Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte

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Die Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e. V. (DGUF) ist mit mehr als 700 Mitgliedern die größte deutschlandweit auf dem Gebiet der Ur- und Frühgeschichte tätige Vereinigung, in der an Archäologie interessierte Bürger ebenso wie Wissenschaftler zusammengeschlossen sind, und sie ist der einzige bundesweite Verband für Ur- und Frühgeschichte, der persönliche Mitglieder aufnimmt.

Namen und Gründungsgeschichte

Unruhe und ein Veränderungswille erreichten 1968 auch das Fach Ur- und Frühgeschichte. Studenten fanden sich zusammen im „Schleswiger Kreis“, um die Kommunikation zwischen den Instituten zu verbessern, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen der Archäologie und den Nachbarwissenschaften zu verstärken und dadurch neue Impulse in die Ur- und Frühgeschichte zu tragen. Programmatisch war der Titel der vom Schleswiger Kreis herausgegebenen Zeitschrift „Informationsblätter zu Nachbarwissenschaften der Ur- und Frühgeschichte“, die von 1970 bis 1976 erschien.

Die Initialzündung für die Gründung der DGUF - Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte kam von außen: Anfang 1969 wurde ein bundesweiter Aufruf durch Bolko Freiherr von Richthofen an die Universitäten, die „Gesellschaft für deutsche Vorgeschichte“ neu zu gründen, eine Nachfolgeorganisation der von Gustaf Kossinna gegründeten Mannusgesellschaft, die maßgeblich an der völkischen Ausrichtung der deutschen Urgeschichtsforschung zur Zeit des Nationalsozialismus beteiligt war. Aufgeschreckt von dieser Ankündigung riefen Mitglieder des „Schleswiger Kreises“ spontan zu einer Gründungsversammlung zusammen. Ziel war es, den Namen zu besetzen, damit er von Dritten nicht mehr genutzt werden konnte. So wurde von 17 Studenten und jüngeren Wissenschaftlern der Institute in Köln, Marburg und Freiburg i. Br. die „Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e. V.“ gegründet und am 27. Oktober 1969 in das Vereinsregister beim Amtsgericht Bonn eingetragen. Der dann von Bolko von Richthofen wiedergegründete Verein wich auf den Namen „Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte (Bonn)“ aus, die wiederbelebte Zeitschrift Mannus wurde 1994 nach 24 Ausgabe eingestellt.

Ziele

Die DGUF versteht sich als unabhängige Vereinigung von Ur- und Frühgeschichtlern und als Teil der Zivilgesellschaft, sie vertritt die Interessen der Archäologie auch gegenüber etablierten Institutionen und gegenüber der Politik. Insbesondere auf europäischer Ebene wirkt sie an der Ausgestaltung von Regelungen und Gesetzgebungsverfahren mit. Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Entwicklungen in der Archäologie, Autonomie gegenüber den etablierten Altertumsverbänden und ein kritischer Umgang auch mit der Geschichte des eigenen Faches prägen die DGUF seit ihrer Gründung 1969.

Im Jahr 1972 erschien das erste Heft der eigenen Zeitschrift „Archäologischen Informationen“. Ein besonderes Element dieser Fachzeitschrift ist ihre Offenheit für interdisziplinäre Themen und das „Forum“, in dem kontroverse Themen in miteinander diskutierenden Artikeln behandelt werden können. Seit 2013 erscheint die Zeitschrift im "Platinum Open Access".[1] Seit 1987 gibt die DGUF auch eine Schriftenreihe heraus, die „Archäologischen Berichte“, die ebenfalls im Open Access erscheinen.[2] Im August 2016 hat die DGUF die Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen unterzeichnet.[3]

Seit 1997 unterhält sie eine Website, und sie gibt seit März 2012 den DGUF-Newsletter heraus, der auch für Nichtmitglieder kostenlos abonnierbar ist. Die DGUF führt jährlich eine Tagung durch und verleiht seit 1999 den „Deutschen Archäologiepreis“. Die Gesellschaft sieht sich als Forum für Gedankenaustausch und Zusammenarbeit in allen Bereichen der Ur- und Frühgeschichte, vom Kulturlandschaftsschutz bis hin zu epochenorientierten archäologischen Fragestellungen. Sie will die Anliegen der Archäologie in der Öffentlichkeit fördern und fachpolitische Anstöße geben. So hat sie z. B. wiederholt im Vorfeld von Wahlen in "Wahlprüfsteinen" Fragen an die zur Wahl stehenden Parteien gestellt[4], um Wählern deren unterschiedliche Positionen zu öffentlich relevanten Themen der Archäologie und Denkmalpflege deutlich zu machen. Das Heraustragen archäologischer Belange aus der Fachdiskussion in die Öffentlichkeit, die Klärung von Studien- und Berufsfragen sind Themen, um die sich innerhalb der deutschen Archäologie vor allem die DGUF kümmert. Als weitere Konsequenz des Bemühens um eine interdisziplinäre und auch über die engere Fachöffentlichkeit wirkende Archäologie war 2012-14 der Arbeitskreis DGUF-Zotero tätig, der auf Basis der offenen Software Zotero die öffentlich zugängliche Literaturdatenbank „Archaeology DGUF“ einrichtete („Crowdsourcing“).

Struktur

Der alle zwei Jahre neu gewählte Vorstand vertritt die Gesellschaft. Der Vorstand wird durch einen wissenschaftlichen Beirat unterstützt. Für spezielle Aufgaben und Interesse können Arbeitskreise gegründet werden; zur Zeit aktiv ist der Arbeitskreis Kulturgutschutz, der sich für einen besseren Schutz archäologischer Denkmale einsetzt. Er macht auf das Problem fehlender Herkunftsnachweise für Antiken aufmerksam, kommentierte 2015 den Referentenentwurf des Kulturgutschutzgesetzes[5], gibt Handreichungen heraus[6] und fordert auch für Deutschland eine sach- und fachgerechte Anwendung der UNESCO-Kulturgüterschutzkonvention.

Jahrestagung

Wesentliches Element der Vereinsaktivitäten ist seit 1970 die Ausrichtung einer jährlichen Tagung.[7] Seit 1999 wird im Rahmen der Jahrestagung auch der Deutsche Archäologiepreis verliehen. Die Jahrestagung findet jeweils an den drei Tagen nach Christi Himmelfahrt statt. Nach Jahrestagungen in Erfurt (2011), Dresden (2012), Erlangen (2013), Berlin (2014), Tübingen (2015) und Berlin (2016) findet die nächste Jahrestagung am 3.-8. Juli 2017 in Mainz statt.

Studienpreis der DGUF

2013 hat die DGUF erstmals den 2012 begründeten Deutschen Studienpreis für Archäologie verliehen. Ausgezeichnet wurde Reena Perschke aus Berlin für die Arbeit Ausgrabungen und Zerstörungen an den Megalithen von Carnac während der deutschen Besatzung der Bretagne (1940-1944)[8],[9]. Die Auszeichnung 2014 ging an Alexander Weide für seine Arbeit On the Identification of Domesticated Emmer Wheat, Triticum turgidum subsp. dicoccum (Poaceae), in the Aceramic Neolithic of the Fertile Crescent.[10] Die Auszeichnung 2016 ging an Rashida Hussein-Oglü für ihre Arbeit Spätbronze- und früheisenzeitliche Grabkeramik in Westfalen: Typologische Klassifikation und Chronologie.[11]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Redaktion Archäologie Online, DGUF: "Eine neue Kultur des Lesens: Die 'Archäologischen Informationen' im Open Access". 4. April 2016, abgerufen am 4. Juli 2016.
  2. Archäologische Berichte. In: www.dguf.de. Abgerufen am 4. Juli 2016.
  3. Berliner Erklärung: Signatoren. Max-Planck-Gesellschaft, 1. August 2016, abgerufen am 1. August 2016.
  4. Näheres auf der Website der DGUF unter "Die Wahlprüfsteine der DGUF"
  5. DGUF zur Verabschiedung des Kulturgutschutzgesetzes im Juni 2016. In: www.dguf.de. Abgerufen am 4. Juli 2016.
  6. Handreichungen des DGUF-Arbeitskreises "Kulturgutschutz". In: www.dguf.de. Abgerufen am 4. Juli 2016.
  7. Vergangene Tagungen der DGUF. In: www.dguf.de. Abgerufen am 4. Juli 2016.
  8. Perschke, R. (2014). Ausgrabungen und Zerstörungen an den Megalithen von Carnac während der deutschen Besatzung der Bretagne (1940-1944). Archäologische Informationen 37, 2014, 81-152. doi:10.11588/ai.2014.0.18196.
  9. Laudatio: Halle, U. (2014). Laudatio zur ersten Verleihung des Studienpreises der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte an Reena Perschke. Archäologische Informationen 37, 2014, 77-80. Open Access: [1].
  10. Weide, A. (2015). On the Identification of Domesticated Emmer Wheat, Triticum turgidum subsp. dicoccum (Poaceae), in the Aceramic Neolithic of the Fertile Crescent. Archäologische Informationen 38, 2015, 381-424. Open Access: [2]
  11. 2016: Deutscher Studienpreis für Archäologie an Rashida Hussein-Oglü. In: www.dguf.de. Abgerufen am 4. Juli 2016.