirus pambiensis
      • Spezies „Cedratvirus plubellavi

Anmerkung:

Vorschläge sind noch mit dem provisorischen Gattungsnamen Cedradvirus angegeben.

Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das Art-Epitheton von Alphacedratvirus aljazairense ist die latinisierte Form von arabisch الجزائر al-Dschazā’ir, DMG al-Ǧazāʾir ‚die Inseln‘ (Plural von al-Dschasira), dem arabischen Namen von Algerien, Fundort des Referenzstamms (ICTV: „Exemplars“) Cedratvirus A11.
  • Das Art-Epitheton von Alphacedratvirus brasiliense verweist auf den Fundort des Referenstamms in Brasilien.
  • Das Art-Epitheton von Alphacedratvirus franciense verweist auf den Probe-Entnahmeort für den Referenzstamm Cedratvirus lausannensis in Frankreich, auch wenn dieser Stamm in Lausanne (Schweiz) identifiziert wurde.
  • Das Art-Epitheton von Alphacedratvirus rossiense verweist auf Russland, da der Referenzstamm Cedratvirus kamchatka auf der Halbinsel Kamtschatka gefunden wurde.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e ICTV Master Species List 2019.v1, New MSL including all taxa updates since the 2018b release, March 2020 (MSL #35)
  2. a b c Clara Rolland, Julien Andreani, Amina Cherif Louazani, Sarah Aherfi, Rania Francis, Rodrigo Rodrigues, Ludmila Santos Silva, Dehia Sahmi, Said Mougari, Nisrine Chelkha, Meriem Bekliz, Lorena Silva, Felipe Assis, Fábio Dornas, Jacques Yaacoub Bou Khalil, Isabelle Pagnier, Christelle Desnues, Anthony Levasseur, Philippe Colson, Jônatas Abrahão, Bernard La Scola: Discovery and Further Studies on Giant Viruses at the IHU Mediterranee Infection That Modified the Perception of the Virosphere. In: Viruses, Band 11, Nr. 4, März/April 2019, pii: E312; doi:10.3390/v11040312, PMC 6520786 (freier Volltext), PMID 30935049, MDPI (englisch).
  3. a b c d e f Julien Andreani, Sarah Aherfi, J. Y. Bou Khalil, F. Di Pinto, I. Bitam, Didier Raoult, P. Colson, Bernard La Scola: Cedratvirus, a Double-Cork Structured Giant Virus, is a Distant Relative of Pithoviruses. In: MDPI: Viruses, Band 8, Nr. 11, 3. November 2016, pii: E300; doi:10.3390/v8110300, PMID 27827884 (englisch).
  4. a b Julien Andreani, Jonathan Verneau, Didier Raoult, Anthony Levasseur, Bernard La Scola: Deciphering viral presences: two novel partial giant viruses detected in marine metagenome and in a mine drainage metagenome. In: Virology Journal, Band 15, Nr. 66, 10. April 2018; doi:10.1186/s12985-018-0976-9 (englisch).
  5. Claire Bertelli, Linda Mueller, Vincent Thomas, Trestan Pillonel, Nicolas Jacquier, Gilbert Greub: Cedratvirus lausannensis – digging into Pithoviridae diversity. In: Environmental Microbiology, Band 19, Nr. 10, 15. Juni 2017, S. 4022–4034; doi:10.1111/1462-2920.13813 (englisch). Siehe insbes. Fig. 4 und nachfolgender Text.
  6. Ana Cláudia dos Santos Pereira Andrade, Thalita S. Arantes, Rodrigo A. L. Rodrigues, Talita B. Machado, Fábio P. Dornas, Melissa F. Landell, Cinthia Furst, Luiz G.. A. Borges, Lara A.. L. Dutra, Gabriel Almeida, Giliane de S. Trindade, Ivan Bergier, Walter Abrahão, Iara A. Borges, Juliana R. Cortines, Danilo B. de Oliveira, Erna G. Kroon, Jônatas S. Abrahão: Ubiquitous giants: a plethora of giant viruses found in Brazil and Antarctica. In: Virology Journal, Band 15, Nr. 22, 24. Januar 2018, doi:10.1186/s12985-018-0930-x.
  7. a b c d e f Hadjer Boudjemaa, Julien Andreani, Idir Bitam, Bernard La Scola: Diversity of Amoeba-Associated Giant Viruses Isolated in Algeria. In: Diversity, Band 12, Nr. 6, Special Issue Giant Virus Biology and Biodiversity, 215, 29. Mai 2020, doi:10.3390/d12060215.
  8. a b c Disa Bäckström, Natalya Yutin, Steffen L. Jørgensen, Jennah Dharamshi, Felix Homa, Katarzyna Zaremba-Niedwiedzka, Anja Spang, Yuri I. Wolf, Eugene V. Koonin, Thijs J. G. Ettema: Virus Genomes from Deep Sea Sediments Expand the Ocean Megavirome and Support Independent Origins of Viral Gigantism. In: mBio Band 10, Nr. 2, März–April 2019, S. e02497-18; doi:10.1128/mBio.02497-18, PMC 6401483 (freier Volltext), PMID 30837339, ResearchGate:331531846 (englisch).
  9. a b ICTV: Taxonomy Browser.
  10. C. Bertelli, L. Mueller, V. Thomas, T. Pillonel, N. Jacquier, G. Greub: Cedratvirus lausannensis - digging into Pithoviridae diversity. In: Environmental Microbiology, Band 19, Nr. 10, Oktober 2017, S. 4022–4034, Epub 14. August 2017, doi:10.1111/1462-2920.13813, PMID 28618143 (englisch).
  11. Ludmila Karen dos Santos Silva, Ana Cláudia dos Santos Pereira Andrade, Fábio Pio Dornas, Rodrigo Araújo Lima Rodrigues, Thalita Arantes, Erna Geessien Kroon, Cláudio Antônio Bonjardim, Jônatas Santos Abrahão: Cedratvirus getuliensis replication cycle: an in-depth morphological analysis. In: Scientific Reports, 5. März 2018, S. 4000; doi:10.1038/s41598-018-22398-3, PMID 29507337 (englisch).
  12. Rodrigo Araújo Lima Rodrigues, Julien Andreani Andreani, Ana Cláudia dos Santos Pereira Andrade, Talita B. Machado, Souhila Abdi, Anthony Levasseur, Jônatas Santos Abrahão, Bernard La Scola: Morphologic and Genomic Analyses of New Isolates Reveal a Second Lineage of Cedratviruses. In: Journal Of Virology, Band 92, Nr. 13, 1. Juli 2018, pii: e00372-18; doi:10.1128/JVI.00372-18, PMID 29695424, Epub 13. Juni 2018 (englisch).
  13. Victória Fulgêncio Queiroz, Rodrigo Araújo Lima Rodrigues, Jônatas Santos Abrahão: Create 3 new families, 3 genera, and 7 new species within the order Pimascovirales (phylum Nucleocytoviricota).. Proposal 2023.011F, Juni 2023 (englisch).
  14. ICTV: Virus Metadata Resource (VMR).
  15. NCBI Taxonomy Browser: Search: "*Cedratvirus *" (as wildcard).
  16. Julien Andreani, Jacques Jacques Yaacoub Khalil, Emeline Baptiste, Issam Hasni, Caroline Michelle, Didier Raoult, Anthony Levasseur, Bernard La Scola: Orpheovirus IHUMI-LCC2: A New Virus among the Giant Viruses. In: Frontiers in Microbiology. Band 8, 22. Januar 2018, ISSN 1664-302X, doi:10.3389/fmicb.2017.02643 (frontiersin.org [PDF]).
    Zitat: “… we recently described a new virus Cedratvirus A11 (Andreani et al., 2016) a possible new genus in the putative Pithoviridae family”
  17. a b c Jean-Marie Alempic, Audrey Lartigue, Artemiy E. Goncharov, Guido Gros​se, Jens Strauss, Alexey N. Tikhonov, Alexander N. Fedorov, Olivier Poirot, Matthieu Legendre, Sébastien Santini, Chantal Abergel, Jean-Michel Claverie: An Update on Eukaryotic Viruses Revived from Ancient Permafrost . In: MDPI: Viruses, Band 15, Nr. 2, S. 564, Special Issue Research Progresses of Giant Viruses; doi:10.3390/v15020564. Dazu:
  18. Cedratvirus N38 (species). NCBI.