Der wunderliche Spielmann

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Der wunderliche Spielmann ist ein Märchen (ATU 38, 151). Es steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 8 (KHM 8).

Inhalt

Ein Geiger wandert durch den Wald. Aus Langeweile will er einen Freund herbeigeigen. Doch den Wolf, der kommt um von ihm Spielen zu lernen, will er nicht. Er lässt ihn die Pfoten in einen hohlen Baum legen und beschwert sie mit einem Stein. Er lässt ihn warten und geht weiter. Ähnlich geht es einem Fuchs, dem er die Pfoten an zwei Haselnussstrauchkronen bindet und einem Häschen, das er mit einer Schnur um den Hals um eine Espe hüpfen lässt, bis es festsitzt. Der Wolf kommt los und befreit die anderen. Sie wollen den Spielmann zerreißen. Doch der hat inzwischen einen Holzhacker gefunden, der bezaubert zuhört und ihn mit der Axt vor den Tieren in Schutz nimmt. Einen Menschen hatte der Spielmann gesucht. Er spielt erneut zum Dank und geht weiter.

Herkunft

Das Märchen steht in Grimms Kinder- und Hausmärchen ab 2. Auflage von 1819 an Stelle 8 (anstelle Die Hand mit dem Messer aus der 1. Auflage). Ihre Anmerkung notiert „Aus Lorsch bei Worms“, vergleicht Orpheus und „ein ähnliches Märchen bei den Sachsen in Siebenbürgen, wie Haltrich Nr. 50 bemerkt.“ Das grundlos grausame Verhalten des Spielmanns erklären sie mit Unvollständigkeit der Überlieferung.

Zum Einklemmen unholder Wesen vgl. KHM 4, 20, 91, 99, 114, 161, 196. Hans-Jörg Uther nennt das mittelalterliche Tierepos Roman de Renart als frühes Beispiel für Selbstschädigung eines Tieres durch List eines anderen (Eid aufs Eisen).[1] Vgl. Die Wünschdinger in Ludwig Bechsteins Neues deutsches Märchenbuch.

Interpretation

Auffallend sind die Beschreibung, dass er hin und her dachte, bis „für seine Gedanken nichts mehr übrig war“, die Verniedlichungsformen „Füchslein“, „Häschen“ (vgl. KHM 126: „Riesechen, Vögelchen“), und das Quälen der Tiere. Der Wald wird in Märchen oft als Unbewusstes voll urtümlicher Triebregungen gedeutet, nach denen der Spielmann aber hier kein „Verlangen“ trägt.

Eugen Drewermann deutet den Spielmann, der Tiere anlockt, nur um sie von sich wegzuschicken, als Versuch, seine ursprünglichen Triebregungen zu verleugnen, vielleicht um menschlicher zu werden. Dies führt zu einer Abstraktion von Gefühl und Empfinden, was den Riss zwischen Kunst und Leben vertieft und ihn unlebendiger macht.[2]

Literatur

  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 77-79. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
  • Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 31, S. 445. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)
  • Uther, Hans-Jörg: Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Berlin 2008. S. 19-20. (de Gruyter; ISBN 978-3-11-019441-8)
  • Breitkreuz, Hartmut: Einklemmen unholder Wesen. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 3. S. 1261–1271. Berlin, New York, 1981.
  • Drewermann, Eugen: Lieb Schwesterlein, laß mich herein. Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet. 11. Auflage 2002, München. S. 123-124. (dtv; ISBN 3-423-35050-4)

Einzelnachweise

  1. Uther, Hans-Jörg: Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Berlin 2008. S. 19-20. (de Gruyter; ISBN 978-3-11-019441-8)
  2. Drewermann, Eugen: Lieb Schwesterlein, laß mich herein. Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet. 11. Auflage 2002, München. S. 123-124. (dtv; ISBN 3-423-35050-4)

Weblinks